Pseudotropheus crabro: Die dunkle Seite des Hornissen-Buntbarsches

Die Buntbarsche des Malawisees erfreuen sich großer Beliebtheit unter den Aquarianern. Sie sind extrem farbenprächtig und gewöhnlich leicht zu pflegen und auch zu züchten. Weniger bekannt ist jedoch die Tatsache, dass etliche Malawi-Buntbarsche auch ein wahnsinnig interessantes Verhalten haben! Der Hornissen-Buntbarsch, Pseudotropheus crabro, ist eine der spannendsten Arten des riesigen Sees.

Zunächst einige allgemeine Hinter­grund­­infor­ma­tio­nen zum Hornissen-Bunt­barsch. Die Art wurde 1982 unter dem Namen Melanochromis crabro von Ribbink & Lewis wissenschaftlich beschrieben. Später wurde sie in die Gattung Pseudotropheus überführt, in der sie noch heute steht. P. crabro wird im Aquarium etwa 15 cm lang, im See bleibt er mit 9-12 cm erheblich kleiner. Die Ersteinfuhr erfolgte etwa zeit­gleich mit der wissenschaftlichen Be­­schreib­ung, also Anfang der 1980er Jahre. Die ersten Aqua­ristik-Importe erfolgten wohl aus­schließlich von den Mbenji-Inseln, die Art ist jedoch deutlich weiter im südlichen und mittleren Teil des Malawi-Sees verbreitet.

Der Hornissen-Buntbarsch – ein Chamäleon

Der Artname – crabro – ist der lateinische Name der Hornisse und beschreibt das nor­malerweise kontrastreiche gelbe Farb­kleid mit braunen Binden sehr gut. Aller­dings ist P. crabro zu einem blitzschnellen Farb­­wechsel fähig. Dann werden die Tiere sehr dunkel, alte Exemplare sogar fast völlig schwarz. Wegen dieses Farbwechsel­ver­mögens wurde P. crabro im Handel früher als Pseudo­tropheus ”Chameleo” bezeichnet. Der Sinn dieses Farbwechsels ist bis heute uner­forscht.

Normalerweise ist Pseudotropheus crabro leuchtend gelb mit braunen Binden. Photo: F. Schäfer
Die Fähigkeit, sich blitzschnell dunkelbraun bis schwarz zu verfärben führte zu der Be­zeichnung ”Chameleo”. Photo: Frank Schäfer

Der Putzerfisch

Zahlreiche der beliebtesten Malawi-Bunt­barsche sind Aufwuchsfresser, ernähren sich also von den Algenbelägen der Steine und der darin lebenden Mikroorganismen. Das führt bei manchen Aquarianern zu der falschen Vorstellung, alle Mbuna-Bunt­barsche – Mbuna nennt man die felsbe­wohnenden Arten – seien Aufwuchsfresser. Pseudotropheus crabro frisst keinen Auf­wuchs; er ist ein opportunistischer Alles­fresser mit Schwer­punkt auf Plankton. Man findet P. crabro vor allem in und bei Höhlen, am liebsten lebt er dort, wo der große Wels Bagrus merdionalis haust. Die einheimischen Anwohner am Malawisee nennen diesen wohlschmeckenden und häufigen, bis 150 cm lang werdenden Wels Kampango oder Kampoyo. Gewöhnlich wird dieser Wels aber nur rund 50 cm lang. Unser Hornissen-Bunt­barsch betätigt sich beim Kampango als Putzerfisch und frisst ihm die Karpfen­läuse (Argulus africanus) von der Haut. Sicher kann die Population von P. crabro nicht alleine davon leben; aber der große dunkle Wels ist so anziehend für P. crabro, dass der Buntbarsch sogar Tauchern in schwarzen Neopren-Anzügen folgt – offenbar hält er sie für Welse!

Der Hornissen-Buntbarsch und ein Kampango. Obwohl der ca. 40-45 cm lange Wels seine Jungbrut führt, duldet er den Putzerfisch. Die Aufnahme entstand bei Gome Rock. Photo: Andreas Spreinat
Das gleiche Tier wie oben. Deutlich sind die Jungwelse zu sehen. Photo: Andreas Spreinat
Etwa 20-25 cm langer Kampango. In dieser Größe sind die Tiere bräunlich mit einigen schwarzen Sprenkeln. Photo: Ingo Seidel

Der Eierdieb

Aber Pseudotropheus crabro bringt den Welsen nicht nur Nutzen, er beklaut sie auch ganz ordentlich. Kampangos betreiben Brut­pflege, beide Eltern bewachen Eier und Jungtiere. Grundsätzlich ist die Brutpflege der Bagrus meredionalis gut und erfolgreich. Aber gegen den dreisten P. crabro wehrt sich der Wels nicht: ungestraft klaut und frisst der Hornissen-Buntbarsch Eier und kleine Jung­tiere des großen Kampango.

Ein Rudel Pseudotropheus crabro im natürlichen Lebensraum (bei Penga Penga). Manche Tiere sind gelb-braun, andere sehr dunkel gefärbt. Im Hintergrund ein Kampango. Photo: Andreas Spreinat

Dient die Umfärbung der Tarnung?

Der Gedanke liegt nahe, dass der Hornissen-Buntbarsch die Farbe wechselt, damit der Kampango ihn bei seiner Eier- und Jung­fisch­klau-Aktion nicht erkennt. Will P. crabro putzen, signalisiert er das durch gelb-braun und der Wels versteht nicht, dass das dunkelbraune Tier, das seine Eier und Jungen frisst, der gleiche Fisch ist. So einfach ist die Sache aber nicht. Denn wie uns Andreas Spreinat (dem wir die fantastischen Unter­wasser-Aufnahmen, die diesen Artikel illustrieren, verdanken) erzählte, macht P. crabro sich gar nicht die Mühe, sich umzu­färben, wenn er auf Raub ausgeht. Er tut das nämlich auch in Hornissenfärbung! Die Sache scheint vielmehr so zu sein, dass der Nutzen für Bagrus durch das Putzer­verhalten von P. crabro so groß ist, dass Bagrus den Verlust an Eiern und Larven hin­nimmt. Der Wels tut das natürlich nicht be­wusst, er hat eine instinktive Fress­hemm­ung gegenüber dem Hornissen-Buntbarsch. Da­von profitiert auch eine andere Buntbarsch­art, nämlich Melanochromis baliodigma (früher als M. sp. ”Blotch” bekannt). Diese Art frisst am liebsten kleine Fische und Bagrus hat wohl Schwierigkeiten, ihn von dem Putzer zu unterscheiden. Allerdings frisst M. balio­digma lieber die Buntbarsch-Jungtiere, die den Bagrus als Leihmutter benutzen, als die Welsjungen. Der blitzschnelle Farbwechsel von Pseudo­tropheus crabro dient also nicht dazu, den Kampango zu foppen. Der Farbwechsel dient entweder der inner­artlichen Kommu­nikation oder aber auch schlicht der Tarnung vor Fressfeinden. Wie bereits eingangs er­wähnt, bevorzugt P. crabro Höhlen als Le­bens­raum. Ist der Fisch dunkel gefärbt, fällt er hier kaum auf und wird sicher schwerer von Fress­feinden er­beutet. Die auffällige Hor­nissenzeichnung braucht P. crabro aber, um als Putzer erkannt zu werden. Doch selbst wenn sich der Hornissen-Buntbarsch nur ab und zu, ohne erkenn­bar­en Grund, dunkel färbt, ist er in dieser Zeit vor Fressfeinden ei­niger­maßen sicher. Karpfenläuse können schwere, eventuell tödlich verlaufende Krankheiten auf die von ihnen gestochenen Fische übertragen. Mög­licherweise liegt hier der Schlüssel zum Ver­ständnis, warum der große Bagrus mere­di­o­nalis den Eier- und Jungfisch­diebstahl durch P. crabro toleriert. Die von Argulus aus­ge­hen­de Bedrohung ist offenbar wirklich groß!

Der räuberische Melanochromis baliodigma – hier bei Gome Rock – sieht manchen Färbungen von Pseudotropheus crabro sehr ähnlich. Nutzt der Fisch dies als Tarnung, um in Kampango-Nestern zu räubern? Photo: Andreas Spreinat

Leihmütter

Es wurde gerade schon geschildert, dass oftmals zahlreiche Buntbarschjunge das Bagrus-Nest mitbevölkern und die Bagrus-Eltern als Leiheltern ”missbrauchen”. Eine Studie (McKaye, 1985) zeigte, dass die Überlebensrate der Welsjungen um 80% höher liegt, wenn Buntbarsche (es handelt sich hauptsächlich um Copadichromis pleu­ro­stigmoides, Ctenopharynx pictus und Rhamphochromis sp.) im Nest sind. Wie das? Die meisten Raubfische des Malawisees bevorzugen junge Buntbarsche gegenüber jungen Welsen als Futter. Die Jungwelse profitieren also davon, dass junge Bunt­barsche in ihrem Nest wohnen!

Dieser Kampango (Bagrus meredionalis) dient jungen haplochrominen Buntbarschen als Leihmutter. Die Fresshemmung der Welse gegen Fische, die die Größe der eigenen Jungtiere haben, ist offensichtlich enorm. Die Jungwelse profitieren von der Gemeinschaft. Photo: Andreas Spreinat

Noch ein Kuckucksfisch

Erst kürzlich wurde bekannt, dass ein anderer Wels des Malawisees, der Kiemensackwels Bathyclarias nyasensis – von den Ein­heim­ischen ”Bombe” genannt – beim Kampango als Brutparasit agiert. Die jungen Bombe werden von den Kampango-Eltern voll­ständig akzeptiert. Das heißt, sie werden nicht nur verteidigt, sondern auch gefüttert. Weibliche Bagrus meredionalis produzieren nämlich zur Fütter­ung der Jungen unbe­fruchtete Nähreier. In den Mägen aller Bombe-Jungen, die man in Nestern von Kampango fand, befanden sich solche Nähreier. Auch die Männchen des Kam­pango füttern die Jungen. Sie bringen von Streifzügen Insekten, junge Krabben etc. mit, die sie zerkleinert durch die Kiemen­deckel ausstoßen und so die Jungen füttern. In den Kampango-Nestern, in denen Bombe leben, gibt es nur sehr wenige oder gar keine Kampango-Jungen. Es ist nicht bekannt, ob die Bombe-Eltern über Kampango-Nestern laichen, die jungen Bombe dann früher als die Kampango schlüpfen und ihre Stiefgeschwister fressen oder ob die Invasion der Kampango-Nester mit älteren Bombe-Jungfischen erfolgt. Sicher erscheint nur, dass es sich bei dem Bombe – Kampango – Verhältnis um ein echtes Parasiten – Wirts – Verhältnis handelt, das zu Lasten des Kampangos geht.

Bathyclarias nyasensis, der Bombe, betreibt Brut-Parasitismus bei Bagrus meredionalis, dem Kampango. Photo: Andreas Spreinat
Es gibt acht Arten der Gattung Bathyclarias im Malawisee. B. nyasensis ist die häufigste. Photo: Andreas Spreinat
Bathyclarias nyasensis kann recht groß wer­den, Längen bis zu 1 m sind bekannt. Photo: Andreas Spreinat

Das, liebe Leser, sind nur ein paar Ge­schich­ten rund um einen Malawi­buntbarsch. Zeigt das nicht deutlich, dass diese Fische weit mehr zu bieten haben als nur bunte Farben?­

Frank Schäfer

Literatur: Konings, A. (1989): Malawi Cichliden in ihrem natürlichen Lebensraum. Verdujin Cichlids, Zevenhuizen

McKaye, K. R. (1985): Cichlid-catfish mutualistic defense of young in Lake Malawi, Africa. Oecologia (Berlin) 66: 358-363

Stauffer, J. R., Jr. & W. F. Loftus (2010): Brood parasitism of a bagrid catfish (Bagrus meredionalis) by a clariid catfish (Bathyclarias nyasensis) in Lake Malawi, Africa. Copeia 2010 (1): 71-74


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Über den Autor Frank Schäfer

Frank Schäfer, geboren 1964, Biologe, seit frühester Jugend Tier- und Pflanzenhalter aus Leidenschaft. Sein besonderes Interesse gilt seit jeher den Fischen, aber Reptilien, Amphibien, Wirbellose, Kleinsäuger und Vögel sowie eine Vielzahl von Pflanzen begeistern ihn ebenso.

Seit 1980 Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde Hottonia e.V., dort seit 1982 auch immer wieder Vorstandsämter (Gartenwart, Redakteur der Vereinszeitschrift, 1. Schriftführer), seit 1982 Mitglied in der Internationalen Gemeinschaft für Labyrinthfische (IGL), seit 1992 auch im European Anabantoid Club (EAC). Erste Fachartikel über Pflege und Zucht von Puntius vittatus, Macropodus opercularis, Trionyx ferox und Polypterus senegalus in der Hottonia-Post 1981; erste große Fischfangreise in die Tropen 1983 nach Sumatra, worüber anschließend zahlreiche Aufsätze in der Hottonia-Post, der Zeitschrift „Der Makropode“ und „Das Aquarium“ erschienen; von da an regelmäßig Publikationen in vielen aquaristischen Fachzeitschriften, sowohl national wie auch international. Seither außerdem jährlich mehrere Dia-Vorträge auf nationalen und internationalen Tagungen.

Studium der Biologie in Darmstadt von 1984-1989, Abschluss als Diplom-Biologe mit den Prüfungsfächern Zoologie, Botanik, Ökologie und Psychologie. Diplomarbeit bei Prof. Ragnar Kinzelbach zum Thema „Wirtspezifität der Glochidien von Anodonta anatina“.

Zahlreiche Fang-, Sammel- und Studienreisen in das europäische Ausland, die Türkei, Sambia und vor allem Indien; Forschungsschwerpunkt ist die Süßwasserfischfauna des Ganges mit dem Ziel einer kompletten Revision der Arbeit von Francis Hamilton (1822): An account of the fishes found in the river Ganges and its branches. Edinburgh & London. Wissenschaftliche Erstbeschreibung von Oreichthys crenuchoides und gemeinsam mit Ulrich Schliewen von Polypterus mokelembembe. Wissenschaftliche Besuche und kurzzeitige Arbeiten in den zoologischen Sammlungen von London, Paris, Brüssel, Tervueren, Wien, Berlin, Frankfurt und München.

Seit 1996 bis heute Redakteur bei Aqualog und wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fischbestimmung bei Aquarium Glaser, Rodgau. In dieser Zeit verantwortlich als Autor oder Co-Autor von über 20 Büchern und über 400 größeren Fachartikeln, nicht nur bei Aqualog, sondern bei nahezu allen deutschsprachigen Fachverlagen, vereinzelt auch in internationalen Publikationen. Seit 2009 Betreuung der Homepage und des Newsletters bei Aquarium Glaser mit 3-5 Posts pro Woche. Nach wie vor leidenschaftlicher Tier- und Pflanzenpfleger, quer durch den Gemüsegarten: Aquaristik (Süß- und Seewasser), Terraristik, Teichpflege, Kleinvögel.

Frank Schäfer ist verheiratet und hat zwei Töchter, die 1989 und 1991 geboren wurden.

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