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Wer seinen Ärger immer unterdrückt, neigt eher zu depressiven Symptomen

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Wer nie seine Meinung sagt und Wut ständig in sich hineinfrisst, statt sie in Maßen zu zeigen, hat möglicherweise ein höheres Depressionsrisiko.

Manche Menschen gehen Konflikten gerne aus dem Weg. Das mag im ersten Moment einfacher erscheinen, als sich mit seinen Mitmenschen auseinanderzusetzen. Wer nicht in der Lage ist, seinen Ärger auszudrücken und sich gegen andere zu behaupten, hat langfristig aber ein höheres Risiko depressive Symptome zu entwickeln. Das belegen die Psychologin Anett Müller-Alcazar und ihr Kollege Reinhard Maß in einer Studie.

Ärger immer unterdrücken? Aggressionen können auch konstruktiv sein

Eine Frau sitzt auf einer Couch und hat den Kopf in ihre verschränkten Arme gelegt (Symbolbild).
Wut und Ärger immer sich hineinzufressen kann zu depressiver Verstimmung und Unzufriedenheit führen (Symbolbild). © Westend61/Imago

Viele Menschen assoziieren mit dem Begriff „Aggression“ Gewalttätigkeit, Destruktivität und Kontrollverlust. In der Psychologie wird diese Form der Aggression „destruktive Aggression“ genannt. Sie kann anderen Menschen Schaden zufügen – sei evolutionspsychologisch betrachtet aber ein wichtiges, komplexes Verhaltenssystem, mit dem Menschen ihre Ressourcen sichern und sich gegen potenzielle Angreifer verteidigen können, so die Studienautoren.

Darüber hinaus gibt es bestimmte Formen des nicht-gewalttätigen aggressiven Verhaltens, das für stabile soziale Beziehungen notwendig ist. Etwa in der Paarbeziehung, in Gruppen oder der Familie. Dabei geht es um gerechte Verteilung von Ressourcen und das gewaltfreie Lösen interpersoneller Konflikte. In der Psychologie wird dieses Verhalten als „konstruktive Aggression“ bezeichnet.

Manche Menschen haben Hemmungen, ihre Aggressionen konstruktiv auszudrücken

Dass wir uns konstruktiv aggressiv verhalten, kann (ebenso wie die destruktive Aggression) durch Emotionen wie Angst, Ärger oder Verlangen ausgelöst werden. Das Verhalten selbst ist aber nicht die Emotion. Es ist vielmehr ein Schlüssel, der die Balance zwischen Kooperation und Konkurrenz einzelner Gruppenmitglieder aufrecht erhält. Konstruktive Aggression kann auch dazu führen, dass eine Beziehung zwischen zwei Menschen nicht fortgeführt wird, wenn sie nicht mehr funktioniert.

Bei einigen Menschen scheint die konstruktive Aggression als „gesundes Verhalten“ jedoch nicht zu funktionieren. „Sie kann durch dysfunktionale Grundüberzeugungen gehemmt werden, die unter ungünstigen Entwicklungsbedingungen entstehen können“, so die Autoren. Zum Beispiel durch:

Es kommt dann zu einer Aggressionshemmung, aus der ein „situtationsübergreifendes Verhaltensmuster“ entstehen kann.

Studie zeigt: Je konfliktscheuer, desto depressiver

Um zu messen, wie stark eine Person zu Aggressionshemmung neigt, entwickelten die Experten für ihre Studie eine Skala mit Aussagen wie: „Man sollte Streit immer vermeiden“ oder „Ich leide darunter, dass ich meinen Ärger nicht ausdrücken kann“. Dabei zeigte sich: Je stärker die Befragten den Aussagen zustimmten, desto depressiver und unzufriedener waren sie mit ihrem Leben.

Die Studienautoren schreiben außerdem, dass das Konzept der Aggressionshemmung Überlappungen zu einem Mangel an „assertiveness“ aufweise. Dabei handelt es sich um die Fähigkeit, sich zu behaupten und zugleich andere zu respektieren, wie Psychologie Heute schreibt. Ein Mangel an assertivem Verhalten entsteht als Folge von sozialen Ängsten, einer geringen sozialen Kompetenz oder einem geringen Selbstwert. Die neu entwickelte Skala zeige: Die Hemmung, Aggressionen konstruktiv auszudrücken, könnte auf eine emotionale Störung hinweisen.

Aggressionshemmung könnte Depressionen begünstigen

Zwar müsse die Aggressionshemmung nicht zwangsläufig zu Problemen führen – etwa wenn ein Mensch ausgewogene soziale Beziehungen führt, Ressourcen ausreichend vorhanden und Grenzen sicher sind. Die Studienautoren weisen aber darauf hin, dass konstruktiv-aggressives Verhalten eine wichtige Bedingung für seelische Gesundheit ist. Wird die konstruktive Aggression dauerhaft gehemmt, könnten sich daraus Depressionen oder andere seelische Probleme entwickeln. Der Abbau von Aggressionshemmung könnte deshalb auch ein wichtiges Ziel bei der Psychotherapie von Depression und Angststörungen sein.

Dieser Beitrag beinhaltet lediglich allgemeine Informationen zum jeweiligen Gesundheitsthema und dient damit nicht der Selbstdiagnose, -behandlung oder -medikation. Er ersetzt keinesfalls den Arztbesuch. Individuelle Fragen zu Krankheitsbildern dürfen von unserer Redaktion nicht beantwortet werden.

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