Zur Geburt bekomme ich ein Sparbuch. Ich weiß nicht, ob so etwas damals noch von den Eltern oder Großeltern eingerichtet wurde, oder ob die Sparkassen schon so durchtrieben waren, jedem Kind zur Geburt ein Sparbuch mit 5 DM zu schenken.
Die Bank hat fünf Filialen im Landkreis, eine vierstellige Telefonnummer und einen Fernschreiber:
Über die Jahre zahlen die Eltern und Großeltern dort zu Geburtstagen und anderen Anlässen Geld ein. Auch der Inhalt der drei Spardosen, die meine Geschwister und ich besitzen*, wird regelmäßig aufs Sparbuch eingezahlt. Zu diesem Zweck kommt einmal jährlich, am Weltspartag, die Sparkasse in die Grundschule, wo alle Spardosen in eine Geldzählmaschine geleert und die Inhalte gutgeschrieben werden. Das geschieht bereits automatisch mit einer fortschrittlichen Maschine, die das Sparbuch einzieht und bedruckt.
Am Weltspartag 1977 enthält meine Spardose 15,85 DM.
Je nachdem, wie viel Geld man mitbringt, darf man sich dann entweder ein kleines, schäbiges Geschenk aussuchen oder ein etwas größeres, äußerst prachtvolles. Der Hauptgewinn ist die Spardose in Elefantenform, in deren Nähe ich nie gelange, weil in meiner Spardose immer zu wenig Geld ist. Mehr als eine kleine glasperlenbesetzte Geldbörse aus Plastik bekommt man dafür nicht.
Auf das Sparbuch wird nur eingezahlt, wir heben nie Geld ab. Außer zum Weltspartag gibt man es mir gar nicht in die Hand. Jugendliche unter 16 Jahren dürfen sowieso kein Geld abheben, wie in der zweiten Abbildung von oben auf der linken Seite zu erkennen ist.
1988 lege ich mir zwecks Finanzierung des Führerscheins ein Postsparbuch zu.**
Bei der Postbank ist man nicht ganz so fortschrittlich wie bei der Sparkasse und vermerkt die Ein- und Ausgänge handschriftlich:
Für Ein- und Auszahlungen begibt man sich mit dem Sparbuch auf ein Postamt und füllt mit den dort angeketteten Kugelschreibern einen Ein- oder einen Rückzahlungsschein aus.
Zum Sparbuch gehört eine kleine Ausweiskarte aus festem Papier:
Mit dem Sparbuch, dem Ein- oder Rückzahlungsschein, der Ausweiskarte und bei Einzahlungen auch dem Bargeld begibt man sich dann zum Schalter und lässt einen neuen handschriftlichen Eintrag machen.
Kurze Zeit später eröffne ich ein richtiges Konto bei einer Bank. Sogar eine Karte für den Geldautomaten bekomme ich. Die gilt allerdings*** ausschließlich für den Geldautomaten dieser einen Filiale.
* Diese Spardosen stammen ebenfalls von der Sparkasse, so sehen sie aus. Jedes Kind hat seine eigene Farbe, zur zusätzlichen Kennzeichnung tragen die Dosen silberne Anfangsbuchstaben-Aufkleber.
** Die Überlegungen dahinter sind 2015 nicht rekonstruierbar; vielleicht war es billiger als ein reguläres Bankkonto, oder vielleicht konnte man Bankkonten nur eröffnen, wenn man volljährig war.