Jungwirth Gerhard

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Biografie:
Gerhard Jungwirth (+).
Vielleicht hat ihn der Leser gekannt, den schmächtigen Bergsteiger vom Donaustrand, oder aber er hat von dem tragischen Unfall gehört, der seinem blutjungen Leben in der Watzmann-Ostwand zusammen mit zwei Gefährten im März 1961 ein jähes Ende setzte.
Zu Stein bei Krems a. d. Donau wurde er im Dezember 1935 geboren, und hier stehen noch heute die Felsen, wo er zum erstenmal zu „kraxln" anfing, und noch leben auch dort die Professoren, die er bis zur Matura und darüber hinaus grün und blau ärgerte. Eigentlich sollte es ja verwunderlich sein, daß ein „Flachländer' ein so guter und so erfolgreicher Bergsteiger wird, wie er es geworden ist. Aber wem es in die Wiege gelegt ist, für den gibt es eben kein Zurück mehr. Und so führte ihn sein Weg von seinem heißgeliebten Dürnsteiner Klettergarten, vom Narrenturm, Edelweißfelsen und vom Negerhäuptling hinaus in alle Teile der Alpen. Er kannte die Klettersteige von Rax, Schneeberg und Hochschwab ebenso wie die Südwandanstiege des Dachsteins. Er holte sich die Schüsselkarspitze-Südwand im Wetterstein wie die Laliderer Nordwand im Karwendel, Däumling-Ost-kante und Stangenwand-Südostwand im Gosaukamm waren ihm genauso wenig fremd wie Roßkuppen-Nordwandverschneidung und Dachl-Nordwand im Gesäuse. Und im Wilden Kaiser sind Predigtstuhl-Nordwand, Fleischbank-Südostwand, Karlspitzen-Ostwand, Totenkirchl-Westwand, Maukspitzen-Westwand und Scheiblingstein-Westwand nur einige von seinen zahlreichen und durchwegs großzügigen Kletterfahrten. Gar manches Mal trieb ihn die Sehnsucht auch in die Dolomiten, wo er neben Genußklettereien wie Delago- und Schleierkante, über Rosengartenspitze-Ostwand und Gelbe Kante auch Touren wie die Große-Zinne-Nordwand sein eigen nennen durfte. Aber nicht nur mit dem Fels, auch mit dem Eis verstand er trotz seiner Zartheit und Schmächtigkeit umzugehen und es zu bändigen. Im Glocknergebiet durchstieg er unter anderem die Wiesbachhorn-Nordwestwand, die Pallavicinirinne, die Eiskögele-Nordwand, in der Bernina die Piz-Roseg-Nordostwand und die Route über die Scersceneisnase, und wenn ich ans Wallis denke, fallen mir Namen wie Breithorn-Nordwestwand, Lyskamm-Nordwand, Dent-Herens-Nordwand und Matterhorn-Nordwand ein, die beweisen, daß er auch schwerste Westalpentouren meisterte. Eigentlich habe ich bei diesen Aufzählungen ja ein schlechtes Gewissen, denn ich hin zu sehr mit seinem Denken vertraut, als daß ich nicht zwischendurch reine Stimme hören wurde „Geh, Gernot, jetzt herst aber auf. Des geht do neahmten was an." Denn eines seiner Grundprinzipien war, den Berg wirklich nur um des Berges willen anzugehen, und ich kann mich auch nicht erinnern, daß er einmal von einer Ton erzählt, geschweige denn geprahlt hätte. Prinzipien waren überhaupt seine Stärke, und wenn er sich etwas vornahm, dann machte er es, und wenn er etwas für richtig befand, dann hielt er sich daran.
Habt Ehrfurcht vor den Bergen, Kameraden, und habt Ehrfurcht vor denen, die für sie ihr Leben gaben, Und wenn ihr einmal in andächtigem Schauer eines Winkler, Weizenbach oder Maduschka gedenkt, so denkt auch an ihn, denkt an Gerhard Jungwirth, der ein Bergsteiger war, so wie er zu
sein hat, und haltet ihn in Ehren, er hat's verdient.
G.
Deinen Namen, Gerhard Jungwirth, habe ich schon gekannt, ehe ich eines Tages jenen Brief erhielt, mit dem Du Dich mir vorstelltest, kurz, sachlich und präzise:
„Ich bin geboren am ... in , habe mein Studium in ...
am..., abgeschlossen und arbeite jetzt in Straßwalchen,
Mein Bergfahrtenverzeichnis weist unter anderem folgende Touren auf: ...
Ich möchte Sie und Ihren Mann gerne kennenlernen und würde mich freuen, wenn wir Seilgefährten werden könnten. Darf ich einmal bei Ihnen vorbeikommen?'
Das war so ungefähr der Inhalt jenes Briefes, mit dem unsere Freundschaft begann, Gerhard Jungwirth. Zu meiner Überraschung standest Du eine knappe halbe Stunde nach Eintreffen dieses Briefes bereits persönlich vor unserer Wohnungstüre.
Seit jenem Tag bist Du gar oft „auf einen kurzen Sprung" vorbeigekommen. Meistens aber ist's bei Gesprächen über die Berge, über Gott und die Welt Mitternacht geworden, ehe wir uns trennten. Wir plauderten über die letzte Sonntagstour, träumten von der nächsten, und jedesmal wenn Du Abschied nahmst, habt Ihr, Konrad und Du, am Vordach über der Haustür mit ein paar Klimmzügen Eure Fingerkraft erprobt.
Im letzten Herbst wurdest Du glücklicher Autobesitzer, und seit damals hatte ich oft Angst um Dich. Dein Vehikel war eine kunstvolle originelle Mischung aus einem alten Kübelwagen und den noch älteren Bestandteilen einiger VW-Reste. Als Du mit diesem Unding zum erstenmal mit Konrad um vier Uhr früh wegfuhrst, wurde mir bange, als ich Dein Fahrzeug davonklappern hörte. Doch meine Angst war unbegründet, denn nach etwa zehn Minuten wart Ihr wieder zurück! Ihr hattet eine Tür verloren!
Als wir uns am 17. März verabschiedeten, deutete ich auf Dein Automobil: „Paßts gut auf!"
Ihr lachtet! Und lachend seid Ihr weggefahren: „Sei fleißig, Helena, damit Du 's nächste Mal wieder mitkommen kannst!" Das nächste Mal? Es gibt kein nächstes Mal, Euer Weg war kurz, doch ist es ein Trost, zu wissen, daß er so schön gewesen ist!
Helme Schimke
DANK
Dr. Konrad Schimke und Dipl.-Kaufmann G. Jungwirth fanden mit ihrem Berggefährten Chr. Bügel am 18. März 1961 in der Watzmann-Ostwand den Bergtod.
Wir danken allen, die durch ihren Einsatz oder ihre Anteilnahme uns in jenen schweren Tagen zur Seite gestanden sind. Vor allem danken wir dem Bergrettungsdienst Salzburg, der Bayerischen Bergwacht Berchtesgaden, Ramsau, München, der Deutschen Grenzpolizei, dem Bayerischen Grenzschutz, der deutschen Bundeswehr, den amerikanischen Fliegern, der Österreichischen Rettungsflugwacht des Innenministeriums (ÖFAG), dem Alpenverein, dem österreichischen Alpenklub, dem Akademischen Alpenklub Innsbruck, den Vertretern des Salzburger Landesgerichtes, dem Salzburger Juristenverband, der Richtervereinigung und dem Salzburger Turnverein.
Familien Jungwirth und Schimke
Quelle: Der Bergsteiger 1960-61, Heft 10 Juli, Seite 610-611


Geboren am:
12.1935
Gestorben am:
03.1961