Arbeitsrecht

LAG Köln: Psychische AU bis Ende der Kündigungsfrist plausibel

Nicht immer reiche jedes Indiz aus, den Beweiswert der AU-Bescheinigungen zu erschüttern. Ein Fall aus Köln zeigt, dass immer ein Blick auf den Einzelfall notwendig ist.

Veröffentlicht:
Kündigt eine Arbeitnehmerin nach einem Personalgespräch und ist danach krank, sind Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit nicht automatisch angebracht, so das LAG Köln.

Kündigt eine Arbeitnehmerin nach einem Personalgespräch und ist danach krank, sind Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit nicht automatisch angebracht, so das LAG Köln.

© Michael Bihlmayer / CHROMORANGE / picture alliance

Köln. Gerade bei psychischen Erkrankungen können arbeitgeberseitige Änderungen einen Rückfall auslösen. Kündigt die Arbeitnehmerin nach einem Personalgespräch und ist danach krank, sind Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit nicht automatisch angebracht, wie das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln entschied.

Die Klägerin arbeitete als Controllerin und litt schon länger an einer psychischen Belastungsstörung. Anfang 2022 gab es ein Personalgespräch, bei dem es um einen Neuzuschnitt ihrer Aufgaben ging. Danach packte sie ihre Sachen zusammen, gab ihr neu erhaltenes Diensthandy wieder ab und äußerte sich gegenüber Kollegen, sie wolle sich krankschreiben lassen. Am nächsten Tag reichte die Controllerin die Kündigung ein. Unterbrochen durch ihre noch offenen Urlaubstage war sie bis zum Ende der Kündigungsfrist krank, zuletzt in einer Klinik.

Durch Personalgespräch wurde depressive Störung akut

Das BAG hatte 2021 und dann nochmals im Dezember 2023 entschieden, dass eine „passgenaue“ Krankschreibung bis zum Ende der Kündigungsfrist den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erschüttern kann. Der Kölner Fall zeigt nun, dass dabei immer ein Blick auf den Einzelfall notwendig ist. Nicht immer reiche jedes Indiz aus, den Beweiswert der AU-Bescheinigungen zu erschüttern.

Hier habe die Controllerin ihre Diagnosen „Anpassungsstörung“ und „depressive Episode“ offengelegt. „Selbst wenn aus dem Blickwinkel der Arbeitgeberin ein Personalgespräch ohne besondere emotionale Belastungen verläuft, kann die betroffene Arbeitnehmerin dies anders empfinden“, betonten hierzu die Kölner Richter. Die Klägerin habe nachvollziehbar dargelegt, dass durch dieses Gespräch ihre depressive Störung akut wurde. Das zeige auch schon der Umstand, dass wenig später ein stationärer Klinikaufenthalt notwendig wurde. Auch dass sie angekündigt hatte, sich krankschreiben zu lassen, könne unter diesen Umständen den Beweiswert der AU-Bescheinigung nicht erschüttern.

Keine passgenaue AU-Bescheinigung bis zum Ende der Kündigungsfrist

Die Behauptung, die Krankschreibungen beruhten „auf Wut und Ärger“, zeige, dass auch die Arbeitgeberin von einer für die Klägerin belastenden „emotionalen Ausnahmesituation“ ausgehe. Zudem habe es hier nicht einmal passgenaue AU-Bescheinigungen bis zum Ende der Kündigungsfrist gegeben. Denn die Zeit der Arbeitsunfähigkeit sei durch den Urlaub unterbrochen gewesen, und der Klinikaufenthalt habe über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus angedauert. (mwo)

Landesarbeitsgericht Köln, Az.: 6 Sa 682/22

Schlagworte:
Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

In Zahlen

Ärztemangel? Wir haben mal nachgerechnet

Lesetipps