Anlässlich eines Plakatfunds
im Archiv der ›die Graphische‹
Großdeutschland braucht Graphiker, Photographen, techn. Zeichner usw.
Die Ausbildung dazu vermittelt die weltbekannte Staatliche Graphische Lehr- und Versuchsanstalt
WIEN 7., WESTBAHNSTRASSE 25
in den Abteilungen für Photographie, Reproduktionstechnik, Buchdruck, Stein- und Offsetdruck,
Tiefdruck, Lichtdruck, Lithographie, Holzschnitt, Stichradierung, Gebrauchsgraphik
Befähigte Bewerber(innen) haben zur Aufnahme die Absolvierung der Hauptschule
oder 4 Klassen Mittelschule nachzuweisen
AUFNAHMSPRÜFUNG 27. u. 28. JUNI
Auskünfte durch die Direktion, Wien 62, Westbahnstraße 25/Fernsprecher B 31-3-11
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Design und Faschismus
›Großdeutschland braucht Graphiker, Photographen, techn. Zeichner usw.‹
Martin Tiefenthaler, Mai 2012
Faschismus ist erst in zweiter Instanz ein politisches Phänomen – Faschismus ist zuallererst eine
psychische Befindlichkeit und die entsprechende Politik ist ihr Symptom. Das Faschistoide ist
phänomenologisch und empirisch an keine spezifischen demografischen Konstanten gebunden,
es erscheint weltweit unabhängig von Alter, Geschlecht, Nationalität, Einkommen, Bildungsstand
und Religion. Die einzigen Konstanten werden von psychischen Dispositiven gebildet, die Wilhelm
Reich, Hannah Arendt, Klaus Theweleit und andere benannt haben und die überblicksartig etwa
so zusammengefasst werden können:
Die faschistoide Psyche sublimiert ihre Minderwertigkeitsgefühle mit Allmachtsfantasien, die
alles außerhalb ihrer und ihresgleichen abwerten müssen, d. i. alles Andere ergo alles Fremde:
selbstbewusste Frauen, die jeweils anderen ›Rassen‹ u. Ä. Sie verachtet alles von ihr als schwach
denunzierte, weil sie sich als von ihrer eigenen Schwäche bedroht erlebt. Sie benötigt durchgehend
einfache Antworten und wird von komplexen Fragestellungen und Überlegungen überfordert. Sie
wird daher von allem, was ihr unkontrollierbar und nicht leicht lösbar erscheint, verwirrt und reagiert
darauf mit Gewalt, die die Vernichtung des Verwirrenden zum Ziel hat. Sie eignet sich in Banalisierungsritualen und Selbstbetäubungen eine Desensibilisierung an, die sie davor schützt, sich einer
Entgrenzung durch Mitgefühl oder Sexualität auszusetzen, kann daher keine befriedigenden Sozialund Sexualkontakte pflegen und generiert aus dieser Frustration weitere Hass- und Zerstörungsenergie. Ihr Hass richtet sich zuerst gegen ihren eigenen Körper, der entgegen seiner tatsächlichen
Verletzlichkeit als gestählt und gepanzert suggeriert und dressiert wird und dann gegen alle Körper,
die sich freier als ihr eigener durch die Welt zu bewegen imstande sind. Daraus erklärt sich auch ihr
unbedingter Wille im ›Volkskörper‹ auf-, unter- und einzugehen, der damit auch die eigene Sterblichkeit und Verletzlichkeit leugnet. Der ›Körperpanzer‹ der faschistoiden Psyche erzwingt auch Profilierungssucht und opportunistisches Karrierestreben um sich mit Bedeutung aufzuladen. Die hauptsächlich zur Verfügung stehenden Ausdrucksmittel sind erhobene Stimmen, bedeutungsschwanger
vorgetragene Formeln und die Erwiderung kritischer Einwürfe durch Irrationalität und Glaubensstereotypien, die nach einer Auslöschung des kritischen Gegenübers verlangen. Vor allem in dem
Bedürfnis nach simplen und schnellen Antworten ergibt sich auch eine strukturelle Nähe zu kulturgeschichtlich späten Religionsformen. Inwieweit Faschismus keinesfalls antireligiös ist, sondern
sich der gleichen Mechanismen wie Religion bedient, kann an einem ›Wochenspruch der NSDAP‹
(wöchentlich wechselnde Propagandaplakate 1937–44) eingesehen werden, der ein Gebet Hitlers an
einen offensichtlich monotheistischen Gott abdruckt. Die psychologisch strukturelle Ähnlichkeit und
sogar funktionell punktuelle Gleichheit von Faschismus und Eingottglauben wird besonders deutlich
in der Parallelität von ›Liebe zum Vaterland‹ und ›Liebe zum Vater‹, sowie die dazu zwingend assozierte Rolle der Frau als ›Dienerin des Vaterlandes‹ respektive ›Magd des Herrn‹ – in beiden Fällen
Mutter der/des Helden/Erlösers – vielfach historisch durchexerziert in daraus resultierenden kulturellhegemonialen und tatsächlichen Kriegen (siehe Abb. 1).
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Abb. 1: Wochenspruch der nsdap
vom 21.–27. Dezember 1941
Anhand der faschistoiden Psyche sind neurotische Zustände beschrieben, die in Europa konsequent
in einer jahrhundertelangen Entwicklung ausgeformt und gesellschaftlich gepflegt wurden. Von
hier aus haben sie sich mittels Kolonialismus und Imperialismus (bis zu den historisch manifesten
Faschismen und totalitären Regimen) über die Erde verbreitet und leisten das, was wesenmäßig
allen Neurosen inhärent und immanent ist: sich zu vermehren und alles mit sich selbst zu infizieren
und ins neurotische Spiel zu zwingen. Belehrung, Mission, Unterjochung und Ausbeutung im engen
Sinn und das Stören von Gleichgewichten im weitesten Sinn sind das Ergebnis dieser Psychophysik.
Psychophysik meint bzw. bezeichnet die gesetzmäßig ablaufenden Muster, Stereotypen und
eingefahrenen Vorgänge in einer Psyche, die vorhersehbaren Reaktionen eines in seinen Möglichkeiten uneingesehen beschränkten psychischen Apparats. Die Physik der faschistischen Psyche erzeugt
also in einem einfachen Reiz-Reaktion-Muster und im Stile einer trivialen Maschine eine Weltsicht,
die sich in einer streng hierarchischen, unbedingt autoritären Führerpolitik und einer Bekämpfung
aller lebendigen, also unberechenbaren Prozesse niederschlägt. Um sich durchzusetzen verfügt
diese Politik nur über zwei grundlegende Methoden: Terror und Propaganda, wobei die Übergänge
zwischen diesen beiden fließend sind. Im deutschen Faschismus begann der Terror mit den Freicorps, illegalen Schlägerbanden und vorsätzlichen Mördern, die wesentlich mithalfen, die Weimarer
Republik zu destabilisieren und endete mit Denunziation besonnener Deutscher als Volksfeinde, die
in den letzten Stunden des Zweiten Weltkriegs durch Kapitulation ZivilistInnen und Städte schützen
wollten und deren hastiger standrechtlicher, selbst für einen halluzinierten Endsieg nutzloser Hinrichtung (wie z.B. vom Historiker Ian Kershaw in ›The End: Hitler’s Germany 1944–45‹ beschrieben).
Es sind hier aber die Aspekte und die Pragmatik der Propaganda und nicht die des Terrors, die
im Bezug zur Frage nach Design vorrangig interessieren: Die Faschisten installierten nach allen
Regeln der Kunst eine wirkungsmächtige Corporate Identity bestehend aus einem zwingenden und
erzwungenem Corporate Behaviour (Überwachen und Denunzieren, Teilnahme an Massenveranstaltungen sowohl als bühnenhaft Agierende als auch als publikumsartig Jubelnde, Hitlergruß, Häuserschmuck bei Aufmärschen …), das in gruppendynamischen Prozessen eingeübt wurde. Dann aus
einem vorbildlich umgesetzten Corporate Design (dem Branding jedes Produkts und Erscheinungsbilds mit wenigen immergleichen Zeichen als klarem Absender für Außenstehende und als Identifikationsobjekt für ›Firmenangehörige‹) mit hundertprozentig reichsweit einheitlicher Umsetzung
vom selbst unbedeutenden, aber bürokratisch-verpflichtenden Papierstück bis zur hybridisierten
Architektur. Weiters aus einer klaren, treffsicheren und wirkungsvollen Corporate Communication.
Hinzu kommt ein Event-Managment mit einer beispielhaften Verknüpfung von Entertainment (z.B.
die Olympischen Spiele 1.–16. 8. 1936 in einer bis dahin nicht dagewesenen Inszenierung, die gekonnt
dazu benützt wurde von anderen konzertierten Aktionen abzulenken – damals der Einstieg deutscher
Kampfverbände in den Spanischen Bürgerkrieg) und Indoktrination durch handwerklich vollendeten
Einsatz der Medien unter Mitwirkung von Fachleuten der Kommunikation (z.B. die Regisseuse Leni
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Riefenstahl und Hitlers persönlicher Fotograf Heinrich Hoffmann, zwei individuelle VertreterInnen
aus einer Kommunikationsmaschinerie von Reichsbildstellen, Sonderkommissionen, Propagandaämter und Zentralleitstellen). Weiters Aktionstage wie z.B. der Muttertag, stimmungsvolle
Bücherverbrennungen, die Forcierung des Volksempfängers, erste regelmäßige Fernsehprogramme,
Wochenschauen und der deutsche Film, mit dem schon in den frühen 30er-Jahren der Krieg propagandistisch vorbereitet werden konnte – alles mit einer traumhaften Reichweite von über 90 Prozent.
Nicht zuletzt Blockbuster-Ausstellungen mit Quoten, die heutige Sponsoren Schlange stehen ließen
(z.B. ›Entartete Kunst‹ 1937 in München und in neun weiteren Städten, so auch Wien und Salzburg).
Diese absolute Marktführerschaft in der klar definierten Zielgruppe des deutschen Volkes wurde
auch durch Vorläufer der aktuellen Ambient-Media und des Guerilla- und/oder viralen Marketing in
die Wege geleitet, so sind z.B. illegal auf öffentlichen Flächen angebrachte Identifikationszeichen
und Werbebotschaften eine Erfindung der damals noch im Untergrund agierenden NSDAP (siehe
Abb. 3.1–3), dazu kommen Störaktionen in Form gewalttätiger Flashmobs (sogenannte Strafaktionen
gegen Andersartige und politische GegnerInnen), in denen der inhärente Terror propagandistischer
Methoden dann deutlicher zutage tritt.*
* Interessanterweise waren die nationalsozialistischen Corporate-Identity-Leistungen nur in
den Teilgebieten Info-Grafik und Typografie weit hinter ihren Möglichkeiten zurück. Vor allem
die Typografie erreichte in der Qualität ihrer Ausführung nicht das Niveau der anderen Corporate-Design-Errungenschaften des Faschismus. Beispielsweise Zeitungen erinnern in ihrem
Durcheinander von Schriften und unklaren Layouts an heutige politisch gestikulierende und
nicht differenzierende Schund- und Boulevardblätter wie Kronenzeitung, Heute, Österreich oder
Bild. Das ist ein empirisch-phänomenologischer Hinweis dafür, dass sowohl die Schaffung und
daraus folgend die Verwendung guter Schriften als auch deren typografisch hochstehende
Handhabung deutliche Indikatoren für menschlich orientierte politisch-sozial demokratische
Systeme und/oder humanistisch orientierte Weltbilder darstellen. Das Fehlen einer typografischen Kultur hingegen ist ein deutlicher Verweis auf utilitaristische Agenden mit hohen sowohl
Fremd- als auch Selbstausbeutungsanteilen (siehe Abb. 2: Völkischer Beobachter, Titelseite,
47. Jahrgang, Ausgabe Nr. nicht eruiert).
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Abb. 3: Inszenierte Hackenkreuze an der Bahnbrücke Bruck/Mur, alle 500 Metern auf Landstraßen und auf Luftballons,
Sammelalbum ›Adolf Hitler und sein Weg zu Großdeutschland, Austria Tabakwerke vormals Österr. Tabakregie‹, 1940.
Die handwerkliche Exzellenz in der Umsetzung aller dieser Kommunikationsmethoden kann rückblickend an ihrem durchschlagenden Erfolg gemessen werden, wobei ihre Effizienz zur Erringung
kultureller Hegemonie nachgewiesenermaßen unabhängig von irgendeinem Wahrheitsgehalt war
(z.B. Behauptungen als Grundlage des Handelns wie Herrenrasse, Überlegenheit des arischen Blutes
respektive deutschen Wesens, Verteidigungskrieg, Fanatismus als Erfolgsgarant u. Ä.). Dem
entsprechend sind aktuell Quote, Impact und Werbeerfolg selbst keinem Inhalt verpflichtet und
entziehen sich folgerichtig einer Beurteilung über sie selbst hinaus: anhand ihrer kann auf keinerlei
Qualitäten des mit ihnen Gemessenen rückgeschlossen werden. Das liegt daran, dass in Designbelangen das Gut-Gemachte seine eigene, autonome Wirkung zu generieren imstande ist.
Diese autonome Wirkung entspringt einem Gefälle in Vorwissen, Absichten und psychischen
Fähigkeiten zwischen denen, die Inhalte herstellen und denen, die sie rezipieren. Der propagandistische Anteil in der Kommunikation wird umso größer, je wirkmächtiger diese Differenz erhalten und
gepflegt wird. Diese Differenz zur nutzbaren und unbemerkten Manipulation eines Zielpublikums
muss notwendigerweise verschleiert und oft in ihre gegenteilige Behauptung (der einer Gleichheit
oder gleichen Interessenslage) verkehrt werden, so z.B. wenn Reiche den Armen vormachen daran
interessiert zu sein, ihnen finanziell helfen zu wollen oder Klerikale, die weltliche Interessen verfolgen, einen Glaubensinhalt bemühen oder Kriegstreibende die zukünftigen Opfer für einen Krieg
begeistern. Diese Struktur einer installierten und benützten Differenz ist selbst bei ganz unterschiedlichen – von verheerenden bis harmlosen – Auswirkungen der dadurch ermöglichten Manipulation
kongruent und so befinden sich Methoden todbringender Propaganda und zeitgenössischer Marketingstrategien in einer funktionalen Ebene, wenngleich auch von fallweise unterschiedlicher Intensität
ihrer Wirkung bzw. Auswirkungen.
Manipulation bezeichnet das Ausmaß von Desinformation zum Nutzen der InformationsproduzentInnen und Nachteil der InformationsrezipientInnen. Sie produziert Nutzen auf der Produktionsund Irrelevanz auf der Rezeptionsseite. Mit dem Begriff der Relevanz kann versucht werden, den
tatsächlichen Wert von Information für die damit angesprochenen Menschen zu beschreiben. Er wird
sich im Spannungsfeld einer subjektiv aktuell erlebten Befindlichkeit und den daraus objektiv ablesbaren Folgen in Verhalten und Verfasstheit einer Person erkennen lassen. So erscheinen subjektive
Befindlichkeit und äußere Beobachtung umso divergenter, je stärker das Subjekt einer Manipulation
erlegen ist: Glücksgefühle beim Zujubeln eines Führers und kurz darauf folgende Invalidität oder
Vernichtung durch Krieg beweisen ein hohes Ausmaß angewandter Manipulation. Unbehagen und
Angst beim Beobachten eines Führers und darauffolgende Ermordung in einem Konzentrationslager
beweisen geringe bis gar keine Manipulation. Desgleichen zeigen Erwartungen zur Steigerung bzw.
Verbesserung von Lebensqualität durch einen Autokauf mit folgender Erschwernis des Lebens durch
finanzielle Belastungen im kleinen oder Feinstaubbelastung bzw. Klimawandel im großen Rahmen
einen bestimmten Grad an erfolgter Manipulation. Ein anderer Grad an Manipulation kann auch aus
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der Diskrepanz zwischen einem erwarteten erfüllten Sexualleben bzw. glücklichen Familienleben und
dem tatsächlich nicht verbesserten Lebensgefühl durch den Kauf von Shampoo und/oder Waschmittel und/oder Softdrink geschlossen werden. Damit hat die von der Produktionsseite angebotene
Lösung für die Rezeptionsseite ihre Relevanz verloren, unabhängig davon ob dieses Faktum dem
Bewusstsein der RezipientInnen verfügbar ist oder nicht.
Wenn Design als Methode zur Bewältigung sozialer Problemstellungen und persönlicher Bedürfnisse eine Interaktion zwischen denen, die eine Lösung benötigen und denen, die darauf eine
Antwort zu geben in der Lage sind, aufgefasst wird, kann der Begriff der Relevanz für alle Designprozesse angewandt werden. Die Relevanz dieser Lösungen entscheidet sich dann unabhängig von
Erleben und Gefühlsreaktionen auf der RezipientInnenseite und ist messbar an objektivierbaren
Parametern wie Krankenkassendefiziten, Medikamentenmissbrauch, Höhe des Anteils neurotischer
Zwangshandlungen im politischen und konsumeristischen Wahlverhalten, Schere zwischen Arm und
Reich, Glücksindizes, Therapiebedürftigkeit, Nachhilfekosten, Zugang zu Bildung und so weiter.
Die Relevanz von Lösungen ist identisch mit der Relevanz von Informationen, die zur Selbstbestimmung und dem gesamtheitlichen Wohlbefinden der Informierten führen. Das anzuerkennen,
schließt viele Designprodukte, die vorgeben Lösungen zu sein, aus: sowohl Getränke, die Menschen
darüber hinwegtäuschen, wie müde und nicht mehr belastbar sie aktuell tatsächlich sind (in erstaunlicher Parallelität zum kriegsunterstützenden Mittel N-Methylamphetamin/Crystal Meth, das
unter dem Namen Pervitin von den deutschen Temmler-Werken als Grundausstattung der Wehrmacht massenweise produziert wurde), als auch ›Zeitungen‹, die aufdringlich gratis oder billig mit
irrelevanten Inhalten ihren LeserInnen Lebenszeit stehlen und eigenständiges Denken erschweren
(in nicht so erstaunlicher Parallelität zu einer Psychophysik, die formelhaftes Sprechen und Kritikunfähigkeit für undifferenzierende und simplizistische Antworten benötigt), gehören zu den Designs,
die im Hinblick auf ein Interessensgefälle zwischen den ProduzentInnen und den RezipientInnen
ganz offensichtlich so ›gut gemacht‹ sind, dass ihr Faszinosum zum Verschleiern von Manipulation
und Irrelevanz ausreicht.
Es stellt sich die Frage in welcher psychischen Verfasstheit ›das … Reich‹ ist, das gegenwärtig
›Graphiker, Photographen, techn. Zeichner usw.‹ braucht. Ist es ein Regime, in dem die Grenze
zwischen relevanter Information und Propaganda in den Augen ihrer ProponentInnen unwesentlich
ist und keine tatsächliche Entscheidungsinstanz zwischen Handeln und Unterlassen darstellt ? Ein
Reich, das menschenverachtende Werte vorschreibt, die ähnlich zwingend vorgetragen, dennoch
kurzlebig sind wie die des tausendjährigen Reichs ? Näher betrachtet war die Forderung nach einem
Aufgehen im Volkskörper, die Forderung die eigene Existenz einem überindividuellen Ziel zu opfern,
d.h. den eigenen Körper aufzugeben, nicht wesentlich unterschieden von dem gegenwärtigen Postulat auf individuelle Lebensqualität zugunsten abstrakter Wachstums- und konkreter Einsparungsszenarios zu verzichten (so z.B. mangelnde Abgeltung von Arbeitsleistung, prekäre Arbeitsverhältnisse, verschlechterte Luft- und Wasserqualität). Gleichzeitig wird die Illusion eines nicht zerstörbaren Körpers propagiert, die Vortäuschung eines sozialen Werts von Ich-AGs und der Omnipotenz
von Styling. In all diesen Prozessen spielt Kommunikationsdesign eine bedeutsame Rolle, wenn es
den mehr oder weniger deutlich ausgesprochenen Auftrag erfüllt, das Gefälle im Wissensvorsprung
zwischen den vortragenden Nutznießern und dem mit Irrelevanz zu blendenden Zielpublikum zu
vermitteln und aufrechtzuerhalten. Rick Poynor schreibt 2001 in Adbusters über das im Jahre 2000
erschienene First Things First-Manifest: ›FTF 2000 states that too much design energy is being spent
to promote pointless consumerism, and too little to helping people understand an increasingly
complex and fragile world.‹ Das Manifest des Jahres 2000 ist ein Nachfolger des 1964 vom Designer
Ken Garland verfassten und von KollegInnen unterzeichneten Manifests in dem unter anderem festgestellt wird: ›[…] we are proposing a reversal of priorities in favour of the more useful and lasting
forms of communication.‹
Unter den Bedingungen menschlicher Sterblichkeit und Begrenztheit der Lebenszeit vermag
›Relevanz‹ als Leitwert zu dienen und wird zu einem Motiv, keine Fremdinteressen zu internalisieren,
zu verkörpern und auszutragen. Da mit dem Körper offensichtlich alles andere am Menschen mit-
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stirbt*, stellt die Verleugnung des Körpers und seiner tatsächlichen Bedürfnisse in Politik, Religion
und Wirtschaftsleben einen Indikator für eine menschenfeindliche Grundhaltung dar und erlaubt
einen direkten Rückschluss auf die Psychophysik derjenigen, die Interessen an der Bereicherung
an und am Missbrauch von Körpern verfolgen. Es gilt daher für Kommunikationsdesign – sofern es
relevant genannt werden möchte – zu verhindern, dass der Körper zum Schlachtfeld invasiver
Produktwerbung, entfremdender Idealbilder, enthumanisierter Asylpraxis, konsumeristischen Kindesmissbrauchs usw. usf. wird.
Wie nun als GrafikdesignerIn auf die Forderungen eines Regimes, das sich wie ein Reich gebärdet, antworten? Es ist nicht notwendig wie Ernst Udet zu reagieren, der für die technische Ausstattung der deutschen Luftwaffe verantwortlich gemacht, schwer an seiner Aufgabe überlastet und
pervertinabhängig, bereits dreieinhalb Jahre vor Kriegsende Selbstmord beging, weil er erkannt
hatte, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen war. Es genügt wahrscheinlich, in neurotischen Gegenübern faschistoide Psychophysik in Form von Selbst- und Fremdblendertum, aufgeblasenen Egos
und Heißluftproduktionen zu detektieren und sich dem zu entziehen. In der Folge dann, beim Designen
relevanter Produkte im Wissen um den Wert der eigenen Arbeit für andere, sich nicht in Lohn- und
Preisdumping verwickeln zu lassen. Dumping beschädigt den Berufsstand und führt zu Selbstausbeutung, die dann die eigene Person beschädigt, was wiederum zu Anspruchs- und Würdelosigkeit
führt – und das beschädigt schlussendlich alle Beteiligten. Die Entscheidung zur bewussten Selbstbestimmung, das Design der einen Biografie – des einen Lebens das wir haben – in freundlicher Zusammenarbeit mit Gegenübern, denen Menschenrechte selbstverständlich sind, beendet ›brauchen‹
im großdeutschen Sinn. Dem gegenüber steht der Faschismus als psychische Krankheit zum Tode.
* Metaphysik und ihre Argumentation stehen prinzipiell einem gegenwärtigen Leben entgegen,
egal ob es sich um ihren Gebrauch durch politische Ideologien oder machtorientierte Religionen
handelt. (siehe Abb. 4: Kampagne auf Londoner Bussen, Jänner 2009, von der British Humanist
Association for the one life we have nach einer Anregung von Ariane Sherine im Juni 2008)
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Postscriptum
›Jede Propaganda hat volkstümlich zu sein und ihr geistiges Niveau einzustellen auf die Aufnahmefähigkeit des Beschränktesten unter denen, an die sie sich zu richten gedenkt. Damit wird ihre rein
geistige Höhe um so tiefer zu stellen sein, je größer die zu erfassende Masse der Menschen sein soll.
Handelt es sich aber, wie bei der Propaganda für die Durchhaltung eines Krieges, darum, ein ganzes
Volk in ihren Wirkungskreis zu ziehen, so kann die Vorsicht bei der Vermeidung zu hoher geistiger
Voraussetzungen gar nicht groß genug sein. […] Die Aufnahmefähigkeit der großen Masse ist nur
sehr beschränkt, das Verständnis klein, dafür jedoch die Vergesslichkeit groß. Aus diesen Tatsachen
heraus hat sich jede wirkungsvolle Propaganda auf nur sehr wenige Punkte zu beschränken und
diese schlagwortartig so lange zu verwenden, bis auch bestimmt der Letzte unter einem solchen
Worte das Gewollte sich vorzustellen vermag. Sowie man diesen Grundsatz opfert und vielseitig
werden will, wird man die Wirkung zum Zerflattern bringen, da die Menge den gebotenen Stoff weder
zu verdauen noch zu behalten vermag.‹
Adolf Hitler in ›Mein Kampf‹ 1943, 851.– 855. Auflage, Seite 197 f.
›Wenn man clever genug ist um zu sehen, dass einiges besser gemacht werden könnte und man zusätzlich auch noch genug Herzblut hat um darunter zu leiden, dass das eben nicht geschieht, dann
ist Verachtung die einzig vernünftige Antwort an all diese manipulierenden Kretins in Politik und
Wirtschaft [Zusatz des Verfassers: und Design], die willfährig und aktiv der Schaffung einer besseren
Welt entgegenstehen.‹
Jim Beugh im zappazentrierten Online-Medium ›Rondo Hatton Report‹ vom 21. Dezember 2011
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