Sisslerfeld
Der Grosse Rat entscheidet über die «Südspange» – das sind die wichtigsten Fragen und Antworten zum Millionenprojekt

Kaum ein politisches Sachgeschäft führte in Eiken zu so hitzigen Debatten wie die 26 Millionen Franken teure Erschliessungsstrasse für Bachem. Mit Einwendungen und Petitionen ging ein breit aufgestelltes Bürgerkomitee gegen das Projekt vor. Nun spricht der Grosse Rat das letzte Wort. Die fünf wichtigen Fragen und Antworten zur Erschliessungsstrasse im Sisslerfeld.

Dennis Kalt
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So mancher Eiker und manche Eikerin wird am Dienstag mit Spannung nach Aarau blicken. Denn dort entscheidet der Grosse Rat über den Kantonalen Nutzungsplan «Südspange ESP Sisslerfeld». Ein Ja zum Nutzungsplan würde Investitionen von 26 Millionen Franken auslösen. So viel soll die Südspange kosten, mit der das Werk des Chemiekonzerns Bachem erschlossen werden soll. Am geplanten Eiker Standort sollen dereinst bis zu 3000 Personen arbeiten.

Die geplante Südspang» soll südlich – im Bild links – an den bestehenden Industriebauten vorbeiführen.

Die geplante Südspang» soll südlich – im Bild links – an den bestehenden Industriebauten vorbeiführen.

Bild: zvg

In Eiken ist die Südspange mit viel Zündstoff versehen. Im letzten Jahr formierte sich ein Bürgerkomitee. Mit Einwendungen und Petitionen gingen und gehen sie gegen die Südspange vor. Die AZ beantwortet fünf Fragen rund um das Erschliessungsvorhaben und zeigt die Sichtweisen von Gegnern und Befürwortern auf.

1. Warum ist die Südspange für Eiken überhaupt so brisant?

In erster Linie wegen der finanziellen Auswirkungen. Denn für die 26 Millionen Franken teure Strasse wird Eiken, auf deren Gebiet die Südspang» realisiert werden soll, mit knapp 11 Millionen Franken zur Kasse gebeten. 7 Millionen Franken übernimmt der Kanton, den Rest tragen Grundeigentümerinnen und -eigentümer.

Auf der anderen Seite winkt Eiken langfristig ein wahrer Steuersegen. Die Zahlen des Chemiekonzerns sind gewaltig. 2022 erwirtschaftete das Baselbieter Unternehmen einen Umsatz von 531,7 Millionen Franken und einen Reingewinn von 100,7 Millionen Franken. Kommt es dereinst zur Ansiedlung von 3000 Bachem-Beschäftigten in Eiken, so ist langfristig eine Steuerfusssenkung von derzeit 111 Prozent auf weit unter die 100-Prozent-Marke realistisch.

2. Steuersegen tönt doch super. Was gibt es denn daran in Eiken eigentlich auszusetzen?

Das Problem: Für Eiken sprudeln die ersten Steuereinnahmen durch Bachem frühestes 2031. Für die Finanzierung der Südspange hätte die Gemeinde aber schon in den nächsten Jahren aufkommen müssen. Dies hätte zu einer massiven Überschuldung geführt.

Das Bürgerkomitee wies darauf hin – und setzte sich dafür ein, dass der Gemeinderat mit dem Kanton in die Verhandlungen gegangen ist. In diesen erreichte der Gemeinderat, dass der Kanton den Gemeindeanteil für die Südspange vorfinanziert und die Gemeinde den Anteil erst zurückzahlen muss, wenn die ersten Steuereinnahmen durch Bachem fliessen.

3. Die Finanzierung ist geregelt. Dann müsste das Komitee ja jetzt zufrieden sein.

Nein. Das Komitee kann nicht akzeptieren, dass die Festlegung des Kostenanteils der Gemeinde sowie der Umsetzungsvertrag – also etwa wie die Rückzahlung der Gemeinde an den Kanton verzinst wird – ausschliesslich in die Kompetenz von Kanton und Gemeinderat fallen. Die Gemeindeversammlung sei das oberste Organ der Gemeinde und habe das Recht, Verträge von erheblicher finanzieller Bedeutung vorgelegt zu bekommen, so das Bürgerkomitee. Letzteres fordert daher eine ausserordentliche Gemeindeversammlung ein.

Das Bürgerkomitee übergab zuletzt 244 Unterschriften für ein Initiativbegehren zur Südspange.

Das Bürgerkomitee übergab zuletzt 244 Unterschriften für ein Initiativbegehren zur Südspange.

Bild: hcw (4. 1. 2024)

Der Gemeinderat hat jedoch juristisch abklären lassen, dass eine Abstimmung durch den Souverän nicht möglich ist. Dies, weil es sich um «gebundene Ausgaben» handelt und für Eiken eine Erschliessungspflicht besteht. Dass es keine Möglichkeit für eine Abstimmung gab, empfindet auch der Eiker Gemeinderat als nur «schwer verdaulich».

4. Ist die Erschliessung des Bachem-Werks via Südspange alternativlos?

Nein. Im Jahr 2018 präsentierte DSM die «Norderschliessung» mit punktuellen Ergänzungen – etwa einer Zufahrt zum Parkhaus für das Bachem-Werk. Diese «pfannenfertige» Alternative würde Eiken laut Bürgerkomitee mit 1,2 Millionen Franken wesentlich günstiger kommen.

Das Bürgerkomitee drängte den Gemeinderat und Kanton, die Norderschliessung nochmals ernsthaft zu prüfen. Doch gemäss Kanton würde eine dementsprechende Erschliessung über die Kantonsstrasse K293 und die bestehenden Erschliessungsstrassen zu einer Überlastung des Anschlussknotens im Norden des Sisslerfelds führen.

Wie sind die Vorzeichen für die grossrätliche Abstimmung?

Pro Südspange: Der Regierungsrat bezeichnet in seiner Botschaft an den Grossen Rat die Südspange als «deutlich bessere und zweckmässigere Erschliessungslösung». Dies aufgrund der 2020 durchgeführten Testplanung zur Gebietsentwicklung Sisslerfeld und einer nochmaligen Überprüfung nach der öffentlichen Auflage und Mitwirkung des kantonalen Nutzungsplans.

Erst im letzten Monat stimmte die Grossratskommission der Südspange zu. Jedoch verlangte eine Minderheit der Kommission für Umwelt, Bau, Verkehr, Energie und Raumordnung eine Rückweisung des Geschäfts und die Ausarbeitung einer Erschliessung des südlichen Sisslerfelds über bestehende Erschliessungsstrassen, gab also der Norderschliessung den Vorzug.