Renault Captur: Kaufberatung
Lässig bis zum Schluss
Es muss nicht immer avantgardistisch zugehen: Frankreich ist schließlich für gekonntes Laisser-faire berühmt – ein Credo à la "wird schon passen". Das funktioniert bestens beim Bau von sinnvoll-pragmatischen Kleinwagen.
Kleinwagen? Mon dieu, der Captur ist ein Crossover im SUV-Look! Das sagt zumindest Renaults PR-Abteilung. Andererseits versteht die Grande Nation schließlich auch ein Croissant mit Kaffee als vollwertiges Frühstück ... Im pragmatischen Deutschland geht's im Segment des Renault Captur vielmehr um Brot und Butter. Der SUV-Anstrich mag modisch erscheinen, doch der einzig wahre Crossover-Aspekt des Captur bezieht sich auf die Kreuzung aus Kleinwagen und Minivan – ganz wie es schon bei seinem Vorgänger, dem Modus, der Fall war. Heute wie damals bekommt der Käufer eine Clio-Plattform mit einer geräumigen Karosserie und bequem hohem Einstieg, ohne die Längen- und Breitengrade des Kleinwagensegments zu verlassen. Das ist ein Konzept, welches auf identische Weise seinen Urahnen Renault 4 über 31 Jahre und mehr als acht Millionen Mal zum Verkaufsschlager machte.
Nervig: Details, die den Captur eigenständig machen sollen
Schon der R4 wirkte spätestens nach den ersten zehn Jahren, Pardon, recht simpel – innen wie außen. Auch wenn der Captur äußerlich auch zum Schluss seines Modellzyklus noch frisch wirkt, konnte er schon bei seinem Debüt 2013 im Innenraum nicht jeden überzeugen. Die harten Kunststoffe sind nicht schuld; sie sind sauber verarbeitet und gehen in der Preisklasse des Captur (ab 16.290 Euro) in Ordnung. Die Bedienung ist zwar französisch-verschroben, könnte aber – mit Blick auf größere Renault – noch deutlich schlimmer sein. Wirklich nervig sind die Details, anhand derer der Captur eigenständig wirken soll. Ein Handschuhfach als Schublade etwa; klingt zunächst praktisch, ist aber bei besetztem Beifahrersitz kaum nutzbar. Dank Federkraft stößt der Deckel zudem heftig gegen die Beine des Beifahrers. Stauraum an der Sitzrückseite wird seit der automobilen Steinzeit durch simple Taschen gewährleistet. Nicht so beim Captur: Er besitzt stattdessen zickzackig geschnürte Gummizüge. Packen Sie hier mal Utensilien für Kinder oder dünne Papiere rein! Wie im kürzlich abgelösten Plattformbruder Clio mimt ein teildigitales Kombiinstrument technische Finesse. In Wahrheit gibt's einen ruckelnden Tacho im Radioweckerstil und zwei winzige Infozeilen.
Überblick: Alles zum Renault Captur
Vier Erwachsene haben genügend Platz
Sacrebleu, der R4 hatte nicht mal Kurbelfenster und wurde trotz unpraktischer Schiebescheiben in aller Welt geliebt. Da trübt auch Detailunfug wie das zuvor Genannte die Erfolgsgeschichte des Captur kaum. Denn Fahrwerk und Sitze sind komfortabel, seine Ausstattungen zweckmäßig und vernünftig bepreist, seine Platzverhältnisse genügen auch vier Erwachsenen ohne allzu große Abstriche. Hinten geht zwar die Beinfreiheit durchaus in Ordnung, dafür ist es um die Kopffreiheit ab 1,85 Metern mau bestellt – für die meisten kein Problem, der Autor dieser Zeilen hatte aber seine liebe Not. Der Kofferraum: ohne Fehl und Tadel. 377 bis 1235 Liter sind große Klasse, und mit immerhin 411 Kilo Zuladung schleppt der 1,2-Tonner sogar ein Drittel seines Leergewichts weg.
Schalten und das folgende Gasgeben sind keine Glanzleistungen
Dabei hilft ihm das gut aufgestellte Motorenprogramm. Schon der Basismotor mit quirligen 90 PS legt mit 140 Newtonmeter Drehmoment emsig los, der gleich starke Diesel tut es ihm gleich und ergänzt den entspannten Captur-Charakter um schaltfaule Fahrbarkeit. Schalten und besonders das folgende Gasgeben gehören indes nicht zu den Glanzleistungen des Renault. Der Schalthebel wirkt lustlos-labberig geführt, und die Abstimmung des elektronischen Gaspedals geriet so seltsam, dass gerade beim Benziner die Leistung zwischen 2000 und 3000 Touren – etwa beim Einsatz des Turboladers – nicht gefühlvoll dosierbar ist. Dieser Punkt nervte auf unseren Testfahrten mit Abstand am meisten. Hier schafft die optionale Sechsgang-Doppelkupplungs-Automatik Abhilfe, die für den Diesel sowie das 130-PS-Topmodell mit 1,3-Liter-Vierzylinder erhältlich ist. Letzterer geht zwar noch zügiger zur Sache als der Dreizylinder, ist aber in der Praxis kaum notwendig. Ein Rennwagen wird nicht aus dem Captur, dafür ist er zu weich gefedert. Nicht falsch verstehen, wir schätzen seine kommode Abstimmung und würden uns mehr Kleinwagen mit so viel Fahrkomfort wünschen.
Fahren wie Gott in Frankreich
Fahrkomfort ist die größte Stärke des Captur, ergo sollten auch Sonderausstattungen darauf fokussiert sein. Die Preise dafür sind fair gewählt. In Anbetracht der angebotenen Linien ist aber Vorsicht geboten. Wir empfehlen den Limited ab 18.290 Euro. Er bietet mit Klimaanlage und Radio alle Notwendigkeiten für den Alltag und lässt kaum Optionen außen vor. Alles darüber – also Intens, Bose Edition und Version S – konzentriert sich auf Luxus. Alcantarapolster, Klimaautomatik, Soundsystem – das braucht wohl kaum ein Captur-Kunde. Ähnlich wie ein Rennwagen wird aus ihm nämlich auch kein Luxusschlitten.
Fazit
Die beliebtesten Motoren erreichen keine aktuelle Abgasnorm. Im September 2019 ist Schluss mit dieser Captur-Generation, da erneuert Renault nicht mehr viel. Wer unbedingt 6d-Temp will, muss den Vierzylinder-Benziner nehmen. Ein unspektakuläres Ende für den nicht perfekten, aber recht liebenswerten Franzosen.
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