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Gleichstellung jetzt – für ein menschenwürdiges Leben in der Zukunft

Bettina Jahn von UN Women Deutschland e.V. hat über die Auswirkungen der Klimakrise geschrieben und, weshalb sie vor allem Frauen treffen.

Bild: Callum Shaw auf Unsplash

Es ist ein wissenschaftlicher Fakt und inzwischen den meisten Menschen in Deutschland klar, dass die Klimakrise einem Leben in Würde entgegensteht. Für einen großen Teil der Menschheit ist das heute schon Realität und in (naher) Zukunft wird die Lage noch bedrohlicher werden.

Was den meisten Menschen weniger klar ist: Die Klimakrise ist nicht genderneutral. Frauen und Männer tragen unterschiedlich zu den Ursachen des Klimawandels bei, gehen unterschiedlich damit um und werden unterschiedlich von den Auswirkungen getroffen. Auf der ganzen Welt sind es Frauen und Mädchen, die besonders heftig unter den vielfältigen Folgen des Klimawandels leiden. Vor allem, weil sie den größten Teil der armen Menschen in der Welt ausmachen und in vielen Bereichen weiterhin stark benachteiligt sind. Kommen weitere Diskriminierungsformen hinzu, etwa bei Indigenen oder Schwarzen Frauen, bei älteren Frauen, LGBTQI+, Migrantinnen und behinderten Frauen, erhöht sich das Risiko weiter.

Die Auswirkungen der Klimakrise sind sexistisch

So lange die Grundrechte von Frauen auf der ganzen Welt eingeschränkt werden, bleibt ihnen ein Leben in Würde verwehrt. Diskriminierungen und Ungerechtigkeiten werden durch Krisen weiter befeuert, was sich am Beispiel von Naturkatastrophen verdeutlichen lässt. Frauen und Kinder sterben etwa bei Überschwemmungen oder Tsunamis mit einer 14-mal höheren Wahrscheinlichkeit als Männer: Sie halten sich vermehrt zu Hause auf und werden so später gewarnt oder können seltener schwimmen. Traditionelle lange Kleidung, die Verantwortung für Kinder und andere Angehörige und die eingeschränkte Bewegungsfreiheit im öffentlichen Raum erschweren die Flucht zusätzlich. Wenn die Flucht gelingt, sind Frauen und Mädchen einem hohen Maß an Gewalt ausgesetzt. Häusliche und sexualisierte Gewalt, Zwangsheiraten und Ausbeutung steigen in und nach Krisen deutlich an. Da Frauen weniger Einkommen, finanzielle Rücklagen oder Besitz haben, finden sie nach einer Katastrophe sehr viel schwieriger zurück auf die Füße. Durch Extremwetterereignisse steigen zudem die Kinder- und Müttersterblichkeit.

Wir müssen Frauen und Mädchen auf der ganzen Welt stärken und die Gleichstellung der Geschlechter unter Hochdruck umsetzen, damit alle Menschen ein gesundes, würdevolles und sicheres Leben führen können. Nur wenn alle über die gleichen Rechte und Chancen verfügen, haben alle dieselben Möglichkeiten, mit der Klimakrise umzugehen und sich für die Eindämmung des Klimawandels einzusetzen. Bestehende Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern müssen also schnellstmöglich und nachhaltig beendet werden!

Frauen als wichtige Change Maker

Doch Frauen sind nicht nur Opfer der Klimakrise: Weltweit sind es vor allem junge Frauen, die die Klimabewegungen anführen. Häufig werden Klima- und Umweltaktivistinnen aber nicht gehört und kaum unterstützt. Im Gegenteil: Aktivistinnen werden vielfach belächelt und verniedlicht, sind Bedrohungen und Gewalt ausgesetzt. Wir alle haben schon von den Hasskommentaren gegen Greta Thunberg oder den sexistischen Sprüchen gegen Luisa Neubauer gehört. Bekannt ist auch der Mord an der honduranischen Umweltaktivistin Berta Cáceres. Aktivistische Frauen und feministische Organisationen müssen auf der ganzen Welt geschützt, unterstützt und gehört werden, denn sie können einen wirklichen Wandel bewirken.

In den meisten Machtpositionen sitzen aber weiterhin vor allem Männer. Weltweit sind nur ein Viertel der Parlamentarier*innen Frauen, auf der Weltklimakonferenz 2019 lag der Frauenanteil in den Gremien bei durchschnittlich 33 Prozent. Von zivilgesellschaftlichen Klimabewegungen über die nationale Klimapolitik bis zu internationalen Klimaverhandlungen: Frauen müssen gleichberechtigt an allen Verhandlungstischen sitzen und Entscheidungen mittreffen! Die Perspektiven und Bedürfnisse derjenigen, die heute am stärksten vom Klimawandel betroffen sind, müssen die Lösungen für Morgen mitbestimmen.

Auch in Deutschland relevant

Denken wir an den Klimawandel und Gender, kommen uns häufig Bilder von Dürren und Überschwemmungen im Globalen Süden in den Kopf. Oft denken wir an Frauen, die weitere Strecken zurücklegen müssen, um Trinkwasser zu holen. Das sind sehr wichtige Aspekte, aber auch hier bei uns herrscht längst keine Gleichstellung der Geschlechter und die Auswirkungen des Klimawandels sind zunehmend spürbar. Um ein Beispiel zu nennen: Hier in Deutschland verdienen Frauen im Schnitt 18 Prozent weniger als Männer; von Frauen geführte Haushalte sind fast doppelt so stark von Energiearmut betroffen wie Haushalte mit männlichem Haushaltsvorstand. Politische Maßnahmen, die als Klimalösung die Energiepreise erhöhen, müssen dies berücksichtigen.

Gleichstellung in der Klimapolitik

Damit wirklich alle von Klima-, Umwelt- und Katastrophenschutzmaßnahmen profitieren und allen Menschen ein Leben in Würde ermöglicht wird, muss die Geschlechtergerechtigkeit im Zentrum stehen. Das bedeutet zunächst, dass die Klimapolitik geschlechtsspezifische Benachteiligungen nicht verstärken darf und Maßnahmen allen Menschen gleichermaßen zu Gute kommen müssen.  Klimapolitik sollte aber auch ganz konkret zu einem würdevollen Leben für alle Menschen beitragen und letztlich auf eine ganzheitliche Transformation zu einer klimafreundlichen, inklusiven, geschlechtergerechten und fairen Gesellschaft zielen.

Für eine zukunftsfähige Welt müssen wir Frauen und Mädchen weiter stärken, ihnen den Zugang zu Bildung, Ressourcen und Rechten sichern und ihnen ausreichend Plätze an den Verhandlungstischen der ganzen Welt verschaffen. Gleichstellung jetzt – für ein menschenwürdiges Leben in der Zukunft!

Bettina Jahn ist Referentin für Presse, Kommunikation und Bildung bei UN Women Deutschland. Nach dem Studium der Regionalwissenschaften Lateinamerika in Köln und Buenos Aires arbeitete sie für mehrere Nichtregierungsorganisationen in Deutschland und Südafrika in den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit, Bildung und Fundraising. Seit 2017 arbeitet sie für UN Women Deutschland und setzt sich für intersektionalen Feminismus ein.

UN Women Deutschland e.V. ist ein gemeinnütziger Verein und eines von weltweit 12 Nationalen Komitees, die auf Länderebene die Arbeit von UN Women zur Gleichstellung der Geschlechter und Stärkung von Frauen durch Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising unterstützen.