Intelligenz-Verlust durch verbleites Benzin
US-Amerikaner verlieren 824 Millionen IQ-Punkte

Nach einer Studie hat die Luftverschmutzung durch verbleites Benzin in den USA massive Auswirkungen auf die Gehirn-Leistung der Amerikaner. Dies geht aus einer Studie der Duke University für Psychologie und der Florida State University hervor.

US-Amerikaner Zapfsäule
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Demnach waren mehr als 170 Millionen Amerikaner, mehr als die Hälfte der Bevölkerung, in ihrer Kindheit den Abgasen von Blei-Kraftstoff ausgesetzt. Im Verlaufe ihres Lebens, so die Berechnungen der Forscher, haben die Betroffenen insgesamt 824 Millionen IQ-Punkte verloren.

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Blei vermindert die Intelligenz

Seit 1996 ist verbleites Benzin in den USA verboten. Entsprechend ist vor diesem Zeitraum die Bevölkerung den giftigen Abgasen ausgesetzt gewesen. Besonders betroffen sind nach Angaben der Forscher Personen, die in den 1960er und 1970er Jahren aufgewachsen sind, als die Bleibelastung besonders hoch war. Blei gilt als hochtoxisch, kann Gehirnzellen zerstören, schädigt das Nervensystem sowie Nieren und Darm. Das Schwermetall beeinträchtigt speziell bei Kindern die Gehirnentwicklung und die kognitive Leistungsfähigkeit. Schon bei einer geringen Belastung sind psychosomatische Störungen und eine verminderte Intelligenz möglich.

USA Verbleites Benzin
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Verbleites Benzin wurde in den USA bis 1996 angeboten

"Blei kann in den Blutkreislauf gelangen, sobald es als Staub eingeatmet, verschluckt oder in Wasser aufgenommen wird", sagt Aaron Reuben, Doktorand an der Duke University und Mitautor der Studie. "Im Blutkreislauf kann Blei durch die Blut-Hirn-Schranke ins Gehirn gelangen. Diese ist eigentlich ziemlich gut darin, viele Giftstoffe und Krankheitserreger vom Gehirn fernzuhalten, aber eben nicht alle." Der Zusammenhang zwischen Bleibelastung im Blut und geringeren IQ-Werten sei gut untersucht, betont das Forscher-Team.

Kritische Konzentration bei 170 Mio. Amis überschritten

Um die komplexe Frage zu beantworten, wie die Verwendung von verbleitem Benzin über mehr als 70 Jahre die menschliche Gesundheit nachhaltig geprägt haben könnte, entschieden sich Reuben und seine Co-Autoren Michael McFarland und Mathew Hauer, beide Professoren für Soziologie an der Florida State University, für eine einfache Herangehensweise. Sie nahmen die öffentlichen verfügbaren Daten über Bleiblutwerte (Blood Lead Level, BLL), die seit 1976 im Rahmen des National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES) untersucht werden, und rechneten zusammen mit dem Benzin-Verbrauch und den Emissionen sowie Bevölkerungsstatistiken die Blei-Exposition hoch.

Demnach hatten im Jahr 2015 mehr als 170 Millionen Menschen BLL-Werte über 5 Mikrogramm Blei in einem Deziliter Blut (µg/dL). Mehr als 54 Millionen Personen wiesen sogar über 15 µg/dL auf, bei mehr als 4,5 Millionen Menschen lag der Wert gar über 30 µg/dL. Bei 90 Prozent der zwischen 1951 und 1980 geborenen Amerikanern liegt die Konzentration über der als kritisch angesehenen Marke von fünf Mikrogramm, die 2021 sogar auf 3,5 µg/dL abgesenkt wurde. Bei 78 Prozent der zwischen 1966 und 1970 Geborenen lagen die Wert in der Kindheit sogar über 15 µg/dL. Zum Vergleich: US-Bürger die von 2001 an geboren sind, haben fast alle Werte unterhalb der kritischen Marke.

Bis zu 7 IQ-Punkte weniger

Die Bleibelastung im Kindesalter führte zu einem durchschnittlich bleibedingten Verlust an kognitiven Fähigkeiten von 2,6 IQ-Punkten pro Person. Dies entspricht einem Gesamtverlust von 824.097.690 IQ-Punkten. Wobei am stärksten die Jahrgänge 1966 bis 1970 betroffen sind – ca. 20 Millionen US-Amerikaner haben pro Kopf 5,6 IQ-Punkte nach der Rechnung der Forscher verloren. Je nach Luftverschmutzung in einigen Bereichen können es auch bis zu sieben Punkte sein. "Wir können mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass die große Mehrheit der in den 1960er bis 1980er Jahren geborenen Menschen einen bedeutsamen IQ-Verlust durch die Bleibelastung erlitten hat", so die Studienautoren. Besonders bei Personen von unterdurchschnittlicher Intelligenz kann der Verlust von bis zu sieben IQ-Punkten schnell den Bereich der geistigen Behinderung erreichen.

Übrigens: In der Vergangenheit hat es bereits Studien gegeben, die von einem geringeren IQ-Verlust durch Blei ausgingen. Diese bezifferten den volkswirtschaftlichen Schaden auf 165 bis 319 Milliarden US-Dollar.

Übrigens 2.0: Mitte 2021 wurde der letzte Liter Blei-Benzin in Algerien "vertankt". Nach Schätzungen der UN hat das Aus von verbleitem Benzin jährlich mehr als 1,2 Millionen Menschenleben gerettet und gleichzeitig 2,44 Billionen US-Dollar (2,07 Billionen Euro) an Gesundheitskosten einspart. In Deutschland wurde verbleites Benzin ab 1988 verboten, verbleites Super-Benzin gab es bis 1996.

Übrigens 3.0: Welche Autos die Amis gerne fahren, sehen Sie in der Fotoshow.

Fazit

Die Auswirkungen der Luftverschmutzung durch verbleites Benzin auf die Intelligenz haben nun Forscher ermittelt. Besonders US-Amerikaner aus den Geburtjahrsgängen 1966 bis 1970 waren einer hohen Blei-Dosis in der Luft ausgesetzt. Das Schwermetall minderte die Leistungsfähigkeit um mehr als fünf Prozentpunkte. Das erscheint pro Kopf wenig, in der Hochrechnung haben mehr als 170 Millionen Amerikaner mehr als 824 Millionen Intelligenzpunkte durch Blei-Exposition eingebüßt.