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Quiekzeit im Regen

Beim Spiel zwischem dem FC Schalke und dem VfL Wolfsburg jagte ein Privatsenders seine Popstarmädchen ins Stadion . Irgendein bösartiger Mensch zwang sie zum Auftritt in der Halbzeitpause – trotz strömenden Regens. Wir fragen uns, warum?
Foto: IMAGO

„Danke, wofür“, fragt ein älterer Herr – grauer Bart, grauer Schal, graues Gesicht – ins Nichts und tritt ab. Sein Blick klebt weiter auf dem Rasen. Stufe für Stufe sackt er nach unten. Er will nur noch weg. Doch es ist wie bei einem Autounfall: Er kann nicht wegsehen! Er will sich zwingen, aber es geht nicht. Was hilft, ist die Flucht zum Bratwurststand. Warum tun sich Menschen so etwas an?



Samstag Nachmittag, Wolfsburg, Volkswagen-Arena. Eigentlich sind die 30.000 Zuschauer gekommen, um Fußball zu sehen. Natürlich nicht nur. Ein Großteil freut sich auch darauf, den alten Meisterheldenmacher Felix noch weiter in den Mist zu schubsen. „Die Großen ein bisschen ärgern“, nennt man das hier, obwohl man längst selbst nicht mehr zu den Kleinen gehört. Wolfsburg sprintet die ersten Minuten durch, führt und verpasst doch den Knock-Out. Schalke kommt, trifft und hofft auf mehr. Aber erst einmal ist Halbzeit und das Grauen nimmt seinen Lauf.

Bauch rein, Brust raus

Den ganzen Tag schon quiekt eine Gruppe Mädchen wie neugierige Ferkel durch die Katakomben des Stadions. Ferkelmädchen, die Diba, Yonca, Pascalina und wieauchimmer heißen und in zwei Stunden mehr Handyfotos machen als eine Gruppe Japaner auf Schloß Neuschwanstein. „VIP, Alta, ey“, honkt eine von ihnen am Vormittag beim Gang durch den gleichnamigen Eingang. Bauch rein, Brust raus. Klick. Ein großer Automobilhersteller bietet den Popstarmädchen von ProSieben die große Bühne Fußballstadion. Dreharbeiten in der Loge, Workshop mit den Revolverhelden (Kategorie: Erfahrene Popstars). Einerseits ein Zweiminüter für die kommende Woche. Andererseits ein Zwischenstopp auf dem Weg zum Pop-Olymp. Klar.

Doch wie weit der Weg nach oben für die sein wird, lässt sich an den Eckdaten ihrer Biografien ablesen: Geboren in Hemmor, Ahlen oder Hennst, vom Fernsehen bis zur Unkenntlichkeit aufgetakelt, die erste Stadionshow im graumäusigen Wolfsburg. Karrieren im Schnelldurchlauf, verglimmend, bevor sie angefangen haben zu glühen. Die einzige Garantie, die man geben kann.

Bereits beim ersten Soundcheck regnete es Hunde und Katzen. Die Mädchen suchen Schutz unter fallschirmgroßen Regenschirmen. Ist Selbstbräuner eigentlich wasserfest? Zwei Stunden später gibt es keinen Schutz mehr: Die Ferkel werden den Wölfen zum Fraß vorgeworfen. „Football's coming home“, schrillt es, nun ja, schrill durch das Stadion. Oder hallt. Oder wie immer man das nennen mag. Vom Himmel fällt Regen wie Backsteine. Von den Rängen hagelt es Pfiffe wie Backpfeifen. Für drei Minuten ist sich grün und königsblau einig und so donnert es „Ihr könnt nach Hause fahren“. Die Mädchen quietschen und säuseln (R'n'B, grrr) tapfer weiter. Man möchte sich allesamt schützend in den Arm nehmen, in ein Auto setzen und zurück nach Hemmoor oder Hennst schicken. Zu Mama. Zu einer Tasse warmen Kakao. Denk doch noch mal nach, Mädchen. Wo ist nur der starke D (Ausrufezeichen), wenn man ihn braucht?

Doch hier gibt es keinen Schutz, nur Pfiffe und Gegröle. „Ihr seid Scheiße wie der BVB“, fachsimpelt der Schalke-Block kollektiv. Der Refrain dröhnt in Dauerschleife weiter. Und weiter. Ein Perpetuum mobile des Schams.

„Danke, Wolfsburg“, sind die letzten Worte, dann wird der Saft abgedreht. Der graue Mann schleicht von dannen. Die Mädchen rennen ins Trockene. Wolfsburg war krass, denken einige. Bestimmt. Warum tut man Menschen so etwas an?




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