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Jupp, Jupp, Hurra

Eine lange, ereignisreiche Spielzeit geht zu Ende, ohne Thomas Schaaf, dafür mit dem besten Jupp Heynckes aller Zeiten, einem tief gefallenen Uli Hoeneß und, na klar, Sascha Mölders. Hier ist unsere 11 der Saison.

Foto: sportfotodienst / 11FREUNDE

Tim Wiese
Irgendwann im Verlauf der Hinrunde beschlich den ein oder anderen Kollegen ein seltsames Gefühl. Eine Art Stechen in der Brust, gepaart mit einer Kurzatmigkeit, immer wenn vom neuesten Tiefschlag für Tim Wiese bei der TSG Hoffenheim die Rede war. Was zunächst als der unausweichliche Redaktions-Verfettungs-Herzinfarkt fehlgedeutet wurde, stellte sich in Wirklichkeit als etwas viel Eigenartigeres heraus: Mitleid. Denn Tim Wieses Saison war derart katastrophal, dass man nicht mehr anders konnte, als Mitgefühl für den ansonsten durchaus streitbaren Ex-Nationalkeeper zu empfinden. Die Gesamtheit der Tiefschläge wirklich  aufzuarbeiten, würde den Rahmen des Artikels sprengen, aber auf Schlagworte reduziert, verlief Wieses Spielzeit in etwa so: Wechseltheater, Ausbootung in der Nationalelf, Blamage im DFB-Pokal, Abstiegskampf in der Liga, Verletzung, Rückkehr, Verletzung, Demontage, Trainerwechsel, Demontage, Abmahnung, Trainerwechsel, Demontage, Fast-Abstieg. Autsch, lautet unser Fazit. Andererseits: In Hoffenheim lief diese Saison derart viel schief, da fällt das Thema Wiese kaum noch auf.

Max Kruse
An dieser Stelle sollte eigentlich Freiburgs Trainer Christian Streich stehen, aber mit dessen Expertise, seinem angenehm kauzigen Wesen, den humorigen Pressekonferenzen und der beiläufig-uninteressierten Art, mit der er sein Haar trägt, beschäftigt sich derzeit eine eigens dafür eingerichtete 11FREUNDE-Task-Force, um die Ergebnisse in einem Sammelband über die Kunst des Coolseins festzuhalten. Da wir nichts vorwegnehmen wollen, muss Top-Scorer Max Kruse als Symbol für die Sensationssaison der Breisgauer herhalten. Im letzten Sommer für überschaubare 750.000 Euro nach Freiburg gewechselt, sprintete, schoss und assistete sich Kruse so beeindruckend durch die Liga, dass er nun das erste Mal für die Nationalmannschaft berufen wurde. Und auch wenn auf seiner Position nicht eben ein Mangel an talentierten deutschen Kickern herrscht, darf man mutmaßen: Das wird nicht Kruses letzte Nominierung gewesen sein. Und wohl auch nicht seine letzte Europapokal-Teilnahme.

Thomas Schaaf
Ähnlich hemmungslos geweint wie bei Thomas Schaafs Abschied von Werder Bremen wurde in der 11FREUNDE-Redaktion höchstens noch, als die Redaktions-Schokoriegelbox durch einen Obstkorb ersetzt wurde. Nur wissen wir beim Abschied des Bremer Trainers, dass das in keinster Weise irgendwie gut für uns ist. Er wird uns nämlich fehlen, der Thomas, mit seinem trockenen Humor und seiner knorrigen Art, mit der er Trainingsanzug tragend an den Seitenlinien der Liga stand und ein so willkommenes Gegenbild zum überdrehten Bundesligazirkus abgab. Nach über 40 Jahren Schaaf bei Werder Bremen will man dort nun einen Neuanfang wagen, mit einem „jungen, hungrigen Trainer“. Na gut, bitteschön. Wir hoffen aber trotzdem insgeheim auf die erste kleine Krise im Herbst und werden dann nicht eine Sekunde zögern, um Thomas Schaaf als neuen Trainer an der Weser ins Spiel zu bringen. Wir können uns Bremen ohne Schaaf nämlich einfach nicht vorstellen. Und wollen es auch gar nicht. Also auf die nächsten 40 Jahre. 

Jupp Heynckes
Magath weg, Schaaf weg, Heynckes ebenfalls – die Trainer vom alten Schlag (zu dem wir Schaaf alleine wegen seiner Knorrigkeit zählen) verschwinden nach und nach von der Bildfläche. Wäre nicht überraschend Peter Neururer, wir möchten sagen auferstanden, der Profifußball würde ganz den jungen, dynamischen Trainern bevölkert, die Ralf Rangnick für einen Alten Hasen halten und Medizinbälle nur noch aus Erzählungen kennen. Heynckes war in seiner letzten Bundesligasaison ein erfreulicher Beweis dafür, dass man kein hipper Mitvierziger sein muss, um als Trainer erfolgreich zu sein, denn selten zuvor hat eine Mannschaft eine Saison derart dominiert, wie Jupps Meisterbayern diese Spielzeit. Am Samstag nun knipste Heynckes auf der Bundesligabühne ein letztes Mal das rötliche Licht in seinen Wangen an, ausgerechnet in Gladbach, wo seine Karriere 1965 startete. Ein paar Tränen auf der Pressekonferenz gab es obendrein. Ob Heynckes die Saison mit dem ganz großen Wurf beenden wird, zeigt sich erst in einer Woche beim Champions-League-Finale. Aber auch so verabschiedet die Liga mit Heynckes ein prägendes Gesicht ihrer Geschichte.

Alex Meier
Am Samstag krönte Eintracht Frankfurt eine sensationelle Saison und zog als erster Aufsteiger seit 1998 direkt in den Europapokal ein. Dass dies so kam, war vor der Saison nicht unbedingt abzusehen und liegt auch an Alex Meier. Der schwang sich nämlich mit seinen mittlerweile 30 Jahren zu neuen Höchstleistungen auf und machte für einen Mittelfeldspieler überaus stattliche 16 Saisontore. Darunter viele wichtige, ohne die der Eintracht-Adler wahrscheinlich nicht so hoch geflogen wäre. Und während die beiden Mitaufsteiger aus Fürth und Düsseldorf fröhlich Niveau-Limbo spielten und Woche für Woche ihre Bundesligauntauglichkeit unter Beweis stellten, darf die Eintracht nächstes Jahr europäisch ran. Mit Meier. Und dank Meier.

Matthias Sammer
Stundenlang wurde getagt, denn wir konnten uns einfach nicht auf einen Spieler der Bayern einigen, an dem sich die unglaubliche Souveränität des Rekordmeisters festmachen ließ.  Der schnellste Mensch der Welt, Franck Ribéry? Frisurenwunder Dante? Everybody’s Darling Thomas Müller? Dominastian Chefsteiger? Jeder Einzelne hätte sich angeboten. Dass wir uns letztlich Matthias Sammer als Symbol der Münchner Dominanz herausgepickt haben, liegt erstens daran, dass wir ein bisschen Angst vor ihm haben. Und zweitens denken wir, dass Sammers Dauergemotze der ausschlaggebende Punkt für die 34 Spieltage währenden Bayern-Festspiele war. Denn während die Bayern den Spielbetrieb in Grund und Boden dominierten, wurde Sammer nicht müde, Konzentration anzumahnen. Selbst nach der gewonnenen Meisterschaft mahnte Sammer weiter und erlaubte den Spielern angesichts des anstehenden Champions-League-Halbfinals genau einen Kasten Bier – und wahrscheinlich auch den nur zähneknirschend. Bei der offiziellen Meisterfeier durften die Spieler dann zünftig feiern und auch Sammer wirkte gelöst. Aber wehe, das Champions-League-Finale geht in die Hose. Dann werden den Bayernspielern von Sammer die Haare gestutzt. Per Fluggrätsche.

Ilkay Gündogan
Niemand konnte erwarten, dass die Borussia aus Dortmund die letzten beiden Sahnejahre wiederholen würde. Was sie dann ja, zumindest in der Liga, auch nicht tat. In der Champions League hingegen lief es diese Saison ganz ausgezeichnet und der BVB ist für einige denkwürdige Partien verantwortlich, darunter das Lehrstück in Dramatik gegen Malaga. Am deutlichsten überrascht hat uns beim BVB Ilkay Gündogan, der vor nicht allzu langer Zeit von nicht allzu wenigen Leuten bereits als Fehleinkauf abgestempelt war. Und sich dann unerwartet zu einem der besten Sechser der Liga mauserte. Sogar Barcelona soll bereits angeklopft haben, Gündogan verlängerte aber seinen Vertrag. Warum sollte er auch wechseln? Die Champions League gewinnen kann er auch in Dortmund. Vielleicht, zumindest.

Stefan Kießling
Stefan Kießling und die Nationalmannschaft, das ist die bitterste Geschichte seit, nun ja, Martin Max und der Nationalmannschaft. Trotz 110 Toren und 49 Assists in 278 Bundesligaspielen, darf „Kieß“ seit geraumer Zeit nicht mehr mit zu Länderspielen fahren. Und durfte das, wenn man ehrlich ist, auch noch nie so richtig. Warum das so ist, weiß kein Mensch, vielleicht sollte er sich die Haare scheren und „Jancker“ aufs Trikot pflocken lassen. Aber wahrscheinlich lieber nicht. Jetzt hat Kießling eine Mitleidsnominierung für die USA-Reise der Nationalelf dankend abgelehnt. Als Nummer Acht in den Kader bemitleidet zu werden, wäre bei Kießlings Fähigkeiten doch ein arg bitteres Gnadenbrot gewesen. Da poliert er lieber seine Torjägerkanone, überlässt die Nationalmannschaftsreise den Nicolai Müllers dieser Welt und bereitet sich ordentlich auf eine weitere Saison vor, in der er wieder knipst wie am Fließband. Und wahrscheinlich trotzdem nicht nominiert wird.

Uli Hoeneß
Der Aufreger der Fußballsaison und höchstwahrscheinlich auch das persönliche Highlight einiger Steuerbeamter vom Finanzamt München ist der Fall des Uli Hoeneß. In über 40 Jahren als Spieler, Manager und Präsident des FC Bayern München hat Hoeneß nicht nur seinen Verein auf eine ganz andere Ebene als die nationale Konkurrenz gehievt; er hat sich dabei auch stets als wertekonservativer, hemdsärmeliger Mahner und Macher geriert, der sich auch über Dinge abseits des Fußballs äußerte und der dadurch irgendwann eine quasi-politische Aura  hatte. Dann aber der Skandal: Hoeneß zeigte sich selber wegen Steuerhinterziehung an, er hatte über Jahre die Gewinne seiner Börsenzockerei auf einem schweizerischen Konto geparkt und unversteuert gelassen. Einen Fall von solcher Tiefe hatte der deutsche Fußball seit der Causa Daum nicht mehr gesehen. Ausgerechnet Hoeneß, könnte man unken, wenn es nicht so traurig wäre, denn selbst eine Gefängnisstrafe ist nicht auszuschließen.

Sascha Mölders
Wie sehr sich Redaktionsliebling Sascha Mölders in unsere Herzen geackert hat, lässt sich am Besten daran erkennen, dass wir ihm ein eigenes Verb gewidmet haben: „möldern“. Jemand möldert, wenn er oder sie wie ein Wahnsinniger für eine Sache schuftet. Und wir benutzen es tatsächlich. „Der neue Praktikant möldert ganz schön“, heißt es beispielsweise lobend von den Chefs, oder tadelnd: „Bald ist Redaktionsschluss, also möldert mal ein bisschen“. Wir werden ab jetzt jeden Tag dafür möldern, dass dieses Wort Eingang in den Duden findet. Mindestens so sehr, wie Sascha Mölders seinen FC Augsburg zum sensationellen Klassenerhalt gemöldert hat. Glückwunsch dazu.

Heung-Min Son
Es ist uns eine Ehre, den Titel „Launische Diva“ aus Frankfurt zu entführen, um ihn feierlich dem HSV zu erreichen. Denn was die Hamburger in dieser Saison an Inkonstanz an den Tag legten, war schon wirklich bewundernswert. Auf Siege gegen Dortmund folgten Niederlagen gegen Augsburg, irgendwann gab es mal ein historisches 2:9 in München, eine Woche später wurde dann trotzdem wieder von der Champions League geträumt. Erfreulich an dieser Saison war in Hamburg eigentlich nur die Entwicklung von Heung-Min Son, dessen Stern in dieser Spielzeit endgültig aufging. Blöd allerdings, dass es Son allem Anschein nach wegzieht, zumal der äußerst klamme HSV das Geld für den Jungstar gut gebrauchen könnte. Unbestätigten Medienberichten zufolge soll bei einem Wechsel Sons im Gegenzug Peter Zwegat an die Elbe wechseln. Wir sind gespannt.