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Rg Rechts geschichte Zeitschrit des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte Journal of the Max Planck Institute for European Legal History Rechtsgeschichte Legal History www.rg.mpg.de http://www.rg-rechtsgeschichte.de/rg25 Zitiervorschlag: Rechtsgeschichte – Legal History Rg 25 (2017) Rg 25 2017 380 – 382 http://dx.doi.org/10.12946/rg25/380-382 Pamela Alejandra Cacciavillani * Gemeineigentum als Katalysator [Common Property as a Catalyst] * Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte, Frankfurt am Main, cacciavillani@rg.mpg.de Dieser Beitrag steht unter einer Creative Commons cc-by-nc-nd 3.0 Rg 25 2017 that the Belgian legislature had serious diiculties in emancipating itself from the Code civil, which was unfavorable to married women, when trying to reform the Code de commerce. From an editorial point of view, the book is pleasant to read and a clear success, despite a very few misprints (for instance 457, 1st §, 517). There are, however, two regrettable flaws. Firstly, some of the articles are relatively dated (1980s–1990s). They sometimes contain information that needs to be updated. For instance, in 1997 Jean-Pierre Nandrin wrote that, since 1993, the Belgian justices of the peace had had general competence for disputes concerning claims of less than »75.000 FB [Belgian Francs]« (132). In the same article, Nandrin explains that litigation concerning alimony and maintenance allowance represented an important part of the justices’ of the peace workload. Since 2014, however, a tribunal de la famille has been competent for those disputes (art. 572bis Code judiciaire). In another essay from 1996, he explained that a new Belgian law should be adopted relatively soon regarding the night work of women (460). It would have been interesting for the reader to have a short footnote describing the current situation of such issues. What is the current threshold, in euros, delimiting the general competence of the justices of the peace (2500 €, art. 590 Code judiciaire)? Has a law been adopted regarding night work since 1996? Secondly, a synthesis at the end of each section (or at the end of the book) would have been helpful of paramount interest. More especially, a foreign perspective on Nandrin’s work regarding Belgium would have been valuable. He came to many inspiring conclusions that have been partly summarized here. How have neighboring European countries evolved on those matters? Short essays from non-Belgian scholars would have interestingly enlarged the perspective. It would have been another opportunity to highlight and recall once more the important scientific contribution of Jean-Pierre Nandrin to legal history.  Pamela Alejandra Cacciavillani Gemeineigentum als Katalysator* In La propiedad en construcción. Luchas por los bienes comunales en la Mancha, 1816–1912 analysiert Vicente Cedrero Almodóvar die Entwicklung des Eigentums, insbesondere den konfliktreichen Prozess des Umbaus von Gemeineigentum zu liberalem Eigentum. Dieser Prozess wird innerhalb eines bestimmten geographischen und zeitlichen Raumes historisch beschrieben und auf einen konkreten Typ von Gemeineigentum fokussiert, indem der Verfasser sich auf die Ereignisse der Jahre 1816–1912 in der spanischen Region Campo de Calatrava konzentriert und Bezug nimmt auf Güter, die dem Gegenstand des derecho maestral unter- * Vicente Cedrero Almodóvar, La propriedad en construcción. Luchas por los bienes comunales en La Mancha, 1812–1912, Madrid: Sílex Ediciones S. L. 2016, 264 S., ISBN 978-84-7737-637-8 380 Gemeineigentum als Katalysator lagen. Das derecho maestral war ein feudales Einkommen zugunsten des Landherrn bezüglich der Gemeingüter und spielte eine wichtige Rolle in den Bauerndörfern von Calatrava. Als rechtliche Institution bestand es in einer Gegenleistung für die Nutzung der Weiden (etwa im Sinne einer Weidenpacht – arriendo de los pastos) und bedeutete, dass die Dörfer dem Landherrn (maestre) jährlich die Hälte ihres Einkommens abzugeben hatten. Bemerkenswert ist, dass dieses feudale Rechtsinstitut ein Hindernis auf dem Weg zur Festigung neuzeitlichen Eigentums war, und trotzdem hat es Kritik nicht nur die Verordnung des Cortes de Cádiz von 6. August 1811 1 und die liberale Revolution überwunden, sondern bis zum ersten Jahrzehnt des zwanzigsten Jahrhunderts weiterexistiert. 2 Der Gegenstand des hier besprochenen Buches ist die Beschreibung und Erklärung dieses Fortbestehens. Der Schlüsselaspekt zum Verständnis dieses Prozesses liegt laut Verfasser darin, den spezifischen Mechanismus nachzuvollziehen, der das Überleben solch einer feudalen Belastung trotz des Schwelens von Konflikten ermöglichte. Almodóvar gelangt zu der Aufassung, dass das Überbzw. Weiterleben des derecho maestral nur aufgrund der Paradoxie möglich war, dass sich sein Umfeld zu einem sehr konfliktreichen weiterentwickelte (24, 68). Die Paradoxie ist durch folgende Aspekte gekennzeichnet: Auf der einen Seite privatisierte der Staat nicht nur die Güter der kirchlichen señorios, sondern auch die Güter der Gemeinderäte (ayuntamientos), da beide als feudale Hindernisse angesehen wurden. Auf der anderen Seite formte derselbe Staat das derecho maestral von einem feudalen Einkommen zu einer Form staatlichen Einkommens um. Wegen dieser Strategie des Staates blieben starke Konflikte in den Bauerndörfern von Calatrava bestehen, was auf zwei Gründe zurückzuführen ist: einerseits die wichtige Rolle von Gemeineigentum in Calatrava und in der bäuerlichen Landwirtschat, andererseits die komplizierte Umsetzung, die das derecho maestral in der sogenannten liberalen Wirklichkeit erfuhr, da seine besonderen Merkmale (Mangel an Verfügbarkeit, an freier Nutzung und an Verwaltung) im Widerspruch zum liberalen Eigentum standen. Almodóvar stellt die Hypothese auf, dass Übergänge und Verwandlungen in Sachen Eigentumsrecht vor dem Hintergrund der Kompatibilität mit der jeweils konkreten Realität verstanden werden müssen, weil jede Rechtsnorm eine bestimmte soziale Verwurzelung enthält (23). Er kommt zu der Erkenntnis, dass das Gemeineigentum ein 1 Die Verordnung handelte von der Abschafung des señorio. Señorios spielten eine wichtige Rolle in der kastilischen Krone gegen Ende des Mittelalters, weil sie Kernelemente der sozialen Artikulation von Territorien waren. Verschiedene Verfasser, unter anderen Canga Argüelles und Alfonso Guilarte, wiesen auf »Jurisdiccion« als ein besonderes Merkmal critique Katalysator des Konflikts gewesen sei, deshalb habe jeder Angrif unabhängig von seinen Motiven und Verläufen die gleiche Auswirkung: Konflikt. Um diesen Aspekt zu verstehen, müsse man die wirtschatlichen Interessen, die diesen Eigentumstyp umgeben, berücksichtigen (36, 244): Die Gewichtigkeit der Landnutzung für die bäuerliche Wirtschat einerseits und die Bedeutung des Landeinkommens für den Landherrn andererseits. Zur Untermauerung seiner Argumente beschreibt der Verfasser die verschiedenen Akteure (Gemeinderäte, Bauern, Staat, Privatpersonen) und politischen Szenarien (Trienio Constitucional 1820–1823, Bieno Progresista 1854–1856), in deren Mitte sich das derecho maestral als mediävale Weidepacht fand. Den Umständen seiner Zeit zum Trotz gelingt es dem derecho maestral weiterzuleben, was nur durch eine Analyse der darum kreisenden Interessen zu erklären sei. Dies habe das derecho maestral in seinem Selbsterhaltungstrieb zu konfliktreichen Anpassungen an Forderungen seines politischen und sozialen Umfeldes geführt. Um diesen Kontext zu analysieren, unterscheidet Almodóvar verschiedene Zeiträume. Von 1843 bis 1854 waren die Konflikte mit den privaten Interessen an der Liberalisierung des Eigentums am wichtigsten. Als dieses Eigentum großes Interesse bei Privatpersonen weckte, war der Verkauf des Landes die Lösung. Deshalb erteilte der Staat zwischen 1845–1846 Privatpersonen die Erlaubnis, Landeigentum nach der Enteignung zu kaufen. Dafür aber wurde eine Methode angewendet, die einen doppelten Nachteil für die Gemeinderäte bedeutete, da diese Verkäufe den Staat als Eigentümer voraussetzten: Sie verloren nicht nur ihre Ländereien, sondern bekamen auch keine Entschädigung dafür. Diese Strategie hatte zur Folge, dass der Widerstand der Dörfer gegen die Privatisierung des Eigentums als ein Angrif gegen das »heilige« (241) Eigentumsrecht dargestellt werden konnte. Zwischen 1854–1856 wurde ein Gesetz gegen die von señorios hin. In dieser Perspektive fügte Julio Valdeón nicht nur die verschiedenen Arten von Señorios (militärisch, königlich, kirchlich) hinzu, sondern auch ihre Beziehungen zum Adel. Diese Landherren übten auf ihrem Territorium gerichtliche, militärische, politische und wirtschatlichen Funktionen aus. Siehe Julio Valdeón, Señoríos y nobleza en la baja edad media. El ejemplo en la corona de Castilla, in: Revista d’História Medieval 8, 15–24. 2 Almodóvar beschreibt das Jahr 1912 als das Hauptmoment dieses Weiterlebens, weil in dieser Zeit die Sociedad Compradora del Término Municipal de Amodovár del Campo aufgelöst wurde (26). Pamela Alejandra Cacciavillani 381 Rg 25 2017 Privatisierung verkündet, welches zu Konflikten mit den Käufern führte. Schließlich wurde die Verkaufspolitik unter hetiger Kritik der Gemeinderäte von 1873 bis 1898 weitergeführt. Das Buch behandelt die verschiedenen und konfliktreichen Seiten des Weiterlebens des derecho maestral. Almodóvar beschreibt mit Detailreichtum und kontextgebundenen Analysen den Aufbzw. Umbauprozess von (Gemein-)Eigentum in vielen Phasen. Jede berücksichtigt mannigfaltige Argumente, Akteure, Interessen und Ordnungen, die für bestimmte Kontexte maßgeblich waren. Nichtsdestoweniger teilen sie aber das Merkmal, dass der Konflikt um Land stets ein Teil des Alltags war. Er erfuhr (und nicht ohne so manche gewalttätige Färbung) relevante Widerstände, die ihrerseits für die Materialisierung und Entwicklung dieses Rechtsinstituts mitverantwortlich waren. In einer Umwelt, in der politische Veränderungen dauern, kann man auch Wandlungen im Bereich des Sprachgebrauchs, in öfentlichen Debatten und Rechtskategorien wahrnehmen, die am Schutz der Bauern und ihres Gemeineigentums ausgerichtet waren (siehe insbesondere Kapitel drei, vier und fünf). Die Art und Weise, wie Almodóvar die Veränderungen des Eigentumsrechts versteht, spiegelt den Einfluss nicht nur traditioneller Forscher wie Bartolomé Clavero oder Mariano Peset, sondern auch die neue Perspektive von Rosa Congost 3 wider. In diesem Sinne ist diese Abhandlung Almodóvars nicht nur ein wichtiger Beitrag für die Landeigentumsstudien in und über Spanien, sondern stellt auch einen interessanten Ansatz für diejenigen dar, die sich mit der Beschreibung des kontinuierlichen »Weiterlebens« der primär zum Ancient Régime gehörenden Eigentumsformen in anderen Kontexten von Rechtsordnungen und liberalen Wirtschaten befassen. Es bleibt abzuwarten, wie diese Forschung sich mit einer globalen Perspektive über Fortdauern und Kontinuität von Eigentum vernetzen kann.  Gerhard Fritz In flagranti – Tötungsdelikte in der Ehe* Der Verfasser untersucht Tötungsdelikte in der Ehe im europäischen Spanien sowie in den spanischen Kolonien Neu-Spanien (in etwa das heutige Mexiko, allerdings territorial viel weiter nach Norden reichend) und Neu-Granada (in etwa das heutige Kolumbien, allerdings auch hier in erheblich größeren Dimensionen als der heutige Staat dieses Namens). Der Untersuchungszeitraum umfasst v. a. die zweite Hälte des 18. Jahrhunderts und endet mit den Gründungsjahrzehnten der aus spanischer Kolonialherrschat gelösten neuen la- 3 Rosa Congost, Sagrada propiedad imperfecta. Otra visión de la revolución liberal española, in: Historia Agraria 20 (2000), 61–93; dies., La »gran obra« de la propiedad. Los motivos de un debate, in: Rosa Congost, J. M. Lana, Campos cerrados, debates abiertos. Análisis histórico y propiedad de la tierra en Euro- 382 In flagranti – Tötungsdelikte in der Ehe teinamerikanischen Staaten in den 1820er und 1830er Jahren. Insgesamt nimmt der Verfasser an, dass infolge von Quellenverlusten in Spanien nur ca. 10 % der Tötungen innerhalb der Ehe dokumentiert sind, in Neu-Spanien und Neu-Granada ca. 35 %. Das Sample, auf das sich die Studie stützt, umfasst 206 einschlägige Tötungen. Da spousal killing nur einen Ausschnitt aus den Tötungsdelikten insgesamt darstellt, erfährt man auch viel über die Tötungsdelikte im Allgemeinen. Grundsätzlich betont der Verfasser – im Gegensatz zu anderen pa (siglos XVI–XIX), Pamplona 2007, 21–52; dies., Tierras, leyes, historia. Estudios sobre »la gran obra de la propiedad«, Barcelona, 2007; Rosa Congost, J. M. Lana (Hg.), Campos cerrados, debates abiertos. Análisis histórico y propiedad de la tierra en Europa (siglos XVI–XIX), Pamplona 2007. * Victor M. Uribe-Uran, Fatal Love. Spousal Killers, Law, and Punishment in the Late Colonial Spanish Atlantic, Stanford/California: Stanford University Press 2016, 429 S., ISBN 978-0-8047-9463-3