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Anlässlich eines Plakatfunds im Archiv der ›die Graphische‹ Großdeutschland braucht Graphiker, Photographen, techn. Zeichner usw. Die Ausbildung dazu vermittelt die weltbekannte Staatliche Graphische Lehr- und Versuchsanstalt WIEN 7., WESTBAHNSTRASSE 25 in den Abteilungen für Photographie, Reproduktionstechnik, Buchdruck, Stein- und Offsetdruck, Tiefdruck, Lichtdruck, Lithographie, Holzschnitt, Stichradierung, Gebrauchsgraphik Befähigte Bewerber(innen) haben zur Aufnahme die Absolvierung der Hauptschule oder 4 Klassen Mittelschule nachzuweisen AUFNAHMSPRÜFUNG 27. u. 28. JUNI Auskünfte durch die Direktion, Wien 62, Westbahnstraße 25/Fernsprecher B 31-3-11 1 /8 Design und Faschismus ›Großdeutschland braucht Graphiker, Photographen, techn. Zeichner usw.‹ Martin Tiefenthaler, Mai 2012 Faschismus ist erst in zweiter Instanz ein politisches Phänomen – Faschismus ist zuallererst eine psychische Befindlichkeit und die entsprechende Politik ist ihr Symptom. Das Faschistoide ist phänomenologisch und empirisch an keine spezifischen demografischen Konstanten gebunden, es erscheint weltweit unabhängig von Alter, Geschlecht, Nationalität, Einkommen, Bildungsstand und Religion. Die einzigen Konstanten werden von psychischen Dispositiven gebildet, die Wilhelm Reich, Hannah Arendt, Klaus Theweleit und andere benannt haben und die überblicksartig etwa so zusammengefasst werden können: Die faschistoide Psyche sublimiert ihre Minderwertigkeitsgefühle mit Allmachtsfantasien, die alles außerhalb ihrer und ihresgleichen abwerten müssen, d. i. alles Andere ergo alles Fremde: selbstbewusste Frauen, die jeweils anderen ›Rassen‹ u. Ä. Sie verachtet alles von ihr als schwach denunzierte, weil sie sich als von ihrer eigenen Schwäche bedroht erlebt. Sie benötigt durchgehend einfache Antworten und wird von komplexen Fragestellungen und Überlegungen überfordert. Sie wird daher von allem, was ihr unkontrollierbar und nicht leicht lösbar erscheint, verwirrt und reagiert darauf mit Gewalt, die die Vernichtung des Verwirrenden zum Ziel hat. Sie eignet sich in Banalisierungsritualen und Selbstbetäubungen eine Desensibilisierung an, die sie davor schützt, sich einer Entgrenzung durch Mitgefühl oder Sexualität auszusetzen, kann daher keine befriedigenden Sozialund Sexualkontakte pflegen und generiert aus dieser Frustration weitere Hass- und Zerstörungsenergie. Ihr Hass richtet sich zuerst gegen ihren eigenen Körper, der entgegen seiner tatsächlichen Verletzlichkeit als gestählt und gepanzert suggeriert und dressiert wird und dann gegen alle Körper, die sich freier als ihr eigener durch die Welt zu bewegen imstande sind. Daraus erklärt sich auch ihr unbedingter Wille im ›Volkskörper‹ auf-, unter- und einzugehen, der damit auch die eigene Sterblichkeit und Verletzlichkeit leugnet. Der ›Körperpanzer‹ der faschistoiden Psyche erzwingt auch Profilierungssucht und opportunistisches Karrierestreben um sich mit Bedeutung aufzuladen. Die hauptsächlich zur Verfügung stehenden Ausdrucksmittel sind erhobene Stimmen, bedeutungsschwanger vorgetragene Formeln und die Erwiderung kritischer Einwürfe durch Irrationalität und Glaubensstereotypien, die nach einer Auslöschung des kritischen Gegenübers verlangen. Vor allem in dem Bedürfnis nach simplen und schnellen Antworten ergibt sich auch eine strukturelle Nähe zu kulturgeschichtlich späten Religionsformen. Inwieweit Faschismus keinesfalls antireligiös ist, sondern sich der gleichen Mechanismen wie Religion bedient, kann an einem ›Wochenspruch der NSDAP‹ (wöchentlich wechselnde Propagandaplakate 1937–44) eingesehen werden, der ein Gebet Hitlers an einen offensichtlich monotheistischen Gott abdruckt. Die psychologisch strukturelle Ähnlichkeit und sogar funktionell punktuelle Gleichheit von Faschismus und Eingottglauben wird besonders deutlich in der Parallelität von ›Liebe zum Vaterland‹ und ›Liebe zum Vater‹, sowie die dazu zwingend assozierte Rolle der Frau als ›Dienerin des Vaterlandes‹ respektive ›Magd des Herrn‹ – in beiden Fällen Mutter der/des Helden/Erlösers – vielfach historisch durchexerziert in daraus resultierenden kulturellhegemonialen und tatsächlichen Kriegen (siehe Abb. 1). 2 /8 Abb. 1: Wochenspruch der nsdap vom 21.–27. Dezember 1941 Anhand der faschistoiden Psyche sind neurotische Zustände beschrieben, die in Europa konsequent in einer jahrhundertelangen Entwicklung ausgeformt und gesellschaftlich gepflegt wurden. Von hier aus haben sie sich mittels Kolonialismus und Imperialismus (bis zu den historisch manifesten Faschismen und totalitären Regimen) über die Erde verbreitet und leisten das, was wesenmäßig allen Neurosen inhärent und immanent ist: sich zu vermehren und alles mit sich selbst zu infizieren und ins neurotische Spiel zu zwingen. Belehrung, Mission, Unterjochung und Ausbeutung im engen Sinn und das Stören von Gleichgewichten im weitesten Sinn sind das Ergebnis dieser Psychophysik. Psychophysik meint bzw. bezeichnet die gesetzmäßig ablaufenden Muster, Stereotypen und eingefahrenen Vorgänge in einer Psyche, die vorhersehbaren Reaktionen eines in seinen Möglichkeiten uneingesehen beschränkten psychischen Apparats. Die Physik der faschistischen Psyche erzeugt also in einem einfachen Reiz-Reaktion-Muster und im Stile einer trivialen Maschine eine Weltsicht, die sich in einer streng hierarchischen, unbedingt autoritären Führerpolitik und einer Bekämpfung aller lebendigen, also unberechenbaren Prozesse niederschlägt. Um sich durchzusetzen verfügt diese Politik nur über zwei grundlegende Methoden: Terror und Propaganda, wobei die Übergänge zwischen diesen beiden fließend sind. Im deutschen Faschismus begann der Terror mit den Freicorps, illegalen Schlägerbanden und vorsätzlichen Mördern, die wesentlich mithalfen, die Weimarer Republik zu destabilisieren und endete mit Denunziation besonnener Deutscher als Volksfeinde, die in den letzten Stunden des Zweiten Weltkriegs durch Kapitulation ZivilistInnen und Städte schützen wollten und deren hastiger standrechtlicher, selbst für einen halluzinierten Endsieg nutzloser Hinrichtung (wie z.B. vom Historiker Ian Kershaw in ›The End: Hitler’s Germany 1944–45‹ beschrieben). Es sind hier aber die Aspekte und die Pragmatik der Propaganda und nicht die des Terrors, die im Bezug zur Frage nach Design vorrangig interessieren: Die Faschisten installierten nach allen Regeln der Kunst eine wirkungsmächtige Corporate Identity bestehend aus einem zwingenden und erzwungenem Corporate Behaviour (Überwachen und Denunzieren, Teilnahme an Massenveranstaltungen sowohl als bühnenhaft Agierende als auch als publikumsartig Jubelnde, Hitlergruß, Häuserschmuck bei Aufmärschen …), das in gruppendynamischen Prozessen eingeübt wurde. Dann aus einem vorbildlich umgesetzten Corporate Design (dem Branding jedes Produkts und Erscheinungsbilds mit wenigen immergleichen Zeichen als klarem Absender für Außenstehende und als Identifikationsobjekt für ›Firmenangehörige‹) mit hundertprozentig reichsweit einheitlicher Umsetzung vom selbst unbedeutenden, aber bürokratisch-verpflichtenden Papierstück bis zur hybridisierten Architektur. Weiters aus einer klaren, treffsicheren und wirkungsvollen Corporate Communication. Hinzu kommt ein Event-Managment mit einer beispielhaften Verknüpfung von Entertainment (z.B. die Olympischen Spiele 1.–16. 8. 1936 in einer bis dahin nicht dagewesenen Inszenierung, die gekonnt dazu benützt wurde von anderen konzertierten Aktionen abzulenken – damals der Einstieg deutscher Kampfverbände in den Spanischen Bürgerkrieg) und Indoktrination durch handwerklich vollendeten Einsatz der Medien unter Mitwirkung von Fachleuten der Kommunikation (z.B. die Regisseuse Leni 3 /8 Riefenstahl und Hitlers persönlicher Fotograf Heinrich Hoffmann, zwei individuelle VertreterInnen aus einer Kommunikationsmaschinerie von Reichsbildstellen, Sonderkommissionen, Propagandaämter und Zentralleitstellen). Weiters Aktionstage wie z.B. der Muttertag, stimmungsvolle Bücherverbrennungen, die Forcierung des Volksempfängers, erste regelmäßige Fernsehprogramme, Wochenschauen und der deutsche Film, mit dem schon in den frühen 30er-Jahren der Krieg propagandistisch vorbereitet werden konnte – alles mit einer traumhaften Reichweite von über 90 Prozent. Nicht zuletzt Blockbuster-Ausstellungen mit Quoten, die heutige Sponsoren Schlange stehen ließen (z.B. ›Entartete Kunst‹ 1937 in München und in neun weiteren Städten, so auch Wien und Salzburg). Diese absolute Marktführerschaft in der klar definierten Zielgruppe des deutschen Volkes wurde auch durch Vorläufer der aktuellen Ambient-Media und des Guerilla- und/oder viralen Marketing in die Wege geleitet, so sind z.B. illegal auf öffentlichen Flächen angebrachte Identifikationszeichen und Werbebotschaften eine Erfindung der damals noch im Untergrund agierenden NSDAP (siehe Abb. 3.1–3), dazu kommen Störaktionen in Form gewalttätiger Flashmobs (sogenannte Strafaktionen gegen Andersartige und politische GegnerInnen), in denen der inhärente Terror propagandistischer Methoden dann deutlicher zutage tritt.* * Interessanterweise waren die nationalsozialistischen Corporate-Identity-Leistungen nur in den Teilgebieten Info-Grafik und Typografie weit hinter ihren Möglichkeiten zurück. Vor allem die Typografie erreichte in der Qualität ihrer Ausführung nicht das Niveau der anderen Corporate-Design-Errungenschaften des Faschismus. Beispielsweise Zeitungen erinnern in ihrem Durcheinander von Schriften und unklaren Layouts an heutige politisch gestikulierende und nicht differenzierende Schund- und Boulevardblätter wie Kronenzeitung, Heute, Österreich oder Bild. Das ist ein empirisch-phänomenologischer Hinweis dafür, dass sowohl die Schaffung und daraus folgend die Verwendung guter Schriften als auch deren typografisch hochstehende Handhabung deutliche Indikatoren für menschlich orientierte politisch-sozial demokratische Systeme und/oder humanistisch orientierte Weltbilder darstellen. Das Fehlen einer typografischen Kultur hingegen ist ein deutlicher Verweis auf utilitaristische Agenden mit hohen sowohl Fremd- als auch Selbstausbeutungsanteilen (siehe Abb. 2: Völkischer Beobachter, Titelseite, 47. Jahrgang, Ausgabe Nr. nicht eruiert). 4 /8 Abb. 3: Inszenierte Hackenkreuze an der Bahnbrücke Bruck/Mur, alle 500 Metern auf Landstraßen und auf Luftballons, Sammelalbum ›Adolf Hitler und sein Weg zu Großdeutschland, Austria Tabakwerke vormals Österr. Tabakregie‹, 1940. Die handwerkliche Exzellenz in der Umsetzung aller dieser Kommunikationsmethoden kann rückblickend an ihrem durchschlagenden Erfolg gemessen werden, wobei ihre Effizienz zur Erringung kultureller Hegemonie nachgewiesenermaßen unabhängig von irgendeinem Wahrheitsgehalt war (z.B. Behauptungen als Grundlage des Handelns wie Herrenrasse, Überlegenheit des arischen Blutes respektive deutschen Wesens, Verteidigungskrieg, Fanatismus als Erfolgsgarant u. Ä.). Dem entsprechend sind aktuell Quote, Impact und Werbeerfolg selbst keinem Inhalt verpflichtet und entziehen sich folgerichtig einer Beurteilung über sie selbst hinaus: anhand ihrer kann auf keinerlei Qualitäten des mit ihnen Gemessenen rückgeschlossen werden. Das liegt daran, dass in Designbelangen das Gut-Gemachte seine eigene, autonome Wirkung zu generieren imstande ist. Diese autonome Wirkung entspringt einem Gefälle in Vorwissen, Absichten und psychischen Fähigkeiten zwischen denen, die Inhalte herstellen und denen, die sie rezipieren. Der propagandistische Anteil in der Kommunikation wird umso größer, je wirkmächtiger diese Differenz erhalten und gepflegt wird. Diese Differenz zur nutzbaren und unbemerkten Manipulation eines Zielpublikums muss notwendigerweise verschleiert und oft in ihre gegenteilige Behauptung (der einer Gleichheit oder gleichen Interessenslage) verkehrt werden, so z.B. wenn Reiche den Armen vormachen daran interessiert zu sein, ihnen finanziell helfen zu wollen oder Klerikale, die weltliche Interessen verfolgen, einen Glaubensinhalt bemühen oder Kriegstreibende die zukünftigen Opfer für einen Krieg begeistern. Diese Struktur einer installierten und benützten Differenz ist selbst bei ganz unterschiedlichen – von verheerenden bis harmlosen – Auswirkungen der dadurch ermöglichten Manipulation kongruent und so befinden sich Methoden todbringender Propaganda und zeitgenössischer Marketingstrategien in einer funktionalen Ebene, wenngleich auch von fallweise unterschiedlicher Intensität ihrer Wirkung bzw. Auswirkungen. Manipulation bezeichnet das Ausmaß von Desinformation zum Nutzen der InformationsproduzentInnen und Nachteil der InformationsrezipientInnen. Sie produziert Nutzen auf der Produktionsund Irrelevanz auf der Rezeptionsseite. Mit dem Begriff der Relevanz kann versucht werden, den tatsächlichen Wert von Information für die damit angesprochenen Menschen zu beschreiben. Er wird sich im Spannungsfeld einer subjektiv aktuell erlebten Befindlichkeit und den daraus objektiv ablesbaren Folgen in Verhalten und Verfasstheit einer Person erkennen lassen. So erscheinen subjektive Befindlichkeit und äußere Beobachtung umso divergenter, je stärker das Subjekt einer Manipulation erlegen ist: Glücksgefühle beim Zujubeln eines Führers und kurz darauf folgende Invalidität oder Vernichtung durch Krieg beweisen ein hohes Ausmaß angewandter Manipulation. Unbehagen und Angst beim Beobachten eines Führers und darauffolgende Ermordung in einem Konzentrationslager beweisen geringe bis gar keine Manipulation. Desgleichen zeigen Erwartungen zur Steigerung bzw. Verbesserung von Lebensqualität durch einen Autokauf mit folgender Erschwernis des Lebens durch finanzielle Belastungen im kleinen oder Feinstaubbelastung bzw. Klimawandel im großen Rahmen einen bestimmten Grad an erfolgter Manipulation. Ein anderer Grad an Manipulation kann auch aus 5 /8 der Diskrepanz zwischen einem erwarteten erfüllten Sexualleben bzw. glücklichen Familienleben und dem tatsächlich nicht verbesserten Lebensgefühl durch den Kauf von Shampoo und/oder Waschmittel und/oder Softdrink geschlossen werden. Damit hat die von der Produktionsseite angebotene Lösung für die Rezeptionsseite ihre Relevanz verloren, unabhängig davon ob dieses Faktum dem Bewusstsein der RezipientInnen verfügbar ist oder nicht. Wenn Design als Methode zur Bewältigung sozialer Problemstellungen und persönlicher Bedürfnisse eine Interaktion zwischen denen, die eine Lösung benötigen und denen, die darauf eine Antwort zu geben in der Lage sind, aufgefasst wird, kann der Begriff der Relevanz für alle Designprozesse angewandt werden. Die Relevanz dieser Lösungen entscheidet sich dann unabhängig von Erleben und Gefühlsreaktionen auf der RezipientInnenseite und ist messbar an objektivierbaren Parametern wie Krankenkassendefiziten, Medikamentenmissbrauch, Höhe des Anteils neurotischer Zwangshandlungen im politischen und konsumeristischen Wahlverhalten, Schere zwischen Arm und Reich, Glücksindizes, Therapiebedürftigkeit, Nachhilfekosten, Zugang zu Bildung und so weiter. Die Relevanz von Lösungen ist identisch mit der Relevanz von Informationen, die zur Selbstbestimmung und dem gesamtheitlichen Wohlbefinden der Informierten führen. Das anzuerkennen, schließt viele Designprodukte, die vorgeben Lösungen zu sein, aus: sowohl Getränke, die Menschen darüber hinwegtäuschen, wie müde und nicht mehr belastbar sie aktuell tatsächlich sind (in erstaunlicher Parallelität zum kriegsunterstützenden Mittel N-Methylamphetamin/Crystal Meth, das unter dem Namen Pervitin von den deutschen Temmler-Werken als Grundausstattung der Wehrmacht massenweise produziert wurde), als auch ›Zeitungen‹, die aufdringlich gratis oder billig mit irrelevanten Inhalten ihren LeserInnen Lebenszeit stehlen und eigenständiges Denken erschweren (in nicht so erstaunlicher Parallelität zu einer Psychophysik, die formelhaftes Sprechen und Kritikunfähigkeit für undifferenzierende und simplizistische Antworten benötigt), gehören zu den Designs, die im Hinblick auf ein Interessensgefälle zwischen den ProduzentInnen und den RezipientInnen ganz offensichtlich so ›gut gemacht‹ sind, dass ihr Faszinosum zum Verschleiern von Manipulation und Irrelevanz ausreicht. Es stellt sich die Frage in welcher psychischen Verfasstheit ›das … Reich‹ ist, das gegenwärtig ›Graphiker, Photographen, techn. Zeichner usw.‹ braucht. Ist es ein Regime, in dem die Grenze zwischen relevanter Information und Propaganda in den Augen ihrer ProponentInnen unwesentlich ist und keine tatsächliche Entscheidungsinstanz zwischen Handeln und Unterlassen darstellt ? Ein Reich, das menschenverachtende Werte vorschreibt, die ähnlich zwingend vorgetragen, dennoch kurzlebig sind wie die des tausendjährigen Reichs ? Näher betrachtet war die Forderung nach einem Aufgehen im Volkskörper, die Forderung die eigene Existenz einem überindividuellen Ziel zu opfern, d.h. den eigenen Körper aufzugeben, nicht wesentlich unterschieden von dem gegenwärtigen Postulat auf individuelle Lebensqualität zugunsten abstrakter Wachstums- und konkreter Einsparungsszenarios zu verzichten (so z.B. mangelnde Abgeltung von Arbeitsleistung, prekäre Arbeitsverhältnisse, verschlechterte Luft- und Wasserqualität). Gleichzeitig wird die Illusion eines nicht zerstörbaren Körpers propagiert, die Vortäuschung eines sozialen Werts von Ich-AGs und der Omnipotenz von Styling. In all diesen Prozessen spielt Kommunikationsdesign eine bedeutsame Rolle, wenn es den mehr oder weniger deutlich ausgesprochenen Auftrag erfüllt, das Gefälle im Wissensvorsprung zwischen den vortragenden Nutznießern und dem mit Irrelevanz zu blendenden Zielpublikum zu vermitteln und aufrechtzuerhalten. Rick Poynor schreibt 2001 in Adbusters über das im Jahre 2000 erschienene First Things First-Manifest: ›FTF 2000 states that too much design energy is being spent to promote pointless consumerism, and too little to helping people understand an increasingly complex and fragile world.‹ Das Manifest des Jahres 2000 ist ein Nachfolger des 1964 vom Designer Ken Garland verfassten und von KollegInnen unterzeichneten Manifests in dem unter anderem festgestellt wird: ›[…] we are proposing a reversal of priorities in favour of the more useful and lasting forms of communication.‹ Unter den Bedingungen menschlicher Sterblichkeit und Begrenztheit der Lebenszeit vermag ›Relevanz‹ als Leitwert zu dienen und wird zu einem Motiv, keine Fremdinteressen zu internalisieren, zu verkörpern und auszutragen. Da mit dem Körper offensichtlich alles andere am Menschen mit- 6 /8 stirbt*, stellt die Verleugnung des Körpers und seiner tatsächlichen Bedürfnisse in Politik, Religion und Wirtschaftsleben einen Indikator für eine menschenfeindliche Grundhaltung dar und erlaubt einen direkten Rückschluss auf die Psychophysik derjenigen, die Interessen an der Bereicherung an und am Missbrauch von Körpern verfolgen. Es gilt daher für Kommunikationsdesign – sofern es relevant genannt werden möchte – zu verhindern, dass der Körper zum Schlachtfeld invasiver Produktwerbung, entfremdender Idealbilder, enthumanisierter Asylpraxis, konsumeristischen Kindesmissbrauchs usw. usf. wird. Wie nun als GrafikdesignerIn auf die Forderungen eines Regimes, das sich wie ein Reich gebärdet, antworten? Es ist nicht notwendig wie Ernst Udet zu reagieren, der für die technische Ausstattung der deutschen Luftwaffe verantwortlich gemacht, schwer an seiner Aufgabe überlastet und pervertinabhängig, bereits dreieinhalb Jahre vor Kriegsende Selbstmord beging, weil er erkannt hatte, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen war. Es genügt wahrscheinlich, in neurotischen Gegenübern faschistoide Psychophysik in Form von Selbst- und Fremdblendertum, aufgeblasenen Egos und Heißluftproduktionen zu detektieren und sich dem zu entziehen. In der Folge dann, beim Designen relevanter Produkte im Wissen um den Wert der eigenen Arbeit für andere, sich nicht in Lohn- und Preisdumping verwickeln zu lassen. Dumping beschädigt den Berufsstand und führt zu Selbstausbeutung, die dann die eigene Person beschädigt, was wiederum zu Anspruchs- und Würdelosigkeit führt – und das beschädigt schlussendlich alle Beteiligten. Die Entscheidung zur bewussten Selbstbestimmung, das Design der einen Biografie – des einen Lebens das wir haben – in freundlicher Zusammenarbeit mit Gegenübern, denen Menschenrechte selbstverständlich sind, beendet ›brauchen‹ im großdeutschen Sinn. Dem gegenüber steht der Faschismus als psychische Krankheit zum Tode. * Metaphysik und ihre Argumentation stehen prinzipiell einem gegenwärtigen Leben entgegen, egal ob es sich um ihren Gebrauch durch politische Ideologien oder machtorientierte Religionen handelt. (siehe Abb. 4: Kampagne auf Londoner Bussen, Jänner 2009, von der British Humanist Association for the one life we have nach einer Anregung von Ariane Sherine im Juni 2008) 7/8 Postscriptum ›Jede Propaganda hat volkstümlich zu sein und ihr geistiges Niveau einzustellen auf die Aufnahmefähigkeit des Beschränktesten unter denen, an die sie sich zu richten gedenkt. Damit wird ihre rein geistige Höhe um so tiefer zu stellen sein, je größer die zu erfassende Masse der Menschen sein soll. Handelt es sich aber, wie bei der Propaganda für die Durchhaltung eines Krieges, darum, ein ganzes Volk in ihren Wirkungskreis zu ziehen, so kann die Vorsicht bei der Vermeidung zu hoher geistiger Voraussetzungen gar nicht groß genug sein. […] Die Aufnahmefähigkeit der großen Masse ist nur sehr beschränkt, das Verständnis klein, dafür jedoch die Vergesslichkeit groß. Aus diesen Tatsachen heraus hat sich jede wirkungsvolle Propaganda auf nur sehr wenige Punkte zu beschränken und diese schlagwortartig so lange zu verwenden, bis auch bestimmt der Letzte unter einem solchen Worte das Gewollte sich vorzustellen vermag. Sowie man diesen Grundsatz opfert und vielseitig werden will, wird man die Wirkung zum Zerflattern bringen, da die Menge den gebotenen Stoff weder zu verdauen noch zu behalten vermag.‹ Adolf Hitler in ›Mein Kampf‹ 1943, 851.– 855. Auflage, Seite 197 f. ›Wenn man clever genug ist um zu sehen, dass einiges besser gemacht werden könnte und man zusätzlich auch noch genug Herzblut hat um darunter zu leiden, dass das eben nicht geschieht, dann ist Verachtung die einzig vernünftige Antwort an all diese manipulierenden Kretins in Politik und Wirtschaft [Zusatz des Verfassers: und Design], die willfährig und aktiv der Schaffung einer besseren Welt entgegenstehen.‹ Jim Beugh im zappazentrierten Online-Medium ›Rondo Hatton Report‹ vom 21. Dezember 2011 8/8