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Nur noch sorgfältige Geschäfte werden akzeptiert

07.10.2019, Internationale Zusammenarbeit,

Die gesetzliche Verpflichtung, sorgfältig zu geschäften, soll präventiv wirken. Damit es gar nicht erst zur Verletzung von Menschenrechten oder Umweltschäden durch Unternehmen kommt. Ein Fallbeispiel aus Frankreich.

Laurent Matile
Laurent Matile

Experte für Unternehmen und Entwicklung

Nur noch sorgfältige Geschäfte werden akzeptiert

Wird in Uganda nach Öl gebohrt, so hat die lokale Bevölkerung in der Regel keine Aussicht auf Entschädigung.
© Sven Torfinn / Panos

Es ist eine Premiere in Frankreich. Auf der Basis des neuen Devoir de vigilance-Gesetzes haben französische NGOs und ihre Partnerorganisationen aus Uganda[1] den Total-Konzern verbindlich dazu aufgefordert, einen „Sorgfaltsplan" zu veröffentlichen und umzusetzen. Das französische Gesetz, es umschreibt die Pflicht zu einer Due Diligence-Prüfung, erstreckt sich nicht nur auf Mutterfirmen, sondern auch deren Töchter und Zulieferer. Total ist mit seinen 900 Tochtergesellschaften das viertgrösste Öl- und Gasunternehmen der Welt, wies 2018 einen Umsatz von rund 210 Milliarden US-Dollar aus und beschäftigt in mehr als 50 Ländern rund 104 000 Mitarbeitende.

Es geht um das Megaprojekt Tilenga, das Total seit Jahren in Uganda und Tansania vorantreibt. Entwickelt wurde das Projekt am Ufer des Albertsees von einem Ölkonsortium, dessen Betreiber und Hauptinvestor Total (mit 54,9%-Anteil) ist. Ausserdem beteiligt sind der chinesischen Multi CNOOC (33,33%) und die britische Tullow (11,76%). Das Tilenga-Projekt soll sechs Ölfelder – hauptsächlich innerhalb des Naturschutzgebietes Murchison Falls – mit einer Produktion von rund 200 000 Barrel pro Tag erschliessen. Es umfasst den Bau einer Leitung zu einer nahe gelegenen Raffinerie sowie ein Industriegebiet. Tilenga ist Teil eines Grossprojekts, bei dem Total ebenfalls Partner ist: der Bau der 1445 Kilometer langen East African Crude Oil Pipeline (EACOP) durch Uganda und Tansania, mit dem das Öl an den Indischen Ozean gebracht werden soll. Geschätzte Gesamtkosten der EACOP: 3,5 Milliarden US-Dollar.

Die Projekte Tilenga und EACOP stellen eine ernste Gefahr für die Menschenrechte der betroffenen Bevölkerung und eine ernsthafte Bedrohung für die Umwelt war, Biodiversität und Wasserressourcen könnten irreversible Schäden nehmen. Zwar gibt es zwei Sozial- und Umweltverträglichkeitsstudien, wovon bis jetzt nur eine veröffentlicht wurde, doch für die NGOs gibt es insbesondere bei den Massnahmen zur Minderung von Umweltschäden im Murchison Falls Natural Park gravierende Mängel. Zum grössten Park Ugandas gehört ein Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung, das durch die RAMSAR-Konvention geschützt ist. Das weniger fortgeschrittene EACOP-Projekt hat nach Studien des WWF, von Action Aid und BankTrack potenziell negative Auswirkungen auf Zehntausende von Menschen.

Die Total-Gruppe veröffentlichte in ihrem Jahresbericht 2017 einen ersten Due Diligence-Plan, wie ihn das französische Recht seit jenem Jahr vorschreibt. Der Plan, der 2018 aktualisiert wurde, wird von den NGOs aber als krass mangelhaft kritisiert, dazu sei seine Umsetzung nicht ausreichend wirksam. Insbesondere werfen sie Total vor, keine spezifischen Sorgfaltsmassnahmen vorzusehen. Der Due Diligence-Plan von Total würde damit nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, die eine detaillierte „Abbildung der Risiken" verlangt. Dazu gehört eine gewichtete Darstellung der Risiken, die sich an den tatsächlichen Aktivitäten des Konzerns orientiert.  

Zur Erinnerung: Das französische Devoir de vigilance-Gesetz war am 27. März 2017 nach einem dreijährigen Hin und Her verabschiedet worden. Im Zentrum des Gesetzes steht die Sorgfaltspflicht. Die vom Gesetz erfassten Grossunternehmen sind verpflichtet, einen Due Diligence-Plan zu erstellen, zu veröffentlichen und effektiv umzusetzen. Die Firmen müssen die Risiken ihrer Geschäftstätigkeit identifizieren, um «schwere Verletzungen der Menschenrechte und Grundfreiheiten, der Gesundheit und Sicherheit von Personen und der Umwelt» zu verhindern. Der Due Diligence-Plan muss Auskunft darüber geben, wie Vorschriften eingehalten werden. Dieser Plan und Berichte darüber, wie er umgesetzt wurde, müssen veröffentlicht und in den jährlichen Geschäftsbericht der Unternehmen aufgenommen werden. Kommt ein Unternehmen dem nicht oder ungenügend nach, können Menschenrechts-, Umweltorganisationen oder Gewerkschaften die Firmen verbindlich dazu auffordern.

Kommt das Unternehmen seinen Verpflichtungen nach Ablauf einer Frist von drei Monaten nicht nach, kann ein Richter es anweisen, dies zu tun; verbunden mit einer so lange auflaufenden Busse, bis dem Gesetz Genüge getan ist. Schliesslich kann im Schadensfall dem Unternehmen aufgetragen werden, «den Schaden zu ersetzen, den die Erfüllung dieser Verpflichtungen verhindert hätte». Die Muttergesellschaft oder das beauftragende Unternehmen kann also verpflichtet werden, den Opfern Schadenersatz zu leisten. Voraussetzung dafür ist jedoch die gerichtliche Feststellung des Fehlens eines Plans, eines unzureichenden Plans oder das Ungenügen von dessen Umsetzung. Anders gesagt: Das Gesetz verpflichtet also, gewisse Instrumente anzuwenden. Hat ein Unternehmen einen Due-Diligence-Plan in der gebotenen Qualität erstellt und durchgeführt, so haftet es im Schadensfall auch nicht.

Im oben beschriebenen Fall hatte Total bis Mitte 2018 Zeit, die beanstandeten Mängel seiner Sorgfaltsprüfung zu beheben. Die der Gesellschaft eingeräumte gesetzliche Frist, um Massnahmen zu treffen, ist Ende September 2019 abgelaufen. Wenn die NGOs mit den von Total ergriffenen Massnahmen nicht zufrieden sind, können sie ein Gericht in Frankreich anrufen. Ein Fall, der auch in der Schweiz sehr genau zu verfolgen ist.

 

[1] Es handelt sich um die NGOs Friends of the Earth France und Survival sowie ihre ugandischen Partner AFIEGO, CRED, NAPE/Friends of the Earth Uganda und NAVODA.

Konzern-Initiative auf der langen Bank

In der Schweiz bleibt die Frage weiterhin hängig, ob Konzerne dafür geradestehen müssen, wenn sie im Ausland Menschenrechte verletzen oder die Umwelt verschmutzen. Statt einen eigenen indirekten Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative (KoVI) zu diskutieren, zog es der Ständerat am 26. September vor, das Geschäft weiter auf die lange Bank zu schieben. Er stimmte einem Antrag des economiesuisse-Lobbyisten Ruedi Noser (FDP/ZH) zu, den im August überraschend angekündigten Gegenvorschlag des Bundesrats zur Initiative abzuwarten. Dabei ist der Inhalt dieses Gegenvorschlags bekannt: Konzerne sollen nur berichten müssen, wie sie die Menschenrechte im Ausland einhalten, im Schadenfall aber nicht für angerichtete Schäden haften. Das Vorgehen der Initiativ-Gegner erinnert an die Abzocker-Initiative: Auch damals wurde die heisse Kartoffel solange zwischen Parlament und Kommissionen hin und her geschoben, bis sich die Volksabstimmung nicht mehr weiter verzögern liess. Die Stimmbevölkerung quittierte das unwürdige Theater an der Urne, die Initiative erhielt 67.9% Zustimmung. DH

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