Aktuell Syrien 05. März 2013

Streubombenangriff in Syrien: "Warum unternimmt die Welt nichts?"

Ein Kind steht neben einer Streubombe, die am 01. März 2013 über Aleppo abgeworfen wurde

Ein Kind steht neben einer Streubombe, die am 01. März 2013 über Aleppo abgeworfen wurde

02. März 2013 – Mindestens 19 Menschen wurden bei einem Luftangriff mit Streubomben auf eine dicht besiedelte Wohngegend in der syrischen Stadt Aleppo getötet. Amnesty-Mitarbeiterin Donatella Rovera war vor Ort und schildert in diesem Text ihre Erlebnisse.

Von Donatella Rovera, Krisenbeauftragte von Amnesty International

In einem Feldlazarett, dessen Ort ich aus Sicherheitsgründen nicht nennen werde - zu viele Feldlazarette wurden schon bombardiert – zitterte Abdo al-Dik, ein kleiner 7-jähriger Junge, wie Espenlaub und stöhnte vor Schmerzen mit tiefen Risswunden in seinem Unterleib und seinen Beinen.

Verwandte hatten gerade erst die Leiche seines drei Jahre alten Bruders für die Beerdigung abgeholt. Ein anderer Bruder, der 8-jährige Subhi, wurde um 18 Uhr immer noch vermisst.

Im gleichen Krankenhauszimmer lag der 6-jährige Mustafa Ali mit Granatsplitterverletzungen in Kopf, Hals und Schultern im Bett. Er war allein und wartete auf jemanden von seiner Familie, der ihn finden und abholen würde. Er erzählte mir, dass er gerade seine Verwandten besuchte hatte, als der Luftangriff passierte. Ein Nachbar sagte, dass die Verwandten des Kindes sehr schlimm verletzt worden seien und dass er nicht wisse, ob sie überlebt hätten.

In einem anderen Raum, wiederholte Fahad, ein 9-jähriger Junge mit einer üblen Granatsplitterverletzung an seinem linken Bein, gebetsmühlenartig: "Baba (Vater), Ich möchte nicht sterben, ich will nach Hause gehen." Er hatte Glück, dass seine Verletzung verglichen mit denen der anderen Kinder, die ich sah, nicht so schlimm waren.

Diese Kinder sind einige der Opfer des Angriffes mit mehreren Streubomben, der am Morgen des 1. März 2013 gegen die dicht besiedelte Wohnsiedlung in Aleppo durchgeführt worden war.

Bei dem Angriff wurden mindestens 19 Menschen getötet und über 60 verletzt. Wir werden die genaue Zahl der Toten und Verletzten wohl erst in einigen Tagen erfahren, da einige Familien aus Angst vor weiteren Angriffen aus dem Gebiet geflohen sind. Die Schwerstverletzten wurden in Krankenhäuser in der Türkei evakuiert, die anderen Verletzten wurden in verschiedenen Feldlazaretten außerhalb der Stadt behandelt. Viele der Opfer waren Kinder, die in den Straßen und Gärten der Siedlung spielten.

Der Angriff fand gegen 11.30 Uhr statt. Kurz danach kam ich in Aleppo an und ging sofort in die Gegend des Masaken-Hanano-Viertels, in den Osten des Stadtzentrums. Was ich dort sah, war viel schlimmer, als es die ersten Berichte vermuten ließen. Die syrische Luftwaffe hatte in der Mitte der großen Wohnsiedlung neun RBK-Streubomben aus sowjetischer Produktion abgeworfen. Jede dieser Bomben trug bis zu 150 Streumunitionen (sogenannte Bombletten) in sich.

Ich fand eine Bombe acht Meter entfernt von der Haustür eines Gebäudes, drei in einem kleinen Garten zwischen den Häusern, eine auf einem Dach, zwei auf einer kleinen, freien Fläche zwischen den Häusern, eine in der Mitte einer Gasse und eine in einem anderen Garten.

Außerdem fand ich überall Bombletten, die nicht explodiert waren: auf den Dächern von Häusern, auf den Bürgersteigen, in den Gassen und Gärten zwischen den Gebäuden. Anhänger bewaffneter Oppositionsgruppierungen, welche das Gebiet kontrollieren, füllten schnell einen Sack mit den Blindgängern, die überall herumlagen. Die Häuserwände waren mit Granatsplittern übersäht. Hier und dort gab es Löcher in den Wänden. Die tödliche Streumunition hatte die Wände durchschlagen und war in den Wohnungen der Menschen explodiert.

Noura, eine 20-jährige Frau, die ich in einem der Krankenhäuser traf, erzählte mir, dass sie in ihrer Wohnung verletzt wurde. Ihre Schwester, die neben ihr stand, fragte mich: "Warum unternimmt die Welt nichts, während wir weiterhin jeden Tag in Stücke gebombt werden, sogar in unseren Wohnungen?" Ich hatte keine Antwort.

Jeder, der diese erbarmungslosen wahllosen Angriffe befiehlt (einschließlich der Verwendung der international verbotenen Streubomben), und die Piloten, die diese Bomben abwerfen, tun dies in dem Bewusstsein, dass sie Kinder und andere Zivilisten, welche nichts mit dem Konflikt zu tun haben, töten und verstümmeln werden. Sie sollten auch wissen, dass sie eines Tages für solche Kriegsverbrechen zur Rechenschaft gezogen werden.

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