Lenzburg
«Die Leute kommen zu uns, weil wir ein anderes Profil haben»

Im Interview nimmt Marianne Wildi, die Vorsitzende der Geschäftsleitung der Hypothekarbank Lenzburg, Stellung zu unerwünschten Zusatzaufgaben, Auswirkungen der «Minder-Initiative» auf die Hypi-GV und erzählt von hellgelben Schuhbändeln.

Ruth Steiner und Fritz Thut
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Marianne Wildi, CEO der Hypothekarbank Lenzburg.

Marianne Wildi, CEO der Hypothekarbank Lenzburg.

Emanuel Freudiger

Grosse Wertschwankungen kennt die Hypi-Aktie nicht; ihr Preis pendelt an der grössten Schweizer Börse in Zürich immer um die 4000 Franken.
Grundsolide und allem grossbänkischen Riskogebaren abhold ist die Geschäftspolitik der 1868 gegründeten Hypothekarbank Lenzburg. Die perfekte Verkörperung ist die Vorsitzende der Geschäftsleitung. Seit vier Jahren ist Marianne Wildi CEO der Hypi, wie die Lenzburger «ihr» Finanzinstitut gerne nennen.

Mitte Januar konnte Wildi für 2013 einmal mehr einen erfreulichen Jahresabschluss vermelden. Dabei waren die Rahmenbedingungen alles andere als ideal. Im Interview nimmt der einzige weibliche CEO einer börsenkotierten Schweizer Bank Stellung zu Problemen und verteidigt selbstbewusst den eigenen Weg der Hypi.

Das Steuerabkommen mit den USA hält auch die Hypi auf Trab. Wird momentan auf der Chefetage mehr Englisch als Deutsch gesprochen?
Marianne Wildi: Nein, sicher nicht, unsere Umgangssprache ist und bleibt «Schwizerdütsch». Auch sind alle unsere Publikationen weiterhin nur in Deutsch erhältlich. Englische Dokumente entstehen jetzt allenfalls in Zusammenarbeit mit unserem amerikanischen Anwalt für ausgewählte Fragestellungen.

Marianne Wildi persönlich

Geburtsdatum: 19.04.1965
Geschwister: Zwei Brüder
Zivilstand: ledig
Hobbys: Blasmusik, Lesen
Lieblingslektüre: Krimis, vor allem nordische
Lieblingsmusik: bunt gemischt, fast alles, ausser modernem Jazz
Lieblingsschauspieler: Alle, die Charakter ausstrahlen.
Lieblingsort: Im Ausland ist dies sicher Hamburg; im Inland gibt es verschiedene Ort, auch Lenzburg.
Grösster Wunsch: Gesund bleiben und ein gutes Team um mich, dann ist meine Welt in Ordnung.

Falls ein Hypi-Kunde im Flugzeug über den USA zur Welt gekommen wäre, gilt dieser als «US-Person» und sein Steuerstatus müsste im Rahmen des Programms abgeklärt werden. Ärgern Sie sich über solche bürokratische formelle Auswüchse?
Bürokratie ärgert generell. Aber ärgern ist nicht das richtige Wort. Ärgern verursacht nur Magengeschwüre und sollte somit vermieden werden. Sachliches Vorgehen auch bei schwierigen Situationen ist die einzige zielgerichtete, lösungsorientierte Vorgehensweise.

Der Abklärungsaufwand ist jedoch beträchtlich.
Es ist sehr unglücklich, dass langjährige Kundentreue sich nun negativ auswirkt. Wir sind es unseren langjährigen Kunden im In- und Ausland, welche als US-Personen taxiert werden, schuldig, das Programm bestmöglich im beidseitigen Interesse umzusetzen. Die Schweiz wurde von einem externen Staat unter Druck gesetzt und der Bundesrat hat nicht gemerkt, dass er mit seinen Auflagen auch auf Banken trifft, die nicht im Fokus der USA standen, zum Beispiel die inlandorientierten Regionalbanken. Wir hatten leider keine politische Lobby, die unsere Interessen explizit vertritt.

Wurde die Hypi in diesem Bereich aktiv?
Nein, wir mischen uns nicht aktiv in die Politik ein, aber wir würden es natürlich begrüssen, wenn sich jemand vermehrt für die «kleinen und mittelgrossen» regional tätige Banken einsetzen würde. Banker zu sein, ist im aktuellen politische Umfeld nicht sehr populär. Aber man muss hier stark zwischen den Instituten differenzieren. Ich bin stolz darauf ein «Hypianer» zu sein.

Wie wird entschieden, ob die Hypi im USA-Programm zur Beilegung des Steuerstreits von der aktuell angemeldeten Kategorie 2 in die unverdächtigere Stufe 3 (Unschuldsvermutung) wechselt?
Die Abklärungen sind nun in Zusammenarbeit mit unseren Kunden am Laufen. Unser Ziel ist es, das Programm korrekt und so kosteneffizient wie nur möglich zu absolvieren. Wir werden somit immer eine Kosten-/Nutzenanalyse machen und auf dieser Basis entscheiden. So könnte beispielsweise eine «Entschädigungszahlung» in Kategorie 2 günstiger sein, als weitere Aufwändungen, wie etwa Kosten des Independent Examiners (unabhängige Untersuchungsinstanz) zur Feststellung der Unschuldsvermutung der Stufe 3. Unser Ziel ist es, hier möglichst wenig zu investieren - auch an eigener Zeit und Nerven.

Nervig ist vielleicht auch das Gefühl, machtlos externer Willkür ausgesetzt zu sein. Wann findet diese Episode ihr Ende?
Die Schweizer Behörden haben dieses Problem einfach zu unserem gemacht. Wir haben eine Projektplanung, welche alle nötigen Schritte enthält. Ein Meilenstein darin ist sicher der Bericht des Independent Examiners, welcher uns gegen Ende April vorliegt. Klar ist, dass einige Mitarbeitende in dieses sehr anspruchsvolle Projekt involviert sind und dadurch von ihren normalen Aufgaben abgehalten werden.

Die Auflagen wegen den Exzessen der Grossbanken verursachen auch sonst viel Zusatzarbeit. Haben Sie die Finma im letzten Jahr manchmal verwünscht?
Das sind Gefühle, die sich nicht lohnen, und die lasse ich bei mir gar nicht aufkommen. Neue Herausforderungen sind immer auch interessant. Vom neuen Finma-Chef wünsche ich mir einfach mehr Verständnis für Regionalbanken.

Zur Hypi-GV: War in der Folge der «Minder-Initiative» die Dekotierung von der Zürcher Börse im Vorfeld tatsächlich - wie im letzten Jahr angetönt - ein Thema?
Auch hier haben wir die Kosten und Nutzen abgewogen. Eine Dekotierung geht nicht so schnell und kann auch Nachteile haben. Wir haben uns daher entschieden, die neuen Auflagen umzusetzen.

Und wie werden diese neuen Auflagen erfüllt?
Für die GV 2014 haben wir noch nicht alle formellen Auflagen erfüllt. Beispielsweise werden wir die Statuten und den neuen Vergütungsbericht erst zu Handen der GV 2015 aufbereiten. Es handelt sich bei allen Anpassungen um formelle Punkte. Die Hypi informierte die Aktionäre bis anhin schon sehr transparent. Und unser Vergütungssystem kennt keine überhöhten Gehälter oder exzessive Bonusregeln und natürlich auch keine Abgangsentschädigungen.

Was ändert sich dann am 15. März für die Besucher der Aktionärs-GV?
Die Traktandenliste enthält mehr Punkte, unter anderem die Wahl des Vergütungsausschusses. Dies bedeutet, dass die Aktionäre viel mehr abstimmen dürfen als bisher; dazu bekommen sie aber neu am Eingang ein elektronisches Gerät. Theoretisch wäre im Saal weiterhin eine Handabstimmung möglich gewesen, doch mit den vielen zusätzlichen Abstimmungsgängen würde die Versammlung zu lange dauern. Neu ist auch eine elektronische Fernabstimmung vor der GV über Internet möglich.

Sind die Nominationen für den Verwaltungsrat und den neuen Vergütungsausschuss schon bekannt?
Der Verwaltungsrat tritt in unveränderter Zusammensetzung zur Wiederwahl an. Allfällige personelle Veränderungen hätten wir bereits melden müssen.

Der Verwaltungsrat der Hypi ist mit 12 Personen gross, zu gross?
Für mich nicht. Hier kommt viel Know-how aus den Regionen und verschiedenen Branchen zusammen. Diese lokale Verankerung und die Breite der Abstützung sind für mich Grund genug für die bisherige Grösse. Diese Inputs ermöglichen zusätzliche Blickwinkel und bieten Gewähr für gute Entscheide.

In der Geschäftsleitung hat es etliche neue Gesichter. Nach welchen Kriterien wurde das Gremium zusammengestellt?
Gemäss den Anforderungsprofilen, welche der Verwaltungsrat erarbeitet hat. Meine Kollegen und ich sind unterschiedliche Persönlichkeiten mit verschiedenen Ausbildungsprofilen und ergänzen uns daher sehr gut. Die regionale Verankerung ist immer noch ein wichtiges Kriterium. Es ist schön, wenn die Kollegen hier wohnen, aber keine Bedingung.

Pflegt man die Bodenständigkeit bei der Hypi speziell?
Der Eindruck entsteht vielleicht durch die Charaktere der Leute, die wir aussuchen. Ich selbst bin kein «reiner» Manager und komme gerne auch mal in Jeans und Turnschuhen mit hellgelben Schuhbändeln zur Arbeit; ich arbeite gerne direkt in Projekten mit. Gerne repräsentiere ich die Bank an offiziellen Anlässen, aber die Abwechslung noch selber in die Tasten zu greifen oder Kunden zu besuchen ist für mich wichtig.

Die «Schweiz am Sonntag» brachte Ihren Namen ins Spiel bei der Nachfolge des Chefs der Aargauer Kantonalbank (AKB); hielt die Aufgabe für «eine Nummer zu gross». Ihr Kommentar?
Ich bin eine überzeugte «Hypianerin» und will dies auch bleiben. Die Aufgabe würde ich mir schon zutrauen, da ich im gleichen Geschäftsgebiet wie die AKB erfolgreich arbeite, doch ich will nicht zur AKB. Dafür gefällt es mir bei der Hypi viel zu gut: Ich fühle mich in meinem Job und in meinem Team sehr wohl.

Die Hypi ist in der Branche für ihre Unabhängigkeit bekannt. Ein Vorteil?
Wir gehen unsern Weg aus Überzeugung , dazu gehört auch eine regelmässig Überprüfung der Situation. Wir passen uns natürlich an, wo wir es als nötig erachten. Wir haben eine Grösse und ein Ergebnis, die Respekt verdienen. Wir haben aber auch den Grundsatz, nie etwas aus Selbstzweck machen. Wir machen einen Alleingang nicht um des Alleingangs willen, sondern aus Überzeugung, es ist wichtig, unabhängige und wenn nötig rasche Entscheide treffen zu können.

Sie haben viele junge Leute eingestellt. Wie stellt man sicher, dass die auf Erfahrung basierende Beratungskompetenz bleibt?
Dies ist eine grosse Herausforderung, aber ich finde die Zusammarbeit zwischen Jung und Alt eine Bereicherung. Die fachliche Grundausbildung der jungen Leute ist heute sehr gut. Wir suchen ständig nach Ideen, wie wir uns verbessern können und wie wir Erfahrungen der älteren Mitarbeitenden auf die jüngeren überträgt. Im Moment prüfen wir eine Art Paten-Modell, welches den Wissenstransfer sicherstellen soll. Querdenken ist in diesem Thema speziell wichtig und gewünscht.

«Aus der Region für die Region»: Reicht das für das langfristige «Überleben»?
Unsere Region ist gross genug. Und die Leute kommen zu uns, weil wir ein anderes Profil haben als die andern Banken. Die Differenzierung im Banking funktioniert mehrheitlich über die Kundenbeziehung. Wichtig ist eine langfristige vertrauensvolle Partnerschaft.

Wie definieren Sie das Einzugsgebiet?
Wir decken einen «Gürtel» quer durch den Kanton Aargau ab; von der Grenze zum Kanton Solothurn (Suhr-Aarau) bis zur Grenze an den Kanton Zürich (Gebiet Mutschellen). Und von diesem Gürtel ist Lenzburg die «Schnalle». Weisse Flächen gibt im Freiamt, im Fricktal und entlang des Rheins.

Zum Kerngeschäft der Hypi, den Hypotheken. Röntget die Hypi potenzielle Hausbauer genauer?
Wegen den verschärften Vorschriften müssen heute alle Banken genau hinschauen. Unser Vorteil ist, dass wir die Region besser kennen und unsere Kunden gerne persönlich nachhaltig begleiten.

Gemäss den Jahreszahlen dominieren Ausleihen für Eigenheime. Eine bewusste Entscheidung?
Wir setzen die Priorität tatsächlich auf Eigenheimbesitzer und Familien. Wer ein Objekt selbst bewohnt, hat in der Regel ein grösseres Interesse an Unterhalt und Amortisation und seine Kundenbeziehung mit uns lässt sich über die Lebensphasen mit uns ausbauen.

Aber in letzter Zeit gab in der Region auch grosse Überbauungen und Spekulationsobjekte. Davon lassen Sie die Finger?
Bei solchen Objekten sind unsere Margen tendenziell so hoch, dass sich dies fast von selbst reguliert.

Wieso gibt es keinen Hypi-Regio-Immo-Index? Das wäre doch ein gutes Marketing-Instrument?
Das ist eine coole Idee. Doch müsste sich das Ganze auch irgendwie rechnen, was ich gerne prüfe.