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Max-Planck-Institut zur Erforschung von Wirtschaftssystemen Jena Oliver Volckart Die Wirtschaftsordnung der Ständegesellschaft* * Für die Diskussion der Rohfassung dieses Aufsatzes und für ihre hilfreichen Anmerkungen danke ich Professor Manfred E. Streit, Professor Lars Udehn sowie meinen Kollegen Andrea Eisenberg, Thoralf Erb, Jochen Jahraus, Annette und Uwe Mummert, Stefan Voigt und Michael Wohlgemuth. Diskussionsbeitrag 13-98 Dr. Oliver Volckart Max-Planck-Institut zur Erforschung von Wirtschaftssystemen Jena Abt. 1: Institutionenökonomik und Wirtschaftspolitik Kahlaische Strasse 10, D-07745 Jena Tel.: 03641-686623 Fax: 03641-686610 E-mail: volckart@mpiew-jena.mpg.de Inhalt 1. Einleitung 2. Der Frühkapitalismus als Forschungsparadigma 3. Der ordnungsökonomische Ansatz 4. Kompetenz, Koordination und Kontrolle in der vormodernen Wirtschaft 4.1. Die Autonomie der Wirtschaftssubjekte 4.2. Möglichkeiten und Grenzen der Selbstkoordination 4.3. Selbstkontrolle und politische Kontrolle 5. Schluß Literatur 1 Einleitung Ziel des vorliegenden Aufsatzes ist es, den in der Forschung zur Wirtschaftsgeschichte des 14. bis 18. Jahrhunderts Zur Epochenabgrenzung siehe z.B. Mathis : "Insbesondere im Hinblick auf die folgenden, viel entscheidenderen Neuerungen der Industriellen Revolution muß die Zeit zwischen dem 13./14. Jahrhundert und dem 18. Jahrhundert ... als eine Epoche gesehen werden, in der die bestehenden Strukturen gefestigt und vertieft, und nicht von Grund auf verändert wurden". verbreiteten Frühkapitalismusbegriff durch Strukturbegriffe zu ersetzen, die auf der modernen Ordnungsökonomik beruhen. Zu diesem Zweck wird eingangs kurz umrissen, welche Spannweite der Frühkapitalismusbegriff in der einschlägigen Literatur hat und weshalb er als Ausgangspunkt einer Analyse der Funktionsweise der vormodernen Wirtschaft ungeeignet ist (Kapitel 2). Nach einer knappen Darstellung wesentlicher Elemente der Ordnungsökonomik (Kapitel 3) wird die spätmittelalterlich-frühneuzeitliche Wirtschaft Deutschlands unter den dabei vorgestellten Gesichtspunkten untersucht. Dabei wird systematisch überprüft, inwieweit die Funktionselemente einer Marktwirtschaft – Privatautonomie, Selbstkoordination und Kontrolle durch Wettbewerb – damals gegeben waren (Kapitel 4). Die These der Arbeit lautet, daß man vor dem 19. Jahrhundert von einer Marktwirtschaft nicht sprechen kann, daß sich aber auch der in der Forschung gelegentlich aufgetauchte Planwirtschaftsbegriff auf die vormoderne Wirtschaft nicht anwenden läßt, sondern daß diese am ehesten als etwas eigenständiges, nämlich als altständische Wirtschaftsordnung zu charakterisieren ist. 2 Der Frühkapitalismus als Forschungsparadigma Im Vergleich zu historischen Mikrountersuchungen und reinen Beschreibungen sind Analysen der Funktionsweise der spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Wirtschaft selten. Die meisten Autoren, die das Thema berühren, begnügen sich mit ihrer Kennzeichnung als ein durch Elemente der feudalen Wirtschaftsweise mehr oder weniger modifizierter Kapitalismus; übliche Bezeichnungen sind Früh- oder Handelskapitalismus. Hier zeigt sich bereits, daß der Wortgebrauch keineswegs eindeutig ist. Eine Ursache dafür könnte die Vielfalt von Kapitalismusdefinitionen sein, die es schließlich, wie Robert Duplessis in seinem kürzlich erschienenen Lehrbuch zur Wirtschaftsgeschichte der Frühneuzeit bemerkte, im Überfluß gibt . Anstatt hier eine umfassende inhaltliche Bestimmung des Begriffs zu versuchen, was ohnehin wohl unmöglich sein dürfte, sei seine Spannweite im folgenden an zwei Beispielen aus der jüngeren Standardliteratur aufgezeigt. Kriedte (1980) führt den Kapitalismusbegriff zwar ein, ohne ihn zu definieren, bietet jedoch zahlreiche Hinweise, so daß sich der Inhalt relativ leicht erschließen läßt. Die in der Frühneuzeit entstandenen, durch Lohnarbeit gekennzeichneten Abhängigkeitsverhältnisse in den ländlichen Gewerberegionen bezeichnet er als "dem Ansatz nach kapitalistisch" . Es scheint demnach, daß er im Bestehen vertraglicher Austauschbeziehungen zwischen Unternehmern und Arbeitskräften, die den letzteren einen geringeren Handlungsspielraum ließen, das entscheidende Systemmerkmal sieht. Damit folgt Kriedte der marxistischen Argumentation: Was den Unternehmer auszeichnet, ist nicht die Organisationsleistung, die er erbringt, und auch nicht seine innovatorische Initiative, sondern allein die Tatsache, daß er im Gegensatz zu den Arbeitnehmern über Kapitalgüter verfügt. Braudel entwickelte seinen Kapitalismusbegriff in Auseinandersetzung mit dem neoklassischen Zweig der Ökonomik, dessen Theorieangebot an die Wirtschaftsgeschichtsschreibung ihn aus naheliegenden Gründen enttäuschte. Traditionell arbeitende neoklassische Ökonomen untersuchen, wie sich Individuen unter bestimmten Restriktionen zwischen verschiedenen Möglichkeiten der Verwendung ihrer Ressourcen entscheiden. Die einzigen dabei ins Auge gefaßten Restriktionen sind Budget und Zeit. Damit abstrahiert die Neoklassik von fast allem, was für den Wirtschaftshistoriker von Interesse ist. Für ihn ist der Kapitalismus ein Ausnahmebereich der Marktwirtschaft, unter der er die "mit den ländlichen Tätigkeiten, mit Verkaufsbuden, Werkstätten, Läden, Börsen, Banken, Messen und natürlich dem Markthandel verknüpften Produktions- und Tauschmechanismen" versteht. Der Kapitalismus liegt "über" der Marktwirtschaft und ist die Domäne von Individuen oder Organisationen, die im Wettbewerb entweder Informationsvorteile genießen oder ihm aufgrund ihrer privilegierten Stellung nicht ausgesetzt sind . Braudels Vorstellungen sind von wirtschaftswissenschaftlichen Denkansätzen so weit entfernt, daß sie in deren Terminologie kaum noch erfaßbar sind. Eine Übersetzung in die Sprache des Ökonomen wäre in seinem Fall so aufwendig, daß hier darauf verzichtet werden muß zu klären, was mit dem bildhaften "über" gemeint sein könnte und wie sich das von Braudel als marktwirtschaftlich aufgefaßte Handeln der Individuen präzise von anderen Aktivitäten abgrenzen läßt. Läßt sich trotz dieser Schwierigkeiten ein gemeinsamer Inhalt der beiden Kapitalismusbegriffe herausfiltern? Tatsächlich gibt es Vorstellungen, die sowohl dem von Kriedte verwendeten Konzept als auch dem Braudels zugrunde liegen. Erkennbar werden diese in den Interpretationen, die Anhänger des Kreises der Annales – von einer Schule läßt sich angesichts der Heterogenität der Vorstellungen kaum sprechen – liefern. So definiert Wright den Kapitalismus zunächst im Anschluß an Braudel, um dann eine Reihe weiterer Charakteristika hervorzuheben, unter anderem die Tatsache, daß Arbeit und Boden zu Waren werden. Dazu gemacht werden sie von jenen Kaufleuten bzw. Verlegern, die dem Wettbewerb aufgrund von Privilegien oder Informationsvorteilen in ungewöhnlich geringem Maße ausgesetzt sind und deren Handeln schon Braudel als die eigentliche Domäne des Kapitalismus hervorgehoben hatte . Im Hintergrund steht demnach auch hier die Vorstellung, der Kapitalismus sei als Wirtschaftssystem primär durch die zuerst in Bergbau, Verlagswesen und Manufaktur – d.h. vor allem in der Tuchmacherei und im Metallgewerbe – ausgebildete Trennung von Kapital und Arbeit gekennzeichnet. Das Kapitalismuskonzept argumentiert also mit der Verteilung von Verfügungsrechten unter den Wirtschaftssubjekten. Im Unterschied zur Property-Rights-Theorie vernachlässigt es jedoch die Anreizwirkungen, die von diesen Rechten ausgehen . Das Schwergewicht liegt statt dessen bei Kriedte wie Braudel auf der Untersuchung der Art, in der die Produktion in einigen Gewerbezweigen betriebswirtschaftlich organisiert wird; diese erscheint letztlich als das Merkmal, anhand dessen verschiedene Wirtschaftssysteme voneinander abzugrenzen sind. Was Manufaktur oder Verlag von der herkömmlichen Art der handwerklichen Produktion unterschied, war schließlich in erster Linie die Organisationsform . Ohne die Bedeutung hier stattgefundener Neuerungen herunterspielen zu wollen, läßt sich doch sagen, daß mit einer auf sie konzentrierten Betrachtungsweise nur ein verhältnismäßig enger Ausschnitt wirtschaftlichen Handelns zu erfassen ist. Befriedigen kann das nicht, schon gar nicht, wenn man die selbst am Ende der frühen Neuzeit noch geringe gesamtwirtschaftliche Bedeutung der genannten Gewerbezweige in Rechnung stellt . Nach Schätzung Kaufholds arbeiteten in Deutschland um 1800 etwa 1,3 Mio. Menschen im Handwerk, etwa 1,0 Mio. im Verlag und etwa 0,1 Mio. in Manufakturen. In allen drei Gewerbezweigen arbeiteten zusammen etwa 23 % aller Beschäftigten; der Rest war in Landwirtschaft und Handel tätig. Selbst wenn man in Manufaktur und Verlag eine höhere Produktivität annimmt als im Handwerk, ist klar, daß ihre gesamtwirtschaftliche Bedeutung geringer als die von Landwirtschaft und zünftischem Gewerbe war. Darüber hinaus ist auch kaum zu erwarten, daß eine sich auf die Untersuchung betriebswirtschaftlicher Organisationsweisen konzentrierende Forschung viel zur Klärung einer der zentralen Fragen der Wirtschaftsgeschichte beiträgt: warum es nämlich in bestimmten Perioden und Regionen gelang, ein höheres Wachstum zu erzielen als in anderen. Bei einer möglichen alternativen Betrachtungsweise kann es nicht darum gehen, das Kapitalismuskonzept nur um einige weitere Aspekte zu ergänzen. Gleichgültig ob es in seiner marxistischen Ausprägung oder in der des Annales-Kreises auftritt, bleibt es letzten Endes Teil eines holistischen bzw. kollektivistischen Gesamtkonzepts, dem zufolge die historische Entwicklung von Gesetzlichkeiten oder Strukturen bedingt ist, die primär nicht als Ergebnis individuellen Handelns, sondern als überindividuelle Gegebenheiten aufgefaßt werden . Siehe z.B. Braudels Diskussion der "Regeln", denen die Entwicklung von Weltwirtschaften unterliegt. In eine moderne wirtschaftswissenschaftliche Analyse läßt sich das Frühkapitalismuskonzept daher nicht integrieren – ebenso wenig wie der Feudalismus oder die Sklavenhalterwirtschaft oder beliebige andere Wirtschaftsstufen marxistischer oder nicht-marxistischer Provenienz, die "gesetzmäßig" aufeinander folgen. Dieser Gesichtspunkt spielt bei vielen Autoren allerdings keine erkennbare Rolle. Teils rekurrieren auch marxistische Historiker wie z.B. Dobb und Sweezy auf individuelles Handeln, wenn sie die Transformation des Feudalismus zum Kapitalismus mit dem zunehmenden Streben der Feudalherren nach Einkünften bzw. mit dem Einfluß der Kaufleute erklären. Wenn andererseits Kriedte schreibt, daß "das Handelskapital das Industriekapital freisetzte", liegt die Vermutung nahe, daß es sich bei dieser Formulierung nicht nur um eine rhetorische Figur handelt, sondern daß hinter ihr die Vorstellung steht, Kaufleute und Industrielle seien kollektive Akteure, deren Handeln eigenen Gesetzlichkeiten unterliegt. Kriedtes Vernachlässigung des Problems, das kollektives Handel eigeninteressierter Individuen aufwirft (dazu Olson 1968, s.u. Fußnote ), deutet darauf hin, daß die historische Entwicklung für ihn überindividuellen Gesetzmäßigkeiten folgt. Der Verzicht auf Struktur- und Entwicklungsbegriffe dieser Art braucht, wie Borgolte bemerkt, keineswegs zu einem platten Empirismus zu führen. Alternativkonzepte müssen allerdings eine grundlegende Anforderung erfüllen: Sie sollten auf dem methodologischen Individualismus beruhen. Das bedeutet, daß sie Entwicklungen auf der Systemebene – Sozialprodukt, Wachstumsraten usw. – als weder intendierte noch vorhergesehene Folgen der Entscheidungen erklären sollten, die Wirtschaftssubjekte auf der Individualebene treffen . Nur so läßt sich eine gemeinsame Basis mit der Ökonomik finden, die ein Theorieangebot bereithält, das auch für die wirtschaftshistorische Forschung von Interesse ist. 3 Der ordnungsökonomische Ansatz Bei diesem Theorieangebot handelt es sich um die sogenannte Ordnungsökonomik. Es ist keineswegs das erste Mal, daß die vormoderne Wirtschaftsgeschichte aus ihrem Blickwinkel untersucht wird. Vor allem in den fünfziger und sechziger Jahren erfreute er sich einer gewissen Beliebtheit, wobei der zeitliche Rahmen und der räumliche Bezug der betreffenden Arbeiten sehr unterschiedlich waren. Gemeinsam ist den damaligen Untersuchungen aber, daß sie sich in der Euckenschen Dichotomie von Plan- bzw. Zentralverwaltungs- und Marktwirtschaft bewegen. So untersuchte beispielsweise Geissler im Jahre 1951 die preußische Wirtschaft der Zeit Friedrichs des Großen daraufhin, inwieweit sie Charakteristika einer modernen Planwirtschaft aufwies; ihm zufolge war das in weiten Bereichen der Fall . Ähnlich kam Lentze in seiner Analyse der spätmittelalterlichen Gewerbeordnung Nürnbergs zu dem Schluß, dort habe eine obrigkeitlich dirigierte und autoritär durchorganisierte Planwirtschaft bestanden. Dieser Befund, den Lentze später generell auf die vormoderne Stadt ausdehnte, blieb nicht unwidersprochen. Bog stellte fest, daß der Nürnberger Rat im 16. Jahrhundert eine grundsätzlich wettbewerbsfreundliche Ordnungspolitik verfolgt habe, und charakterisierte die dortige Wirtschaft insgesamt als Marktwirtschaft . Für die oberdeutsche Wirtschaftsordnung des 16. Jahrhunderts gelangte Blaich unter expliziter Bezugnahme auf Eucken zu demselben Ergebnis. Seit Beginn der siebziger Jahre sind Begriffe wie Plan- und Marktwirtschaft aus Forschungen zur vormodernen Wirtschaft weitgehend verschwunden, wenn es auch so aussieht, als fänden ordnungsökonomische Gesichtspunkte in jüngster Zeit wieder mehr Beachtung. Dabei scheint sich die Annahme Blaichs und Bogs durchgesetzt zu haben, daß es sich bei der vormodernen Wirtschaftsordnung um eine Marktwirtschaft gehandelt habe . Auch Braudel kommt zu diesem Schluß, allerdings, wie oben bemerkt, auf der Basis eines außerordentlich diffusen Marktwirtschaftsbegriffs, der sich ordnungsökonomisch nicht einordnen läßt. Nun hat die Entwicklung der Ordnungsökonomik seit den fünfziger und sechziger Jahren nicht stillgestanden. Bedeutende Fortschritte ergaben sich besonders durch die Aufnahme von Gedankengängen aus dem Bereich der österreichischen Schule der Nationalökonomik – Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayek sind hier zu nennen –, von amerikanischen Entwicklungen – vertreten durch Namen wie Ronald Coase, Harold Demsetz und Gordon Tullock – sowie ganz allgemein durch Verbindungen zur Neuen Institutionenökonomik, zu deren wichtigsten Vertretern Douglass North gehört. Einen Überblick über die moderne Ordnungsökonomik bietet Streit . Die Frage, die im weiteren Verlauf des vorliegenden Aufsatzes geklärt werden soll, lautet, wie die spätmittelalterlich-frühneuzeitliche Wirtschaft aus modernem ordnungsökonomischem Blickwinkel einzuordnen ist. Auf der Grundlage der seit den sechziger Jahren entwickelten theoretischen Konzepte ist das wesentlich präziser möglich, als unter Rückgriff auf die genannte Euckensche Dichotomie von Markt- und Planwirtschaft. Idealtypisch sind dies zwar tatsächlich die einzigen vorstellbaren Wirtschaftsordnungen; in der Realität waren und sind jedoch zahlreiche Ordnungsformen anzutreffen, die sich in dieses einfache Schema nicht ohne weiteres einordnen lassen. Praktisch ist im vorliegenden Aufsatz also zu überprüfen, ob es sich bei der vormodernen Wirtschaft tatsächlich, wie zuletzt angenommen, um eine Marktwirtschaft handelte. Das weitere Vorgehen erfordert zunächst eine Klärung des Begriffs Wirtschaftsordnung. Eine Ordnung im Sinne Hayeks ist ein Zustand, in dem eine Vielzahl von Elementen verschiedener Art so miteinander verbunden ist, daß es auf der Grundlage der Kenntnis eines Teils ihrer Gesamtheit möglich ist, plausible Erwartungen hinsichtlich des Rests zu bilden. Bezieht man dies auf Gesellschaften, dann erscheinen als Ordnungen regelmäßige Muster, die als Folge der Koordination der Handlungen individueller Akteure entstehen. Die Regelmäßigkeit kommt zustande, weil die Handelnden begründete Vorstellungen darüber entwickeln können, wie sich ihre Mitmenschen in bestimmten Situationen verhalten werden . Dies ist vor allem deshalb der Fall, weil Ordnungen institutionengestützt sind, d.h. weil Institutionen im Sinne allgemein bekannter Verhaltensbeschränkungen in wiederkehrenden Interaktionen – Verfassungen, Gesetze, Sitten, Regeln der Ethik und der Moral etc. – das Handeln der Individuen in vorhersehbarer Weise strukturieren . Hier zeigt sich die Verbindung zum Gebrauch des Begriffs Wirtschaftsordnung in der wirtschaftshistorischen Literatur der sechziger Jahre. Blaich verstand unter ihr in Anlehnung an Eucken die Gesamtheit der in einer Jurisdiktion geltenden wirtschaftsrelevanten Rechtsregeln und der in ihrem Rahmen realisierten Marktformen. Mittlerweile beginnt die Ökonomik zu berücksichtigen, daß individuelles Handeln nicht nur durch staatlich geschaffene und durchgesetzte Regeln, d.h. durch formelle oder sogenannte "externe" Institutionen, beschränkt wird, sondern auch durch eine Vielzahl informeller bzw. "interner" Regeln, die die Individuen internalisiert haben oder deren Durchsetzung durch gesellschaftliche Mißbilligung oder private Mechanismen erfolgt . Die Wirtschaftsordnung beruht gleichermaßen auf derartigen internen Regeln wie auf den schon von Blaich berücksichtigten externen Institutionen . Die Gesamtheit der wirtschaftsrelevanten staatlich gesetzten Rechtsregeln wird heute als Wirtschaftsverfassung bezeichnet . Weil die Entscheidungen, die die Wirtschaftssubjekte gemäß ihren Präferenzen und Ausstattungen über die Verwendung ihrer Ressourcen treffen, den genannten institutionellen Beschränkungen unterliegen, lassen sie eine Handelnsordnung im Hayekschen Sinne erkennen. Zusammen mit dem ihr zugrunde liegenden Regelsystem bildet diese die Wirtschaftsordnung. Für eine ordnungstheoretische Analyse bietet es sich an, von einer Reihe wirtschaftlicher Grundfragen auszugehen, die sich implizit oder explizit in jeder wie auch immer gearteten Wirtschaftsordnung stellen : Welche Güter und Leistungen sollen in welcher Menge produziert werden? Wer soll sie produzieren? Auf welche Weise sollen sie produziert werden? Wo soll das geschehen? Zu welchem Zeitpunkt soll die Produktion erfolgen? und Für wen sollen die Güter und Leistungen hergestellt werden? Bei diesem Katalog handelt es sich ausschließlich um ein heuristisches Konzept. Ob es Instanzen gibt, die die Fragen explizit beantworten, oder ob sich die Antworten unintendiert aus dem aufeinander bezogenen Handeln der Wirtschaftssubjekte ergeben, Das gilt besonders für Frage 6, die Verteilungsfrage. In einer Marktwirtschaft ist die Verteilung von Gütern und Leistungen ungeplantes Ergebnis der Koordination der Handlungen zahlreicher Wirtschaftssubjekte; es gibt hier niemanden, der die Frage explizit beantwortet. hängt davon ab, wie das der untersuchten Wirtschaftsordnung zugrunde liegende Regelsystem beschaffen ist. Durch externe und interne Institutionen wird nämlich erstens bestimmt, wer befugt ist, die Grundfragen zu beantworten (Kompetenz), zweitens, auf welche Weise die von verschiedenen dazu befugten Akteuren gegebenen Antworten aufeinander abgestimmt werden (Koordination), und drittens, wie die Entscheidungsträger für die Folgen ihres Tuns verantwortlich gemacht werden können (Kontrolle) . Eine idealtypische marktwirtschaftliche Ordnung ist im Hinblick auf alle drei Bereiche durch besondere Funktionselemente gekennzeichnet, die als Privatautonomie, Selbstkoordination und Selbstkontrolle bezeichnet werden. Wie im folgenden gezeigt wird, bedingen sich diese Elemente gegenseitig: So entscheidet der Grad an Autonomie, über den die Wirtschaftssubjekte verfügen, mit darüber, wie ihre Pläne koordiniert werden und auf welche Weise die Kontrolle erfolgt. Um die Frage zu klären, ob die spätmittelalterlich-frühneuzeitliche Wirtschaft tatsächlich eine Marktwirtschaft war, ist im folgenden Kapitel zu untersuchen, ob bzw. inwieweit marktwirtschaftliche Funktionselemente zwischen dem 14. und dem 18. Jahrhundert gegeben waren. Angesichts der Tatsache, daß Ordnungen institutionengestützt sind, ist dabei vor allem zu klären, ob Regeln existierten, die die Privatautonomie, Selbstkoordination und Selbstkontrolle der Wirtschaftssubjekte gewährleisteten. 4 Kompetenzverteilung, Koordination und Kontrolle in der vormodernen Wirtschaft 4.1 Die Autonomie der Wirtschaftssubjekte Unter Privatautonomie ist die Freiheit der Wirtschaftssubjekte zu verstehen, selbstgesteckte Ziele eigenverantwortlich zu verfolgen . Die Kompetenz zur Beantwortung der wirtschaftlichen Grundfragen ist in einer privatautonomes Handeln ermöglichenden marktwirtschaftlichen Ordnung demnach nicht nur extrem dezentralisiert, sondern liegt auch bei privaten Akteuren und nicht etwa bei politischen Autoritäten. Die Tatsache, daß wirtschaftliche Pläne im Deutschland des 16. Jahrhunderts – wie überhaupt in Spätmittelalter und früher Neuzeit – dezentral aufgestellt wurden, ist evident und war wesentliches Argument Blaichs bei dessen Charakterisierung der damaligen Wirtschaft als Marktwirtschaft. Auf dieser Grundlage darauf zu schließen, daß die Wirtschaftssubjekte privatautonom gehandelt hätten, wäre allerdings verfehlt. Notwendige Bedingung dafür ist nämlich, daß sie den gleichen Rechtsstatus genießen . Nur dies ermöglicht es ihnen, eigenverantwortlich und ohne der Autorität eines anderen unterworfen zu sein über die Verwendung ihrer Ressourcen zu bestimmen. Rechtliche Gleichheit im Sinne von Gleichordnung ist bekanntlich ein junges Phänomen; vor dem 19. Jahrhundert war sie in Deutschland nirgends gegeben. Die für die Vormoderne charakteristische Ungleichheit ergab sich auf der Grundlage des dominierenden gesellschaftlichen Organisationsmodells, des ganzen Hauses. Als Einheit von Arbeitsstätte und Wohnung umfaßte dieses nicht nur die Mitglieder der Familie im modernen Sinne des Wortes, sondern auch das Gesinde, das auch ohne verwandtschaftliche Bindung als familienzugehörig betrachtet wurde . Das Haus besaß eine Art rudimentärer Verfassung, die ein Amalgam ursprünglich antiker, später christlich überformter Oikos- und Agrarregeln war . Sie wies den Hausangehörigen einschließlich des Oberhaupts unterschiedliche Handlungsrechte zu und regulierte so Zusammenleben und Arbeitsalltag. Ihre Mitte fand sie in der Herrschaft des Hausvaters, der als Herr und Obrigkeit eigenen Rechts für den Hausfrieden verantwortlich war und ein im Wortsinne patriarchalisches Regiment über Angehörige und Gesinde ausübte . Die Abgrenzung des ganzen Hauses nach außen war fließend und ist in Einzelfällen nicht immer klar zu bestimmen, zumal es nach zeitgenössischem Verständnis als wichtigstes Herrschaftsmodell galt, in dem alle anderen Herrschaftsverhältnisse vorgebildet waren . In Territorien mit Gesindezwangsdienst gehörten beispielsweise nicht nur die Verwandten eines Adligen zu dessen Haus, sondern auch die auf dem Gut dienenden Bauernsöhne und -töchter. Als im weiteren Sinne zugehörig wurden auch deren Väter aufgefaßt, die als Inhaber bäuerlicher Hofstellen selbst wiederum eigenen Häusern vorstanden. Entsprechendes galt auch in den höheren Hierarchieebenen, wo das Haus eines Fürsten nicht nur dessen Hofstaat umfaßte, sondern im Prinzip die gesamte Bevölkerung des Territoriums. Da sich ein großer Teil der Gesellschaft aus ganzen Häusern zusammensetzte – nicht erfaßt waren lediglich Vagabunden oder landstreichende Bettler, deren Anteil an der Gesamtbevölkerung allerdings auf bis zu 10 Prozent geschätzt wird –, ergab sich auf seiner Grundlage eine Schichtung in Großgruppen, d.h. in Stände: diese setzten sich aus Hausvätern zusammen, denen die jeweiligen Hausverfassungen bzw. die ihnen übergeordneten Hausväter die gleichen Handlungsrechte zuwiesen. So bildeten die Oberhäupter bäuerlicher Familien den regional mit sehr unterschiedlichen Rechten versehenen Bauernstand, entsprechendes galt für Berufsstände wie die Handwerkerschaft und für Kaufleute, aber auch für Geburtsstände wie das städtische Patriziat, Adel und Fürsten. Für die Wirtschaftsordnung war dabei von entscheidender Bedeutung, daß die meisten Individuen nicht nur einer einzigen Organisation unterstanden, die innerhalb eines Territoriums monopolistisch politische Herrschaft ausübte, sondern zahlreichen hierarchisch gestaffelten Obrigkeiten mit oft unklarer Kompetenzabgrenzung. Eine Trennung zwischen Staat und Gesellschaft läßt sich für die Vormoderne nicht vornehmen. Das patriarchalische Regiment des Hausvaters schloß die Befugnis ein, Art und Zeitpunkt der von seinen Untergebenen ausgeübten Arbeiten zu bestimmen und anzuordnen, mit welchen Ressourcen welche Güter für wen produziert werden sollten. Die Hausangehörigen waren ihm dabei in einer Weise untergeordnet, die sich grundlegend von derjenigen unterschied, die beispielsweise in einem modernen Unternehmen besteht. In dessen Rahmen bestimmt der Unternehmer zwar ebenfalls über den Einsatz der Ressourcen, aber das Verhältnis zwischen ihm und den Angestellten ist bei grundsätzlicher Gleichberechtigung vertraglich geregelt, und zwar durch auf freiwilliger Basis geschlossene Kontrakte, die unter mehr oder weniger genau bestimmten Bedingungen wieder gelöst werden können. Die Kompetenz des vormodernen Hausherrn zur Beantwortung der oben genannten wirtschaftlichen Grundfragen ergab sich demgegenüber nicht daraus, daß er mit den Hausangehörigen vertragliche Beziehungen unterhielt. Vom zumindest impliziten Bestehen solcher Beziehungen ist zwar auszugehen; sie bildeten ursprünglich die Grundlage des Verhältnisses. Die zu Beginn faktisch gegebene Gleichordnung war jedoch spätestens dann einer eindeutigen Unterordnung gewichen, als sich der Wettbewerb um Arbeitskräfte aufgrund des hochmittelalterlichen Bevölkerungswachstums abschwächte und die in Folge dessen steigenden Kosten der Abwanderung den Hausangehörigen die Wahl eines anderen Herrn zu erschweren begannen . Seitdem wurde man in das Haus, dem man angehörte, in aller Regel hineingeboren oder hatte jedenfalls keine Entscheidungsfreiheit bei dessen Wahl – so etwa, wenn man dem Gesindezwangsdienst unterlag oder als Minderjähriger bei einem Handwerker in die Lehre gegeben wurde. Grundlage der Kompetenz des Hausvaters, die wirtschaftlichen Grundfragen zu beantworten, war seine politische Überordnung über das Gesinde und die übrigen Hausangehörigen. Deutlichstes Kennzeichen dieser Überordnung waren seine jurisdiktionellen Rechte, die die Befugnis zum Strafen – und das heißt zum körperlichen Züchtigen – mit einschlossen. Noch nach dem preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 verfügte der Hausvater ebenso über die Strafgewalt gegenüber Ehefrau, Kindern und Hausangestellten wie der adlige Gutsherr gegenüber seinem Gesinde und seinen untertänigen Bauern. Auch der Lehrherr, d.h. der zünftische Handwerksmeister, und sein Altgeselle waren berechtigt, Lehrlinge körperlich zu strafen . Wenn im folgenden von autoritativen Anordnungen spätmittelalterlich-frühneuzeitlicher Obrigkeiten die Rede ist, sind damit Befehle gemeint, deren Befolgung mittels eines derartigen, als legitim erachteten Gewalteinsatzes erzwungen wurde. Aus dem oben gesagten ergibt sich, daß die Überordnung des Hausherrn unberührt davon blieb, zu welchen Arbeiten er seine Untergebenen heranzog. Ein fürstlicher oder adliger Grundherr konnte seine Bauern vorwiegend landwirtschaftlich beschäftigen, aber es kam auch vor, daß er eine Manufaktur gründete und sie zur gewerblichen Arbeit anhielt. Ein neuer expliziter Vertrag zwischen Unternehmer und Beschäftigen war dazu nicht erforderlich. So betrieb Kurfürst August von Sachsen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ein Salzbergwerk unter Einsatz bäuerlicher Frondienste – ein Vorgehen, das zu dieser Zeit für Adlige und Fürsten, die Gewerbebetriebe leiteten, typisch war . Noch um die Mitte des 18. Jahrhunderts betrieb Graf Stadion seine böhmische Wollmanufaktur mit seinen Leibeigenen . Gerade in den Ländern der Habsburgermonarchie scheint die Ausnutzung von Frondiensten Voraussetzung für die Rentabilität größerer gewerblicher Unternehmen gewesen zu sein . Für landwirtschaftliche Betriebe wurde dies von Kula durch die Rekonstruktion der Wirtschaftsführung polnischer Gutsherrschaften des 16. bis 18. Jahrhunderts detailliert nachgewiesen. Man kann wohl davon ausgehen, daß seine Ergebnisse auch für die östlichen Territorien Deutschlands zutreffen. In den preußischen Kernprovinzen waren derartige Fälle aufgrund der im 18. Jahrhundert von der Regierung aus fiskalischen Gründen gewünschten Konzentration des Gewerbes in den Städten seltener, kamen aber durchaus vor, wie die mit Leibeigenen betriebene Metallwaren- und Tuchmanufaktur des Barons von Vernezobre im brandenburgischen Hohenfinow zeigt . In diesen Beispielen herrschte der gewerbliche Unternehmer über seine Beschäftigten, weil er schon als adliger Grundherr über die entsprechenden Rechte verfügt hatte. Oft erwarben aber auch Unternehmer ohne autochthone Herrschaftsrechte die Gerichtsbarkeit über die Personen, die in den von ihnen angelegten Betrieben arbeiteten. Im Preußen des 18. Jahrhunderts war die jurisdictio domestica häufig Bestandteil der an Manufakturgründer verliehenen Privilegien. Indem "(d)er Schutz des Privilegs ... nicht nur durch den Landesherrn versprochen (wurde), sondern ... durch den Begünstigten unmittelbar realisierbar war", sollte es den privilegierten Investoren ermöglicht werden, aus ihrer eigenen Arbeiterschaft stammende potentielle Konkurrenten an der Selbständigkeit zu hindern . Damit wird deutlich, daß die Frage, ob in einer Manufaktur Lohnarbeiter beschäftigt wurden oder nicht, zweitrangig ist. Von entscheidender Bedeutung war vielmehr die Stellung des Unternehmers, der mehr oder weniger ausgeprägte obrigkeitliche Funktionen wahrnehmen konnte. Daß die innere Verfassung der vormodernen Manufaktur – im Gegensatz zu der eines Unternehmens im 19. Jahrhundert – noch der der Grundherrschaft entsprach , ist eine Feststellung, die breite Gültigkeit beanspruchen darf. Ogilvies Hinweis darauf, daß Adlige unter Ausnutzung ihrer hausherrlichen Position die Entstehung von Gewerbelandschaften fördern konnten, zeigt, auf wie schwachen Füßen das Konzept der Proto-Industrialisierung in seiner ursprünglichen holistischen Ausprägung steht und wie es sich untergraben läßt, indem man, statt nach Entwicklungsstufen und Gesetzmäßigkeiten zu suchen, von den handelnden Individuen ausgeht. Es ist demnach davon auszugehen, daß Privatautonomie für Personen, die der Hausherrschaft unterworfen waren, nicht bestand. Aber auch die vor allem im 16. und 18. Jahrhundert wachsende Zahl der Erwerbslosen, Bettler und Vaganten, die keinem "ganzen Haus" direkt angehörten, konnte sie kaum wahrnehmen, da städtische und territoriale Obrigkeiten hausväterliche Gewalt über sie beanspruchten und sie vor allem seit dem 17. Jahrhundert in Zucht-, Arbeits- oder Waisenhäuser einwiesen. Arbeitsalltag und Organisationsweise dieser Anstalten sind noch unzulänglich erforscht . Nicht in Frage steht jedoch, daß sich mit ihnen Straf-, Erziehungs- und Wirtschaftlichkeitsabsichten verbanden, die man verfolgte, indem man es Manufakturbetreibern gestattete, ihre Arbeitskräfte aus Zucht- oder Waisenhäusern zu beziehen . Der Übergang zwischen Zuchthaus und Manufaktur war dabei fließend, wie ein Beispiel aus Böhmen zeigt: Dort richtete Graf Valdstejn 1765 eine Manufaktur ein, als deren Arbeitskräfte er Vagabunden, obdachlose Jugendliche und Kinder aus Findelhäusern zwangsrekrutierte. Da die Produktivität gering war, dürfte der Betrieb nur deshalb gewinnbringend gewesen sein, weil er über zahlreiche Privilegien verfügte, weil die Insassen ohne Lohn arbeiteten, und weil die Wiener Regierung ihn durch die Übernahme von deren Verköstigung subventionierte . Zählt man der Hausherrschaft direkt unterworfene Personen sowie Erwerbs- und Wohnungslose zusammen, so ist klar, daß für die Mehrheit der Bevölkerung des spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Deutschland Privatautonomie nicht einmal als theoretische Möglichkeit gegeben war. Um 1800 dürfte der Anteil der unterbürgerlichen Schichten in den Städten und der landlosen Unterschicht auf dem Lande zusammen etwa 30 bis 40 % der Gesamtbevölkerung betragen haben . Zählt man dazu den der Hausherrschaft unterworfenen Teil der Bevölkerung – wie Frauen und Kinder –, so erscheint die Annahme plausibel, daß die Mehrheit keine Privatautonomie genoß. Angesichts der hierarchischen Stufung der Stände, die dazu führte, daß wenige Hausväter keiner anderen Autorität untergeordnet waren, ist davon auszugehen, daß auch die hausherrliche Kompetenz zur Beantwortung der wirtschaftlichen Grundfragen vielfältig eingeschränkt war. Dies ist der wesentliche Unterschied zwischen einem vormodernen Haushalt und einer modernen Zentralverwaltungswirtschaft, deren planende Instanz souverän ist. Euckens Charakterisierung des vormodernen Haushalts als einfache Form der Zentralverwaltungswirtschaft läßt sich somit nicht aufrecht erhalten. Die Beschränkung der hausväterlichen Kompetenz durch übergeordnete Autoritäten läßt sich am Beispiel der von Boelcke (1964) eingehend untersuchten Wirtschaftsführung eines wohlhabenden württembergischen Bauern aus dem späten 16. Jahrhundert verdeutlichen. Von der Möglichkeit, privatautonom Entscheidungen zu treffen und selbstgesetzte Ziele zu verfolgen, läßt sich im Fall dieses Bauern nicht sprechen: Er hatte nicht nur einen Teil seiner Arbeitskraft dem Grundherren zur Verfügung zu stellen, sondern konnte auch nur in engen Grenzen darüber bestimmen, auf welche Weise sein Boden genutzt werden sollte. Die Dorfgemeinde regulierte das Verhältnis zwischen Ackerland und Weide. Im Hintergrund stand die im 16. Jahrhundert aufgrund der wachsenden Bevölkerung rasch zunehmende Nachfrage nach Lebensmitteln. Da sich diese auf das im Verhältnis zum Fleisch billigere Getreide konzentrierte, griffen zahlreiche Gemeinden in der Absicht, die Bauern an nicht-nachfragegerechten Produktionsentscheidungen zu hindern, in die bäuerlichen Wirtschaften ein, setzten den Umfang der Rinderhaltung fest und bestimmten, wieviel Kühe jeder Hofbesitzer höchstens füttern durfte . Selbst wo die Wirtschaftssubjekte einen gewissen Freiraum für eigene Entscheidungen besaßen, handelte es sich nicht um eine nur mehr oder weniger eingeschränkte Privatautonomie. Sie besaßen diesen Freiraum nicht, um ihn zur Verfolgung ihrer eigenen Interessen zu nutzen, sondern um Aufgaben zu erfüllen, die ihnen eine übergeordnete Autorität zugewiesen hatte . Auch dies wird am Beispiel des erwähnten Bauern deutlich: Sein wirtschaftliches Handeln diente zumindest in den Augen der Obrigkeiten, die die für ihn geltenden Regeln setzten, nicht dazu, seinen individuellen Nutzen zu mehren, sondern zur Sicherstellung der Nahrungsmittelversorgung der württembergischen Bevölkerung. Aus diesem Grund war es ihm z.B. auch untersagt, Äcker in Weinberge umzuwandeln . Unter individuellen Gewinngesichtspunkten wäre das vernünftig gewesen, denn in den Jahrzehnten vor dem Dreißigjährigen Krieg war Wein das wichtigste württembergische Exportgut, dessen Herstellung große Gewinnchancen bot. Darüber hinaus war Württemberg um 1600 so dicht bevölkert, daß es zumindest bei unterdurchschnittlichen Ernten auf Lebensmittelimporte angewiesen war – ein stark nachgefragtes Exportgut zu produzieren, wäre also auch gesamtwirtschaftlich sinnvoll gewesen. Daß zünftische Handwerker keine Privatautonomie genossen, ist hinlänglich bekannt, so daß sich die Anführung von Beispielen erübrigt. Ihre Kompetenzen zur Beantwortung der wirtschaftlichen Grundfragen wurden von Stadt zu Stadt in unterschiedlichem Maße eingeschränkt. Gemeinhin waren die Zünfte diejenigen Obrigkeiten, von denen Gewerberegulierungen ausgingen. Wo sie auch den Stadtrat beherrschten – wie z.B. in Freiburg im Breisgau – war das Verfahren besonders unkompliziert, da hier diese übergeordnete Obrigkeit, die sonst oft ein Bestätigungsrecht beanspruchte, praktisch ausfiel. In Freiburg drückten sich in der hohen Regulierungsdichte zünftische Bestrebungen zur Vermeidung des Wettbewerbs aus . In Städten wie Nürnberg, in denen es dem Rat gelang, Ansätze zünftischer Autonomie zu unterbinden, war es dieser, der die Arbeit der Gewerbetreibenden bis ins Detail regelte. Hier stand dahinter die Absicht, die Versorgung der Stadtbevölkerung mit Gewerbeprodukten in ausreichender Menge und Qualität zu gewährleisten . Die Kompetenz zum Erlaß entsprechender Bestimmungen wurde im Laufe der frühen Neuzeit zunehmend von territorialen Obrigkeiten beansprucht . Daher besaßen auch auf dem Lande investierende und zünftischen Beschränkungen nicht unterworfene Manufakturunternehmer oft keine Entscheidungsfreiheit hinsichtlich Art, Qualität und Menge ihrer Produkte. In Österreich beispielsweise wurden diese Fragen unter Maria Theresia durch Kanzleiverordnungen detailliert geregelt . Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß die Kompetenz eines Individuums zur Beantwortung der wirtschaftlichen Grundfragen desto weniger beschränkt war, je höher seine Stellung in der ständischen Hierarchie war. Über Privatautonomie verfügten aber auch relativ hochstehende Personen nicht, da diese eine Trennung von Staat und Gesellschaft voraussetzt . Der Zusammenhang läßt sich am Beispiel Preußens verdeutlichen. Friedrich Wilhelm I. veranlaßte die Gründung von Manufakturen, indem er seinen Untertanen die entsprechenden Befehle erteilte . Hier von einer privaten oder privatautonom getroffenen Entscheidung des Königs zu sprechen, wäre verfehlt. Er verfolgte zwar sicherlich selbstgesteckte Ziele. Die politischen Zwangsmittel, über die er verfügte, ermöglichten ihm jedoch die Abwälzung des unternehmerischen Risikos auf die Untertanen, an die er seine Befehle richtete. Friedrich Wilhelm I. ging daher weder ein wirtschaftliches Risiko ein, noch konnte er juristisch zur Rechenschaft gezogen werden, so daß von eigenverantwortlichem Handeln bei ihm keine Rede sein kann. Entsprechendes galt in mehr oder minder großem Ausmaß für die Angehörigen aller herrschenden Stände, die die Folgen wirtschaftlicher Fehlentscheidungen mit politischen Mitteln kompensieren konnten. Auf den höheren Ebenen der ständischen Hierarchie konnten im Zeitalter des Absolutismus durchaus auch Ansätze von im großen Maßstab durchgeführter zentraler Planung entstehen. Das war beispielsweise im Habsburgerreich der Fall, wo die Regierung unter Maria Theresia die Entwicklung einer großräumlichen Arbeitsteilung anstrebte. Ungarn sollte dabei der Agrarproduktion vorbehalten bleiben, während die Städte in den westlichen Teilen der Monarchie als Gewerbestandorte vorgesehen waren . In einer Marktwirtschaft sind es idealerweise die Konsumenten, die durch den Einsatz ihrer Kaufkraft über Art und Menge der produzierten Güter und Leistungen entscheiden, während die Produzenten Herstellungsort und Produktionsweise bestimmen. Als Anbieter von Arbeit und Kapital haben die Individuen Gelegenheit, selbst zu entscheiden, wie sie sich in die Arbeitsteilung einfügen wollen . Nach dem oben gesagten ist klar, daß Produktionsentscheidungen in der Vormoderne höchstens partiell in dieser Weise getroffen wurden. Die Verteilung der Güter war weniger ungeplantes Ergebnis der Koordination individueller Handlungen - wie in einer Marktwirtschaft –, sondern vielmehr Folge bewußter Entscheidungen, die primär im Rahmen hierarchischer Organisationen - nämlich der ganzen Häuser – getroffen wurden. Privatautonomie als wesentliches Funktionselement einer marktwirtschaftlichen Ordnung existierte grundsätzlich nicht. Die Folge war, daß die Wirtschaftssubjekte wenig Gelegenheit zum Einsatz ihrer individuellen Fähigkeiten und ihres bei keiner der ihnen übergeordneten Autoritäten zentral speicherbaren Wissens hatten . Damit behinderte die vormoderne Wirtschaftsordnung eine Zunahme der Spezialisierung und Arbeitsteilung und mindert alle sich daraus ergebenden Produktivitätszuwächse. 4.2 Möglichkeiten und Grenzen der Selbstkoordination Die unter den Wirtschaftssubjekten in mehr oder weniger großem Ausmaß vorhandene Arbeitsteilung macht es notwendig, ihr Handeln zu koordinieren. In der ordnungsökonomischen Literatur wird hervorgehoben, daß es dazu prinzipiell nur zwei Möglichkeiten gibt: Die Koordination kann entweder durch Anweisungen im Rahmen einer hierarchischen Organisation oder durch freiwillige Vereinbarungen zwischen Gleichberechtigten erfolgen . Die in der älteren Literatur gelegentlich auftauchende Vorstellung, es gebe daneben als dritte Möglichkeit eine "Koordination durch Tradition" , Diese Vorstellung klingt auch in dem Konzept der "traditionalen Gesellschaft" an . wird heute nicht mehr vertreten. Koordination erfolgt durch Individuen, die unter Restriktionen handeln. Zu den hier relevanten Institutionen gehören auch Traditionen, die den Handlungsspielraum der Wirtschaftssubjekte und damit ihre Freiheit zum Eingehen von Vereinbarungen beschränken – z.B. weil bestimmte Dinge traditionell "nicht getan werden" und weil sich Personen, die diese Regeln brechen, der gesellschaftlichen Mißbilligung aussetzen. Wesentliches Merkmal einer marktwirtschaftlichen Ordnung ist, daß die Koordination durch Vereinbarungen erfolgt, was konkret bedeutet, daß die Wirtschaftssubjekte ihre individuellen Pläne ohne Eingriffe einer zentralen Entscheidungsinstanz auf der Grundlage der auf dem Markt entstehenden Preissignale aufeinander abstimmen. Verfügen sie über die dafür notwendige Autonomie, so spricht man von Selbstkoordination . Es ist bereits deutlich geworden, daß die Freiheit der Individuen, untereinander Vereinbarungen einzugehen, in der Vormoderne durch vielfältige formelle und informelle Institutionen beschränkt war. Innerhalb der ganzen Häuser wurde ihr Handeln durch autoritative Anordnungen des Hausherrn koordiniert, der die Planungskompetenz innehatte; das vorige Kapitel enthält genügend Beispiele, die dies zeigen. Dennoch ist evident, daß im Zuge freiwilliger Vereinbarungen auf Märkten erfolgende Tauschakte gesamtwirtschaftlich von großer Bedeutung waren. Schließlich gehörte das Vorhandensein eines Marktes zu den konstitutiven Merkmalen einer Stadt. Darüber hinaus kam es trotz obrigkeitlicher Verbote – wie etwa im spätmittelalterlichen Wismar, wo kein Kauf vor den Toren und im Hafen, sondern allein auf dem Markt und am die Stadt durchfließenden Fluß stattfinden sollte –, auch außerhalb des städtischen Marktes sowie in den Dörfern zum Austausch von Gütern und Dienstleistungen. Da Hausväter eines Standes untereinander gleichberechtigt waren, ist anzunehmen, daß sie ihr Handeln in gewissem Ausmaß durch freiwillig getroffene Vereinbarungen koordinieren konnten. Ein Bauer z.B. hatte durchaus die Chance, mit einem Standesgenossen Verträge zu schließen, unterstand allerdings gleichzeitig der Autorität seines Grundherrn. Die zu klärende Frage lautet daher, welche Faktoren darüber bestimmten, wo individuelles Handeln im Rahmen von Subordinationsverhältnissen und wo es durch Vereinbarungen koordiniert wurde. Die Umgehung der erwähnten obrigkeitlichen Verbote, außerhalb von Märkten Geschäfte abzuschließen, weist bereits auf den entscheidenden Faktor hin, dem die Möglichkeit, individuelle wirtschaftliche Pläne durch freiwillige Vereinbarungen zu koordinieren, zu verdanken war. Es handelte sich hier letztlich nämlich um eine Kostenfrage, und zwar ging es um Kosten, die bei der Neukombination von Handlungsrechten entstanden. Wie die im vorigen Kapitel genannten Beispiele zeigen, strebten spätmittelalterlich-frühneuzeitliche Obrigkeiten die Beantwortung der wirtschaftlichen Grundfragen im Rahmen hierarchischer Organisationen an, deren Grundmodell das ganze Haus war. Organisationen beruhen auf Institutionen, die ihren Mitgliedern bestimmte Handlungsbereiche zuweisen, d.h. auf konkreten Regeln im Sinne Hayeks , die zunächst geplant und in Kraft gesetzt werden müssen. Die dazu aufgewendeten Mittel sind als versunkene Kosten zu interpretieren. Darüber hinaus muß die Kommunikation zwischen den Organisationsangehörigen auf gleicher oder verschiedener Hierarchieebene gewährleistet werden, muß deren Verhalten kontrolliert und müssen Abweichungen sanktioniert werden. Hier fallen laufende Kosten an . In der Vormoderne dürften die laufenden Kosten, die bei der Kontrolle von Organisationsangehörigen und bei der Durchsetzung von Organisationsregeln anfielen, besondere Bedeutung gehabt haben. Erreichten sie prohibitive Höhe, so ermöglichten sie beispielsweise das Entstehen der spätmittelalterlichen Klipphäfen, an denen die Bauern an der Südküste der Ostsee trotz der von den Hansestädten ausgesprochenen Verbote mit Getreidekaufleuten aus Westeuropa zusammentrafen . Mit Organisationskostenargumenten läßt sich auch erklären, weshalb selbst absolutistische Herrscher des 17. und 18. Jahrhunderts kein Monopol der Bereitstellung von Gütern wie militärischer und rechtlicher Sicherheit erwerben konnten, sondern stets eine mehr oder minder ausgeprägte Unabhängigkeit ihnen untergeordneter Obrigkeiten in Kauf nehmen mußten . Auch im Merkantilismus gelang es ihnen nicht, eine unbeschränkte Regelungskompetenz oder Steuerungsmacht zu gewinnen . Die Kosten waren noch im frühen 19. Jahrhundert so hoch, daß der preußische Staat nicht in der Lage war, die Polizeigewalt selbst zu finanzieren; statt dessen mußte er trotz seiner rechtspolitischen Reduktion der hausherrlichen Gewalten auf die Leistungen zurückgreifen, die der gutsherrliche Adel im Rahmen seiner traditionellen herrschaftlichen Kompetenzen erbrachte . Es ist demnach davon auszugehen, daß die Koordination individuellen Handelns durch Vereinbarungen dort möglich war, wo politische Autoritäten aus Kostengründen nicht in der Lage waren, die zur Koordination der Aktivitäten ihrer Untertanen notwendigen konkreten Regeln durchzusetzen. So entstanden innerhalb der de jure allumfassenden Organisationen nicht nur de facto autonome Unterorganisationen, sondern auch Freiräume, in denen das Handeln der Wirtschaftssubjekte durch abstrakte, allgemeingültige Institutionen beschränkt wurde. Charakteristisch für die vormoderne Wirtschaftsordnung war, daß die Organisationsregeln, d.h. die jeweils standesspezifischen Institutionen, grundsätzlich Vorrang vor diesen allgemeinen Regeln hatten . Das Verhältnis beider Regeltypen zueinander bedarf noch der Klärung, wobei etwa danach zu fragen wäre, wo zwischen ihnen Widersprüche hinsichtlich der durch sie vorgeschriebenen oder ausgeschlossenen Verhaltensweisen bestanden, wie die Wirtschaftssubjekte damit umgingen und wie sich diese Verhältnisse auf die Transaktionskosten auswirkten. Zum Verhältnis verschiedener Institutionentypen zueinander siehe Mummert . Klar ist jedoch, daß nur das Bestehen allgemeingültiger Institutionen die Bildung von Märkten ermöglichte, auf denen Verfügungsrechte an den verschiedensten Gütern und Leistungen getauscht werden konnten. Verfügungsrechte an agrarischen und gewerblichen Produkten waren hier ebenso handelbar wie solche an Arbeit, Boden und Kapital. Die verbreitete Annahme, daß Verfügungsrechte an Produktionsfaktoren auf vormodernen Märkten grundsätzlich nicht gehandelt wurden , findet in den Quellen keine Bestätigung. Zum mittelalterlichen Boden- und Arbeitsmarkt siehe z.B. Abel , zu einem Kapitalmarkt de Roover . Die Organisationskosten, die die Obrigkeiten aufwenden mußten, waren besonders hoch, wenn es den Untertanen gelang, gemeinsam zu handeln. Kollektives Handeln war zumindest dann ein Problem, wenn die Akteure – wie hier unterstellt – ihre Entscheidungen rational trafen. Ein rationales, eigeninteressiertes Individuum würde nämlich keinerlei Veranlassung sehen, sich an einer gemeinsamen Aktion zu beteiligen, solange es die Chance hat, ohne einen eigenen Beitrag zu leisten von den Bedingungen zu profitieren, die die anderen durch ihr kollektives Handeln schaffen . Diese Chance ist desto geringer, je weniger Individuen für das gemeinsame Handeln in Frage kommen, da in kleineren Gruppen der Leistungsanteil jedes einzelnen am erzielten Ergebnis leichter erkennbar ist. Außerdem spielen positive und negative Sanktionen eine Rolle, die als selektive Anreize auf das Individuum wirken, wenn es sich an der Aktion beteiligt bzw. wenn es dies unterläßt . Dies gab ihnen die Chance, glaubhaft mit der Abwanderung zu einem anderen Hausvater zu drohen – eine Möglichkeit, die sonst, wie oben (S. ) erwähnt, seit dem Hochmittelalter aufgrund des relativ großen Arbeitskräfteangebots stark eingeschränkt war. Auf der Grundlage konnten sie ihre Obrigkeiten durchaus zur Überlassung eines Freiraums zwingen, in dem Vereinbarungen die Subordination ersetzten. So konnte beispielsweise Reininghaus nachweisen, daß die seit dem späten 14. Jahrhundert erfolgte Bildung von Gesellengilden zum faktischen Ausscheiden der Gesellen aus dem ganzen Haus des Meisters führte. Entscheidend war nicht, daß die Gesellen durch die Bildung von Organisationen, die als Arbeitskartelle funktionierten, ihre Verhandlungsposition gegenüber den Zunftmeistern stärkten, sondern daß sie sich der Strafgewalt des Meisters entzogen. Verhandlungen über Löhne und Arbeitsbedingungen wurden dadurch im Grunde erst möglich. Auch in Fällen, in denen Obrigkeiten ihren Untertanen den Freiraum zum Eingehen von Vereinbarungen einräumten, ohne von diesen dazu gezwungen worden zu sein, spielten Organisationskosten die entscheidende Rolle. Dazu wieder ein Beispiel aus der Habsburgermonarchie: Als Graf Kinsky um die Mitte des 18. Jahrhunderts begann, seine böhmische Herrschaft Sloup ökonomisch zu entwickeln, legte er zu diesem Zweck nicht nur Webereien und Spinnschulen an, in denen seine Untertanen arbeiten und lernen sollten, sondern bot seinen Leibeigenen darüber hinaus auch ein gewisses Maß an Autonomie zum Kauf an, so daß sich ihr Handlungsspielraum erweiterte. Der Graf strebte die Entwicklung eines seiner Dörfer zum Marktort an . Es ist daher zu vermuten, daß er seinen Untertanen lediglich ermöglichen wollte, im Sinne dieses Zieles mit unvorhersehbaren Ereignissen fertigzuwerden; ihn dürfte, mit anderen Worten, die Erkenntnis motiviert haben, daß sie nutzbares wirtschaftliches Wissen besaßen, über das er nicht verfügte und aufgrund prohibitiv hoher Informationskosten in Gänze auch nie verfügen konnte. Da die Untertanen ein ihnen von oben vorgegebenes Ziel verfolgen sollten, handelte es sich auch in diesem Beispiel keinesfalls um die Gewährung einer wirklichen Privatautonomie. Nur konsequent war daher, daß die Jurisdiktion des Grafen von den Veränderungen unberührt blieb. Dennoch wurde so ein Freiraum geschaffen, in dem Vereinbarungen autoritative Anordnungen ersetzten. Wie das Beispiel zeigt, gehen in die marktmäßige Koordination von Wirtschaftsplänen Informationen ein, über die die Beteiligten verfügen, die einer etwaigen zentralen Autorität aber unzugänglich sind. Bei jedem Tauschakt werden nicht nur die Verfügungsrechte an den gehandelten Gütern neu kombiniert, sondern es werden auch vorhandene Informationen kommuniziert und neue generiert. Diese sind in den sich aufgrund von Angebot und Nachfrage bildenden Preisen enthalten, die Rückschlüsse auf Veränderungen bei den Präferenzen der Nachfrager, bei der Verfügbarkeit von Ressourcen und bei den Produktionstechniken zulassen. Direkte Handlungsanweisungen bieten die Preise allerdings nicht; sie sind in jedem Fall interpretationsbedürftig . Von größter Bedeutung war in der Vormoderne, daß die fehlende Privatautonomie selbst dort, wo sie die Koordination von Wirtschaftsplänen durch Vereinbarungen nicht gänzlich ausschloß, zu einer teilweisen Außerkraftsetzung des Preismechanismus führten. Das war aus mehreren Gründen der Fall, von denen hier zunächst einer, nämlich die obrigkeitlichen Eingriffe in die Preisbildung, zu untersuchen ist. Preistaxen der verschiedensten Art – Höchst- ebenso wie Mindest- oder Festpreise – sind von einer Vielzahl ländlicher und städtischer Obrigkeiten überliefert, wobei ein Fehlen der entsprechenden Quellen nicht unbedingt bedeutet, daß zu derartigen Maßnahmen nicht gegriffen wurde. So dürften gerade Zünfte ein Interesse daran gehabt haben, ihre Absprachen nicht schriftlich festzuhalten oder publik werden zu lassen . In zahlreichen hoch- und spätmittelalterlichen Dörfern wurden die Preise von Verbrauchsgütern fixiert . In München bestimmte der durch Patriziat und landesherrliche Amtsträger dominierte Rat Höchstpreise für Brot und andere Bäckereiwaren, für Fleisch, Schmalz, Öl, Eier, Hühner, Wein und Bier von jeweils festgelegter Menge und Qualität ; in Köln ging der Rat ähnlich vor . Während Preisregulierungen im Mittelalter meist von städtischen Obrigkeiten ausgingen, ging die Initiative seit dem 15. Jahrhundert auf die Territorialgewalten über . Angeregt durch deren Maßnahmen und durch die im Monopolstreit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts entwickelten Argumente, trug der Reichstag den lokalen und regionalen Obrigkeiten seit den zwanziger Jahren auf, die Löhne für Arbeiter, Tagelöhner und Boten festzulegen und im Gaststättengewerbe Höchstpreise zu bestimmen . Dementsprechend begann z.B. die herzogliche Verwaltung in Braunschweig-Wolfenbüttel im späten 16. Jahrhundert damit, den Gastwirten die Preise vorzuschreiben; darüber hinaus wurden Richtpreise für Fleisch festgesetzt . Derartige Maßnahmen betrafen keineswegs alle Waren, sondern schwerpunktmäßig Lebensmittel; daneben waren allerdings auch Lohntaxen nicht selten. In Württemberg beispielsweise begannen die herzoglichen Amtleute 1549 zunächst auf lokaler Ebene mit der Festlegung der Gesindelöhne; eine territoriale Lohnordnung folgte 1579 . Die Forschung betont die verbraucherfreundlichen Motive spätmittelalterlich-frühneuzeitlicher Obrigkeiten: Es sei darum gegangen, die Konsumenten vor als "ungerecht" empfundenen Preisen zu schützen. Das war zweifellos besonders in Städten der Fall, in denen der Rat auf den guten Willen der Bürgerschaft angewiesen war, also dort, wo Aufstände eine reale Bedrohung darstellten. Ebenso oft wurde allerdings beabsichtigt, die wirtschaftliche Existenz bereits etablierter Produzenten zu gewährleisten, indem man potentiellen Konkurrenten die Möglichkeit zum Preiswettbewerb nahm . Letzteres geschah beispielsweise im frühneuzeitlichen Bayreuth . Dieses Motiv dürfte auch den Ausschlag bei der Festlegung von Höchstlöhnen, gleichgültig ob im ländlichen oder städtischen Bereich, gegeben haben. Im hier interessierenden Zusammenhang kommt es allerdings nicht auf die Motive an, die den Preistaxen zugrunde lagen, sondern auf die Auswirkungen dieser Maßnahmen. Wie de Roover nachweisen konnte, entsprach der gerechte Preis in der scholastischen Lehre zwar demjenigen, der sich am Markt aufgrund von Angebot und Nachfrage bildete. Das änderte aber nichts daran, daß ein einmal festgelegter Preis eine Abweichung von dem sich spontan bildenden bedeutete – das wurde mit den Taxen schließlich beabsichtigt. Sie verhinderten, daß der Markt die erwähnten Informationen über Änderungen der Präferenzen, der Verfügbarkeit von Ressourcen und der Produktionstechniken hervorbringen konnte. Daraus ergab sich ein Problem, das Ludwig von Mises schon in den dreißiger Jahren im Rahmen der "calculation debate" mit seinem "Unmöglichkeitstheorem" erfaßte: Die calculation debate entzündete sich an der von europäischen Marxisten vertretenen Vorstellung, im Sozialismus würde die Kostenrechnung anhand von Preisen zukünftig zugunsten der Rechnung mit einer Art Naturalwerten wie etwa Energieeinheiten oder anderen physischen Größen aufgegeben werden. Ausläufer der Debatte sind noch immer nicht abgeschlossen. Eine aktuelle Kritik der von "Marktsozialisten" wie John E. Roemer vertretenen Thesen findet sich bei Wohlgemuth . Ohne Marktpreise, die sich durch den Austausch von Verfügungsrechten zu freiwillig vereinbarten Bedingungen bildeten, fehlte jede Grundlage für eine rationale Kostenrechnung; die Folge war eine systematische Verschwendung und Fehlallokation von Ressourcen . Die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt des 17. Jahrhunderts zeigten dies. Blickle zufolge hielten die zahllosen Gesindeordnungen "mit ihrer Minimalisierung der Löhne die Menschen wohl eher von der Arbeit ab ... als sie ihr zuzuführen. Anders (sei) die auffallende Diskrepanz zwischen dem beklagten Mangel an Dienstpersonal und den gleichzeitigen Klagen über Bettler, Arbeitslose und Arbeitsscheue schwer zu erklären". Noch deutlicher wurde die Fehlallokation von Ressourcen anläßlich der Hungersnot der Jahre 1771/72. Die österreichische Regierung erließ damals, durchaus der traditionellen Praxis folgend, Getreidehöchstpreise für die betroffenen Gebiete. Die Folge war, daß weder vorhandene Vorräte auf den Markt gelangten, noch Getreide in die Hungerprovinzen importiert wurde . Dies möge an Beispielen genügen. Jeder obrigkeitliche Eingriff in die Preisbildung, gleichgültig, ob er auf dem Arbeitsmarkt oder auf anderen Märkten erfolgte, führte in mehr oder weniger auffälliger Weise zu entsprechenden Konsequenzen. Es ist hier von letztlich zweitrangiger Bedeutung, ob es gelang, die Preistaxen durchzusetzen. In der Forschung wird diese Frage unterschiedlich beantwortet: Lütge geht aufgrund der Nachrichten über die von den zuständigen Obrigkeiten eingenommenen Bußgelder davon aus, daß die Satzungen keineswegs nur auf dem Papier standen, während Blaich sie für im wesentlichen unwirksam hält. Worauf es ankommt ist, daß allein schon ihr Vorhandensein die Freiheit der Wirtschaftssubjekte einschränkte, Tauschvereinbarungen so zu treffen, wie es dem beiderseitigen Vorteil entsprochen hätte. Tauschpartner, die die Preistaxen nicht befolgen wollten, waren gezwungen, ihr Geschäft heimlich abzuschließen. Die Folge war die Entstehung von Schwarzmärkten wie etwa in Nürnberg, wo Nahrungsmittel aufgrund der obrigkeitlichen Preiskontrollen illegal gehandelt wurden . Den hier getätigten Transaktionen fehlte die sonst von Obrigkeiten zumindest in Ansätzen gebotene Rechtssicherheit. Da es schwer war, einen vertragsbrüchigen Partner zur Rechenschaft zu ziehen, waren nicht-simultane Tauschgeschäfte vermutlich selten und die Transaktionskosten relativ hoch; auch dies brachte eine Fehlallokation von Ressourcen mit sich. Die Bedeutung, die die Koordination wirtschaftlicher Pläne durch Vereinbarungen verglichen mit der durch autoritative Anordnungen in der Vormoderne insgesamt hatte, läßt sich schwer bestimmen und dürfte, abhängig von den Kosten, die bei der Durchsetzung von Institutionen und Befehlen anfielen, räumlich und zeitlich auch stark geschwankt haben. Da diese Kosten im Laufe des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit aufgrund technischer und infrastruktureller Neuerungen fielen, scheint es jedoch, daß die marktmäßige Koordination an Boden verlor. Zahlreiche territoriale Autoritäten bemühten sich, untergeordnete Obrigkeiten so weit wie möglich zu entmachten und politische Kompetenzen bei sich zu zentralisieren. Dabei ging es ihnen nicht nur darum, ein Monopol der Schaffung von Rechtsregeln zu erringen, sondern auch um die Monopolisierung der Befugnis, wirtschaftliche Handlungen durch autoritative Anordnungen zu koordinieren. Es handelte sich hier um nichts anderes als um die Übertragung der Verhältnisse des ganzen Hauses auf die gesamtstaatliche Ebene . Da der Preismechanismus nur unzulänglich arbeitete, benötigten so vorgehende Obrigkeiten andere Informationsquellen, um wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen. Daß die Statistik eine Entwicklung des absolutistisch-merkantilistischen Staates ist, war demnach kein Zufall, sondern ergab sich aus der Notwendigkeit, einen Ersatz für die Informationsfunktion der Marktpreise zu finden . Friedrichs II. gefürchtete Inspektionsreisen, auf denen der "königliche Kaufmann" Entscheidungen über Lage und Art neuanzusiedelnder Gewerbe traf, sind ebenfalls in diesen Zusammenhang zu stellen . Die Präzision der in Marktpreisen verschlüsselten Informationen, in die unter allen am Markt aktiven Wirtschaftssubjekten verstreutes Wissen einfließt, konnten so gewonnene Eindrücke allerdings nie erreichen. 4.3 Selbstkontrolle und politische Kontrolle Das Problem der Fehlallokation und Verschwendung von Ressourcen wurde oben bereits angesprochen. Grundsätzlich stellt es sich in jeder Wirtschaftsordnung, gleichgültig, ob es sich um die durch Privatautonomie und Selbstkoordination gekennzeichnete Marktwirtschaft handelt, um die moderne Zentralverwaltungswirtschaft, oder um die vormoderne Wirtschaftsordnung. Hinsichtlich dieses Problems lassen sich die verschiedenen Ordnungen allerdings danach unterscheiden, welche Mechanismen zur Verhinderung einer solchen Verschwendung dienen. Es ist also danach zu fragen, wie kontrolliert wurde, ob Waren und Dienstleistungen in den von den Konsumenten nachgefragten Mengen und Qualitäten angeboten wurden. Auch hier gibt es prinzipiell nur zwei Möglichkeiten: Entweder erfolgt die Kontrolle des Anbieters durch eine politische Autorität, die ihr Gewaltpotential dazu nutzt, ihre Vorstellungen von dem, was die Konsumenten wünschen, gegenüber den Produzenten durchzusetzen, oder die Anbieter kontrollieren sich gegenseitig, indem jeder im Wettbewerb versucht, den Wünschen der Nachfrager besser als andere gerecht zu werden, mithin seine Position gegenüber seinen Konkurrenten zu verbessern. Die darauf abzielenden Aktivitäten bilden den Parallelprozeß, einen Teilprozeß des Wettbewerbs , der als grundlegendes Funktionselement einer Marktwirtschaft in Kraft tritt, sobald ein Tauschpartner eine Alternative hinsichtlich Gegenstand oder Partner der Transaktion hat und dadurch die Transaktionsbedingungen beeinflussen kann . Der dabei zustandekommende Austauschprozeß, der beide Marktseiten verbindet, bildet den zweiten, eng mit dem Parallelprozeß verbundenen Bestandteil des Wettbewerbs. Als Kontrollmechanismus wirkt er, weil in ihm die Nachfrager zustimmend oder ablehnend auf die Entscheidungen reagieren, die die Anbieter hinsichtlich der Art und Qualität des Produkts, des Zeitpunkt des Angebots und des Preises treffen. Fehlentscheidungen im oben erläuterten Sinne, d.h. solche, die die Konsumentenwünsche ignorieren, schlagen sich auf der Anbieterseite in direkten Einkommenseinbußen nieder . Wie Hayek bemerkt, besteht eine Hauptfunktion des Wettbewerbs also darin zu zeigen, welche wirtschaftlichen Pläne falsch sind. Von welcher der beiden Kontrollmöglichkeiten in der Vormoderne Gebrauch gemacht wurde, hing davon ab, wie autonom die Wirtschaftssubjekte waren. Im Zusammenhang mit der Frage, wie individuelle wirtschaftliche Pläne koordiniert wurden, ist bereits deutlich geworden, daß die vormoderne Wirtschaftsordnung trotz des grundsätzlichen Fehlens von Privatautonomie durchaus Freiräume bot, in denen die Akteure selbst Entscheidungen treffen konnten. Auch wenn es dabei – wie in den oben angeführten Beispielen aus Böhmen und Württemberg – nur darum ging, die von einer übergeordneten Autorität vorgegebenen Ziele zu verfolgen, konnten sie Vereinbarungen treffen und in Wettbewerb miteinander treten. Gelegentlich praktizierten spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Obrigkeiten bewußt eine wettbewerbsfördernde Politik. So entdeckte der kaufmännisch beherrschte Wismarer Rat 1372, daß die Knochenhauer ein Kartell gebildet hatten, um die Menge des angebotenen Fleisches zu begrenzen; dies wurde in der Folgezeit mehrfach untersagt. In Osnabrück stellte der Rat den Fleischern ausdrücklich frei, ohne Einrede eines Zunftgenossen so oft und so viel zu schlachten, wie es ihnen beliebte . Wo die Grenzen mittelalterlich-frühneuzeitlichen Wettbewerbsschutzes lagen, wird am Nürnberger Beispiel deutlich. Soweit der dortige Rat von den Kaufleuten dominiert wurde, war er dem Wettbewerb zumindest im Gewerbesektor zugeneigt. Das ist nicht erstaunlich, denn wie in Wismar und Osnabrück traten die Kaufleute den Handwerkern als Nachfrager gegenüber, und intensiver Wettbewerb auf der anderen Marktseite verbesserte ihre Chancen. Nürnberger Handwerker, die selbst Handel zu treiben versuchten, wurden von denselben Kaufleuten allerdings mit Prozessen überzogen . Wie Bog von einer grundsätzlich wettbewerbsfreundlichen Ordnungspolitik des Nürnberger Rates zu sprechen, ist daher verfehlt. So wie es keine Privatautonomie gab, gab es auch keine Wirtschaftspolitik, die von den Interessen der politischen Akteure auf Produktmärkten nicht mitgeprägt wurde. Wettbewerbsförderung kam daher – wenn überhaupt – nur vor, sofern die Obrigkeiten als Anbieter oder Nachfrager daran interessiert waren, daß ihre auf der anderen Marktseite befindlichen Untertanen miteinander konkurrierten. Insgesamt dürfte die durch die Zünfte dominierte spätmittelalterlich-frühneuzeitliche Gewerbeordnung den Wettbewerb in weiten Bereichen verhindert haben. Wie Ennen hervorhebt, kommt es auch hier weniger auf die Motive an, die hinter den handwerkspolitischen Maßnahmen standen, als auf deren Wirkungen. Am wichtigsten scheint die von den Handwerkerorganisationen fast überall erzielte Begrenzung der Angebotsmenge gewesen zu sein, die sich aus der Beschränkung des zulässigen Arbeitseinsatzes ergab: Festgelegt wurden vor allem die Anzahl der Produzenten, die Produktionszeiten, die technischen Mittel und die Mengen der zu verwendenden Rohstoffe, weniger oft hingegen die Mengen der herzustellenden Güter . Diese Maßnahmen verhinderten, daß der wettbewerbliche Parallelprozeß in Gang kam . Kein Zünftler konnte daran interessiert sein, Güter in besserer Qualität oder zu geringeren Preisen anzubieten als seine Genossen, wenn er seinen Vorteil nicht durch eine Erhöhung seiner Verkaufsmengen nutzen konnte . Wettbewerbsverhindernde Maßnahmen gingen nicht nur von zünftischen oder städtischen, sondern auch von territorialen Obrigkeiten aus. Beispielsweise wies die österreichische Regierung unter Maria Theresia, die sich intensiv um die Entwicklung eines nicht-zünftischen Gewerbes bemühte, den Unternehmern Spinn- und Webbezirke zu, in denen diese Arbeitskräfte verlegen konnten . Die durchaus beabsichtigte Folge war, daß sich die Konkurrenz um Arbeitskräfte abschwächte – diese mußten nun, wenn sie einen anderen Arbeitgeber wählen wollten, ihren Wohnort wechseln –, was zu niedrigeren Löhnen führte. Die geringere Kaufkraft schwächte dann natürlich die Nachfrage nach Gewerbeprodukten, was die Regierung durch Zoll- und Exportprivilegien auszugleichen versuchte. Wettbewerbsverhindernde oder -beeinflussende Maßnahmen bezogen sich nicht nur auf das Gewerbe, sondern auch auf den Handel. Dazu gehörte etwa das Stapel- oder Niederlagsrecht , das vor allem dann wirksam wurde, wenn eine Stadt strategisch günstig lag und nur schwer umgangen werden konnte, wenn also der fremde Kaufmann gezwungen war, seine Ware anzubieten, obwohl er andernorts höhere Gewinne erwarten konnte. Dazu gehörten aber auch die vielfältigen Diskriminierungen, denen auswärtige Kaufleute ausgesetzt waren, angefangen bei der Bestimmungen, die sie auf den Großhandel beschränkten, bis hin zu besonderen Zöllen und anderen Abgaben . Im Vergleich mit den gewerblichen Verhältnissen ist die Frage, welche Rolle der Wettbewerb unter der bäuerlichen Bevölkerung spielte, bislang kaum erforscht worden. Der Schluß, daß er durch den Flurzwang und andere Regulierungen oft ebenso verhindert wurde wie in den Städten durch die Handels- und Gewerbeordnungen, liegt jedoch nahe. Jedenfalls untersagten die Dorfordnungen den Bauern die Nutzung wesentlicher Wettbewerbsparameter, wie aus dem oben angeführten württembergischen Beispiel bereits hervorgeht. Territoriale Bestimmungen engten den bäuerlichen Spielraum im Parallelprozeß weiter ein, so das erwähnte Verbot, Ackerland in Weingärten umzuwandeln, oder die Vorschrift, daß kein Boden ungenutzt liegen gelassen werden dürfe . Weitere Wettbewerbsbeschränkungen im ländlichen Raum ergaben sich aus Regeln wie denjenigen, die die Bauern zwangen, ihr Getreide nur bei einer bestimmten Mühle mahlen zu lassen, Bier und Branntwein nur in bestimmten Gasthäusern zu konsumieren, oder regelmäßig eine bestimmte Menge Salz bei einem bestimmten Händler zu kaufen . Wenn der Wettbewerb als Kontrollmechanismus also entweder ganz fortfiel oder aufgrund des Verbots der Nutzung bestimmter Parameter kaum wirken konnte, wie wurden die Entscheidungen der Wirtschaftssubjekte dann kontrolliert? Besonders in Städten, wo die Organisationskosten – vor allem die Kontrollkosten – aufgrund des engeren Zusammenlebens der Bevölkerung niedriger waren als auf dem Land, scheint es häufig zur Ausbildung politischer Überwachungsmechanismen gekommen zu sein. In Freiburg im Breisgau war das Gewerbe so strikt reglementiert, daß die Handwerker, in den Worten Ehrlers , "förmliche Beauftragte des Rates wurden". Ihre Arbeit unterlag einer strengen Warenschau, die ursprünglich nur für die Nahrungsmittel- und Textilgewerbe bestand, während später auch die Gerber, Gold- und andere Schmiede, Kannengießer, Sattler, Glaser und Schreiner etc. ähnlichen Bestimmungen unterworfen wurden. Zur Kontrolle der Einhaltung der Bestimmungen beschäftigte der Rat zusätzlich geheime Agenten . Auch der Nürnberger Rat baute seit dem späten 15. Jahrhundert einen umfangreichen Kontrollapparat auf, dem neben dem "Kollegium der Fünf", zuständig für die Aburteilung von Vergehen gegen die Gewerbevorschriften, auch "Schauer" und "Zeichenmeister" angehörten, denen die Begutachtung und die "Zeichnung", d.h. Abstempelung zugelassener Produkte oblag . Um der Nachfrage nicht nur im Hinblick auf die Qualität, sondern auch auf die Quantität der Waren zu entsprechen, behielt sich der Rat das Recht vor, die Anzahl der pro Gewerbe zugelassenen Betriebe je nach dem von ihm vermuteten Bedarf zu modifizieren . Ähnliche Kontrollen und Maßnahmen existierten in zahlreichen Städten . Prinzipiell war durchaus bekannt, daß fehlende Konkurrenz dazu führte, daß "das Publikum mit schlechten und teuren Waren versehen" wurde, wie Friedrich II. einmal bemerkte . In der Praxis hatte man nur kaum Gelegenheit, die qualitätssichernde Wirkung des Wettbewerbs kennenzulernen. Die grundsätzliche Befugnis politischer Autoritäten, oft gleichzeitig als ihre Unterobrigkeiten fungierende Monopolisten zu entmachten und kompetitive Verhältnisse zu schaffen, wurde zwar außerhalb des Kreises der Betroffenen kaum in Frage gestellt. Ein solches Vorgehen erforderte jedoch die Aufwendung hoher Kosten zur Planung und Durchsetzung neuer, universalisierbarer Institutionen, die die Wirkung der den Monopolen zugrunde liegenden Organisationsregeln aufhoben. Da Monopole die Aneignung von Renten ermöglichten, leisteten ihre Mitglieder beträchtlichen Widerstand gegen die Einführung der neuen Regeln. Aus diesem Grund hatten z.B. Maria Theresia und Josef II. mit großen Problemen zu kämpfen, als sie durch die Förderung von Verlag und Manufaktur die zünftischen Gewerbemonopole zu untergraben versuchten. Die Zunftmeister ahndeten den Übertritt von Gesellen in Manufakturen mit schikanöser Verfolgung, indem sie über Gesellen, die länger als 14 Tage in einer Fabrik gearbeitet hatten, Strafen verhängten. Trotz der zahlreichen Gesetze, die diese Sanktionen untersagten und die Ausbildung und Arbeitszeit in Manufakturen und zünftischen Betrieben für gleichwertig erklärten, hatten Gesellen in der Praxis kaum eine Chance, aus der Manufaktur wieder ins Handwerk zurückzukehren . Eine Behörde zur Kontrolle der Monopole einzurichten, war demgegenüber häufig einfacher. Das war zumal dann der Fall, wenn die übergeordnete Obrigkeit an der Nutzung der monopolistischen Organisation als Verwaltungsorgan – beispielsweise zur Einziehung von Steuern - interessiert war , oder wenn es den Monopolisten gelang, die Kontrollbehörde zu infiltrieren. So fiel es beispielsweise den Nürnberger Handwerkerorganisationen relativ leicht, sich mit dem Kontrollapparat des Rates abzufinden. Sie entsandten schließlich selbst Vertreter in diese Behörde: Die Zeichenmeister waren oft gleichzeitig Meister des beaufsichtigten Gewerbes . Theoretische Überlegungen legen die Vermutung nahe, daß oft am Bedarf der Konsumenten vorbeiproduziert wurde. Hinter dieser Annahme steht das oben bereits erwähnte, vor allem von Hayek herausgearbeitete Wissensproblem. Tatsächlich hatten die den Wettbewerb beschränkenden und durch politische Kontrollmechanismen ersetzenden Obrigkeiten keinerlei Möglichkeit herauszufinden, welche Güter die Konsumenten in welcher Menge und Qualität benötigten. Dies war auch für die Produzenten selbst kaum möglich, denn die Wettbewerbsbeschränkungen beeinflußten, in welchem Maße sie ihr Angebot oder ihre Nachfrage auf dem Markt geltend machen konnten, und führten demgemäß zu Preisverzerrungen. Auf kompetitiven Märkten entstandene Preise sind aber – das dürfte inzwischen deutlich geworden sein – trotz ihrer Interpretationsbedürftigkeit der einzige verläßliche Knappheitsindikator. Je weniger nutzbar er war, desto wahrscheinlicher waren wirtschaftliche Fehlplanungen. Darauf weisen zeitgenössische Nachrichten auch direkt oder indirekt hin. So wies Herzog Julius von Braunschweig, der u.a. Salzquellen und Steinbrüche betrieb, die Ämter und säkularisierten Klöster seines Territoriums eigens an, ihren Bedarf an Mühlsteinen und Salz aus herzoglichen Lagern zu decken . Der Schluß liegt nahe, daß die Nachfrager sonst die Erzeugnisse anderer Produzenten vorzogen. Die Rentabilitäts- und Absatzschwierigkeiten der in fürstlicher Regie befindlichen hessischen Manufakturen des 18. Jahrhunderts sind ebenfalls ein klares Indiz für unternehmerische Fehlplanungen. Die Schwäche bzw. das vielfache völlige Fehlen einer wettbewerblichen Selbstkontrolle der Wirtschaftssubjekte trug damit zur Fehlallokation und Verschwendung von Ressourcen bei, die sich schon aufgrund der Koordination durch autoritative Anordnungen relativ schlecht informierter Obrigkeiten und wegen der teilweise nicht zu unterschätzenden Bedeutung der Preistaxen ergab. Eine weitere Folge der Schwäche des Wettbewerbs sei kurz angesprochen, obwohl sie nicht direkt in den hier untersuchten Zusammenhang gehört: Wie oben bereits erwähnt, impliziert das wettbewerbliche Handeln der Wirtschaftssubjekte, daß sie sich bemühen, ihre Position gegenüber ihren Konkurrenten zu verbessern, indem sie den Konsumentenwünschen besser als diese nachkommen. Das tun sie, indem sie ihr individuelles Wissen über ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten ausnutzen bzw. neues nutzbares Wissen zu entdecken versuchen. Wie von Hayek hervorgehoben, wirkt der Wettbewerb damit als Entdeckungsverfahren. In der vormodernen Wirtschaftsordnung fiel dieser Faktor der Entwicklung vielfach fort. Auch an seine Stelle traten gelegentlich autoritative Anordnungen: So befahl Friedrich II. seinem Gewerbeminister noch kurz vor seinem Tod, er möge sich darum kümmern, daß englische Maschinen nachgebaut und in den preußischen Manufakturen angewendet würden . Die so vorgehenden Obrigkeiten waren aber weder über die Präferenzen der Nachfrager noch über die Möglichkeiten zu deren Befriedigung so gut informiert wie Produzenten, die an einem wettbewerblichen Markt agieren. Der politische Wille konnte den Wettbewerb als Entdeckungsverfahren daher nur höchst unzulänglich ersetzen. 5 Schluß Wie ist die vormoderne Wirtschaft aus ordnungsökonomischem Blickwinkel also einzuordnen? Um eine Marktwirtschaft im Sinne einer Wirtschaftsordnung, die durch Privatautonomie, Selbstkoordination und Selbstkontrolle gekennzeichnet war, handelte es sich offensichtlich nicht. Zwar fehlten die beiden letztgenannten Funktionselemente nicht völlig, doch dürfte es schwer fallen, eine Region oder einen Zeitraum im spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Deutschland zu finden, in dem sie beide zusammen alternative Methoden der Koordination und Kontrolle dominierten. Abgesehen davon existierte in einer in Stände gegliederten Gesellschaft keine Privatautonomie, obwohl – dies ist wieder einschränkend anzumerken – die Wirtschaftssubjekte zum Teil durchaus Freiräume besaßen, in denen sie ihre ökonomischen Ziele selbst bestimmen konnten. Eine eigenverantwortliche Verfolgung dieser Ziele war in der hierarchischen Ständegesellschaft allerdings kaum möglich. Von einer Marktwirtschaft kann man nicht einmal im Bergischen Land sprechen, das zu den fortgeschrittensten Gewerberegionen Deutschlands in der frühen Neuzeit gehörte. Wie Kisch gezeigt hat, verfügten die Bauern dort zwar über eine weitgehende Privatautonomie, doch war gerade das Textilgewerbe – die wichtigste Branche der Region – so durchgängig kartelliert, daß dem Wettbewerb keine Chance blieb. Auf der anderen Seite handelte es sich bei der deutschen Wirtschaft des 14. bis 18. Jahrhunderts auch nicht um eine Plan- oder Zentralverwaltungswirtschaft. Das geht allein schon daraus hervor, daß es keine Instanz mit der Befugnis zur zentralen Planung gab. Ansätze zur Entwicklung solcher Instanzen waren allerdings vorhanden. Das war zunächst in den spätmittelalterlichen Städten der Fall. Lentzes oben (S. ) erwähnte Charakterisierung der Nürnberger Wirtschaftsordnung als Planwirtschaft wirkt höchstens deshalb überzogen, weil anzunehmen ist, daß der Rat kaum detaillierte Pläne hatte, sondern aufgrund von vagen Zielvorstellungen ad-hoc-Maßnahmen ergriff; im übrigen hält sie einer ordnungstheoretischen Überprüfung durchaus stand. In Nürnberg besaßen die Handwerker – und natürlich deren Familienangehörige und Gesinde – keine Privatautonomie; sie konnten kaum individuell planen und ihre Pläne auch nur unter Schwierigkeiten auf dem Vereinbarungsweg koordinieren. Die Kontrolle erfolgte statt durch Wettbewerb durch politische Mechanismen. Tendenziell entwickelte sich auch die Wirtschaftsordnung einiger frühneuzeitlicher Territorien in Richtung auf eine Plan- oder Zentralverwaltungswirtschaft. Wie Friedrich II. strebte auch Maria Theresia eine umfassende Planung und Lenkung des Wirtschaftsgeschehens an. Die Verwirklichung derartiger Visionen, die, in den Worten Kaufholds , "den totalitären Systemen des 20. Jahrhunderts Ehre gemacht" hätten, scheiterte im 18. Jahrhundert aber noch an den Kosten, die die Durchsetzung von Befehlen und Institutionen aufwarf. Kein Herrscher des Ancien régime verfügte über die Mittel, um ihm untergeordnete Obrigkeiten an der Aufstellung und wenigstens teilweise autoritativen Durchsetzung eigener Pläne zu hindern. Die gesellschaftliche Gliederung in hierarchisch gestufte Stände, deren Mitglieder nicht nur über die Angehörigen ihrer ganzen Häuser, sondern auch über Angehörige niederer Stände Herrschaft ausüben konnten, erscheint damit als das zentrale Charakteristikum der vormodernen Wirtschaftsordnung. Es handelte sich bei ihr letztlich um eine Mischform. Dem gelegentlich explizit vertretenen Anspruch nach war sie eine Zentralverwaltungswirtschaft, in der allerdings Inseln entstanden, in denen marktwirtschaftliche Funktionselemente wenigstens ansatzweise wirksam werden konnten. Das war aus zwei Gründen der Fall: erstens wegen der Vielzahl vorhandener Obrigkeiten, die ihr Handeln zumindest, wenn sie sich auf derselben Hierarchieebene befanden, durch Vereinbarungen koordinieren konnten, und zweitens wegen der vielfach prohibitiv hohen Organisationskosten, die es unmöglich machten, wirksame Zentralverwaltungen aufzubauen. In einer Marktwirtschaft sind die Regeln der in ihrem Rahmen operierenden Organisationen – Unternehmen, aber auch noch Familien – dem formellen Privatrecht untergeordnet, das im wesentlichen aus abstrakten, allgemeingültigen Institutionen besteht . Demgegenüber besaßen in der vormodernen Wirtschaftsordnung die Organisationsregeln – die Regeln der ganzen Häuser und der aus diesen zusammengesetzten Stände – trotz der Schwäche der Zentralverwaltungen Vorrang vor den sich weitgehend informell bildenden allgemeingültigen Institutionen. Hierin liegt der entscheidende Unterschied zwischen einer Marktwirtschaft und der vormodernen Wirtschaftsordnung, die sich aufgrund der Bedeutung der standesspezifischen Institutionen am treffendsten als ständische bzw. – zur Unterscheidung von Ideen des 20. Jahrhunderts – als altständische Wirtschaftsordnung kennzeichnen läßt. Eine letzte Frage ist kurz anzusprechen. Im vorigen Kapitel wurde immer wieder darauf hingewiesen, welche Faktoren zur Minderung des wirtschaftlichen Wachstumspotentials führten: Das Fehlen einer Privatautonomie bedingte, daß die Wirtschaftssubjekte ihr individuelles Wissen und ihre individuellen Fähigkeiten nur unzureichend nutzen konnten, was eine Weiterentwicklung der Arbeitsteilung hemmte; die autoritative Koordination ihrer Aktivitäten minderte die Chancen für beiderseitig vorteilhafte Transaktionen; aufgrund der Eingriffe in die Preisentwicklung und der wenig wirksamen Kontrolle durch den Wettbewerb kam es zur Verschwendung und Fehlallokation von Ressourcen; zusätzlich hatte der Wettbewerb kaum Chancen, als Entdeckungsverfahren zu wirken, so daß das Innovationspotential gering blieb. Die Herausarbeitung dieser Faktoren bzw. überhaupt der Funktionselemente, die die Leistungsfähigkeit einer Wirtschaft bestimmen, ist ein Grund für die Überlegenheit des ordnungsökonomischen Ansatzes gegenüber theoretischen Konstrukten wie dem eingangs kurz vorgestellten Frühkapitalismuskonzept. Wie oben bemerkt, legt dieses das Schwergewicht auf die Art, wie die Produktion in einigen gesamtwirtschaftlich relativ unbedeutenden Branchen betriebswirtschaftlich organisiert wird – ein Faktor, der schwerlich dafür entscheidend sein kann, ob eine Wirtschaft insgesamt stagniert, schrumpft oder wächst. Trotz aller hemmenden Faktoren erlebte die Vormoderne auch Wachstumsperioden. Für die Zeit vor dem 18. Jahrhundert läßt sich sicheres kaum sagen, wenn auch viel für Abels Vermutung spricht, daß es in der Expansionsphase 16. Jahrhundert zwar zu einer Leistungssteigerung der deutschen Wirtschaft kam, daß diese aber hinter dem Bevölkerungswachstum zurückblieb. Das Sozialprodukt pro Kopf dürfte damals gefallen sein. Auch das 18. Jahrhundert selbst bietet ein zwiespältiges Bild. Zeitgenössische Schilderungen sind sich darüber einig, daß der Wohlstand der preußischen Bevölkerung zwischen 1650 und 1800 deutlich zunahm ; gleichfalls dürfte feststehen, daß Preußen um die Wende zum 19. Jahrhundert industriell an vierter Stelle hinter Frankreich, England und Holland stand . Auf der anderen Seite war der Pauperismus ein Problem, das sich in ganz Deutschland - vor allem aber in den Gebieten ohne entstehende Industrie - am Übergang zur Moderne dramatisch verschärfte . Gesetzt den Fall, es kam im Preußen des 18. Jahrhunderts tatsächlich zu einem Pro-Kopf-Wachstum des Sozialprodukts, wie wäre das zu erklären? Zu Kontroverse um die Auswirkungen der preußischen Staatswirtschaft ist hier nur so viel zu sagen, daß es auch in Zwangswirtschaften der verschiedensten Art möglich ist, in bestimmten Bereichen ein hohes Wachstum zu erzielen, wenn der Einsatz der vorhandenen Ressourcen darauf konzentriert wird. In der Sowjetunion gelang das zeitweilig im Bereich der Schwerindustrie, in Preußen im Militärwesen. Als Nebenwirkung kann sich dann durchaus auch eine gewisse Wohlstandssteigerung ergeben. Möglich werden solche Erfolge allerdings nur unter dem Widerwillen der betroffenen Bevölkerung und durch deren ständige Bevormundung und Antreibung durch politische Autoritäten. Wie Friedrich II. selbst sagte: Die Arbeitskräfte in Preußen "stehn stille, wenn man nur einen Augenblick aufhört, sie vorwärts zu drängen" . Das ist wohl nicht als Ausdruck einer mittelalterlichen, sich mit der Deckung des unmittelbaren Bedarfs bescheidenden "Wirtschaftsgesinnung" zu interpretieren, wie Heinrich es tut, sondern als Folge der Anreizwirkungen, die von den obrigkeitlichen Maßnahmen ausgingen. In der Annahme einer besonderen vormodernen Wirtschaftsgesinnung – d.h. offenbar einer besonderen Präferenzordnung – treffen sich konservative Historiker wie Heinrich und marxistische Autoren wie Kriedte . Ignoriert man die von der Ordnungsökonomik herausgearbeiteten wirtschaftlichen Funktionsprinzipien Kompetenz, Koordination und Kontrolle sowie deren institutionelle Grundlagen, so ist eine derartige Annahme tatsächlich nötig, um das im Vergleich zu dem des 19. Jahrhunderts geringe Wachstumspotential der vormodernen Wirtschaft zu erklären. Je komplexer eine so organisierte Wirtschaft wird, desto weniger ist die zentrale Steuerungsinstanz in der Lage, die relevanten Informationen zu erfassen und zu verarbeiten. Ihre Direktiven werden dann immer mehr zum Hemmschuh der Entwicklung. In Preußen wurde dies spätestens seit dem letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts zu einem offenkundigen Problem. Literatur