Pro Infirmis
Grösste Behindertenorganisation schreibt Millionen-Verlust, und der Vorstand ist nicht mehr beschlussfähig

Bei der Behindertenorganisation Pro Infirmis klafft ein Defizit von 18 Millionen Franken. Zudem ist der Vorstand nach mehreren Abgängen nicht mehr beschlussfähig. Nun soll es ein Neuanfang richten.

Samuel Thomi
Drucken
Bei Pro Infirmis klafft finanziell ein 18-Millionen-Loch, und der Vorstand ist nicht mehr beschlussfähig. Doch neue Leute stehen bereit.

Bei Pro Infirmis klafft finanziell ein 18-Millionen-Loch, und der Vorstand ist nicht mehr beschlussfähig. Doch neue Leute stehen bereit.

Bild: Maja Reznicek

Pro Infirmis hat das vergangene Jahr mit einem Verlust von 18 Millionen Franken abgeschlossen. Knapp die Hälfte dieses Lochs war zwar eingeplant gewesen im 100-Millionen-Budget und habe etwa mit der gestiegenen Nachfrage nach Beratungen und Begleitungen zu tun. Den Rest begründet der Behindertendachverband gegenüber Radio SRF mit Verlusten an den Finanzmärkten. Zum Vergleich: Im Vorjahr war das Loch in der Kasse von Pro Infirmis noch halb so hoch gewesen.

Doch auch in der Organisation selbst scheint die Situation derzeit verworren. Der Vorstand von Pro Infirmis ist nämlich seit November nicht mehr beschlussfähig, wie SRF weiter berichtet mit Verweis auf Insider. Demnach sind vier Mitglieder aus dem Vorstand zurückgetreten wegen Unstimmigkeiten und interner Querelen.

Vorstand nicht mehr beschlussfähig

Statt der für Beschlüsse nötigen fünf Mitglieder bestehe der mindestens achtköpfige Vorstand aktuell nur noch aus vier Personen. Und auch die Vizepräsidentin sei bereits zurückgetreten. SRF zitiert dazu eine Pro-Infirmis-Sprecherin, wonach dieser Umstand jedoch keine Folgen für das Alltagsgeschäft habe.

Wie ein Blick auf die Website der Organisation zeigt, werden dort aktuell in der Tat nur noch vier Personen im Vorstand aufgeführt. Wie Pro-Infirmis-Direktorin Felicitas Huggenberger gegenüber CH Media sagt, sind die vom Vorstand vorgeschlagenen Nachfolgerinnen und Nachfolger von den Delegierten vergangenen Herbst nicht gewählt worden.

Neues Co-Präsidium solls richten

Wie die Organisation in einer bereits am Mittwoch auf ihrer Website aufgeschalteten Mitteilung schreibt, sollen die Delegierten allerdings bereits in zwei Wochen erstmals ein «hochkarätiges Co-Präsidium» an die Verbandsspitze wählen. Und weiter heisst es: «Pro Infirmis befindet sich im Aufbruch.»

Namen zum neuen Co-Präsidium nennt die Organisation zwar keine, es soll sich aber um je eine Person aus der Deutschschweiz und der lateinischen Schweiz handeln. Und diese stünden «für beide Geschlechter und für Menschen mit und ohne Behinderungen». Zudem sollen sich am 23. Juni auch vier neue Vorstandsmitglieder zur Wahl stellen, womit das Gremium dann wieder beschlussfähig wäre.

Bund, Kantone und Gemeinden zahlen

Derzeit präsidiert noch Adriano Previtali die Behindertendachorganisation. Der Rechtsprofessor muss aufgrund einer Amtszeitbeschränkung jedoch von der Spitze von Pro Infirmis zurücktreten. In der Online-Meldung dankt ihm die Organisation für sein «unschätzbares Engagement für Pro Infirmis und Menschen mit Behinderungen».

Das 100-Millionen-Budget bestreitet Pro Infirmis zu gut der Hälfte mit Beiträgen des Bundesamts für Sozialversicherungen. Aber auch Kantone und Gemeinden zahlen an Leistungen der Organisation. Darüber hinaus finanziert sich die 1920 gegründete Pro Infirmis mit Spenden und Legaten. Der Dachverband und die Kantonalverbände betreiben laut eigenen Angaben in der Schweiz rund 50 Geschäfts- und Beratungsstellen.