Retten oder beerdigen die Franzosen die Marke Opel?

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Opel-ZukunftRetten oder beerdigen die Franzosen die Marke Opel?

Opel gibt PR-Vollgas. Doch der deutsche Auto-Papst Ferdinand Dudenhöffer warnt vor falschen Hoffnungen.

Dieter Liechti
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Dieter Liechti

«Unser Comeback ist gut gelungen», freute sich Opel-Chef Michael Lohscheller Ende Juli. «Wir wachsen profitabel und nachhaltig.» Grund der Freude: Nach jahrelangen negativen Schlagzeilen sorgte Opel Ende Juli mit den Halbjahreszahlen endlich wieder für ein positives Ausrufezeichen. Denn zwei Jahre nach der Übernahme durch die Groupe PSA (Citroën, DS, Opel, Peugeot und Vauxhall) trugen die Rüsselsheimer im ersten Halbjahr 2019 rund 700 Millionen Euro zum Betriebsergebnis des französischen Konzerns bei – das entspricht einem Plus von 40 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.

Was auf den ersten Blick so positiv klingt, hat aber auch Schattenseiten. «Opel hat seine Verluste durch ein rigoroses Jobabbau-Programm abgebaut», warnt der deutsche Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer. Bei der Übernahme durch PSA im August 2017 hatte Opel in seinen deutschen Werken 19'300 Mitarbeiter und plante bis zum Jahr 2023 in Deutschland 6380 Jobs abzubauen.

30 Prozent höherer Aufwand bei Opel

Nach neusten Analysen des CAR-Center Automotive Research der Universität Duisburg-Essen könnten das aber deutlich mehr werden. «Denn der Aufwand pro Mitarbeiter ist nach unseren Daten bei Opel-Vauxhall etwa 30 Prozent höher als bei Peugeot-Citroën-DS in Frankreich», so Dudenhöffer. Darum macht es für PSA-Chef Carlos Tavares natürlich am meisten Sinn, in erster Linie Arbeitsplätze in Deutschland abzubauen. «Fur die Arbeitnehmer in Deutschland konnte Tavares damit zur Schreckensfigur werden», warnen die Auto-Analysten des CAR.

Dabei gehen Tavares und Lohscheller sehr behutsam vor und verkleinern Teileinheiten, um öffentliches Aufsehen zu vermeiden. «Das scheint der Kern, der Opel-Schrumpfstrategie zu sein», so die Analysten.

Davon ist im Vorfeld der Internationalen Automobil-Ausstellung IAA in Frankfurt allerdings nichts zu merken. Die Marke mit dem Blitz will Mitte September gross auffahren und vor allem einschlagen. «Auf der IAA zeigen wir bei Opel, wie die automobile Zukunft Realität wird. Wir geben nicht einen bestimmten Weg vor, sondern bieten das gesamte Antriebsportfolio – von Elektro- und Hybridantrieben bis zum effizienten Verbrenner», gibt sich Opel-Chef Lohscheller optimistisch. «Alle unsere neuen Modelle sind mit modernsten Technologien ausgestattet – und bereits bestellbar!»

Weltpremieren Corsa und Grandland

Highlights sind die Weltpremieren des Corsa und des Grandland X Hybrid4. Denn der neue Opel Corsa fährt nicht nur als verbrauchsarmer klassischer Verbrenner vor, sondern erstmals auch als batterie-elektrische Variante Corsa-e – und das mit einer rein elektrischen Reichweite von bis zu 330 Kilometern gemäss dem neuen Messzyklus WLTP (Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure). Der Corsa-e basiert, genau wie die anderen E-Modelle aus dem PSA-Konzern auf einer gemeinsamen Architektur namens CMP (Common Modular Platform). Die ist, anders als zum Beispiel die Milliarden Euro teure Plattform MEB (Modularer Elektrobaukasten) von VW, nicht rein elektrisch ausgelegt, sondern kann auch konventionelle Antriebe aufnehmen. Das spart Kosten.

Als zweite Weltpremiere ist der neue Grandland X Hybrid4 mit Allradantrieb auf dem Opel-Stand zu sehen. Der Plug-In-Hybrid verbindet die Kraft aus einem 1,6-Liter-Turbobenziner und zwei Elektromotoren, die eine Systemleistung von bis zu 300 PS bieten. Der Treibstoffverbrauch beträgt gemäss WLTP 1,6 l/100 km, die CO2-Emission 37 g/km (vorläufige Werte). Zwei Autos, die laut Ferdinand Dudenhöffer für ein besseres Image sorgen könnten. «Allerdings dürften die genannten Preise für wenig Begeisterung und Verkäufe bei der klassischen Opel-Käufergruppe sorgen. Ein elektrischer Corsa für knapp 30'000 Euro ist mehr als doppelt so teurer wie der Standard-Corsa von heute.»

Sorgen um die Marke Opel

Längerfristig machen sich Dudenhöffer und sein Team grosse Sorgen um die Marke Opel. «Was Opel genau ist und ausmacht, wird in der Zukunft immer weniger erkennbar werden», warnt er. «Wahrend Seat, Skoda oder andere VW-Konzernmarken noch immer Eigenstandigkeit als Unternehmen besitzen, geht Opel vollig in PSA auf. Oder – wenn man es patriotisch aus deutscher Sicht betrachtet –, eher unter. Die Fahrzeuge werden uberwiegend in Paris entwickelt, in Russelsheim verfeinert man mit ein paar Designern die Hülle der PSA-Opel. Opel wird so zum Label – fur PSA ein profitables Geschaft, für Opel als eigenständige Marke wohl eher das Ende.»

In der Schweiz hat die einstige Nummer 2 hinter Volkswagen in den ersten sieben Monaten des Jahres 6425 Fahrzeuge verkauft. Das sind zum einen 15,2 Prozent weniger als im Vorjahr – in einem stabilen Gesamtmarkt –, zum andern entsprechen diese Zahlen nicht mal mehr einem Drittel der Marke VW, die im selben Zeitrahmen 20'825 Fahrzeuge in der Schweiz an den Mann oder die Frau gebracht hat.

Opel seit 1862

Opel wurde 1862 in Rüsselsheim gegründet und begann 1899 mit der Automobilproduktion. Seit August 2017 gehört Opel zur Groupe PSA. Weltweit sind Opel und die Schwestermarke Vauxhall in mehr als 60 Ländern vertreten und verkauften 2018 über eine Million Fahrzeuge. Gegenwärtig setzt Opel seine Strategie zur Elektrifizierung des Portfolios um. Bis 2024 wird es bei allen europäischen Pw-Baureihen auch eine elektrifizierte Variante geben. Diese Strategie ist Teil des Unternehmensplans Pace! mit dem Opel «nachhaltig profitabel, global und elektrisch» werden will.

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