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Zitrusblätter 13/2016 3 Empfang. Sie wurden anschließend zurückgeschnitten und gekübelt. Die angemischte und mehrfach beprobte Erde bestand aus 30 % Gemisch aus Rasensoden- und Buchenlauberde, 30 % Einheitserde, 12 % gebrochenem Blähton, 10 % Lignostrat Topferde sowie zu je 6 % aus Kies, Lehm und Torf. Noch gut geschützt standen die Bäumchen 2015 auf dem Gelände der Gärtnerei und füllen in dieser Saison endlich wieder das gesamte Rheinsberger Orangerieparterre – rechtzeitig zur diesjährigen Sonderausstellung „Rheinsberg 25“. Katrin Schröder, Mathias Gebauer Die Zitrus wollen nun endlich hinaus ins Freie. Foto M. Gebauer, 2016. Zum Handel mit Südfrüchten und Orangeriepflanzen im 18. Jahrhundert Die Kurbayerischen Maut- und Akzis-Tarife von 1765 Der Kurfürst lässt die Finanzen ordnen 1764 kam es zu einer Neuordnung im bayerischen Finanzwesen. Kurfürst Max III. Joseph (1727-1777) hatte den heilsamen Einfluss erkannt, „welchen eine, nach guten Grundsätzen abgemessene Benutzung des MauthRegals in die allgemeine Landes-Wohlfahrt hat“ (Chur-Baierische Mauth-und Accis-Ordnung, S. 3). So fasste er den Plan, „in Absicht auf die Emporbringung der Commercien, und des Nahrungs-Standes Unserer Lande und Unterthanen“ (S. 4) eine neue Maut- und Akzis-Ordnung, also eine Neuregelung der Zölle und Verbrauchssteuern, zu erlassen, die ab 1765 „zur allgemeinen Beobachtung vorgeschrieben“ war. Die konkreten, je „Feilschaft“ zu leistenden Abgaben sind in einem weiteren Regelwerk, den „Chur-Baierische[n] Mauth- und Accis-Tarif[en]“ festgelegt. Es ist höchst aufschlussreich, was darin im Detail aufgeschlüsselt wurde. Jedem der einzelnen Posten muss eine ökonomische Relevanz – teils hoch, teils aber auch recht gering – zugeschrieben worden sein. Andernfalls hätte man ihn nicht eintragen lassen. Allerdings ist die Spanne ungeheuer breit. Sie erstreckt sich von Glasscherben und Stricknadeln über Getreide, Holz und Textilien bis zu Fernrohren und Elfenbein. Offenbar war man bemüht, möglichst alle Eventualitäten des Warenverkehrs zu erfassen. Die einzelnen Feilschaften sind alphabetisch geordnet, und zur Freude des Orangeriehistorikers findet sich darin so mancher Hinweis auf den Handel mit exotischen Pflanzen und ihren Produkten. Zum Handel mit exotischen Früchten An frischen Früchten werden aufgezählt: Ananas, „Appel de Sina, oder Chinesische Pomeranzen“, „Cedri“ (mit dem Verweis „s. Citronen“), „Citronat (frische)“ (mit demselben Verweis), „Citronen, und alle Citronen-artige Früchten“, „Feigen (grüne oder frische)“, Granatäpfel, Melonen, „Pistacien oder Pimpernüsse“ sowie „Pomeranzen (frische) von verschiedenen Gewächsen, als Genueser, Portugieser, Mayländer etc.“ Unter den „Feilschaften“ treten aber auch konservierte und weiterverarbeitete Früchte und Blüten auf. Hierzu gehören „Ananats-Früchte (frische oder eingekochte)“, „Bergamotten-Essenz“, „Caffée-Bohnen, zum Getränke: Levantischer so anderer und gemeiner Caffée“, „Cedro-Saft von Citronen“, „Citronat (candirte oder eingesottene)“, getrocknete Feigen, Lorbeer-Blätter, -Beeren und -Öl, „Oliven (frische und eingemachte)“, „Pomeranzen (Candierte), oder Pomeranzen-Schalen“, „Pomeranzen-Rossoglio“, also ein Likör, „Rosemarin Blüth-Oel und Spiritus“ sowie „Schalen, als Pomeranzen, Limonien, so andere Schalen“. Auch „Cocos-Nüsse, oder Indianische Nüsse“ werden unter den Import-„Spezereyen“ aufgezählt. Sie gehören allerdings, abgesehen von ihrem Verzehrwert, wegen ihrer tropischen Herkunft nicht dem kulturellen Feld der Orangerien, sondern dem der damaligen Wunderkammern an. Zitrusblätter 13/2016 4 Insgesamt zeigt sich eine recht große Breite ausdrücklich erwähnter südländischer Pflanzen-Produkte. Dass sie Eingang in die Aufstellung fanden, lässt erkennen, dass mit ihnen aus Sicht der kurbayerischen Administration zu rechnen war, dass sie also im bayerischen Handel eine gewisse Rolle spielten. Ein Intensitätsgrad der ökonomischen Relevanz lässt sich allerdings nicht schätzen angesichts des Umstands, dass auch exotische Tiere von Schaustellern – Wölfe, Paviane, Strauße und selbst Elefanten und „Tieger-Thiere“ – einen einzelnen Eintrag erhielten. Zum Handel mit Orangeriepflanzen Nun hat die Wirtschaftsgeschichte den frühneuzeitlichen Zitrus- und Südfrüchtehandel bereits zu thematisieren begonnen (s. Pommeranz mit weiteren Hinweisen). Die bayerische Maut- und Akzis-Ordnung ist aber ein Beleg dafür, dass man zumindest in der Münchner Hofbürokratie auch den Handel mit Orangeriepflanzen im Auge hatte. oder Lustoder gemeine Haus-Gärten.“ Explizit tauchen die folgenden auf: „Aloe (versch. Arten) und Aloe-Holz“, „Ananats, ein ostindianisches Gewächs in die Gärten“ und „Rosemarin-Stöcke, in die Gärten zu verpflanzen.“ In der Zusammenschau ergibt sich, dass ausschließlich solche Pflanzen aufgeschlüsselt sind, die neben dem Dekorations- und Repräsentations- auch einen Gebrauchswert auf kulinarischem oder pharmazeutischem Gebiet aufweisen. Reine botanische Liebhaberstücke oder Pflanzen zu Lehr- und Studienzwecken sind nicht eigens genannt, obwohl die Möglichkeit des Pflanzenimports für botanische Gärten erwähnt wird (im Zusammenhang mit den „Gewächsen, in die Botanische ... Gärten“). Titelseite der Kurbayerischen Maut- und Akzis-Ordnung. Bayerische Staats-bibliothek München: 947271 Bavar. 1777. Titelseite der Kurbayerischen Maut- und Akzis-Tarife. Bayerische Staatsbibliothek München: 947271 Bavar. 1777. Zitrusblätter 13/2016 5 Beobachtungen zur Terminologie und Sprachgeschichte Eine sprachgeschichtliche Aufgabe ist in der Orangerieforschung noch unbewältigt. Bis weit ins 18. Jahrhundert hinein gab es in der geschriebenen hochdeutschen Sprache deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Sprachräumen, die grob in den ober- und den mitteldeutschen Bereich unterschieden werden können und verschiedene historische Wege nahmen. Gilt dies auch für die Terminologie der Orangeriekultur? Der Vergleich muss anhand einer breiteren Materialbasis erst noch vorgenommen werden. Zu diesem Material könnte dann auch die „Chur-Baierische Mauth-und Accis-Ordnung“ gehören. Eine typisch oberdeutsche Vokabel scheint hier im Fall der Granatäpfel vorzuliegen. Als Synonyme werden die „Margaranten-Früchte“ genannt, wie die „Granat-Bäume“ analog auch als „Margaranten-Bäume“ bezeichnet werden. Es handelt sich dabei um eine Verballhornung des lateinischen Begriffs „Malogranatum“. Man findet das Wort „Margaranten“ auch in zahlreichen oberdeutschen Orangerie-Inventaren, beispielsweise im oberösterreichischen Benediktinerstift Lambach (eine Studie ist in Vorbereitung). Noch in Schmellers berühmtem „Bayerischem Wörterbuch“ gibt es in der zweiten Auflage von 1872-1877 folgenden Eintrag: „‚Magramapfel’, ... malum granatum, jetzt gerne der Margrant...“ (Sp. 1647). Als Überbegriff für die verschiedenen Gehölze verwendet die bayerische Bürokratie neben dem Wort „Orangerie-Bäume“ auch „welsche“ („Wälsche“) oder „Franz-Bäume“. Die Vokabeln „Pomeranze“ und „Orange“ werden in der „Maut- und Akzis-Ordnung“ synonym gebraucht, auch mit dem französischen Plural „Oranges“. Bei diesen Früchten wird übrigens eine Unterscheidung nach Herkünften oder auch Sorten, nämlich „Genueser, Portugieser, Mayländer etc.“, vorgenommen. Für „Citronen“ sind auch noch die gleichbedeutenden Ausdrücke „Cedri“ und „Limonien“ angegeben. Zum Kaffee findet man zwei Versionen: „Coffée. s. Caffée“. Die Ananas wird „Ananats“ genannt. Die Pimpernuss (heute die Bezeichnung für Staphylea pinnata) wird als Synonym für die wohl eigentlich gemeinte Pistazie (Pistacia vera) verwendet. Unklar ist, was mit den „Adams- oder Paradeiß-Aepfel[n]“ gemeint ist. Die Bezeichnung war beispielsweise für bestimmte Apfel- und Zitrussorten in Gebrauch, besonders aber für die Zitronat-Zitrone. Gelegentlich birgt der Sprachgebrauch Hinweise auf wirtschaftliche Zusammenhänge. Während der „CedroSaft“ die italienische Bezeichnung für die Zitronat-Zitrone beinhaltet, weist der „Appel de Sina“ mit seiner niederdeutsch-niederländischen Variante des Wortes Apfel in Richtung Nordsee. Bei den Verarbeitungsformen der Früchte sind öfter Warengruppen genannt, denen sie zugeordnet werden. Kandierte Zitronat-Schalen zählen zu den „Confect-Waaren“. Die Güter „Bergamotten-Essenz“ und „CedroSaft von Citronen“ sind mit Verweisen auf den Überbegriff „Spezerey“ versehen, einem Lehnwort, das vom älteren französischen Begriff „éspice“ (heute: „épice“) für „Gewürz“ stammt. Rosmarinblüten-Öl und -Spiritus wurden als „Arzneyen“ gehandelt, Pomeranzen- und Zitronenschalen als „Cortices“. Ein neues Forschungs-Desiderat Die zufällige Entdeckung der „Chur-Baierische[n] Mauth-und Accis-Ordnung“ als Quelle zur Orangeriekultur rückt ein neues Desiderat in den Blick. Es sollte deutlich geworden sein, dass sie, auch wenn sie nur gelegentlich und beiläufig auf Südfrüchte und „Wälsche ... Bäume“ eingeht, einen nicht unerheblichen Aussagewert besitzt, vor allem im Hinblick auf die Wirtschafts- und Sprachgeschichte. Die Behörden der zahlreichen anderen deutschen Territorien dürften eine beträchtliche Zahl ähnlicher Verordnungen hervorgebracht haben. Deren vergleichende Untersuchung könnte wohl noch so manche Facette zur Orangeriegeschichte zum Vorschein bringen. Georg Schrott Quellen: Chur-Baierische Mauth-und Accis-Ordnung, Zur allgemeinen Beobachtung vorgeschrieben, im Jahr 1765, München 1765 Chur-Baierische Mauth-und Accis-Tarif. Herausgegeben im Jahr MDCCLXV, München 1765. Literatur: Pommeranz, Johannes: „Schöne Zitron und Appelsina“. Die Anfänge des transalpinen Zitrushandels und seine Bildquellen, in: Die Frucht der Verheißung. Zitrusfrüchte in Kunst und Kultur, hrsg. von Yasmin Doosry, Christiane Lauterbach, Johannes Pommeranz, Nürnberg 2011, S. 307–335 (mit weiteren Hinweisen). Schmeller, Johann Andreas: Bayerisches Wörterbuch, 1. Bd., München 2. Aufl. 1872, Reprint München 1985. Abbildungsnachweis: Bayerische Staatsbibliothek München: 947271 Bavar. 1777, http://www.mdz-nbn-resolving.de/urn/resolver.pl? urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb10376416-6, Scan 5 und 51.