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»Wie sehr ich auch Liszt liebe, so wirkt doch seine Musik nicht angenehm auf mein Gemüt« Freundschaft und Entfremdung zwischen Heine und Liszt Von Rainer Kleinertz Daß das Verhältnis zwischen Heine und Liszt nicht frei von Reibungen war, ist geradezu ein Gemeinplatz, und es wäre absurd, das Gegenteil behaupten zu wollen. Zu offensichtlich ist die immer wieder zitierte Kritik Heines an Liszt, zu bekannt sind jene Passagen über »den irrenden Ritter aller möglicher Orden«, »den rasenden Roland mit dem ungarischen Ehrensäbel«1 bis hin zu den Versen aus dem Gedicht »Im Oktober 1849«: »Es fiel der Freyheit letzte Schanz’,/ Und Ungarn blutet sich zu Tode –/ Doch unversehrt blieb Ritter Franz,/ Sein Säbel auch – er liegt in der Kommode.« (DHA III, 118) Ohne die Differenzen leugnen zu wollen, ist jedoch ebenso offensichtlich, daß sowohl Liszt als auch Heine immer wieder in ein Cliché gepreßt wurden, das weder der Vielschichtigkeit ihrer Person und ihres Schaffens noch dem nachweisbaren Wandel ihrer beiderseitigen Beziehung gerecht zu werden vermochte. So wurde Liszt allzu oft als eitler Klaviervirtuose, der mit großem publizistischem Geschick die Rollen wechselte und von einem Kostüm in das nächste schlüpfte, dargestellt2, während Heine als charakterloser und geldgieriger Witzemacher verunglimpft wurde, dessen Kritik an Liszt immer wieder mit der Behauptung eines fehlgeschlagenen Erpressungsversuchs begründet wurde. Obwohl Michael Mann bereits 1971 in seiner Arbeit über »Heinrich Heines Musikkritiken« nachwies, daß die scheinbar so erdrückenden Indizien, die auf jenen angeblichen Erpressungsversuch Heines hinwiesen, auf einer Verwechslung der »Lutezia«-Fassungen beruhen3, wird diese Unterstellung auch in der neueren LisztLiteratur weiterhin unkritisch übernommen.4 So findet sich noch in der dreibändigen Liszt-Biographie Alan Walkers die bewußt unscharf gehaltene Insinuation: »Later it was whispered that Liszt had refused to pay the financially embarrassed Heine a bribe for a favourable review, and thus the two men parted company.« Die sich hieran anschließende Fußnote wiederholt dasselbe in Bezug auf Meyerbeer und gipfelt in der Behauptung, Heine sei käuflich gewesen5, wofür der Autor jedoch jeden Nachweis schuldig bleibt. Man könnte dies als mangelnde wissenschaftliche Redlichkeit abtun, wenn hier nicht das Heine-Bild einer breiten Leserschaft von Verleumdungen geprägt würde, deren Ursprung – wie zu zeigen sein wird – nicht zuletzt antisemitischer Natur ist. * Heine lernte Liszt bereits im Juni 1831 kennen, kurz nach seiner Ankunft in Paris. Obwohl Liszt vierzehn Jahre jünger war als Heine und beide in Herkunft und Bildung grundverschieden waren6, scheint ihr Verhältnis schon bald herzlich und von gegenseitiger Anerkennung geprägt gewesen zu sein. Als Liszt 1833 die Gräfin Marie Kleinertz, Heine und Liszt 2 d’Agoult kennenlernte, bat ihn diese bald darauf, sie mit Heine bekannt zu machen. In seiner Antwort läßt Liszt die Bedeutung erkennen, die er Heine beimaß: Il me semble, Madame, que vous m’aviez demandé l’autre soir de vous conduire et présenter notre célèbre compatriote Heine. C’est un des hommes les plus distingués d’Allemagne et si je ne craignais de lui faire tort par la comparaison j’emploierais volontiers à son sujet le fameux adverbe extrêmement trois fois répété. D’après ce préambule, me permettrez-vous de l’emmener avec moi mardi en huit? ...7 Auch die Bekanntschaft George Sands machte Heine durch Liszt.8 Trotz Liszts Liaison mit Marie d’Agoult verband alle drei ein durchaus freundschaftliches Verhältnis.9 Auf die zahllosen gemeinsamen Unterhaltungen dürfte auch die Erwähnung Heines als »geistreichster und pariserischster Deutscher« in Liszts Essay »De la situation des artistes et de leur condition dans la société« zurückzuführen sein: Voyez encore, si vous en avez le courage, une autre classe de musiciens, les PROFESSEURS, qu’un de mes compatriotes, H. H., le plus spirituel et le plus parisien des Allemands, comparaît à des perruquiers qui vont en ville, à des cochers de fiacres loués à l’heure.10 Umgekehrt erwähnt Heine wenig später Liszt in seinen »Florentinischen Nächten«, wenn er von einer Soiree in der Chaussée d’Antin erzählt: Man begann mit Musik. Franz Liszt hatte sich ans Fortepiano drängen lassen, strich seine Haare aufwärts über die geniale Stirne, und lieferte eine seiner brilliantesten Schlachten. Die Tasten schienen zu bluten. Wenn ich nicht irre, spielte er eine Passage aus den Palingenesieen von Ballanche, dessen Ideen er in Musik übersetzte, was sehr nützlich für diejenigen, welche die Werke dieses berühmten Schriftstellers nicht im Originale lesen können. Nachher spielte er den Gang nach der Hinrichtung, la marche au supplice, von Berlioz, das treffliche Stück, welches dieser junge Musiker, wenn ich nicht irre, am Morgen seines Hochzeittages komponirt hat. Im ganzen Saale erblassende Gesichter, wogende Busen, leises Athmen während den Pausen, endlich tobender Beyfall. Die Weiber sind immer wie berauscht, wenn Liszt ihnen etwas vorgespielt hat.11 Die bewußte Absurdität der Behauptungen, Liszt übersetze mit seinem Spiel Ballanche auf das Klavier und Berlioz habe den vierten Satz seiner »Symphonie fantastique« am Morgen seiner Hochzeit mit Harriet Smithson komponiert, wird von Heine selbst durch das zweimalige »wenn ich nicht irre« signalisiert. Dennoch zeigt sich Heine hier nicht nur gut informiert12 – das war bei seinem freundschaftlichen Umgang mit beiden eigentlich selbstverständlich –, sondern er wahrt auch bereits hier mit dem Stilmittel der Ironie das Gleichgewicht zwischen zwei Aspekten, die für sein Verhältnis zur Musik Liszts und Berlioz’ von Anfang an grundlegend waren: Während er einerseits keinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit ihres künstlerischen Strebens hegte13 und Liszt als genial, den Symphoniesatz von Berlioz als »treffliches Stück« apostrophierte, stand er ihrer Musik an sich eher reserviert gegenüber. Es wäre jedoch falsch, Heine aus diesem Grunde ›Unmusikalität‹ zu unterstellen, schließlich standen nicht nur konservative Musikkritiker, sondern beispielsweise auch Robert Schumann trotz seiner anfänglichen Begeisterung für die »Symphonie fantastique« der Musik von Berlioz und Liszt in immer stärkerem Maße ablehnend gegenüber.14 Wenn Heine daher bezogen auf Liszt von »Schlacht« spricht, daß ›die Tasten zu bluten schienen‹, oder davon, daß Liszt die »Essais de palingénésie sociale« in Musik zu übersetzen scheine, so ist damit zunächst einerseits wohl das Auftrumpfende, Kämpferische mancher Klavierstücke Liszts Kleinertz, Heine und Liszt 3 gemeint, andererseits eine harmonische und melodische Kompliziertheit, die an die philosophischen Schriften eines Ballanche denken ließ. (So stand auch George Sand manchen Kompositionen Liszts aus dieser Zeit durchaus kritisch gegenüber.15) Zugleich muß man diese Reserve aber auch als Ausdruck des Bewußtseins verstehen, daß Liszts Klavierspiel und auch seine Kompositionen mehr waren als bloße Zurschaustellung von Virtuosität. Bereits hier, in Heines erster Erwähnung Liszts, verbinden sich Anerkennung und Unbehagen miteinander und lassen eine Ambivalenz erkennen, ohne die die spätere Kritik Heines an Liszt nicht verständlich ist. Wie herzlich trotz dieser Vorbehalte das beiderseitige Verhältnis lange Zeit war, zeigt ein Brief Heines vom 12. Oktober 1836: Mein theurer Lißt! Für den lieben Brief den Sie mir vor geraumer Zeit nach Paris geschrieben sage ich meinen nachträglichen Dank. Ihr schönes Herz hat sich in jenen wenigen Worten aufs liebenswürdigste ausgesprochen. Sie haben mir wohlgethan und ich bedurfte eben der freundschaftlichen Theilname. [...] Vor meiner Abreise von Paris hat man mir gesagt, lieber Lißt, daß Sie sich noch immer in Genf befänden und erst spät nach Italien reisen würden. Ich schreibe Ihnen heute in der Absicht um etwas genaueres über Ihren Aufenthalt und Reiseplan zu erfahren. Es würde mich unsäglich erfreuen wenn ich mit Ihnen irgendwo zusammentreffen könnte. Ich bin jetzt so ganz allein, in Marseille kenne ich keine einzige Seele, und diese ungestörte Einsamkeit ist für mich um so unerquicklicher, da ich dieses ganze Jahr in der bewegtesten Zweysamkeit gelebt habe. Ich fühle eine Lücke im Herzen die ich hier nur mit Stroh füllen kann – denken Sie sich also, wie erfreut ich seyn würde mit einem Freunde wie Sie sind zusammen zu treffen. – In Paris ist alles beym Alten. Der klingende Baum der Musik blüht, obgleich Herr Schlesinger [der Herausgeber und Verleger der »Revue et Gazette musicale de Paris«] alle Woche daran pißt. [...] Von Ihnen, theurer Lißt, sind noch alle Menschen des entzücktesten Lobes voll. Mit Freuden hört ich daß Sie sich während Ihrer Abwesenheit aufs Erstaunlichste vervollkommnet haben. Diese Abwesenheit war gewiß heilsam, Sie bedurften dieser Ruhe mehr als jemand; ich fürchtete immer daß Ihr Leben zu Paris, bey der äußeren und inneren Bewegung worin ich Sie immer sah, Sie zu grunde richten würde; Sie sind ein außerordentlicher edler Mensch, und ich liebe Sie wie einen Bruder. Du sublime au ridicule il n’y a qu’un pas – Kalkbrenner nemlich befindet sich wohl und gesund. (HSA XXI, 163 f.) Liszt hielt sich bereits seit dem vorhergehenden Jahr gemeinsam mit Marie d’Agoult in Genf auf, von wo aus beide – ebenso wie Heine – nach Italien reisen wollten. Der herzliche Tonfall darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß Heine und Liszt bereits zu dieser Zeit zumindest in einem Punkte stark divergierten: Liszt war ein glühender Verehrer des mit Rom zerstrittenen Priesters Félicité de Lamennais und dessen Schriften, insbesondere der 1834 erschienenen »Paroles d’un croyant«, eine Bewunderung, die Heine trotz Lamennais’ republikanischer Gesinnung nicht teilte (DHA XI, 102 u. 590 ff.). In einem Brief an Lamennais vom 31. Dezember 1834 berichtet Eugène Boré von einem Zusammentreffen mit Heine: Le jour de Noël, j’ai été dîner avec Liszt et quelques jeunes gens [...]. Heine, cet être trop connu, se trouvait là.16 Il rend justice à votre talent, mais il me disait que, s’il s’en sentait la force, il vous attaquerait. Il vous regarde comme plus dangereux pour le philosophisme (le sien, je pense) que le Catholicisme même. C’est un être qui m’a inspiré de l’horreur. Le blasphème ou la plaisanterie froide et ordurière sont toujours dans sa bouche.17 Lamennais, der Heine persönlich nicht kannte, antwortete lakonisch: »Il y a réellement quelque chose de satanique dans cet homme-là.«18 Da Liszt sich kurz zuvor in Kleinertz, Heine und Liszt 4 La Chênaie bei Lamennais aufgehalten hatte19, dürften er und Heine an jenem Abend in Bezug auf Lamennais deutlich verschiedene Positionen vertreten haben.20 Es war das kometenhafte Erscheinen des Pianisten Sigismund Thalberg21 in Paris, das Liszt und Marie d’Agoult im Herbst 1836 bewog, vor der Italienreise noch einmal für einen Winter nach Paris zurückzukehren. Marie d’Agoult und George Sand residierten gemeinsam im Hôtel de France, wo sie einen gemeinsamen Salon unterhielten, in dem offensichtlich auch Heine verkehrte. In ihrer »Histoire de ma vie« berichtet George Sand: A l’hôtel de France, où madame d’Agoult m’avait décidée à demeurer près d’elle, les conditions d’existence étaient charmantes pour quelques jours. Elle recevait beaucoup de littérateurs, d’artistes et quelques hommes du monde intelligents. C’est chez elle ou par elle que je fis connaissance avec Eugène Sue, le baron d’Ekstein, Chopin, Mickiewicz, Nourrit, Victor Schoelcher, etc. Mes amis devinrent aussi les siens. Elle connaissait de son côté M. Lamennais, Pierre Leroux, Henri Heine, etc. Son salon improvisé dans une auberge était donc une réunion d’élite qu’elle présidait avec une grâce exquise et où elle se trouvait à la hauteur de toutes les spécialités éminentes par l’étendue de son esprit et la variété de ses facultés à la fois poétiques et sérieuses. On faisait là d’admirable musique, et, dans l’intervalle, on pouvait s’instruire en écoutant causer.22 Liszt war – publizistisch unterstützt von Berlioz – von Anfang an bemüht, den Vergleich nicht zu einem ›Klavierwettbewerb‹ werden zu lassen, sondern sich von Thalberg qualitativ zu unterscheiden. Nicht zuletzt diesem Zweck dienten seine zahlreichen Aufführungen von Werken Beethovens, allen voran der »Hammerklaviersonate« op. 106, und zahlreicher eigener Kompositionen. Von dem Virtuosen Thalberg wollte er sich als Interpret und Komponist ernsthafter Musik absetzen.23 Durch einen Artikel Liszts über Thalbergs Kompositionen, der im Januar 1837 in der »Revue et Gazette musicale de Paris« erschien, erfuhr die Rivalität beider Pianisten eine ungeahnte Schärfe. Der Komponist und Musikschriftsteller François-Joseph Fétis, der Thalberg bereits bei seinem ersten Auftreten in Paris mit überschwenglichem Lob gefeiert hatte, sah sich veranlaßt, ebenfalls in der »Revue et Gazette Musicale« unter dem Titel »MM. Thalberg et Liszt« einen gegen Liszt gerichteten, überaus polemischen Artikel zu veröffentlichen, auf den Liszt seinerseits nicht minder polemisch antwortete.24 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß Heine in seinem Zehnten Brief »Über die französische Bühne«, der 1837 in Lewalds »Allgemeiner Theaterrevue« und am 4. Februar 1838 in französischer Übersetzung in der »Revue et Gazette musicale de Paris« erschien (»Lettres confidentielles. II«), trotz aller kritischen Anmerkungen zu Liszt sich dessen Argumente zu eigen machte und damit bei aller scheinbaren Ausgewogenheit des Urteils eindeutig für Liszt Partei ergriff: Es ist hinreichend, daß der Musiker sein Instrument ganz in der Gewalt habe, daß man des materiellen Vermittelns ganz vergesse und nur der Geist vernehmbar werde. Überhaupt, seit Kalkbrenner die Kunst des Spiels zur höchsten Vollendung gebracht, sollten sich die Pianisten nicht viel auf ihre technische Fertigkeit einbilden. Nur Aberwitz und Böswilligkeit durften, in pedantischen Ausdrücken, von einer Revolution sprechen, welche Thalberg auf seinem Instrument hervorgebracht habe. (DHA XII, 503) Kleinertz, Heine und Liszt 5 Mit den »pedantischen Ausdrücken« ist hier eindeutig Fétis gemeint25, der Thalberg als Vertreter einer völlig neuen Schule des Klavierspiels dargestellt hatte. Sein Artikel mit dem Titel »MM. Thalberg et Liszt« beginnt mit den Worten: Que la musique soit de tous les arts celui qui subit à de certaines époques les transformations les plus complètes, cela est incontestable, et le plus léger examen des faits suffit pour démontrer cette vérité. Les révolutions de cette espèce sont les conséquences inévitables de la nature même de l’art. Im folgenden erläutert Fétis – neben einer heftigen Polemik gegen Liszt – das künstlerische ›Programm‹, das Thalberg sich gestellt und gelöst habe und das Fétis als eine der ›Revolutionen‹ der Musik darstellt. Er resümiert: Tel est le programme que M. Thalberg a osé se faire! Ce programme est une de ces conceptions de génie qu’on voit éclore quand l’époque des transformations est arrivée; sa réalisation est une des merveilles de notre temps. Demgegenüber sei Liszt bereits überholt: Vous êtes l’homme transcendant de l’école qui finit et qui n’a plus rien à faire, mais vous n’êtes pas celui d’une école nouvelle. Thalberg est cet homme: voilà toute la différence entre vous deux.26 Es ist verständlich, daß diese Frage, wer von beiden den musikalischen Fortschritt vertrete, an Liszts Selbstverständnis rührte und er in seiner Erwiderung gerade auch auf diesen Punkt einging: Enfin, dans la conclusion, quelle distraction n’est pas la vôtre! Poser M. Thalberg comme le représentant d’une école nouvelle! L’école des arpèges et des passages du pouce apparemment? Qui donc admettra que ce soit là une école, et une école nouvelle surtout? Avant M. Thalberg, il s’est fait des arpèges et des passages du pouce; après M. Thalberg il s’en fera encore. S’il vous fallait absolument un parallèle avec antithèse pour finir, que ne disiez-vous catégoriquement: ›Thalberg, c’est le résumé de toutes les perfections, le beau idéal en dehors et au-dessus de toute critique. Liszt, au contraire, c’est le désordre, la convulsion, le cauchemar fantastique, etc., etc.‹ A la bonne heure, voilà des conclusions nettes, et des différences bien tranchées. (LSS I, 362) Liszt versucht hier geschickt – und letztlich wohl auch zutreffend – Thalberg als Vertreter einer klassizistischen Musikauffassung darzustellen, der auch Fétis verpflichtet war. Wenn Thalberg dem »beau idéal« entsprach und er selbst aus der Sicht Fétis’ – wie Liszt es ihm in den Mund legt – Unordnung und Alptraum darstellte, dann vertraten beide jeweils eine entgegengesetzte Position in der in Frankreich heftig geführten Auseinandersetzung zwischen ›Klassikern‹ und ›Romantikern‹, die sich in der Musik besonders an den Werken von Hector Berlioz entzündet hatte.27 Vor dem Hintergrund dieser Antithese stellte Liszt sich nun dem ›Klassizisten‹ Thalberg als der ›Romantiker‹ gegenüber, womit Fétis’ Verdikt von alter und neuer Schule unausgesprochen vom Kopf auf die Füße gestellt war. In diesem Sinne vertritt auch Heine in seinem Zehnten Brief »Über die französische Bühne« trotz des scheinbar objektiven Tonfalls Liszts Position gleich in dreifacher Hinsicht: 1. Obwohl beide in technischer Hinsicht als gleichwertig zu betrachten seien, sei an geistigen Charakteren wohl kein schrofferer Kontrast denkbar als »der edle, seelenvolle, verständige, gemütliche, stille, deutsche, ja österreichische Thalberg gegenüber dem Kleinertz, Heine und Liszt 6 wilden, wetterleuchtenden, vulkanischen, himmelstürmenden Liszt«. Dabei entscheidet die Klimax der Adjektive den Vergleich, der zunächst dem »edlen« Thalberg den »wilden« Liszt entgegenstellt, schließlich ganz im Sinne der Antithese Liszts eindeutig zu dessen Gunsten. 2. Das Argument der »überwundenen Schwierigkeit« sei in der Musik wie auch in der Poetik ein grundlegender Irrtum. Entscheidend sei vielmehr, »daß der Musiker sein Instrument ganz in der Gewalt habe, daß man des materiellen Vermittelns ganz vergesse und nur der Geist vernehmbar werde.« Auch hier übernimmt Heine die Position Liszts, wobei er implizit zugleich eine Prämisse seiner Kritik an August von Platen 28 aufgreift (»einem Irrtum, der einst auch in der Poetik florierte«). 3. War der neunte Brief Rossini und Meyerbeer gewidmet, so würdigt Heine im zehnten mit Berlioz, Liszt und Chopin die drei führenden Komponisten von Instrumentalmusik in Paris, während Thalberg nur en passant, im Zusammenhang mit Liszt, erwähnt wird. Heines Parteinahme für Liszt war jedoch keine ›Propaganda‹. Nicht nur daß Heine ihm seinen philosophischen Eklektizismus vorwarf, ihm unterstellte, seine Überzeugungen gewissermaßen wie »Steckenpferde« zu wechseln, sondern er verhehlte auch nicht, daß ihm Liszts Musik unheimlich sei: Wenn er am Fortepiano sitzt und sich mehrmals das Haar über die Stirne zurückgestrichen hat, und zu improvisieren beginnt, dann stürmt er nicht selten allzutoll über die elfenbeinernen Tasten, und es erklingt eine Wildniß von himmelhohen Gedanken, wozwischen hie und da die süßesten Blumen ihren Duft verbreiten, daß man zugleich beängstigt und beseligt wird, aber doch noch mehr beängstigt. Ich gestehe es Ihnen, wie sehr ich auch Lißt liebe, so wirkt doch seine Musik nicht angenehm auf mein Gemüth, um so mehr, da ich ein Sonntagskind bin und die Gespenster auch sehe, welche andere Leute nur hören. (DHA XII, 288) Diesem ästhetischen Unbehagen, das keinesfalls die Achtung vor Liszts Charakter und seinem Klavierspiel ausschließt (dieselben ästhetischen Vorbehalte äußert Heine später gegenüber Beethoven)29, wird nun Chopin gegenübergestellt: Es wäre ungerecht, wenn ich bey dieser Gelegenheit nicht eines Pianisten erwähnen wollte der neben Lißt am meisten gefeyert wird. Es ist Chopin, der nicht bloß als Virtuose durch technische Vollendung glänzt, sondern auch als Componist das Höchste leistet. [...] Ja, dem Chopin muß man Genie zusprechen, in der vollen Bedeutung des Worts; er ist nicht bloß Virtuose, er ist auch Poet, er kann uns die Poesie, die in seiner Seele lebt, zur Anschauung bringen, er ist Tondichter, und nichts gleicht dem Genuß, den er uns verschafft, wenn er am Clavier sitzt und improvisirt. (DHA XII, 289 f.) Neben dem Vorwurf des Eklektizismus und der Verschrobenheit des Charakters dürften es nicht zuletzt diese Äußerungen über Chopin gewesen sein, die Liszt zutiefst trafen, zumal sie pikanterweise die Meinung seiner Lebensgefährtin Marie d’Agoult, die sich zuvor vergeblich um Chopins Gunst bemüht hatte, widerspiegelten.30 Liszt erfuhr von Heines Brief zuerst Mitte Februar durch Berlioz: »Notre ami Heine a parlé dernièrement de nous deux dans la Gazette musicale avec autant d’esprit que d’irrévérence, mais sans méchanceté aucune toutefois; il a en revanche tressé pour Chopin une couronne splendide qu’il mérite au reste depuis longtemps.«31 Wann Liszt den Artikel selbst in Händen hielt, ist nicht bekannt, jedenfalls nahm er Heines Ausführungen nicht so gelassen hin wie Berlioz. Sie mußten ihn auch treffen, da Heines Kleinertz, Heine und Liszt 7 Vorwurf der Unbeständigkeit, der Beschäftigung mit geistigen »Steckenpferden« (DHA XII, 288), gerade das als bloßes Spiel erscheinen ließ, was für Liszt eine Suche nach seiner künstlerischen Identität war. Nur zwei Monate zuvor hatte dieser Lamennais in einem Brief mitgeteilt: J’espère et désire ardemment votre prochain livre que je lirai de cœur et d’âme comme tout ce que vous écrivez depuis quatre ans. Ce sera pour moi quelques bonnes et nobles émotions de plus, que je vous devrai. Resteront-elles à jamais stériles? Ma vie sera-t-elle toujours entachée de cette oisive inutilité qui me pèse? L’heure du dévouement et de l’action virile ne viendra-t-elle point? Suis-je condamné sans rémission à ce métier de baladin et d’amuseur de salons?32 Liszt antwortete Heine schließlich in der siebten seiner »Lettres d’un bachelier èsmusique«33, die auf den 15. April 1838 in Venedig datiert ist.34 Eine erneute Lektüre des Briefes habe ihn »je ne sais quelle intention grave, je ne sais quel air de conviction qui perce à travers mille charmantes plaisanteries« finden lassen, die ihn zu einer ernsten Antwort veranlaßt hätten. Geschickt greift er Heines Vorwurf, er habe einen »verschrobenen Charakter« (»un caractère mal assis«, DHA XII, 498), auf und überträgt ihn, wobei er mit der wörtlichen und übertragenen Bedeutung von »mal assis« spielt, auf die ganze Epoche und auch auf Heine: Mais, dites? cette accusation, que vous faites peser sur moi tout seul, ne devrait-elle pas, pour être équitable, peser sur notre génération tout entière? Est-ce donc moi seul qui suis mal assis dans le temps où nous vivons? ou plutôt, malgré nos beaux fauteuils gothiques et nos coussins à la Voltaire, ne sommes-nous pas tous assez mal assis entre un passé dont nous ne voulons plus, et un avenir que nous ne connaissons pas encore? Vous-mêmes, mon ami, qui paraissez en ce moment prendre si gaiement votre partie des misères du monde, avez-vous toujours été très-bien assis? Quand naguère votre pays se fermait pour vous et que vous arriviez au milieu de nous, sollicité par tous les partis comme un puissant auxiliaire, avez-vous été tout d’un coup déterminé et pour toujours? N’y a-t-il pas eu au contraire bien des heures, bien des journées, où vous vous êtes senti mal assis dans vos croyances? Vous qui avez une haute mission de penseur et de poëte, avez-vous toujours bien discerné les rayons de votre étoile? (LSS I, 172 ff.) Schließlich habe auch Heine den Versammlungen der Saint-Simonisten beigewohnt, und auch bei Ballanche35 sei er ihm begegnet. Zwar sei Heine immer besser als er ohne das Kreuz von Golgatha ausgekommen, aber eine Jakobinermütze finde sich bei einigem Suchen sicher noch unter den alten Sachen in Heines Garderobe. 36 Oh! mon ami, croyez-moi, point d’accusation de versatilité, point de récriminations: le siècle est malade; nous sommes tous malades avec lui, et, voyez-vous, le pauvre musicien a encore la responsabilité la moins lourde, car celui qui ne tient pas la plume et qui ne porte pas l’épée peut s’abandonner sans trop de remords à ses curiosités intellectuelles, et se tourner de tous les côtés où il croit apercevoir la lumière. (LSS I, 174) Hatte Heines Brief in der abschließenden Traumszene der Zeitschriftenfassung (DHA XII, 503 f.) zu der Frage geführt: »Was ist die Kunst?«, so antwortete Liszt in seiner Erwiderung mit der Frage nach der Funktion des Künstlers: Voici d’ailleurs la cloche des Capucins qui sonne l’office de minuit; c’est l’heure où je vais fumer ma pipe de jonc marin sur la riva degli Schiavoni, en me demandant quelquefois quelle est donc la secrète force qui nous a rapprochés, lui, le pauvre jonc des Paludes de l’Adriatique, et moi, l’enfant du Danube, Kleinertz, Heine und Liszt 8 pour être brisés, lui, par moi ce soir, après qu’il m’aura servi à rêver creux une heure, et moi demain par une main inconnue, après avoir servi à quoi? Je l’ignore. (LSS I, 176) Dabei ist Liszt in seiner Antwort nie verletzend, sondern betont immer wieder das freundschaftliche Verhältnis, das beide verbinde37, wie ja auch Heines Brief im Grundsatz von freundschaftlicher Hochachtung und Anerkennung gegenüber Liszts Streben getragen war. Es überrascht daher auch nicht, daß Heine 184138 anläßlich einiger Konzerte Liszts in Paris – trotz der Konstanten seiner Liszt-Kritik, die auch jetzt nicht fehlen – die positivsten Worte über Liszt fand, die je seiner Feder entflossen. Zwar kommt ihm Liszts Musik vor »wie eine melodische Agonie der Erscheinungswelt« und stellt er ihm immer noch Chopin als den »Raffael des Pianoforte« gegenüber, doch bescheinigt er ihm unumwunden, daß er nicht nur den wunderbarsten Fortschritt gemacht habe, sondern man denke bei Liszt gar nicht mehr an überwundene Schwierigkeit, »das Clavier verschwindet, und es offenbart sich die Musik.«39 Die Anfeindungen, denen Liszt ausgesetzt war, bildeten für Heine schließlich sogar den Anlaß zu einem Vergleich mit Byron: Trotz seiner Genialität begegnet Liszt einer Opposition hier in Paris, die vielleicht eben durch seine Genialität hervorgerufen ward. Diese Eigenschaft ist in gewissen Augen ein ungeheures Verbrechen, das man nicht genug bestrafen kann. »Dem Talent wird schon nachgerade verziehen, aber gegen das Genie ist man unerbittlich!« – so äußerte sich einst der selige Lord Byron, mit welchem unser Liszt viele Aehnlichkeit bietet. (HSA X, 100)40 Während Byron hier zeichenhaft für den romantischen Künstler schlechthin steht, ist der anschließende Vergleich mit Beethoven, der als Paradigma des romantischen Musikers galt41, nicht nur mindestens ebenso schmeichelhaft für Liszt, sondern bildet geradezu den Schlüssel zum Verständnis von Heines Liszt-Kritik. Zwar ist Heines Urteil über Beethoven ebenfalls scheinbar negativ gefärbt (»Namentlich Beethoven treibt die spiritualistische Kunst bis zu jener Vernichtung der Natur, die mich mit einem Grauen erfüllt, das ich nicht verhehlen mag«42), doch gesteht er sogleich ein, daß er mit diesem Eindruck auch unter seinen Freunden allein stand (»obgleich meine Freunde darüber den Kopf schütteln«; außer Heine hätte wohl niemand in Paris es gewagt, öffentlich auch nur den Anschein von Kritik an Beethoven zu erwecken). Die Bedeutung Beethovens wird also von Heine trotz seines Unbehagens in keiner Weise in Frage gestellt. Berücksichtigt man darüber hinaus die an Hegel orientierte Einleitung, die auf die Bemerkung hinzielt, die Musik sei »vielleicht das letzte Wort der Kunst, wie der Tod das letzte Wort des Lebens« (HSA X, 99), dann kommt dem »unheimlichen Todtenmal«, das nach Heines Empfinden Beethovens letzte Produktionen ›an der Stirne tragen‹, eine besondere Bedeutung zu: In Beethoven zeigt sich für Heine – und dies ist sicher eine zutreffende Beobachtung – die in Hegels Ästhetik angelegte Dialektik von ästhetischer Vollendung und historischer Entwicklung (der Offenbarung des Geistes).43 Insofern als für Hegel nicht nur die Musik als Ganze zu den romantischen Künsten (bei denen der Geist über das sinnlich zu Verwirklichende hinausweist) zählt, sondern auch – wie alle Künste – ihre eigene symbolische, klassische und romantische Epoche besitzt, ist es kein Widerspruch, in Mozart die höchste, ›klassische‹ Vollendung der Musik zu Kleinertz, Heine und Liszt 9 erblicken und dennoch in Beethoven – den Hegel ignorierte44 – trotz der geringeren ästhetischen Vollendung eine höhere Stufe der Geistigkeit (»Spiritualität«) zu sehen, die zur Auflösung der Musik tendiert. Wenn Heine also in seinem Bericht über die »Musikalische Saison« von 1841 bemerkt, Liszts Spiel komme ihm manchmal vor »wie eine melodische Agonie der Erscheinungswelt« (ein Aperçu, das in der Buchfassung von 1854 bezeichnenderweise auf Beethoven bezogen wird45), und dem anläßlich der Ankündigung von Liszts Konzert zum Besten des Bonner Beethovendenkmals hinzufügt: »Dieser Componist muß in der That dem Genius eines Liszt am meisten zusagen«46, dann ist damit nichts geringeres gesagt, als daß für ihn Liszts Musik ebenso wie das Spätwerk Beethovens Ausdruck jener ›gesteigerten Spiritualität‹ ist, die das ›Ende der Kunstperiode‹ bezeichnet.47 Das Unheimliche an Liszts Spiel und Kompositionen ist also zugleich der Garant seiner Modernität. Vor diesem Hintergrund bedarf das auf den ersten Blick uneingeschränkte Lob Chopins, wie Heine es 1837 formuliert hatte und 1841 kurz in der formelhaften Erwähnung Chopins als »jenes Rafaels des Fortepiano« wiederholte (HSA X, 100), der Modifikation: Wenn Heine konstatiert, Chopin stamme aus dem Land Mozarts, Raffaels und Goethes, so wird damit zwar die klassische Schönheit seiner Kompositionen unterstrichen, er wird zugleich aber zu einem Unzeitgemäßen. Und dies ist auch schon 1837 angesprochen, wenn Heine mit einer gewissen Ambivalenz das Aristokratisch-Elitäre an Chopin benennt: Chopin ist der Liebling jener Elite, die in der Musik die höchsten Geistesgenüsse sucht, sein Ruhm ist aristokratischer Art, er ist parfümirt von den Lobsprüchen der guten Gesellschaft, er ist vornehm wie seine Person.48 Damit wird man umgekehrt aber auch in den Bemerkungen über Liszt, den »mehr noch als die Interessen seiner Kunst [...] die Untersuchungen der verschiedenen Schulen, die sich mit der Lösung der großen, Himmel und Erde umfassenden Frage beschäftigen«, interessierten und der »das Bedürfniß fühlt sich um alle Bedürfnisse der Menschheit zu bekümmern, und gern die Nase in alle Töpfe steckt, worin der liebe Gott die Zukunft kocht«, eine tiefere Bedeutung sehen müssen, als der ironische Tonfall zunächst erkennen läßt: »daß Franz Lißt kein stiller Klavierspieler für ruhige Staatsbürger und gemüthliche Schlafmützen seyn kann, das versteht sich von selbst.« (DHA XII, 288) Im Gegensatz zu dem bloßen Virtuosen Thalberg und der ›schönen‹ Musik Chopins ist Liszt für Heine – bei allem ästhetischen Unbehagen, das ihm dieser ebenso wie Beethoven verursacht – der ›moderne‹,49 zeitgemäße Künstler. Liszt hat sich denn auch an den kritischen Tönen jenes am 29. April 1841 erschienenen Artikels nicht nur nicht gestört, sondern war nach dessen Lektüre so angetan, daß er Marie d’Agoult spontan vorschlug, ihn zu übersetzen und in der Pariser Musikzeitschrift »Le Monde musical« zu veröffentlichen: Ne seriez-vous pas d’avis de traduire l’article de Heine et de le donner au Monde Musical? Il faudrait seulement le faire précéder de deux mots, comme ceux-ci par exemple: »Nous empruntons à la Gazette Universelle d’Augsbourg l’article suivant dans lequel nous avons cru reconnaître la plume d’un des poètes-écrivains les plus éminents d’Allemagne. Sans vouloir prendre aucunement la responsabilité des opinions du célèbre critique, nous croyons faire plaisir à nos lecteurs en leur communiquant ces aperçus Kleinertz, Heine und Liszt 10 si ingénieusement sagaces, d’une impartialité si ironique.« Faites-en ce que bon vous semblera (sans signer bien entendu) et prévenez-m’en de suite afin que j’écrive à Lireux.50 Da Heine in einem Brief vom 25. Mai 184151 Liszt an 300 Francs erinnerte, die dieser ihm zukommen lassen wollte, ist zu vermuten, daß diese Summe mit Heines Artikel über die »Musikalische Saison in Paris« und der geplanten französischen Übersetzung in Verbindung stand: Liebster Lißt! Von Ihren Triumphen in London habe ich seitdem vielfach Nachricht erhalten und mich gewiß herzlich darüber gefreut. Nur die 300 Fs, die Sie mir hierherschicken wollten, sind nicht so schnell gereist und ich habe sie bis auf diese Stunde noch nicht erhalten. Ich will gern dem Zufall diese Verzögerung zuschreiben, obgleich die große zersplitternde und betäubende Zerstreuung, worin Sie dort leben, ebenfalls Schuld dran seyn kann. Den 8’ oder 9ten Juny reise ich ins Bad, und wenn mich also Ihr Brief noch hier treffen soll, müssen Sie mir bald schreiben, addressirt: rue Bleue, No 25. – Lassen Sie bey dieser Gelegenheit mir auch einige Notizen über dortiges Treiben zukommen, wenn Ihnen ein Moment Muße übrig bliebe. – Leben Sie wohl und seyn Sie überzeugt daß ich Sie liebe; denn ich verstehe Sie.52 Mann hat in anderem Zusammenhang bereits darauf hingewiesen, daß Heine »gegen alle Spielregeln des métier verstoßen« hätte, wenn er »für die, manchem Virtuosen erwiesenen, oft unschätzbaren journalistischen Dienste keine Gegendienste erwartet hätte«.53 Zweifellos waren auch Liszt sowohl diese ›Spielregeln‹ als auch die Bedeutung solcher Publizität, vor allem wenn sie von einem namhaften Autor stammte, bewußt, wie schon die Absicht erkennen läßt, Heines Artikel zu übersetzen und in einer französischen Zeitschrift zu veröffentlichen. Bemerkenswert ist jedoch, daß Liszt dieser Gedanke an eine Übersetzung offensichtlich erst nach der Lektüre des Berichts in der »Allgemeinen Zeitung« kam, was nahelegt, daß ihm Heines Artikel im Wortlaut wie in der Tendenz bis dahin ganz oder weitgehend unbekannt war. * Eine deutliche Veränderung in ihrer Beziehung führten erst Liszts Konzerte in Deutschland herbei, insbesondere während seines Berliner Aufenthalts vom 23. Dezember 1841 bis zum 3. März 1842, bei dem der Begriff der »Lisztomanie« geprägt wurde54, sowie die hiermit verbundenen Titel und Ehrungen.55 Eine erste Reaktion Heines – bei der Liszt, der 1843 in Paris kein Konzert gegeben hatte, allerdings ungenannt blieb – stellt der Bericht für die »Allgemeine Zeitung« vom 20. März 1843 dar. Offensichtlich vor dem Hintergrund der ›Lisztomanie‹ in Berlin spielt Heine die einzigen beiden Pianisten, die mit Liszt verglichen werden konnten, Thalberg und Chopin, in doppelter Hinsicht gegen ihn aus: Thalberg wird als Muster eines im Leben wie in der Kunst unprätentiösen Virtuosen gepriesen, während er in Chopin – den er als einzigen über Thalberg stellt – bereits nicht mehr den Virtuosen, sondern fast nur noch den Komponisten sieht, den er mit Mozart, Beethoven, Rossini und Meyerbeer vergleicht: Thalberg ist schon seit zwei Monaten in Paris, will aber selbst kein Concert geben; nur im Concerte eines seiner Freunde wird er diese Woche öffentlich spielen. Trotz meiner Abneigung gegen das Clavier werde ich ihn dennoch zu hören suchen. Es hat aber seine eigne Bewandtniß mit der Toleranz die ich dem Thalberg angedeihen lasse. Dieser bezaubert mich, ich möchte fast sagen durch sein musikalisches Kleinertz, Heine und Liszt 11 Betragen: sein Spiel ist ganz getaucht in Harmonie. Wie im Leben so auch in der Kunst bekundet Thalberg den angebornen Tact, sein Vortrag ist so gentlemanlike, so wohlhabend, so anständig, so gesund, so ganz ohne Grimasse, so ganz ohne forcirtes Genialthun, so ganz ohne jene renommirende Bengelei welche die innere Verzagniß schlecht verhehlt, wie wir dergleichen bei unsern musikalischen Glückspilzen so oft bemerkten. Die Weiber lieben ihn ganz besonders, obgleich er nicht durch epileptische Anfälle auf dem Clavier ihr Mitleid in Anspruch nimmt, obgleich er nicht auf ihre überreizt kranke Nerven speculirt, obgleich er sie weder elektrisirt noch galvanisirt; er entzückt nur durch balsamischen Wohllaut, durch Maaß und Milde. Es gibt nur einen, den ich ihm vorzöge, das ist Chopin, der aber vielmehr Componist als Virtuose ist. Bei Chopin vergesse ich ganz die Meisterschaft des Clavierspiels und versinke in die süßen Abgründe seiner Musik, in die schmerzliche Lieblichkeit seiner ebenso tiefen wie zarten Schöpfungen. Chopin ist der große, geniale Tondichter, den man eigentlich nur in Gesellschaft von Mozart oder Beethoven oder Rossini oder Meyerbeer nennen sollte.56 Berühmt-berüchtigt wurde schließlich der erste Artikel über die »Musikalische Saison in Paris« von 1844. Berücksichtigt man allerdings zum einen Heines Abneigung gegen Preußen – auch Meyerbeer und Mendelssohn verzieh er nicht ihre Verbindung zum preußischen Hof – und zum anderen das Unbehagen, das Liszts unvorstellbare Erfolge (und teilweise wohl auch sein parvenühaftes Verhalten) bei vielen Musikern und Musikschriftstellern hervorrief – beispielsweise kam es auch in Liszts Verhältnis zu Schumann und Mendelssohn57 zu einer weitgehenden Entfremdung –, so fällt an der Zeitschriftenfassung von 1844 eher die durchaus noch spürbare Sympathie für Liszt auf als der ironische Spott über die zahllosen Ehrungen, die Liszt zuteil geworden waren. Michael Mann hat bereits auf den Sachverhalt hingewiesen, daß es im Fall der »Musikalischen Saison von 1844« nicht nur zwei Fassungen gibt (die Journalfassung und die wesentlich negativer wertende, geradezu vernichtende Buchfassung von 1854), sondern daß der Journalfassung eine erster Entwurf vorausging, der deutlich distanzierter war als die veröffentlichte Journalfassung.58 Während die Buchfassung von 1854, die seit ihrem Erscheinen die bis heute allgemein bekannte und zitierte Fassung darstellt59, hier aus chronologischen Gründen zunächst unberücksichtigt bleiben kann, läßt sich in den beiden ersten Fassungen die Kritik an Liszt auf den Spott über Liszts zahlreiche Titel und Ehrungen, darunter den Ehrensäbel, der ihm 1840 in Pest überreicht worden war, reduzieren. (In der Erstfassung ist Liszt sogar noch »außerordentliches Mitglied des kölner Carnevalvereins«! DHA XIV, 1444) Dem steht zugleich jedoch bereits in der Erstfassung ein doppeltes – wenn auch am Schluß ironisch gebrochenes – Bekenntnis zu Liszt gegenüber: Und dann unser Liszt, den wir hier nennen müssen, und der trotz all seiner Unangenehmheiten dennoch immer unser Liszt bleibt! [...] Ich bin dennoch froh ihn wieder zu sehen, und trotz meiner Clavierscheu freue ich mich auf sein erstes Conzert, welches er, wie ich höre, zum Besten der Königinn Pommare geben wird.60 Der wesentliche Unterschied der Journalfassung liegt darin begründet, daß Heine Liszt zwischenzeitlich gehört hatte und sich nun genötigt sah, dieses geradezu elementare Erlebnis zu verarbeiten. Wie sehr ihn Liszt beeindruckt hatte, lassen gleich im ersten Satz die Änderungen und Hinzufügungen erkennen: Kleinertz, Heine und Liszt 12 Und dann unser Liszt, der trotz aller Verkehrtheiten und verletzenden Ecken dennoch unser theurer Liszt bleibt, und in diesem Augenblick nicht bloß ganz Paris, sondern sogar den sonst so ruhigen Schreiber dieser Blätter in eine Aufregung gesetzt die nicht abgeläugnet werden kann. (HSA X, 231) Unter dem Eindruck von Liszts Spiel sah sich Heine zu einer Auseinandersetzung mit dem vom bloß ästhetischen nicht mehr zu erklärenden Eindruck, den Liszt auf sein Publikum machte, und einer Revision seines früheren Urteils genötigt. Heine gibt zu, die ungeheueren Erfolge Liszts, namentlich in Berlin, für bloßes Spektakel gehalten zu haben.61 Er habe geglaubt, wenn Herwegh verboten werde, so hält man sich an Liszt, der unverfänglich und uncompromittirend. So dachte ich, so erklärte ich mir die Lisztomanie, und ich nahm sie für ein Merkmal des politischen Zustandes jenseits des Rheines. Aber ich habe mich doch geirrt, und das merkte ich vorige Woche im italienischen Opernhaus, wo Liszt sein erstes Concert gab, und zwar vor einer Versammlung die man wohl die Blüthe der hiesigen Gesellschaft nennen konnte. [...] – das war wahrlich kein deutschsentimentales, berlinisch anempfindelndes Publicum, vor welchem Liszt spielte, ganz allein, oder vielmehr nur begleitet von seinem Genius. Und dennoch, wie gewaltig, wie erschütternd wirkte schon seine bloße Erscheinung! Wie ungestüm war der Beifall, und wie nachhaltig! Dennoch bleibt Heines Eindruck trotz – oder gerade wegen – seiner persönlichen Bewunderung zwiespältig: Die elektrische Wirkung einer dämonischen Natur auf eine zusammengepreßte Menge, die ansteckende Gewalt der Eckstase, und vielleicht der Magnetismus der Musik selbst, dieser spiritualistischen Zeitkrankheit, welche fast in uns allen vibrirt – diese Phänomene sind mir noch nie so deutlich und so beängstigend entgegengetreten wie in dem Concert von Liszt. (HSA X, 232 f.; DHA XIV, 1385) Auch hier erscheint Liszt letztlich wieder als der Vollstrecker des Weltgeistes, der die in seiner Zeit und der Musik seiner Zeit angelegten Tendenzen auf die Spitze treibt. Die Kunst tritt aus dem Bereich der Ästhetik heraus, sie hört auf, Kunst im eigentlichen Sinne zu bleiben, und tendiert zur Wahrheit, indem sie die Krankheit des Zeitalters offenbart: »Was ist aber der Grund dieser Erscheinung? Die Lösung der Frage gehört vielleicht eher in die Pathologie als in die Aesthetik. Die elektrische Wirkung einer dämonischen Natur auf eine zusammengepreßte Menge, die ansteckende Gewalt der Eckstase, und vielleicht der Magnetismus der Musik selbst, dieser spiritualistischen Zeitkrankheit, welche fast in uns allen vibrirt – diese Phänomene sind mir noch nie so deutlich und so beängstigend entgegengetreten wie in dem Concert von Liszt.« (HSA X, 232 f.) Trotz der vor dem Hintergrund der Berliner Lisztomanie gewachsenen Distanz ist der Tenor des Berichts über die »Musikalische Saison« von 1844 in der Journalfassung noch durchaus freundlich. Nie zuvor hatte Liszts Spiel Heine so tief beeindruckt, und nie zuvor hatte dieser seine Affektion so unumwunden zum Ausdruck gebracht. Das Eingeständnis, Liszts Spiel habe ihn selbst in eine Aufregung gesetzt, die er nicht ableugnen könne, ist bei Heine in Bezug auf Musik – und zumal auf einen Virtuosen – wohl einmalig. Zugleich erfährt sein Urteil über Liszt hier eine wichtige Veränderung: Es ist bei der Erwähnung des Konzerts im Théâtre-Italien nicht mehr von Liszt als Individuum, konkreten Kompositionen und der Reaktion auf bestimmte Anwesende die Rede, sondern Liszts Konzert wird auf sein Erscheinen, den erhabenen Anblick des Kleinertz, Heine und Liszt 13 ›Triumphators‹ und den Jubel eines zum Volke erweiterten Publikums (»diese Pariser, die den Napoleon gesehen«) reduziert. Heine beschreibt kein einzelnes Ereignis, sondern ein gesellschaftliches Phänomen, das bereits nicht mehr der Sphäre der Kunst, sondern der Soziologie angehört. Bekanntlich bat Heine Liszt vor dessen zweitem Konzert, das am 25. April 1844 wiederum im Théâtre-Italien stattfand, um eine Unterredung: Ich will Sie, Liebster, morgen zwischen 2 und 3 Uhr bey mir erwarten. Ich habe bereits einen 1ten Artikel geschrieben, den ich vor ihrem 2ten Conzerte fortschicken möchte, und es steht vielleicht etwas drin was Ihnen nicht gefiele; deßhalb ist es mir ganz recht, daß ich Sie erst spräche. Ihr Freund H. Heine.62 Es ist nicht überliefert, ob Liszt Heine aufsuchte, allerdings spricht einiges dagegen. Erstens die Hinzufügung Heines in der Journalfassung: »der heute kerngesunde, morgen wieder sehr kranke Franz Liszt« (DHA XIV, 1380), was nach dem ersten Konzert vom 16. April, bei dem Liszt allem Anschein nach im Vollbesitz seiner Kräfte war, die Vermutung nahelegt, daß er sich gegenüber Heine als erkrankt entschuldigte (was offensichtlich zutraf) und Heine dies fälschlicherweise für eine Ausrede und Unhöflichkeit hielt. Und zweitens die Bemerkung Henri Lehmanns gegenüber Marie d’Agoult in seinem Brief vom 19. Mai, Liszt habe Heines Artikel, der am 8. Mai in der »Allgemeinen Zeitung« erschienen war, noch nicht gelesen: L’amélioration de son état était plus notable. [...] On a parlé de l’article de Heine que Franz n’avait pas lu. »Je voudrais d’ailleurs bien savoir et ces messieurs seraient bien embarrassés de me dire ce qu’ils entendent par mes absurdités.« – Silence – »dans ma vie publique, bien entendu ...« – Autre silence! – »du reste (à propos des vilenies de Heine) ce n’est pas leur faute, c’est un peu la faute du métier, il faut que tout le monde y passe!« J’ai dit que je ne pensais pas cela et que s’il n’était pas donné à tout le monde de faire son métier vaillamment, tous pouvaient le faire simplement et honnêtement que c’était là un effet de la volonté.63 Allem Anschein nach kannte also Liszt Heines Artikel – den man trotz mancher Respektlosigkeit wohl nur bei isolierter Betrachtung einzelner Ausdrücke als »gemeine Schimpfrede« (»vilenies«) ansehen konnte64 – überhaupt noch nicht, nicht einmal im Manuskript. Unabhängig davon gibt es jedenfalls, wenn man die Unterschiede der Fassungen berücksichtigt, überhaupt keinen Anlaß, in irgendeiner Form von einem geglückten oder mißlungenen ›Erpressungsversuch‹ Heines auszugehen: Heines Artikel ist in der Journalfassung weder so negativ, daß man von gezielter ›Rache‹ Heines sprechen dürfte, noch so positiv, daß man die Zahlung eines ›Honorars‹ durch Liszt voraussetzen könnte. * Den Umschlag führten erst Liszts Weimarer Engagement und die revolutionären Ereignisse von 1848 und 1849 herbei.65 Nachdem Liszt bereits 1842 in Weimar zum Großherzoglichen Kapellmeister im außerordentlichen Dienst ernannt worden war 66, beendete er 1847 seine Virtuosentätigkeit und ließ sich im Februar 1848 in Weimar nieder.67 Die ersten Ereignisse seiner Weimarer Zeit von überregionaler Bedeutung waren die Erstaufführung von Wagners »Tannhäuser« – die erste Aufführung überhaupt Kleinertz, Heine und Liszt 14 außerhalb Dresdens – und die musikalische Gestaltung der Weimarer Goethe-Feier 1849 anläßlich des 100. Geburtstags des Dichters. Liszt komponierte zu diesem Anlaß eine Ouvertüre zu Goethes »Tasso« (die er später zur Symphonischen Dichtung umarbeitete) und leitete ein Konzert bei dem unter anderem die Schlußszene des »Faust« in der Vertonung Robert Schumanns uraufgeführt wurde und Beethovens 9. Symphonie erstmals in Weimar erklang.68 Damit dies auch in Frankreich nicht unbeachtet bliebe, berichtete Liszt in zwei Artikeln für das »Journal des Débats« über diese Ereignisse. »Le Tannhaeuser« erschien am 18. Mai 1849 im Feuilleton dieser Zeitung, »Les Fêtes de Goethe« am 25. September 1849.69 Heine konnte sich in Paris also gewissermaßen aus erster Hand über Liszts Weimarer Tätigkeit informieren. Dabei dürfte ihm insbesondere das Lob der Großherzoglichen Familie aufgestoßen sein: Il est une petite capitale peu populeuse, peu animée, mais qui conserve avec piété les traditions qu’y ont laissés les grands génies dont elle a été la résidence, et plusieurs générations de princes remarquables et distingués; cette petite capitale en qui il est facile de reconnaître Weimar, continuant son hospitalité aux belles et grandes choses, a été la première à inaugurer l’enthousiasme de l’Allemagne pour cette belle œuvre. On l’y a représenté pour la première fois le jour de la fête de S. A. I. et R. Mme la Grande-Duchesse, qu’on célèbre chaque année avec un bonheur sincère, inspiré par les longs bienfaits que répandent sous toutes les formes autour d’elle, sa constante vigilance aux intérêts du bienêtre de ce pays, sa charité inépuisable, sa bienveillance éclairée, sa haute et délicate compréhension de toutes les supériorités, et le royal accueil qu’elle sait faire à toute grandeur d’âme et d’intelligence. [...] Au soir dont nous parlons, la pensée de l’auditoire en remontant les âges, trouvait que ses souverains étaient restés noblement attachés à ces antiques traditions de respect et d’amour pour les arts, qui en revanche, leur apportaient en tribut la plus douce des gloires. Les mémoires de Wieland, de Herder, de Goethe, de Schiller, de Jean-Paul, de Hummel, faisaient lever les yeux du public avec reconnaissance vers cette loge, où se trouvaient réunis autour de Mme la Grande-Duchesse, des Princes et des Princesses faits pour comprendre ce qu’il y a de grandeur à apprécier le Génie, et à favoriser son libre essor. Ses deux filles surtout, Mmes les Princesses de Prusse, ont puisé dans cette atmosphère, dès leur jeunesse, la noble grâce qui les distingue, et le beau profil de Mme la Princesse Guillaume rayonnait de tout l’éclat de l’auréole que lui fait déjà la reconnaissance de plus d’un poëte, auquel sa divination et sa louange ont été la plus belle des couronnes.70 Bedenkt man, daß die Großherzogin Maria Pavlovna eine Schwester des russischen Zaren war und die erwähnte »Prinzessin Wilhelm« die Gemahlin des preußischen Kronprinzen, dann ist angesichts der jüngsten Ereignisse in Deutschland – so die Niederschlagung der Revolution in Sachsen und Baden durch preußische Truppen – und Ungarn die Irritation nicht nur Heines in der jungen Zweiten Republik verständlich. Bereits einen Tag später, am 19. Mai 1849, antwortete die satirische Pariser Tageszeitung »Le Charivari« auf Liszts »Tannhäuser«-Artikel. Unter der Überschrift »Voici M. Liszt« erwähnt der unbekannte Verfasser zunächst einige ›Gerüchte‹ über Liszts Beteiligung am Aufstand der Ungarn. Man habe behauptet, Liszt vertone die Proklamationen Kossuths oder habe auf eigene Kosten ein Husarenregiment ausgehoben, an dessen Spitze er gegen Österreich kämpfe, oder er gehöre dem Generalstab der Ungarischen Armee als Pianist an. Doch: Rien de moins fondé que ces différentes versions. Liszt est attaché à la rédaction du Journal des Débats pour rendre compte des représentations du Grand-Théâtre de Weymar. Depuis que Goethe l’a habitée, cette ville a la prétention de posséder toujours un grand homme. C’est Liszt qui vient de le lui fournir. Kleinertz, Heine und Liszt 15 Depuis la révolution de février, je m’étonnais du silence de Liszt. Où est-il, que fait-il, pourquoi restet-il dans l’obscurité? C’est le cas ou jamais d’inventer la musique socialiste. Liszt a préféré à cette gloire les modestes fonctions d’historiographe de la cour de Weymar.71 Nach einer nachdrücklichen Warnung vor Wagners Oper wird zum Schluß noch die Frage gestellt, was Liszt denn mit jenem Säbel mache, den ihm seine Landsleute geschenkt hatten. Es sei doch jetzt oder nie der Zeitpunkt gewesen, ihn zu ziehen. Man wird wohl nicht zuletzt in dieser Glosse des »Charivari« die Anregung für den Ausfall gegen Liszt in Heines Gedicht »Im Oktober 1849« sehen müssen. Zumal nach der Kapitulation und grausamen Verfolgung der aufständischen Ungarn im August und der gleichzeitigen Feier von Goethes 100. Geburtstag mußte Liszts Verhalten für Opportunismus und Verrat an früheren Idealen gehalten werden. 72 Unabhängig von der Frage, ob Liszt sich ›richtig‹ verhielt – Liszt neigte der Position Batthyánys und Széchenyis zu73, die auf politischem Wege größere Freiheiten für Ungarn gegenüber Österreich anstrebten und damit vermutlich größeren Erfolg gehabt hätten als der gescheiterte Aufstand –, muß man die Empörung Heines und vieler anderer Franzosen verstehen, denen es unbegreiflich war und frivol erschien, daß der wenige Jahre zuvor von seinem Heimatland mit einem Säbel geehrte Liszt zu einer Zeit, als sein Vaterland einen der schlimmsten Momente seiner Geschichte erlebte, im »Musenwitwensitz«74 Weimar Goethe-Feiern zelebrierte und darüber im »Journal des Débats« stolz berichtete. Heine stand, wie gezeigt, mit seiner Kritik an Liszt nicht allein. Erst die Tatsache, daß diese Kritik einzig in Heines Versen auch außerhalb von Paris bekannt wurde und es bis heute blieb, ließ das als persönliche ›Infamie‹ Heines erscheinen, was in Wirklichkeit – ganz im Sinne seiner Berichte aus Paris – eine weit verbreitete Meinung widerspiegelte. Heines Verachtung für den vermeintlichen oder realen Verrat Liszts an den republikanischen Idealen der 1830er Jahre schlug sich schließlich auch in der Überarbeitung der Berichte aus Paris für die »Allgemeine Zeitung« zum »Lutezia«Band von 1854 nieder.75 Dabei griff Heine nicht nur zum Teil auf die von Kolb abgelehnte Erstfassung zurück, sondern fügte zusätzlich noch zwei längere Absätze ein.76 Neben die Ausweitung des Aspekts der physischen Wirkung Liszts und der Unterstellung, Liszts Kunst bestünde vor allem in der Inszenierung seiner Erfolge, tritt nun wiederum das ›Weimar-Motiv‹: Aber ach! laßt uns die Huldigungen, welche die berühmten Virtuosen einärndten, nicht allzu genau untersuchen. Ist doch der Tag ihrer eitlen Berühmtheit sehr kurz, und die Stunde schlägt bald, wo der Titane der Tonkunst vielleicht zu einem Stadtmusikus von sehr untergesetzter Statur zusammenschrumpft, der in seinem Kaffeehause den Stammgästen erzählt und auf seine Ehre versichert, wie man ihm einst Blumenbouquets mit den schönsten Camelias zugeschleudert [...]. (DHA XIV, 133) Da Heine stets an der Authentizität sämtlicher »Lutezia«-Texte festhielt (DHA XIII, 16 u. 457 ff.), mußte hier als scheinbare Prophezeiung kaschiert werden, was für Heine bereits ausgemachte Realität war, daß der »Titane der Tonkunst«, der ein Publikum – und sogar das Pariser – ganz allein bis zur Ekstase begeistern konnte, zu einem »Stadtmusikus« in Weimar heruntergekommen sei.77 Liszts Kompositionen der Weimarer Zeit konnte Heine nicht mehr kennenlernen, und es ist auch mehr als zweifelhaft, ob er ihre Bedeutung erkannt hätte.78 Was er noch Kleinertz, Heine und Liszt 16 rezipierte, waren die Schriften Liszts, darunter der 1851 erschienene Band über »Lohengrin und Tannhäuser von Richard Wagner« und die Chopin-Monographie von 1852. Während Heine in »Chopin« nur beruhigt festgestellt haben dürfte, daß Liszt ihn durchweg positiv erwähnte79, provozierte die Wagner-Schrift wahrscheinlich seinen letzten Ausfall gegen Liszt in dem Gedicht »Jung-Katerverein für Poesie-Musik« von 1854.80 Die Tatsache, daß »Programm« und »Exekuzion« offensichtlich auf Theorie und Aufführung eines Wagnerschen Werkes zielen, dieser aber ungenannt bleibt und stattdessen zweimal Liszt erwähnt wird (»Die große Oper [...],/ Die Ungarns größter Pianist/ Für Charenton komponiret« und der Schlußvers »O Lißt! du himmlischer Kater!«), spricht dafür, daß das eigentliche Ziel der Satire wiederum das Weimarer Engagement Liszts war. (Der vollständige Titel des »Lohengrin«-Aufsatzes lautet: »Lohengrin. Große romantische Oper von R. Wagner und ihre erste Aufführung in Weimar bei Gelegenheit der Herder- und Goethe-Feiern 1850«.)81 * Liszt hat sich in seinen Schriften nie an Heine gerächt. Die einzige ausführliche Erwähnung des Dichters findet sich in der bereits erwähnten Chopin-Monographie von 1852, in der Liszt eine Soirée in Chopins Wohnung in der Chaussée d’Antin schildert: Rassemblés autour du piano, dans la zone lumineuse, étaient groupées plusieurs têtes d’éclatante renommée: Heine, ce plus triste des humoristes, écoutant avec l’intérêt d’un compatriote les narrations que lui faisait Chopin, sur le mystérieux pays que sa fantaisie éthérée hantait aussi, et dont il avait aussi exploré les plus délicieux parages. Chopin et lui s’entendaient à demi-mot et à demi-son, et le musicien répondait par de surprenants récits aux questions que le poëte lui faisait tout bas, sur ces régions inconnues, et même sur cette »nymphe rieuse82,« dont il lui demandait des nouvelles, s’informant: »si elle continuait à draper son voile d’argent sur sa verte chevelure, avec la même agaçante coquetterie?« Au courant des jaseries et de la chronique galante de ces lieux, il voulait savoir: »si ce Dieu marin, à la longue barbe blanche, poursuivait toujours cette espiègle naïade de son risible amour?« Bien instruit de toutes les glorieuses féeries qu’on voit là-bas, là-bas, il demandait: »si les roses y brûlaient d’une flamme toujours aussi fière? si au clair de la lune les arbres y chantaient toujours aussi harmonieusement?« Chopin répondait, et tous deux, après s’être longtemps et familièrement entretenus des charmes de cette patrie aérienne, se taisaient tristement, pris de ce mal du pays dont Heine était si atteint alors qu’il se comparait à ce capitaine hollandais du Vaisseau fantôme, éternellement roulé avec son équipage sur les froides vagues, et »soupirant en vain après les épices, les tulipes, les jacinthes, les pipes en écume de mer, les tasses en porcelaine de la Hollande... Amsterdam! Amsterdam! quand reverronsnous Amsterdam! s’écrient-ils, pendant que la tempête mugit dans les cordages et les ballotte deci et delà sur leur aqueux enfer.« - »Je comprends, ajoute Heine, la rage avec laquelle, un jour, l’infortuné capitaine s’exclamait: Oh! si jamais je reviens à Amsterdam! je préférerai devenir borne au coin d’une de ses rues que de jamais les quitter! Pauvre Van der Deken! [...]«83 Während noch 1853 François Wille die Frage an Heine, ob Liszt ihn besucht habe, mit den Worten kommentierte: »Ich erwarte es, bei der großen Liebe mit der er immer von ihnen sprach«84, ließ sich Liszt nach dem Erscheinen des »Lutezia«-Buches anscheinend auch zu abfälligen Äußerungen über Heine hinreißen. So berichtet Richard Wagner in seiner Autobiographie von einem Gespräch über Heine in Zürich während eines Festessens aus Anlaß von Liszts Geburtstag am 22. Oktober 1856: Kleinertz, Heine und Liszt 17 Beim Festmahle kam es zu einem Dispute über Heinrich Heine, in dessen Betreff Liszt allerhand Verfängliches äußerte; wogegen Frau Wesendonk replizierte, »ob er nicht glaube, daß dennoch Heines Dichtername im Tempel der Unsterblichkeit eingeschrieben sein würde?« Schnell antwortete Liszt: »Ja, aber mit Kot«, was begreiflicherweise nicht ohne Sensation vernommen wurde.85 Es ist jedoch fraglich, ob Wagners Bericht ganz der Wahrheit entspricht oder ob er nicht vielleicht Liszt Worte in den Mund legte, die seinem eigenen Antisemitismus entsprangen. Für letzteres spricht, daß es keinen weiteren Beleg für diesen Ausspruch gibt, der, wie Wagner selbst betont, einiges Aufsehen erregte. Auch in den Tagebüchern Cosima Wagners, der Tochter Liszts, findet sich kein einziger Hinweis darauf, wohl aber fällt der Name Heine in den von ihr aufgezeichneten Gesprächen Wagners stets in deutlich antisemitischem Kontext.86 Dennoch dürfte der berichtete Ausspruch zumindest auf einen wahren Kern zurückgehen. In einem Brief an Edmund von Mihalovich, geschrieben am 8. Dezember 1874 in der Villa d’Este, äußert sich Liszt ähnlich über Heine, wenn auch nicht mit derselben Schärfe: Mes amis sont ceux qui natent l’Idéal; là, cher ami, nous nous reconnaissons et nous reconnaîtrons toujours – mais non »dans la boue« illustrée par un poète prestigieux, trop célèbre et empesté de la trivialité des vulgaires applaudissements – Heine. Entre autre, il avait prédit de sa charmante ironie que le Dôme de Cologne ne s’achèverait point: »Umsonst wird Franz Liszt musicieren«, etc.87 Die Verbitterung, die sich in diesen Worten ausspricht, ging wohl nicht zuletzt aus dem Bewußtsein hervor, daß Heine in immer stärkerem Maße das Bild der Julimonarchie und damit auch Liszts in seiner Virtuosenzeit prägte. (Kein anderer Zeitgenosse dürfte das Liszt-Bild bis heute so nachhaltig beeinflußt haben wie Heine!) Betont werden muß jedoch, daß Liszt sich nie über irgendeinen Versuch der Erpressung von Seiten Heines geäußert hat. Versucht man die Geschichte dieser Behauptung, die sich in der Liszt-Literatur so erfolgreich gehalten hat, zurückzuverfolgen, so zeigt sich, daß sie ganz offensichtlich auf die Fürstin Carolyne von Sayn-Wittgenstein, Liszts Lebensgefährtin der Weimarer Jahre, zurückgeht. Während ihres ersten Besuchs bei der Fürstin in Rom notierte die Liszt-Biographin Lina Ramann am 21. Juni 1876 die folgenden Aussagen über Heine, die sie offensichtlich so von der Fürstin gehört hatte: Heine hatte zu Anfang der 30er [!] Jahre über Liszt günstig geschrieben (seinen Vergleich: »Paganini und Liszt«88). Als er das gedruckt, ließ er Liszt einen 1000 Francs-Wechsel präsentiren. Dieser wies ihn zurück mit der Bemerkung: »daß er kein Geld habe und Derartiges nicht als Reclame bezahlen« wolle. Von diesem Moment an datiren Heine’s Ausfälle auf Liszt. – Bei Meyerbeer gelang es Heine besser. Die Artikel zu Gunsten eines Künstlers waren namentlich durch Meyerbeer’s Reichthum zu enormer Höhe getrieben. Als eine seiner ersten Opern in Paris zur Aufführung gekomen war, schrieb Heine einen Artikel über dieselbe, welcher sie auf einmal in Europa zur Berühmtheit erhob. Meyerbeer sandte ihm andern Tags 2000 Francs, welche jener zurückschickte, bemerkend: »was er geschrieben, sei seine Überzeugung gewesen« etc. Nach einigen Tagen erhielt Meyerbeer von Heine ein Billet mit der Bitte, ihm zur Deckung einer Ehrenschuld 20000 Francs zu leihen! –89 Es waren ganz offensichtlich diese Behauptungen von Liszts ehemaliger Lebensgefährtin, die die Grundlage für die entsprechenden Sätze in Ramanns LisztBiographie90 bildeten, von wo aus sie von anderen Autoren übernommen und Kleinertz, Heine und Liszt 18 schließlich, wie Mann dargelegt hat, mit dem »Lutezia«-Bericht von 1844 in konkrete Verbindung gebracht wurden.91 Allem Anschein nach ging Lina Ramann zunächst sogar davon aus, daß bereits die spöttischen Äußerungen Heines von 1837 Ausdruck der ›Rache‹ an Liszt gewesen seien. Ein solch gravierender Irrtum ist aber nur verständlich, wenn man berücksichtigt, daß ihre Quelle in diesem Falle nicht Liszt selbst war, sondern eine Person, die zu der betreffenden Zeit noch in Rußland lebte und weder Liszt noch Heine persönlich kannte.92 Abgesehen davon, daß die Ungenauigkeit der nachprüfbaren Angaben auch an der Authentizität der übrigen Behauptungen zweifeln läßt (allem Anschein nach kannte sie nicht einmal die betreffenden Texte Heines), ist Carolyne von Sayn-Wittgenstein gleich in doppelter Hinsicht eine wenig glaubwürdige Zeugin. Zum einen fühlte sie sich schon zu Liszts Lebzeiten als Sachwalterin seines Nachruhms und arbeitete darauf hin, daß sowohl die Biographie Lina Ramanns als auch die Ausgabe seiner »Gesammelten Schriften« (Leipzig 1880–1883) – auf die sie nachhaltig Einfluß nahm – ein in ihrem Sinne idealisiertes Bild von Liszt vermittelten. Zum andern war sie, eine militante Katholikin, die Hauptverantwortliche des berüchtigten Juden-Kapitels in der zweiten Auflage von Liszts Schrift über »Die Zigeuner und ihre Musik in Ungarn«.93 Dieses Kapitel, das sie zunächst ohne Liszts Wissen verfaßt und zum Druck befördert hatte und dessen Erscheinen Liszt schließlich aus falscher Höflichkeit ihr gegenüber nicht verhinderte, brachte Liszt so heftige Angriffe ein, daß er sich genötigt sah, in einer öffentlichen Erklärung die Freundschaft hervorzuheben, die ihn mit zahlreichen Juden verband, darunter nicht zuletzt Heinrich Heine.94 Auch der Bericht Carolyne von Sayn-Wittgensteins von der angeblichen Rache Heines, den sie Lina Ramann unterschob, ist deutlich von antisemitischen Motiven geprägt. Er baut – nicht zuletzt durch die Kombination mit Meyerbeer – gezielt auf die Bereitschaft der Zeitgenossen, solche Erzählungen aufgrund ihrer Übereinstimmung mit gängigen Vorurteilen zu glauben. Dabei erfüllte ihre Geschichte über die üble Nachrede hinaus einen geradezu perfiden Zweck: Die negativen Äußerungen Heines über Liszt ›enthüllte‹ sie pauschal – unabhängig von der Chronologie und den jeweils unterschiedlichen Anlässen – als Rache, da Liszt im Gegensatz zu Meyerbeer nicht bereit gewesen sei, für solche ›Reklame‹ zu bezahlen.95 Der bis in die neuere LisztLiteratur zu verfolgende Erfolg dieser Verleumdung ist ohne den Bezug zu entsprechenden Vorurteilen kaum zu erklären. Daß diese Geschichte frei erfunden ist, ergibt sich schon aus der Tatsache, daß es zwischen Heine und Liszt keine plötzliche Entfremdung, aus welchem Grund auch immer, gab. Der allmähliche Wandel in Heines Liszt-Kritik von den freundschaftlichspöttischen Tönen der 1830er Jahre bis zur verletzenden Satire der ausgehenden vierziger und fünfziger Jahre vollzog sich schrittweise und ist durchaus nachvollziehbar: Hatte Heine die ›Furore‹, die Liszt Anfang der 1840er Jahre in Deutschland und besonders in Berlin ›gemacht‹ hatte, noch vergleichsweise versöhnlich aufgenommen, so führten die revolutionären Ereignisse von 1849 und Liszts Weimarer Tätigkeit schließlich zu einer völligen Entfremdung. Auch wenn es schließlich im wesentlichen politische Motive – insbesondere die Verbindung zum preußischen Königshaus – waren, die wie auch im Falle Meyerbeers und Mendelssohns den Kleinertz, Heine und Liszt 19 Ausschlag für Heines Distanzierung gaben, wäre es jedoch überzogen, in Heines Musikkritiken insgesamt vor allem »politische Publizistik« zu sehen. 96 Das Beispiel Liszts macht vielmehr deutlich, daß Heines Musikkritik – trotz aller Anregungen, die er aufgriff – in erster Linie persönlichen Eindrücken entsprang, die sich mit einem an Hegel geschulten Fortschrittsdenken verbanden. Dabei mußten sein am Belcanto orientiertes Klangideal, das er vor allem in Chopin verwirklicht sah, und das Bewußtsein, daß der musikalische Fortschritt sich eher in den ihm eigentlich ›unheimlichen‹ Werken Beethovens, Berlioz’ sowie dem Klavierspiel und den Kompositionen Liszts offenbarte, notwendig zu einer Ambivalenz des Urteils führen, die erst vor dem Hintergrund der Ereignisse von 1849 in eindeutige Ablehnung überging. 1 Lutezia, Musikalische Saison von 1844, DHA XIV, 130. So bei Sigfried Schibli: Franz Liszt. Rollen, Kostüme, Verwandlungen. München u. Zürich 1986. 3 Michael Mann: Heinrich Heines Musikkritiken. Hamburg 1971 (Heine-Studien 1), S. 107–110. 4 Es ist bezeichnend, daß die Arbeit Manns in der jüngsten Liszt-Bibliographie von Michael Saffle nicht vertreten ist (Franz Liszt. A Guide to Research. New York u. London 1991). 5 Alan Walker: Franz Liszt. Bd. I: The Virtuoso Years. Ithaca u. New York 21987, S. 164. – Ähnlich auch bei Serge Gut: Franz Liszt. Paris 1989, S. 211. 6 Liszt hatte weder eine Schule noch eine Universität besucht, was er nach dem Tod seines Vaters 1827 durch eine geradezu unersättliche Lektüre wettzumachen suchte. 7 Wahrscheinlich vom 4.IV.1833. Correspondance de Liszt et de la Comtesse d’Agoult, hrsg. von Daniel Ollivier, Paris 1933–1934, I, 19. Das Datum ist der kritischen Neuausgabe entnommen: Correspondance, hrsg. von Serge Gut u. Jacqueline Bellas, Paris (Druck in Vorbereitung), Nr. 5. Anhand der von Serge Gut dankenswerterweise zur Verfügung gestellten Korrekturfahnen konnte überprüft werden, daß sich an den hier zitierten Stellen keine inhaltlichen Änderungen ergeben. – Die Bezeichnung Heines als ihr gemeinsamer »compatriote« gründet in der deutschen Herkunft Marie d’Agoults, die 1805 in Frankfurt am Main als Tochter eines französischen Vaters und einer deutschen Mutter, einer geborenen Bethmann, zur Welt kam, sowie in Liszts Zugehörigkeit zur deutschsprachigen Bevölkerung in Ungarn. (Sein Geburtsort Raiding gehörte damals zu Ungarn und wurde erst 1921 im Rahmen des »Ausgleichs« Teil des österreichischen Bundeslandes Burgenland.) 8 Vgl. den Brief Liszts an Heine vom November 1834, HSA XXIV, 281. 9 So schrieb George Sand am 21. April 1835 an Liszt: »Soyez moi frère aussi. Votre génie remplira toute la lacune du passé que mes anciens ont remplie de tant de preuves. Une âme comme la vôtre doit vivre en un jour ce que les autres ont vécu en vingt ans. Et puis d’ailleurs, nous sommes nés cousins, comme dit Heine.« Und Liszt antwortete ihr: »Le cousin Heine sera bien content aussi de vous revoir; nous parlons bien souvent de vous« (zit. nach Thérèse Marix-Spire: Les Romantiques et la musique. Le cas George Sand 1804–1838. Paris 1955, S. 603 u. 609). 10 De la situation des artistes, et de leur condition dans la société (4e article). – In: Gazette musicale de Paris (Ende 1835 vereinigt mit der Revue musicale zur Revue et Gazette musicale de Paris, im folgenden zitiert als RGM) vom 26.VII.1835. Siehe Liszt: Sämtliche Schriften, hrsg. von Detlef Altenburg (im folgenden zitiert als LSS). Bd. I: Frühe Schriften, hrsg. von Rainer Kleinertz. Wiesbaden 1998 (im Druck), S. 26. 11 DHA V, 238. Der Text erschien erstmals im Mai 1836 im »Morgenblatt für gebildete Stände«, in französischer Übersetzung (unter Auslassung des letzten Satzes des Zitats) am 1. Mai 1836 in der »Revue des deux Mondes«. 12 Heine war Liszt nicht nur bei Ballanche begegnet (vgl. unten, S. $$), sondern war offensichtlich auch darüber informiert, daß Liszt einen Klavierauszug der »Symphonie fantastique« angefertigt hatte (Paris 1835). Die Anspielung auf den Hochzeitstag legt zudem über den bloßen Witz hinaus die Kenntnis davon nahe, daß Berlioz’ Freunde – darunter Liszt, der auch Trauzeuge war (nicht Heine wie DHA V, 991) – vergebens versucht hatten, ihn von dieser unglücklichen Ehe abzuhalten. 2 Kleinertz, Heine und Liszt 20 13 Im Zehnten Brief »Über die französische Bühne« heißt es wenig später: »Was am besten für Lißt zeugt, ist die volle Achtung, womit selbst die Gegner seinen persönlichen Werth anerkennen« (DHA XII, 288). 14 Vgl. Kleinertz: Schumanns Rezension von Berlioz’ »Symphonie fantastique« an Hand der Klavierpartitur von Liszt. – In: Schumann und die französische Romantik, hrsg. von Ute Bär. Mainz 1997 (SchumannForschungen 6), S. 131 ff. 15 In seiner ersten »Lettre d’un bachelier ès-musique« an George Sand vom Januar 1837 bemerkt Liszt: »Vers ce temps, j’écrivis plusieurs morceaux qui se ressentaient nécessairement de l’espèce de fièvre qui me dévorait. Le public les trouva bizarres, incompréhensibles; vous-même, mon ami, m’en avez parfois reproché le vague et la diffusion« (LSS I, 94). 16 Bei Mende ist zum 25.XII.1834 angegeben: »Diner mit Sainte-Beuve und anderen Bekannten«. 17 In: Félicité de Lamennais: Correspondance générale, hrsg. von Louis Le Guillou. Paris 1971 ff., VI, 816. 18 Brief an Boré vom 23.I.1835, ib., S. 372. 19 Vom 16.IX. bis 2.X.1834. Liszt war von Kindheit an stark vom katholischen Glauben geprägt. Vgl. die zahlreichen Zitate aus dem Neuen Testament, katholischen Erbauungsschriften und der »Imitatio Christi« in einem Tagebuch, das er als Fünfzehnjähriger führte (Liszt: Tagebuch 1827, hrsg. von D. Altenburg u. R. Kleinertz. Wien 1986). 20 Ein Reflex dieser grundlegend verschiedenen Einstellung gegenüber Lamennais findet sich in der Bemerkung in Heines Zehntem Brief »Über die französische Bühne«, Liszt schwärme jetzt »für die republikanisch-katholischen Lehren eines La Mennais, welcher die Jakobinermütze aufs Kreuz gepflanzt hat« (DHA XII, 288). Vgl. hierzu unten S. $$$ u. Anm. 36. 21 Entgegen weit verbreitetem Irrtum (vgl. Walker [Anm. 5], S. 232 f., DHA XII, 1182 f., u. XIV, 1418) war Thalberg der natürliche Sohn des Fürsten Franz-Joseph von Dietrichstein (1767–1854; nicht von dessen Bruder Moritz) und der Baronin Julie Bidescuty d’Eyb (die 1820 einen Baron Wetzlar heiratete), worauf erstmals Charles Suttoni in seiner Ausgabe der Reisebriefe Liszts hinwies (Franz Liszt: An Artist’s Journey. Chicago u. London 1989, S. 22). 22 George Sand: Œuvres autobiographiques, hrsg. von Georges Lubin. Paris 1971 f., II, 390 f. 23 Vgl. Kleinertz: Subjektivität und Öffentlichkeit. Liszts Rivalität mit Thalberg und ihre Folgen. – In: Liszt-Studien 4, hrsg. von Gottfried Scholz. München und Salzburg 1993, S. 58–67. 24 Die auslösende Rezension Liszts erschien am 8. Januar 1837 (M. Thalberg. – Grande Fantaisie, Œuvre 22. – 1er et 2e Caprices, Œuvres 15 et 19), der gegen Liszt gerichtete Artikel von Fétis am 23. April 1837 (MM. Thalberg et Liszt). Die Antwort Liszts folgte am 14. Mai 1837 (A M. le professeur Fétis). Den Abschluß der Polemik bildete ein offener Brief an den Verleger Maurice Schlesinger (A Monsieur le directeur de la Gazette Musicale de Paris), in dem Fétis auf fünf Spalten erklärt, warum er auf Liszts respektlose Replik nicht zu antworten gedenke. Liszt versuchte schließlich in seiner zweiten »Lettre d’un bachelier ès-musique« an George Sand, die am 16. Juli 1837 wie die übrigen Artikel in der RGM erschien, seiner ›Rivalität‹ mit Thalberg einen versöhnlichen Ausklang zu geben (siehe LSS I, S. 108 ff., sowie das Kapitel »Entstehung«, S. $$$; diese Ausgabe gibt in Anhang II auch die genannten Artikel von Fétis wieder). 25 Heine hatte sich bereits im Neunten Brief »Über die französische Bühne« abfällig über die ›pedantischen‹ Musikkritiken von Fétis geäußert: »Ich kenne nichts Unerquicklicheres, als eine Kritik von Monsieur Fetis, oder von seinem Sohne, Monsieur Foetus, wo a priori, aus letzten Gründen, einem musikalischen Werke sein Werth ab- oder zuraisonnirt wird.« (DHA XII, 273) 26 RGM 4. 1837, S. 137, 140 f. u. 142. 27 Berlioz dürfte auch der erste gewesen sein, der diese ›Querelle‹ ausdrücklich auf die Musik übertrug. Am 22. Oktober 1830 veröffentlichte er in »Le Correspondent« ein »Aperçu sur la musique classique et la musique romantique«, das mit den Worten begann: »Si une pareille division existe dans la littérature, à plus forte raison doit-elle exister en musique, celui de tous les arts le plus essentiellement libre et celui de tous sur lequel a le plus long-temps pesé la chaîne des préjugés et de l’arbitraire« (S. 110). 28 Vgl. DHA VII, 1066 ff. 29 Siehe unten, S. $$. 30 Vgl. den Brief Marie d’Agoults aus Florenz vom 9.XI.1838 an die Comtesse Marliani: »Vous avez bien raison d’aimer le talent de Chopin; c’est la délicieuse expression d’une nature exquise. C’est le seul pianiste que je puisse entendre non seulement sans ennui; mais avec un profond recueillement« (zitiert nach Chopin: Correspondance, hrsg. von B. E. Sydow u. S. D. Chainave. Paris 1953–1960, II, 262). Und am 4.VII.1838 Gelöscht:  Gelöscht:  Kleinertz, Heine und Liszt 21 bemerkte sie in einem Brief aus Genua an George Sand: »Il y a pourtant au palais Durazzo de bien belles choses; entre autres le portrait en pied d’un Durazzo peint par Rubens qui ressemble à Chopin et que j’ai toujours contemplé en souvenir de ma passion malheureuse pour l’illustre pianiste« (La Châtre, Bibliothèque Municipale [Abschrift], Nr. 22, S. 1 f.). 31 Brief vom 8.II.1838. Berlioz: Correspondance générale, hrsg. von Pierre Citron. Paris 1972 ff., II, 411. 32 Brief vom 18.XII.1837. In: Lamennais [Anm. 17], VII, 647 (auch in: Liszt: Briefe, hrsg. von La Mara. Leipzig 1893–1905, I, 16). 33 Liszts Reisebrief erschien am 8.VII.1838 in der RGM unter dem Titel »Lettre d’un bachelier ès musique. VII. A. M. Heine« (LSS I, 170 ff.) Dem Abdruck in der Säkularausgabe (HSA XXV, 131) liegt ein Manuskript des Heine-Instituts Düsseldorf zu Grunde, das eine Abschrift der deutschen Übersetzung von Lina Ramann darstellt (Liszt: Gesammelte Schriften, hrsg. von Lina Ramann. Leipzig 1880–1883, II, 197 ff.). 34 Liszt befand sich an diesem Tag, dem Ostersonntag 1838, nicht in Venedig, sondern bereits in Wien, was gelegentlich als ›Beweis‹ dafür gedeutet wurde, daß diesen Brief Marie d’Agoult, die in Venedig zurückgeblieben war, allein verfaßt habe. Dabei wurde übersehen, daß die Datumsangabe auch in anderen Reisebriefen Liszts für die RGM nachweislich fiktiv ist. Aufgrund des einleitenden Byron-Zitats und der abschließenden Anspielung auf den eigenen Tod, der die Frage nach dem Sinn seiner Existenz aufwerfe, erscheint es denkbar, daß eigentlich Byrons Todestag, der 19. April, gemeint ist. – Zur Frage der Autorschaft vgl. LSS I, $$$ ff. 35 Weiter oben hatte Liszt bereits humoristisch erzählt, seine venezianischen Freunde hätten Heines Scherze für Ernst genommen und einer habe ihn sogar gebeten, »de lui jouer la dernière fugue que j’ai composée sur des thèmes de la Palyngénésie«, womit zweifellos Ballanches »Essais de palingénésie sociale« (Paris 1827 u. 1829) gemeint sind. Liszt greift damit ein Motiv auf, das Heine nicht in »Über die französische Bühne« (wo es nur heißt, Liszt sei früher von den Gedanken Ballanches umnebelt gewesen), sondern in seinen »Florentinischen Nächten« erwähnt hatte (vgl. oben). 36 Mit den Chiffren des Kreuzes und der Jakobinermütze spielt Liszt auf Heines Bemerkung an, Liszt schwärme jetzt für die Lehre Lamennais’, der die Jakobinermütze – das Symbol der Republik – auf das Kreuz gepflanzt habe. 37 »Ce que j’admire, ce que je hais, ce que j’espère a creusé de trop profondes racines dans mon âme pour qu’on puisse si aisément les mettre à nu. On l’a fait bien souvent avec des intentions hostiles; alors j’ai répondu par le silence. Aujourd’hui vous le faites d’une main amie, c’est à l’ami que je veux répondre« (LSS I, 172). Und weiter unten: »Il [le musicien] est souvent mal assis sur le tabouret qui lui sert de siége; mais il n’envie point ceux qui se trouvent bien assis dans leur égoïsme, et, fermant les yeux de leur cur et de leur intelligence, semblent ne vivre que par la bouche et par l’estomac. Mon ami, nous ne sommes pas de ceux-là, n’est-il pas vrai? nous n’en sommes pas, nous n’en serons jamais. Mais pour quitter ce ton solennel qui a presque l’air d’un reproche, quand je vous dois au contraire les plus affectueux remerciements, savez-vous quels sont, en ce moment, mes dadas de prédilection? Oh! pour cette fois je suis bien sûr que vous n’y trouverez pas à redire; ce sont ces vieux chevaux de bronze [über dem Portal von San Marco]« (LSS I, 174). Allerdings empfand Liszt die ›Freundschaft‹ Heines spätestens seit dieser Zeit als durchaus zwiespältig. So versichert Berlioz in einem am 11.VIII. 1839 in der RGM publizierten Brief »A Liszt«: »Heine s’écrit toujours par un e [also nicht mit a wie das französische Wort für Haß]; il demeure rue des Martyrs. On m’a volé son livre charmant sur l’Italie. As-tu vu ses Bains de Lucques?« (Berlioz [Anm. 31], II, 572) Und am 21.I.1840 berichtet ihm Marie d’Agoult: »Un joli mot de Heine que vous ne trouverez peut-être pas joli; il souffrait des dents: ›oh! s’écrie-t-il, je donnerais dix ans de la vie de mon meilleur ami pour ne pas souffrir ainsi!‹« (21.I.1840, Correspondance [Anm. 7], I, 363) 38 Zwischen 1837 und 1841 ließ sich Liszt in Paris nur zweimal im April 1840 hören: Anfang April in einer Soirée der Prinzessin Belgiojoso und am 20. April in den Salons von Erard. Vgl. Geraldine Keeling: Liszt’s Appearances in Parisian Concerts, 1824–1844. – In: The Liszt Society Journal 11. 1986, S. 22–34, u. 12. 1987, S. 8–22. 39 Musikalische Saison in Paris, Artikel vom 20. April 1841, HSA X, 100. Der Artikel erschien am 29. April 1841 in der Augsburger »Allgemeinen Zeitung« und wurde später für die Buchfassung überarbeitet (Lutezia XXXIII, DHA XIII, 125). Kleinertz, Heine und Liszt 22 40 DHA XIII, 337. Dieser Absatz wurde in der Buchfassung durch den Satz ersetzt: »Trotz seiner Genialität begegnet Liszt einer Opposizion hier in Paris, die meistens aus ernstlichen Musikern besteht und seinem Nebenbuhler, dem kaiserlichen Thalberg, den Lorbeer reicht.« (DHA XIII, 125) 41 Vgl. hierzu u. a. Arno Forchert, »Klassisch« und »romantisch« in der Musikliteratur des frühen 19. Jahrhunderts. – In: Die Musikforschung 31. 1978, S. 405–425. 42 Lesart der Journal-Fassung, DHA XIII, 1525. 43 »Die romantische Kunst hebt die vollendete Einigung der Idee und ihrer Realität wieder auf und setzt sich selbst, wenn auch auf höhere Weise, in den Unterschied und Gegensatz beider Seiten zurück, der in der symbolischen Kunst unüberwunden geblieben war. Die klassische Kunstform nämlich hat das Höchste erreicht, was die Versinnlichung der Kunst zu leisten vermag, und wenn an ihr etwas mangelhaft ist, so ist es nur die Kunst selber und die Beschränktheit der Kunstsphäre.« Die romantische Kunstform hebe »jene ungetrennte Einheit der klassischen wieder auf, weil sie einen Inhalt gewonnen hat, der über die klassische Kunstform und deren Ausdrucksweise hinausgeht. [...] In dieser Weise ist die romantische Kunst das Hinausgehen der Kunst über sich selbst, doch innerhalb ihres eigenen Gebiets und in Form der Kunst selber. Wir können deshalb kurz dabei stehenbleiben, daß auf dieser dritten Stufe die freie konkrete Geistigkeit, die als Geistigkeit für das geistige Innere erscheinen soll, den Gegenstand ausmacht. [...] Die Innerlichkeit feiert ihren Triumph über das Äußere und läßt im Äußeren selbst und an demselben diesen Sieg erscheinen, durch welchen das sinnlich Erscheinende zur Wertlosigkeit herniedersinkt« (Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Ästhetik, hrsg. von Friedrich Bassenge. Berlin 1985, I, 85 ff.). 44 Hegel erwähnt Beethoven erstaunlicherweise mit keinem Wort, obgleich ihm dessen Musik mit Sicherheit bekannt war (vgl. Carl Dahlhaus: Hegel und die Musik seiner Zeit. – In: ders.: Klassische und romantische Musikästhetik. Laaber 1988, S. 230–248). 45 Vgl. DHA XIII, 125 f., 1520 (IV,3) u. 1525 (V). 46 Vgl. hierzu die Lesarten, DHA XIII, 1524. Im Entwurfsmanuskript hatte es sogar noch geheißen: »Dieser Componist ist es, welcher dem Genius des Lißt am meisten verwandt ist und am besten zusagen muß.« In der Buchfassung ist schließlich etwas abschwächend »Genius« durch »Geschmack« ersetzt. 47 Vgl. Willi Oelmüller: Hegels Satz vom Ende der Kunst und das Problem der Philosophie der Kunst nach Hegel. – In: Philosophisches Jahrbuch 73. 1965, S. 75–94; ferner Hans Robert Jauß: Das Ende der Kunstperiode – Aspekte der literarischen Revolution bei Heine, Hugo und Stendhal. – In: Jauß: Literaturgeschichte als Provokation. Frankfurt am Main 1970, S. 107–143. 48 DHA XII, 289. Im selben Brief spricht Heine mit ganz ähnlichen Worten vom Publikum des ThéâtreItalien, das geradezu als Symbol des Ancien Régime galt: »Die schöne Aristokratie, diese Elite, die sich durch Rang, Bildung, Geburt, Fashion und Müßiggang auszeichnet, flüchtete sich in die italienische Oper, in diese musikalische Oase, wo die großen Nachtigallen der Kunst noch immer trillern, die Quellen der Melodie noch immer zaubervoll rieseln, und die Palmen der Schönheit mit ihren stolzen Fächern Beyfall winken« (ib., S. 286). In einem Bericht über ein Konzert Chopins, der am 2. Mai 1841 in der RGM erschien, greift Liszt gerade die von Heine vorgeprägte Affinität Chopins zu einem solchen »aristokratischen« Publikum auf und spielt sie gegen Chopin, für den gewissermaßen bereits die »Nachwelt« begonnen habe, aus: »Lundi dernier, à huit heures du soir, les salons de M. Pleyel étaient splendidement éclairés; de nombreux équipages amenaient incessamment au bas d’un escalier couvert de tapis et parfumé de fleurs les femmes les plus élégantes, les jeunes gens les plus à la mode, les artistes les plus célèbres, les financiers les plus riches, les grands seigneurs les plus illustres, toute une élite de société, toute une aristocratie de naissance, de fortune, de talent et de beauté. [...] Aussi, cette célébrité exquise [Chopin], toute en haut lieu, excellemment aristocratique, est-elle restée pure de toute attaque. Un silence complet de la critique se fait déjà autour d’elle, comme si la postérité était venue; [...]. Madame Damoreau, qui avait prêté à ce concert de fashion son charmant concours, a été, comme d’habitude, ravissante de perfection.« (LSS I, 388 ff.) 49 Vgl. hierzu auch: Hans Robert Jauß: Literarische Tradition und gegenwärtiges Bewußtsein der Modernität. – In: Jauß [Anm. 47], S. 50 ff. 50 Brief Liszts an Marie d’Agoult, Boulogne, 6.V.1841 (Correspondance [Anm. 7], II, 131). Heines Artikel war am 29.IV.1841 in der Augsburger »Allgemeinen Zeitung« erschienen. – »Le Monde musical« wurde von 1840 bis 1848 von dem Pariser Verleger Bernard Latte herausgegeben, der auch Kompositionen Liszts veröffentlichte. 51 Dieser erst 1995 bekannt gewordene Brief Heines konnte vom Goethe- und Schiller-Archiv der Stiftung Weimarer Klassik in Weimar erworben werden. Er ist abgebildet und übertragen in dem Beitrag von Christa Kleinertz, Heine und Liszt 23 Stöcker: Die Korrespondenz zwischen Heinrich Heine und Franz Liszt. Mit einem ungedruckten Brief Heines. – In: Das Goethe- und Schiller-Archiv: 1896–1996. Beiträge aus dem ältesten deutschen Literaturarchiv, hrsg. von Jochen Golz. Weimar u. a. 1996, S. 337–346. 52 Zit. nach Stöcker [Anm. 51], S. 340. 53 Mann [Anm. 3], S. 103. Mann zitiert u. a. einen Brief Heines vom 20.III.1843, in dem er Thalberg auf dessen positive Erwähnung in der »Allgemeinen Zeitung« (HSA X, 190) hinweist: »Lieber Maestro: Vergessen Sie mich nicht, ich habe Sie auch nicht vergessen. Heute geht ein großer Artikel über die Musikalische Saison nach Augsburg ab, und Sie spielen darin die Bravourparthie.« Manns Kommentar hierzu: »Aus Überzeugung und dann gewiß auch um den Rivalen (Liszt) zu ärgern, hat Heine Thalberg gelobt – und dies offenbar ohne dessen Zutun, ja, wie es scheint, ohne sein Wissen, was heißt: ohne also selbst des klingenden Lohnes dafür gewiß zu sein, den er allerdings zu erwarten scheint.« 54 Hinzu kam ein zweiter Aufenthalt, der mit kurzen Unterbrechungen vom 29.XII.1842 bis zum 19.II.1843 dauerte. 55 In diesem Zusammenhang erscheint es nicht überflüssig, einen weitverbreiteten Irrtum zu korrigieren, gegen den schon Liszt selbst protestierte: Liszt wurde 1842 von der Universität Königsberg nicht zum »Doktor der Musik« ernannt – ein Titel, den es in Deutschland damals ebenso wenig wie heute gab –, sondern es wurde ihm von der Philosophischen Fakultät der Titel eines Doktor honoris causa verliehen (vgl. Liszt [Anm. 32], I, 46 u. 134). Entsprechend nennt Heine Liszt zunächst korrekt »Doktor der Philosophie« und bezeichnet ihn dann erst ironisierend als einen »Wunderdoktor der Musik« (DHA XIV, 130; HSA X, 231). 56 HSA X, 190. Der Artikel erschien in der Beilage der »Allgemeinen Zeitung« vom 26. März 1843. In der Buchfassung entfällt in dieser Aufzählung Meyerbeer, in der französischen Ausgabe tritt dafür Berlioz hinzu (vgl. DHA XIV, 51, 186 u. 244). 57 Vgl. Lina Ramann: Lisztiana. Erinnerungen an Franz Liszt in Tagebuchblättern, Briefen und Dokumenten aus den Jahren 1873–1886/87, hrsg. von Arthur Seidl, rev. von Friedrich Schnapp. Mainz u. a. 1983, S. 114. 58 Mann [Anm. 3], S. 99 u. 109 f. – Vgl. DHA XIV, 130 ff., 280 f. u. Lesarten 1378 ff. 59 Aufgrund der Eigenständigkeit von Journal- und Buchfassung erscheint die Entscheidung der Säkularausgabe, die Journalfassung in einem eigenen Band abzudrucken, durchaus sinnvoll (HSA X, Pariser Berichte 1840–1848). Einen Überblick über die wesentlichen Unterschiede von Journal- und Buchfassung vermittelt Gerhard Müller (Hrsg.): Heinrich Heine und die Musik. Leipzig 1987, S. 154 ff. 60 DHA XIV, 280 f.; mit der Königin Pomare ist die Pariser Grisette und Cancan-Tänzerin Élise Sergent (1825–1846) gemeint, die sich nach der gleichnamigen Königin von Tahiti nannte. Vgl. die Erläuterungen zu Heines Gedicht »Pomare«, DHA III, 615 ff. 61 Die Erwähnung der Tänzerin Fanny Elßler in diesem Zusammenhang (DHA XIV, 131,15 u. Lesarten) dürfte mit einem Artikel der »Revue des deux Mondes« vom Oktober 1840 zusammenhängen, in dem die Überreichung eines Säbels durch Vertreter des ungarischen Adels am 4.I.1840 im Pester Nationaltheater mit den Blumenbouquets verglichen wurde, die man berühmten Sängerinnen und Tänzerinnen wie Fanny Elßler zuwerfe. Liszt empfand dies als Beleidigung für sich und sein Vaterland und protestierte in einem offenen Brief, der am 5.XI.1840 in derselben Zeitschrift erschien, gegen den Vergleich. Da Heine im selben Artikel auf den ›Ehrensäbel‹ anspielt (vgl. Lesarten zu DHA XIV, 130,22), dürfte auch die Erwähnung Elßlers auf diese Polemik zurückzuführen sein. 62 HSA XXII, 102. Nachdem Kolb, der Redakteur der »Allgemeinen Zeitung«, die erste Fassung wegen ihrer persönlichen Angriffe zurückgewiesen hatte (»Müssen Sie nicht selbst lachen, [...] wenn Sie, wie in Ihrem musikalischen Berichte, Ernst gegen Mendelssohn, Thalberg gegen Liszt in Vortheil stellen; das ist Ihnen nicht Ernst!« HSA XXVI, 99), wird man in Heines Bitte um eine Unterredung wohl in erster Linie den Versuch sehen müssen, für die überarbeitete Fassung trotz der vorhandenen Spitzen Liszts Plazet zu erlangen (vgl. DHA XIII, 387 f.). 63 Solange Joubert (Hrsg.): Une Correspondance romantique: Madame d’Agoult, Liszt, Henri Lehmann. Paris 1947, S. 191. 64 So empfanden offensichtlich auch Zeitgenossen wie Heinrich Laube, der zu Heines Artikel in der »Allgemeinen Zeitung« bemerkte: »Nachdem er Erstaunliches und Schmeichelhaftes über Lißt gesagt schließt er seiner Devise ›Lob kompromittirt!‹ getreu mit folgenden Worten über den Grund dieses Furore: Kleinertz, Heine und Liszt 24 ›Die Lösung der Frage gehört vielleicht eher in die Pathologie als in die Aesthetik. [...] wie in dem Concert von Lißt.‹« (Zeitung für die elegante Welt, 22.V.1844, S. 334) 65 Karl Maria Kertbény (Pseud. für K. M. Benkert) berichtet, daß Heine sich noch im Februar 1847 in einem Gespräch positiv über Liszt geäußert haben soll: »Und dann kenne ich auch Franz Lißt, den genialsten Menschen, den ich je kennen gelernt, den aber die Pariser Welt etwas verdorben und verzerrt hat und verschiedene Bekanntschaften, die mir nicht zusagen, daher ich ihn auch schon lange nicht sah. In Lißt ist aber ein ganz anderer Kern als in Meyerbeer« (Werner, II, 17 f.). Allerdings ist Kertbény ein eher dubioser Zeuge, auch wirkt der Kontext dieser 1861 veröffentlichten Äußerung wenig glaubwürdig. In einem Brief an Agnes Street-Klindworth vom 25.VII.1860 bemerkt Liszt über Kertbény: »J’ai eu le désavantage de le connaître plus qu’il ne pouvait m’être agréable. C’est tout simplement ce qu’on appelle un gueux (ou mieux ein Lump en allemand)« (Liszt [Anm. 32], III, 126). 66 Siehe Wolfram Huschke: Musik im klassischen und nachklassischen Weimar 1756–1861. Weimar 1982, S. 104 ff. u. Abb. 26. 67 Vgl. Detlef Altenburg: Franz Liszt and the Legacy of the Classical Era. – In: 19th-Century Music 18/1. 1994, S. 46 ff. 68 Siehe Huschke [Anm. 66], S. 159 u. 201 f. 69 Siehe LSS IV, Lohengrin et Tannhaüser de Richard Wagner, hrsg. von R. Kleinertz. Wiesbaden 1989, S. 234, u. III, Die Goethe-Stiftung, hrsg. von D. Altenburg u. B. Schilling. Wiesbaden 1997, S. 224. 70 LSS IV, 94–96. 71 Le Charivari 18. 19.V.1849. 72 In einem Brief an Joachim Raff vom 6.I.1851 nahm Liszt zu Heines Vorwurf in »Im Oktober 1849« Stellung: »Das Gedicht von Heine haben Sie mir auch noch immer zu schicken – Der arme Teufel soll sehr leidend sein. Belloni der ihn neulich mit Kolisch besucht hat, sagt mir daß sein physischer Zustand ein grässlicher ist – Ich verzeihe ihm von Herzen wenn er seine Galle etwas gegen mich ausgehen laßt. Den Vorwurf übrigens den er mir macht, den habe ich viel früher und bitterlich empfunden. Wäre für mich nicht, nach rechtschaffener, strenger Prüfung, die absolute Nothwendigkeit eingetreten seit mehreren Jahren alle politischen Angelegenheiten außer den Bereich meiner Thätigkeit zu stellen, so würde ganz natürlich Heines Gedicht um einige Verse kürzer geworden sein.« (Bayerische Staatsbibliothek München, Raffiana VIII, Liszt 24) 73 Vgl. hierzu die Bemerkungen Liszts über Széchenyi in einem Brief an Agnes Street-Klindworth vom 25.VII.1860: »C’était un homme d’un grand sens, d’une prodigieuse activité et d’un génie pratique, conscient des exigences de son temps et de son pays. Il a rendu d’immenses services à la Hongrie, où il jouissait légitimement d’une popularité sans égale jusqu’au moment auquel Kossuth prit le dessus par son parlage et entraîna la nation entière dans une fausse voie. Nous n’en sommes malheureusement pas sortis pour le moment actuel, et je ne prévois guère de bons résultats de cette fièvre chaude de patriotisme exclusif, qui ne fait que semer le vent pour recueillir la tempête! – Si l’on avait suivi l’exemple et la méthode de Széchenyi avec conséquence et loyauté, la Hongrie serait certainement forte et florissante aujourd’hui; je crains qu’il ne soit trop tard maintenant pour y revenir. Cet état des choses peut assurément convenir à d’autres – mais ceux d’entre nous qui aiment sincèrement leur pays s’en affligent au plus profond de l’âme!« (Liszt [Anm. 32], III, 126) 74 Der Tannhäuser, III, DHA II, 59. 75 Vgl. DHA XIII, 427 ff. 76 DHA XIV, 130,34–131,4 u. 132,8–133,20. 77 Dafür verzichtete Heine auf die tatsächlich beinahe prophetische Bezeichnung Liszts als »der künftige herzogl<ich> weimarsche Kanzler wenn der alte Müller stirbt« (DHA XIV, 280). 78 Es sei daran erinnert, daß selbst ein grundsätzlich ›fortschrittlicher‹ Musiker wie Schumann Wagners Bedeutung verkannte und Brahms die Kompositionen Liszts schlicht als »Sudeleien« und »Scheißzeug« abtat (an Joachim vom 9.V.1860, Brahms: Briefwechsel. Reprint: Tutzing 1974. V, 279). 79 Heine ließ sich den Band durch Schloss besorgen. Vgl. dessen Brief an Heine vom 20.IV.1854: »Das Werk von Liszt über Chopin werden sie durch Brandus empfangen haben; ich hoffe Ihnen durch Besorgung desselben einige angenehme Stunden bereitet zu haben« (HSA XXVII, 173). 80 DHA III, 222 ff. u. Erläuterungen 1242 ff. Neben Liszts ständiger Betonung einer notwendigen Verbindung von Poesie und Musik dürften insbesondere die folgenden Sätze Heines »Programm des Katervereins« (Verse 17–32) angeregt haben: »Wagner s’affirma à lui-même la possibilité de rallier en un Kleinertz, Heine und Liszt 25 seul faisceau, d’indissolublement unir et d’intimement entrelacer, la poésie, la musique, l’art du tragédien en premier lieu [...]. Wagner abjure solennellement toute prise en considération des exigences habituelles de prima donna assoluta, ou de basso-cantante. A ses yeux il n’y a pas de chanteurs, il n’y a que des rôles [...]. Il ne faut point s’attendre, à y trouver des cabalettes, ni aucun de ces morceaux qui viennent se placer sur les pupîtres et les pianos des amateurs, car il est plus que difficile de détacher une partie quelleconque, de l’unité si complète et si compacte que forment ses opéras, par l’effet de leur style incessamment maintenu dans une région encore inexplorée, presqu’aussi éloignée du récitatif banal, que des phrases cadencées de nos grands airs. Il faut au contraire être préparé à voir des personnages trop pleins de leurs passions, pour se livrer aux passe-temps de la vocalise, et en qui le chant devient comme la versification de la tragédie, un langage naturel, lequel loin d’entraver la marche de l’action dramatique, ne la rend que plus saisissante. Mais tandis qu’ils déclament avec une simplicité qui s’élève au sublime, la musique, loin de perdre de l’étendue de son domaine, trouve dans l’orchestre de Wagner, ses limites reculées bien au loin« (LSS IV, 26). 81 Dies könnte auch den ausdrücklichen Hinweis begründen, daß Berlioz nicht dabeigewesen sei (Vers 39 f.). Zugleich dürfte Heine auch an die Aufführung der »Tannhäuser«-Ouvertüre im Konzert der von François Seghers gegründeten und geleiteten Société de Sainte Cécile vom 24.XI.1850 gedacht haben, was der Hinweis auf ein »erstes Winterkonzert« nahelegt. Beide Anregungen schließen einander nicht aus, zumal auch diese Aufführung von Liszt über seinen früheren Sekretär Gaetano Belloni veranlaßt war. Belloni besuchte Heine Ende 1850, wobei er ihm von diesem Konzert berichtet haben dürfte (vgl. Anm. 72). 82 Heine. Salon. Chopin. [Fußnote Liszts] 83 LSS II: Frédéric Chopin, hrsg. von Angelika Behrer. Wiesbaden (Druck in Vorbereitung). – Die naheliegende Vermutung, es handle sich bei der von Heine in seinen »Florentinischen Nächten« geschilderten Soirée in der Chaussée d’Antin und der hier erwähnten in Chopins Wohnung, die sich in derselben Straße befand, um ein und dieselbe Soirée, ist – sofern überhaupt reale Ereignisse zugrundeliegen – mit Sicherheit unzutreffend: Liszt führt unter den Anwesenden neben Meyerbeer, Mickiewicz, Nourrit und Hiller auch George Sand auf, die Chopin erst im Herbst 1836 kennenlernte, während Heines »Florentinische Nächte« bereits 1835 erschienen waren. Wahrscheinlich bezieht sich Liszt zunächst auf jene Soirée, die am 4.XI.1836 bei Chopin stattfand. Von diesem Abend berichtet auch Ferdinand Denis in seinem Tagebuch: »Vendredi 5 Novembre 1836 — 2 [h.] 1/2 du matin. Je rentre plein de souvenirs: j’ai passé la soirée chez Chopin. Lizst [sic] a été admirable. On a bien dit, c’était l’apocalypse. George Sand sentait admirablement cette musique puissante. Charges admirables de Chopin, mais je n’avais plus le cœur de rire tant cette prière des Huguenots était belle. [Liszt hatte vermutlich seine Hugenotten-Fantasie gespielt.] J’ai beaucoup causé avec George Sand. Elle a dit des choses pleines d’âme et d’intelligence sur Senancour, Ballanche et Lamennais, ses trois grandes sympathies, mais Senancour est le prophète de ses œuvres. [...]/ Misciewiz [sic] était là. Elle veut acheter ses œuvres. [...] Mme d’Agoult était à cette soirée« (Ferdinand Denis: Journal [1829—1848], hrsg. von Pierre Moreau. Fribourg u. Paris 1932, S. 60f.). In das Gespräch zwischen Heine und Chopin montiert Liszt Teile aus Heines Zehntem Brief »Über die französische Bühne« (DHA XII, 290), auf den – in der Ausgabe des Salon – Liszt in einer Fußnote ausdrücklich verweist. Eine Ausschmückung dürfte auch die anachronistische Erwähnung Hillers, der sich seit August 1836 wieder in Frankfurt und anschließend in Italien aufhielt, neben George Sand darstellen. 84 An Heine vom 7.V.1853, HSA XXVII, 107. 85 Wagner: Mein Leben, hrsg. von Martin Gregor-Dellin. München u. Mainz 1983, S. 553. 86 So beispielsweise am 16.VI.1870: »Nach Tisch kommt R. auf die Bemerkung Heine’s über die Poesie Schiller’s, ›es seien besoffene Begriffe‹: ›Wenn man chemisch zersetzte, woraus dieses Witzwort besteht, das wie eine Genialität erscheint, so würde man am Grunde den außerhalb stehenden Juden finden, der von unsren Zuständen spricht, wie ein Irokese von unsren Eisenbahnen sprechen würde. In diesem ›besoffenen Begriff‹ liegen Wahrnehmungen des Studentenlebens, wo einer Gelehrter geschimpft wird und dann aus dieser Beschimpfung ein Trinkduell entsteht; der Jude steht auch hier außerhalb, das Platte, Rohe fällt ihm auf, und für das Ideale unserer Natur hat er keinen Sinn. Daß bei Schiller die genaueste Erkenntnis der Idealität sich zuweilen zu sehr ausspricht, das nennt er besoffene Begriffe, da hätte man ihm bloß zu erwidern, das verstehst du nicht.‹« (Cosima Wagner: Die Tagebücher, hrsg. von Martin Gregor Dellin u. Dietrich Mack. München u. Zürich 21982, I, 245f.) 87 Zitiert nach Jean Chantavoine: Franz Liszt et Heinrich Heine. – In: Le Courrier musical 14. 1911, S. 393. Kleinertz, Heine und Liszt 26 88 Ein solcher »Vergleich« ist nicht bekannt. Hier könnten höchstens die »Florentinischen Nächte« gemeint sein, in denen sowohl Paganini als auch Liszt erwähnt werden. 89 Ramann [Anm. 57], S. 80. – Zu Meyerbeer vgl. Mann [Anm. 3], S. 104 ff. 90 Lina Ramann: Franz Liszt als Künstler und Mensch. III Bde., Leipzig 1880–1894. Die Aussagen über Heine stehen im II. Band, 1. Teilband (S. 43, Anm. 1), der bereits nach Liszts Tod erschien: »Liszt sprach der Verf. gegenüber mehrmals von Heine [...], wobei er äußerte, sein Wesen habe ihn nicht angezogen, seinen ›Gelderpressungen habe er keinen Geschmack‹ abgewinnen können. – Während der Koncerte Liszt’s in Paris (ich vermuthe 1844) wurde ihm ein von Heine auf ihn ausgestellter Wechsel von einigen Tausend Francs präsentirt, den er nicht acceptirte. ›Ich war weder in der Lage noch gewillt, mir gezollte Anerkennung zu bezahlen‹, äußerte sich Liszt wörtlich.« – Angesichts der oben zitierten Notizen über Heine in »Lisztiana«, die sie nach Gesprächen mit Carolyne Sayn-Wittgenstein in Rom niederschrieb und die offensichtlich die Grundlage für die Ausführungen in ihrer Biographie bildeten, erscheint ihre Berufung auf wörtliche Äußerungen Liszts mehr als zweifelhaft, 91 Vgl. Mann [Anm. 3], S. 107–110 u. 113. 92 Liszt lernte sie 1847 kennen, Heine – wenn überhaupt – erst im September 1855, doch gibt es keinerlei Hinweis darauf, daß der von ihr beabsichtigte Besuch überhaupt zustande kam. 93 Vgl. das Kapitel »Entstehung« in LSS VII u. VIII: Des Bohémiens et de leur musique en Hongrie, hrsg. von Bettina Berlinghoff. Wiesbaden (Druck in Vorbereitung). 94 »Monsieur le Rédacteur, Ce n’est qu’à regret que je vous adresse ces lignes; mais puisqu’il s’est fait ici quelque bruit de ma prétendue hostilité contre les Israélites, je dois rectifier l’erreur de ce faux bruit. De notoriété publique, dans le monde musical, d’illustres israélites, Meyerbeer en tête, m’ont accordé estime et amitié; de même dans le monde littéraire, Heine et d’autres« (Gazette de Hongrie 4. Nr. 11 vom 8.II.1883, S. 1). 95 Damit sollten wohl nicht zuletzt auch die 1854 geschriebenen Sätze in »Lutezia« ›widerlegt‹ werden, in denen Heine von Liszts geschickter Inszenierung seiner Erfolge spricht (DHA XIV, 132 f.). 96 So beispielsweise Müller [Anm. 59], S. 24.