Rezension eines Grashüpfers */*****

Der Grashüpfer ist grün. Er prangt auf einem Buch, dreißig Zentimeter groß, durchkomponiert, in Szene gesetzt, eine Galleonsfigur der Lokalbiologie, gleichzeitig relateable wie ein Woody Allen-Charakter und doch in seiner Präzision und Vergrößerung so korrekt, so sediert, als wäre er schon seziert, analysiert und DIN-genormt von der behäbigsten Behörde der Welt.

Der Grashüpfer ist grün und eine Farce. Man müsste wahrscheinlich schwachsinnig oder selbst ein Grashüpfer sein, um sich von diesem Grashüpfer und seiner gigantischen, autorität-in-anspruch-nehmenden Abbildung einlullen zu lassen. Natürlich hat das Viech viele Eigenschaften. Würde man das Buch aufschlagen, würde man sie erfahren. Aber es gibt eigentlich nur eine, die wirklich prominent sein sollte. Seine alles überdeckende Nutzlosigkeit.

Der Grashüpfer ist weltumspannend nutzlos. Er hat fette, nutzlose Facettenaugen, kräftige, nutzlose Sprungbeine, mit denen er nutzlos durch die Gegend springt und einen fetten, nutzlosen Heuschreckenarsch, der für weiß Gott was so außer jeder Proportion groß und nutzlos ist. Man könnte jedes dieser nutzlosen Graßhüpferkörperteile benennen, aufmalen und vergrößern, bis man die Zellwände aneinanderwabern sieht, und es würde sich kein weiterer Nutzen daran finden.

Manchmal machen Grashüpfer, wenn sie nicht gerade nur Abbildungen auf einem Biologiebuch sind, auch nutzlose Geräusche. Dann klingen sie, weil sie keine coolen Grillen sind, wie ein hundertfach verlangsamter Popsong von Nicki Minaj. Sie klingen dann wie Super Bass oder wie Starships, aber auf einem Mp3-Player aus der Hölle, der die Mp3-Dateien zerfressen hat wie die angefressenen Zellwände in den nutzlosen Heuschreckenärschen. Klängen diese Taugenichtse wenigsten wie ein hundertfach verlangsamtes „Anaconda“ von Nicki Minaj? Dann könnte man ja noch einmal über den Nutzen diskutieren. Aber so ist es ein hoffnungsloser Fall.

Man kann es nicht anders beurteilen. Heuschrecken sind ein Scam der Biologie und dieses Naturkundebuch grenzt an ein Kartell, eine Mafia, wenn es versucht, diese Schnorrer auch noch via Payola zur Prominenz zu bringen. Heuschrecken zahlen keine Steuern, schreiben keine Abschlussarbeiten über Brunnen in der japanischen Postmoderne und man wird nicht einmal high, wenn man an ihnen leckt. Sollte es einen Gott geben, der diese Zumutungen an den guten Geschmack so abgesegnet hat, sollte man ihm eine gepfeffert schlechte Bewertung hinterlassen.

Autorenbild unterm Text Yannick

Autor: Yannik Gölz

Beobachtung: Der Versuch, in allem etwas besonderes zu erkennen.

Inferno in Pastell

In der Kantine vermischen sich die Abteilungen und Stockwerke. Die Menschen sind formloser, verlieren den starren und professionellen Blick, stehen in kleinen Grüppchen und warten auf freie Tische, während sie sich bemüht mit ihren Schreibtisch-Kopiloten unterhalten. Mich haben sie an die Wand gesetzt, unter dem Logo, das wie das Kreuz des Südens über den weiten und ausgiebigen Hallen prangt. Neben mir haben ein neu eingestellter Print-Korrespondent und der armenischen Hausmeister Platz genommen, wir essen Limetten-Tofu mit Quinoa und spanischem Wirsing aus Hundeschalen. Hätten wir gewollt, hätte man uns auch vollmundigen Weißwein in einem Aschenbecher serviert. Zwischen den Bissen kaue ich Sonnenblumenkerne, um den Geschmack zu vertreiben. Der Raum leuchtet in Pastellfarben. „Inferno in Pastell“ weiterlesen

Vielleicht waren die Böen in der Fremde einst die Böen daheim

Ein launischer Wind geht durch das Blätterdach, beschwingt das sich verfärbende Laub und weht die letzte Wärme des vergangenen Sommers davon. Über die letzten Tage gab es immer wieder Stürme und Regenschauern, aber dann wird es doch wieder so selbstverständlich sonnig, dass man es drinnen gar nicht mehr aushalten mag. „Vielleicht waren die Böen in der Fremde einst die Böen daheim“ weiterlesen

Institution

Ich war ein wenig von meiner Unsicherheit erschrocken. Zu bemerken, wie schwer es mir fällt, durch die Automatiktür des Wolkenkratzers mit der glänzenden, gläsernen Fassade zu gehen. Wie schwer mein Atem geworden war, wie wirr meine Gedanken. Ich schwitze, als ich mein Hemd unter dem Anzug zurechtzupfte und mein Blick hilflos durch das Rezeptionsfoyer streift. Hellblau. Die ganzen Armaturen, die Theke und die polierten Möbel leuchteten in futuristischem Hellblau oder in klinischem Weiß. Nur vereinzelte, mattschwarze Ledergarnituren brechen hier und da durch den Farbcode der Sitzbereiche und schaffen Akzente zwischen den komplett abgerundeten Formen und Flächen. „Institution“ weiterlesen

Titelbilder (2)

2017, voranschreitende Optimierung der Welt. Es ist eine ganze Weile her, seit der Elfenbeinturm in die Geschichte hinausgerufen hat, aber die Eulen flogen irgendwann mit Antworten beladen wieder ins Haus. Hinter dem Torwächter sitzt nun ein Marketingteam mit einem diversen Cast an PR-Spezialisten, die die Generationenmanifeste von so etwa zweieinhalbtausend Jahren Menschheit auswerten.

Die Stimmung ist ausgelassen, man trinkt Champagner und isst Schnittchen, es sind zwar eine ganze Menge Texte, aber der Algorithmus ist bereits aufgesetzt. Jetzt muss man die Nullen und Einsen nur noch rattern lassen, dann lässt sich das Fazit destillieren und hübsch aufbereiten. „“ weiterlesen

Socken kaufen (4).png

Immer, wenn ich während zu langer Busfahrten etwas zu pathetische Musik höre, entwickle ich das Gefühl, dass es den einen Gedanken geben muss, den ein jeder sofort unterschreiben würde und für den es sich blind zu kämpfen lohnt. Die Weltretter-Idee, das Generationenmanifest, das alle Sorgen und Probleme zusammenfasst, ihnen triftige und fundierte Lösungen entgegenbringt und uns allen den Weg in eine fantastische, Valencia-gefilterte Zukunft eröffnet. „“ weiterlesen

Socken kaufen (1)

Über Tübingen zu lernen ist im Grunde Zeitverschwendung. Jeder sieht das so, ob man es nun aussprechen mag oder nicht, die Stadt und die Universität mit dem Einzugsgebiet aller Dörfer im Umkreis von bis zu zwei Stunden Fahrzeit versprüht den Flair eines Provinzbahnhofs, irgendwo zwischen pitoreskem Postkartenmotiv oder mit zittriger Hand verfasster Go Vegan-Graffitibotschaft. „“ weiterlesen

Titelbild mit kartoniertem Lebensgefühl gegen die transzendentale Obdachlosigkeit

Das Kaufverhalten missverstandener Teenager (Fachsprech: „Angsty“) ist der wahre Spiegel des postmodernen Westens. So etwas ähnliches hätte Nietzsche gesagt, hätte er zur Zeit seines Schaffens im Jahre 2017 gelebt. Wäre er im Jahre 2017 allerdings erst fünfzehn oder sechzehn Jahre alt gewesen, hätte er statt zu schreiben vermutlich Musik von den Twenty-Øne-PilØts gehört und tiefes Verständnis für die grenzdebile Schreibweise ihres Namens aufgebracht. Etwa fünfzehn Jahre früher hätte er „Hybrid Theory“ von Linkin Park zu seinem Lebensinhalt erklärt. In beiden Fällen hätte er Kippen geraucht, sich mit seinen Eltern gestritten und sich in der Welt isoliert, unverstanden und einsam gefühlt. „“ weiterlesen

titelbild feedback

Drei Stunden bis Feierabend. Operation „Zeit totschlagen“. Blick runter vom Desktop, leichte Bürostuhldrehung, Manöver „Hat-sich-auf-Whatsapp-in-den-letzten-drei-Minuten-etwas-getan“. Erwarte negativen Ausgang, werde positiv überrascht. Whatsapp-Bling:

[[FLO: Hey Yannik, hast du noch ’nen Beat so auf 70-80 bpm rumliegen? Hab mal wieder was melancholischeres getextet :)]]

Blick zurück zum Desktop, wechsele den Tab zum Office Writer, prüfe kurz meine Kollegen. Eine guckt. Ich tippe ein Wort aus der Pressemitteilung ab, langsam, zögerlich „und der Brand…in…Bamberg…hinterließ…einen…JETZT GUCK SCHON WIEDER WEG DU FUTT“, Desktop macht den Facebook-Bling, ich drehe mich vorher zum Handy zurück: „“ weiterlesen