Medizin

Handverletzungen: Damit Ihre Hände fit bleiben

Die gesunde Hand ist Voraussetzung für sicheres Klettern und Bergsteigen. Doch gerade dieser Teil der oberen Extremitäten kann leicht beeinträchtigt sein und so eine Kletterpartie unmöglich machen – ALPIN erklärt zwei häufige Verletzungen und ihre Ursachen.

Handverletzungen: Damit Ihre Hände fit bleiben

Noch zweimal umgreifen, dann ist es geschafft. Die rechte Hand greift an den nächsten guten Griff, die Muskulatur spannt an. Auf einmal fährt ein vernichtender Schmerz durch den ganzen Körper, als ob gerade ein Finger abgerissen worden wäre. Was ist passiert?

Die Akren, also die äußeren Partien unserer Extremitäten, Fuß und Hand, sind komplexe anatomische Gebilde. Sie ermöglichen, gerade was die obere Extremität anbetrifft, eine fast uneingeschränkte Beweglichkeit.

Dr. Ulrich Frank: Chefarzt Handchirurgie der Hessingpark-Clinic in Augsburg.
Dr. Ulrich Frank: Chefarzt Handchirurgie der Hessingpark-Clinic in Augsburg.

Die Hand ist über die Handwurzelknochen an den Unterarm angeschlossen. Das Zusammenspiel aus Beuge- und Strecksehnen mit einem hohen Bewegungsausmaß fordert eine fein regulierbare Biomechanik.

Die vielen Knochen und daraus resultierenden Gelenke dazwischen sind mit einem ausgefeilten Bandapparat verbunden. Auch die Sehnen werden mit sogenannten Ringbändern (nummeriert von A1 bis A5) am Knochen geführt. So wird das Beugen der einzelnen Fingerglieder möglich.

Bowstring-Phänomen

Bei extremer Beanspruchung der Finger in Beugestellung, typischerweise beim Klettern, kann es zu einem Abriss der Ringbänder zwischen A2 und A4 kommen, was dann als sogenanntes Bowstring-Phänomen erkennbar wird.

Die Beugesehne ist nicht mehr am Knochen geführt, sondern spannt sich - kombiniert mit starken Schmerzen - gerade auf, sodass keine koordinierte Beugung mehr möglich ist.

Die Versorgung einer Kahnbeinfraktur mit einer sogenannten Herbert-Schraube.
Die Versorgung einer Kahnbeinfraktur mit einer sogenannten Herbert-Schraube.

"Ist das Bowstring-Phänomen erkennbar, stellt es eine eindeutige OP-Indikation dar", betont Dr. Ulrich Frank, Chefarzt Handchirurgie der Hessingpark-Clinic in Augsburg. Die Operation sieht eine wiederherstellende Befestigung der Sehne am Knochen vor.

"Hierzu kann zum Beispiel eine Sehne aus dem Unterarm entnommen und als Ringbandersatz am Fingerknochen angebracht werden", erklärt der Handchirurg. "Entscheidend nach der OP ist, gerade für Kletterer, die ihrem Sport wieder nachgehen wollen, die intensive Nachbehandlung", ergänzt Frank.

Bis zu sechs Monate nach der Operation ist kein intensives Klettern angebracht. "Leider kann man dieser Verletzung auch nicht vorbeugen, da die muskulären Strukturen die hohe, nicht alltägliche Belastung nicht kompensieren können."

Die Fakten:

  • Die Ringbänder halten die Beugesehne an den Fingerknochen und ermöglichen so eine abgestufte Beugung.
  • Ein Ringbandabriss äußert sich durch das Bowstring-Phänomen und durch starke Schmerzen.
  • Vorsicht beim Sturz auf das ausgestreckte Handgelenk! Die Bagatellisierung einer Kahnbein-Verletzung kann fatal sein.
  • Nach Verschraubung des Kahnbeins und Ausheilung verbleibt die Schraube für immer im Knochen.

Versteckte Kahnbeinfraktur

Eine Herbert-Schraube verbleibt in der Regel lebenslang im Knochen.
Eine Herbert-Schraube verbleibt in der Regel lebenslang im Knochen.

Die Hand ist prädestiniert für unentdeckte bzw. zu spät behandelte Verletzungen. Ein Beispiel ist die Kahnbeinfraktur. Das Kahnbein schließt die Mittelhand an die Speiche an. "Bei einem Sturz auf die gestreckte Hand kann es leicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Ein Bruch verursacht jedoch oft keine großen Schmerzen und es kommt auch nur manchmal zu einer Schwellung", weiß Frank.

Im ersten Röntgenbild nach ein paar Stunden bzw. Tagen ist die Fraktur oft nicht zu erkennen. Die Computertomographie ist hier am besten geeignet, da sie die Frakturlinie eher zur Darstellung bringt. Wichtig ist die Beurteilung des Handchirurgen, da zwischen operativer und konservativer Therapie entschieden werden muss. Die angebrachte Operation beim Kahnbeinbruch ist eine Verschraubung mit einer sogenannten Herbert-Schraube, die in der Regel ein Leben lang im Knochen verbleiben kann und primär die Bruchenden aufeinanderpresst und so die Heilung und Festigung beschleunigt.

Wird der Kahnbeinbruch zu spät bzw. nicht entdeckt oder gar falsch behandelt, kann es zur Ausbildung einer sogenannten Pseudarthrose ("Scheingelenk"), also einer verzögerten Bruchheilung nach sechs Monaten kommen. Dies zieht wiederum ein schwierigeres operatives Prozedere nach sich. Daher ist es ratsam, nach einem (schweren) Sturz auf die Hand lieber einmal zu oft als einmal zu wenig zum Arzt zu gehen.

Aus ALPIN 11/2013