Guetzlen mit...
Guetzlen mit Leidenschaft - «Die ganze Familie soll vor Neid erblassen»

Guetzlen mit dem Autor und Musiker Martin von Aesch, der das Backen seit 30 Jahren als Tradition zelebriert.

Bettina Hamilton-Irvine
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Martin von Aesch in seiner Wohnung in Schlieren. Das weihnächtliche Backen hat jahrelange Tradition.
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Zum Ausstechen bereit: Den Teig hat Martin von Aesch bereits vorbereitet.
Immer die gleichen vier Sorten werden jedes Jahr hergestellt: Zimtsterne, Schokoladekugeln, Brunsli und Pekannuss-Schiffli.
Stolz auf seine gelungenen Guetzli.
Guetzlen mit Martin von Aesch in Schlieren
Lachen und Biertrinken während dem Guetzlen ist durchaus erlaubt: Bettina Hamilton-Irvine, Stellvertretende Chefredaktorin der Limmattaler Zeitung, formt mit Sohn und Neffe Schokoladenkugeln.

Martin von Aesch in seiner Wohnung in Schlieren. Das weihnächtliche Backen hat jahrelange Tradition.

fni

Bei Martin von Aesch wird nicht einfach so ein bisschen geguetzlet. Bei Martin von Aesch kommt dem Backen in der Adventszeit eine zeremonielle Bedeutung zu: Der Akt des Verwandelns von Zucker, Eier, Schokolade, Zimt, Vanille und Nüssen in fertige Guetzli ist etwas Gewichtiges, hat schon fast etwas Heiliges: Die von Aeschs meinen es ernst. Und sie haben ein klar definiertes Ziel vor Augen, wie Martin von Aesch sagt: «Es geht uns um Qualität, denn wir wollen mit unserem Gebäck meine Schwestern ausstechen.»

Die von Aeschs, das ist in diesem Zusammenhang vor allem das Guetzli-Kernteam: Vater Martin von Aesch, 63 Jahre alt, Autor und Musiker, Leiter des Oberengstringer Jazz Clubs Allmend. Und Sohn Chasper von Aesch, von Familie und Freunden «Guggi» genannt, 35 Jahre alt, Sekundarlehrer. Seit mehr als drei Jahrzehnten guetzlen die beiden schon gemeinsam, jedes Jahr, ohne Ausnahme. «Seit Guggi zwei Jahre alt ist, ist das unsere gemeinsame Familientradition», sagt Martin von Aesch. Nach der Trennung seiner Eltern wuchs Chasper von Aesch zur Hälfte bei der Mutter, zur Hälfte beim Vater auf. In Oberengstringen war das. Damals hatten die beiden noch eine zweite Familientradition: Jeden Samstag schauten sie gemeinsam Fussball-Bundesliga. Das hatte aber irgendwann ein Ende, spätestens als man nicht mehr zusammenwohnte. Heute lebt Chasper von Aesch mit Partnerin und Sohn in Zürich, Martin von Aesch in Schlieren.

Pekannuss-Schiffchen

Zutaten:

Eine Packung getrocknete Datteln
Eine Packung Marzipan
Eine Packung Pekannüsse
Kuvertüre (Überzugsschokolade)

Zubereitung:

Datteln der Länge nach aufschneiden und den Kern entfernen. Das Marzipan in kleine Stücke schneiden und jede Dattel mit einem Stück füllen. Nun wird in jedes Marzipanstück eine Pekannuss so gesteckt, dass sie wie das Segel eines Schiffs aussieht.
Die Kuvertüre in kleine Stücke hacken - wenn sie nicht bereits in Chipsform ist. Über einem heissen Wasserbad schmelzen. Die Dattelschiffchen vorsichtig in der Schokolade tunken, sodass Dattel und Marzipan bedeckt werden, nicht aber die Pekannuss. Trocknen lassen.

«Wir kennen keine Gegner»

Dort ist auch die Guetzliback-Zentrale: eine gemütliche Wohnung mit Parkettboden und Blick auf den Schlieremer Berg. Auf der Terrasse steht ein Grill, im Nachbargarten flattert eine Schweizerfahne. Am runden Tisch im Wohnzimmer sitzt dieses Jahr auch noch Martin von Aeschs Neffe, Florian von Aesch, der extra aus Winterthur gekommen ist. Er ist das erste Mal dabei, weiss aber, was von ihm erwartet wird: Die Guetzli müssen so gut werden, dass die ganze Familie vor Neid erblasst.

Laut Martin von Aesch gelingt das auch jedes Jahr: «Wir kennen keine echten Gegner», sagt er und grinst. Wenn er am Heilig Abend, an dem sich die ganze Familie trifft, nach dem Essen die Guetzli präsentiere, «dann wissen alle, was es geschlagen hat». Darüber abgestimmt, wessen Guetzli denn nun die besten seien, werde nicht: «Wir wollen die anderen nicht unnötig demütigen», sagt er und der Schalk blitzt in seinen Augen. Für ihn sei das der Höhepunkt des Abends, «weil wir gewinnen. Für die anderen ist der Abend schön und das Ende tragisch.»

Doch trotz – oder vielmehr wahrscheinlich gerade wegen – dieses zelebrierten Ehrgeizes geht es bei den von Aeschs ausgesprochen heiter zu und her an diesem Nachmittag. Es wird gescherzt, gestichelt und viel gelacht. Dazu wird ein Bier getrunken, direkt aus der Halbliterflasche, da ist man unkompliziert. Nur Martin von Aesch nimmt keins: Vor 17 Uhr trinke er keinen Alkohol, und nachher lieber ein Glas Wein, sagt er. Sowieso hat er nicht viel Zeit zum Trinken: Beim Guetzlen spielt er im Rückraum und da gibts genug zu tun. Den Teig hat er schon vorbereitet. Weil der noch etwas ruhen muss, sagt er. Weil er da niemanden sonst ranlässt, sagen die anderen. Nun trägt er die Schüsseln mit dem Teig vom Balkon in die Stube, gibt kurz Anweisungen, verschwindet in der Küche, bäckt schon mal die erste Sorte, während der Rest des Teams am runden Tisch fleissig Guetzli aussticht. Dann taucht er wieder auf, bringt ein neues Bier, kontrolliert die Arbeit. «Unglaublich, wie schnell du dich ins Team eingefügt hast, Flo», sagt er zu seinem Neffen: «Das einzige, was dich noch davon abhält, Konditor zu werden, ist das frühe Aufstehen.» Aber zu viel dürfe man auch nicht Loben, sonst werde das Team übermütig, sagt er – und entdeckt auch gleich ein Guetzli, das seinen Ansprüchen nicht genügt. «Das musst du nochmals machen.»

Familie war auch früher wichtig

Hergestellt werden vier Sorten, immer die gleichen: Zimtsterne, Schokoladekugeln, Brunsli und Pekannuss-Schiffli. Die Rezepte stammen alle aus einem kleinen Buch, das Martin von Aesch schon lange besitzt. Nur die Nuss-Schiffli, seine Favoriten, hat er anderswo entdeckt: «Die habe ich mal bei Bekannten gegessen und irrsinnig gut gefunden.»

Der Ofen klingelt, die nächsten Guetzli sind fertig: Martin von Aesch präsentiert ein Blech voll duftender Brunsli. Er ist zufrieden: «Perfekt, einfach perfekt.» Wenn alle vier Sorten gebacken und abgekühlt sind, wird ein Teil davon zum Verschenken verpackt, der Rest wird erst an Weihnachten gegessen. Das gehört zur Tradition.

Wie es dazu gekommen ist, dass Vater und Sohn das Guetzle so zelebrieren, weiss Martin von Aesch nicht mehr. In seiner Kindheit habe das Guetzle in der Adventszeit keine grosse Rolle gespielt. Die Familie hingegen schon: Im Gegensatz zum Silvester sei der Vater – der Schlieremer Lehrer Werner von Aesch, der das Cabaret Rotstift und die Schlieremer Chind ins Leben rief – an Weihnachten immer zu Hause gewesen. Der Höhepunkt war für die drei Kinder, als das Glöcklein bimmelte und sie in die Stube durften: «Da stand dann der geschmückte Baum in voller Blüte», erinnert sich Martin von Aesch. Da klingelt der Ofen wieder, die Schokoladekugeln rufen. Ein prüfender Blick und es ist klar: «Genau so müssen sie sein.»

Serie - Guetzlen mit...

Die Adventszeit: Was wäre sie ohne Weihnachtsguetzli? Das gemeinsame Backen und Verspeisen der süssen Dinger gehört wohl bei den meisten Familien zum festen Bestandteil der Weihnachtsvorbereitungen. Welcher Teig der beste ist, welche Dicke die richtige: Das ist fast schon eine Religion. Wir haben in einer losen Serie Limmattaler Persönlichkeiten besucht und halfen mit beim Kneten, Auswallen, Ausstechen – und natürlich dem Probieren. Damit auch Sie etwas davon haben, liefern wir zum Nachbacken zu Hause jeweils das Rezept gleich mit. Mit diesem Beitrag ist die Serie abgeschlossen.