Vorbildliche Demokratie: Darum ist Taiwan für die USA so wichtig

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Vorbildliche DemokratieDarum ist Taiwan für die USA so wichtig

Wieso setzen sich die USA für ein Land mit nur 23 Millionen Einwohnern ein, das von gerade einmal 15 Staaten anerkannt wird? Ein Blick in die Geschichte liefert Antworten.

Darum gehts

Taiwan in seiner heutigen Form existiert seit 1949. Der Staat entstand als Folge des Machtkampfs in China nach dem Zweiten Weltkrieg. Nachdem die Kommunisten unter Mao Zedong sich auf dem Festland durchgesetzt und die Volksrepublik China ausgerufen hatten, zogen sich die unterlegenen Nationalchinesen auf die Insel Taiwan, auch Formosa genannt, zurück. Dort entstand unter der Partei Kuomintang (Nationale Volkspartei) die «Republik China».

Jahrzehntelang war die Republik China die offizielle Vertretung Chinas in der UNO. Gegen den Widerstand der USA und anderer westlicher Länder änderte sich das 1971, als die UNO die Volksrepublik China aufnahm und zur einzigen Vertreterin Chinas machte. In der Folge brachen immer mehr Länder die diplomatischen Beziehungen zu Taiwan ab. Heute sind es noch 15 Kleinstaaten wie Honduras oder die Marshallinseln, die Taiwan als souveränen Staat anerkennen.

Gesetzliche Verpflichtungen der USA

Selbst die USA sind in den 1970er-Jahren umgeschwenkt und erkennen seit 43 Jahren nur noch die Volksrepublik als einziges China an. Dies geschah im Zuge der Annäherungspolitik von US-Präsident Richard Nixon, der Peking als Verbündeten gegen die Sowjetunion gewinnen wollte. Washington hat Taiwan damals aber nicht abgeschrieben. Zwar haben die USA keine Position bezüglich einer möglichen Unabhängigkeit, allerdings trat 1979 im Anschluss an die Anerkennung der Volksrepublik der Taiwan Relations Act in Kraft, ein Gesetz, das damals unter anderem von Senator Joe Biden unterstützt worden war.

Das Gesetz regelt die Beziehungen zu Taiwan und bildet die Basis für die Waffenlieferungen der Vereinigten Staaten an Taiwan. Es verpflichtet die USA, dafür zu sorgen, dass die Zukunft Taiwans mit friedlichen Mitteln geregelt wird. Ausserdem müssen die USA laut dem Gesetz ihre Fähigkeit wahren, «sich jeder Gewaltanwendung oder anderer Form von Nötigung zu widersetzen, die die Sicherheit oder das soziale und wirtschaftliche System des taiwanischen Volkes gefährdet». Das beinhaltet keine ausdrückliche Sicherheitsgarantie für Taiwan, wird laut Newsweek.com aber üblicherweise als solche ausgelegt.

Wichtiger Handelspartner

Doch weshalb ist es für Washington bis heute so wichtig, dass Taiwan nicht Teil der Volksrepublik wird? Das hat wirtschaftliche, militärische und ideologische Gründe. Wirtschaftlich gesehen ist Taiwan besonders als Lieferant hochwertiger Halbleiter wichtig. Angesichts der derzeitigen Knappheit von Computerchips können die USA – und die Welt – nicht darauf verzichten. Taiwan mag bevölkerungsmässig nur der 56.-grösste Staat sein, als Volkswirtschaft liegt es aber auf Platz 22. Ebenfalls nicht zu vernachlässigen sei die Bedeutung von Taiwans Waffenkäufen für die US-Rüstungsindustrie, wie Yahoo.com schreibt. Insgesamt ist Taiwan der achtgrösste Handelspartner der USA.

Auch strategisch ist Taiwan für die USA von grosser Bedeutung. Zwar ist es nicht der «unsinkbare Flugzeugträger», als den es US-General Douglas MacArthur einst bezeichnet hatte. Die USA unterhalten keine Militärpräsenz auf Taiwan. Doch Taiwan liegt im Zentrum der sogenannten First Island Chain. Die Kontrolle dieser Kette von mehreren Inselgruppen vor der ostasiatischen Küste ist seit dem Zweiten Weltkrieg Teil der US-Strategie, um China den Weg in den Westpazifik Richtung Guam, Hawaii und US-Westküste abzuschneiden. Würde Taiwan an die Volksrepublik fallen, würde dies die First Island Chain entscheidend schwächen.

Zudem wäre es ein fatales Signal an die US-Alliierten im pazifischen Raum, würden die USA Taiwan nicht schützen. Washington würde seine Glaubwürdigkeit als verlässlicher Partner in Ländern wie Japan, Südkorea oder Australien verlieren, die sich ebenfalls von China bedroht fühlen. Wer könnte noch garantieren, dass nach einem Fall Taiwans als Nächstes nicht Japan oder die Philippinen dran wären?

Musterbeispiel der Demokratie

Der wichtigste Grund, weshalb den USA so an einem eigenständigen Taiwan gelegen ist, ist ein ideologischer. Taiwan, das jahrzehntelang eisern von einer Partei, der Kuomintang, regiert wurde, schaffte es als eines der wenigen Länder weltweit, ab den späten 1980er-Jahren friedlich zur Demokratie zu finden. Heute ist Taiwan eine der stärksten Demokratien der Welt und vertritt damit die gleichen Werte wie die Vereinigten Staaten und andere westliche Länder.

«Es erinnert zudem Festlandchina Tag für Tag daran, dass Chinesen tatsächlich eine erfolgreiche Demokratie zustande bringen können und nicht unter einem autoritären Regime leben müssen», sagt Bonnie Glaser, Taiwan-Expertin der US-Stiftung German Marshall Fund. Dies im Gegensatz zur Behauptung Pekings, wonach sich westliche Werte nicht mit der chinesischen Kultur vereinbaren liessen. Damit hat Taiwan für Washington neben der militärischen und wirtschaftlichen Bedeutung auch einen unschätzbaren Wert als Symbol für die ganze ostasiatische Region, dass westliche Werte durchaus zu Stabilität und wirtschaftlichem Erfolg führen können. Taiwan ist für die USA ein einzigartiger Trumpf im Wettbewerb der Ideologien mit China. 

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