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Frau Merkel und die sieben Ferkel

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Walter Plathe: „Otto Reutter war eine Mischung aus Heino und Klaus Wowereit.“
Walter Plathe: „Otto Reutter war eine Mischung aus Heino und Klaus Wowereit.“ © -

Gardelegen - Von Stefan Schmidt. „Otto find´ ich gut.“ Walter Plathe, Schauspieler und Fernsehstar, verneigte sich am Montagabend zwei Stunden lang auf der Gardelegener Schützenhaus-Bühne vor dem berühmtesten Sohn der Stadt, vor Otto Reutter. Jeder der 370 Zuschauer entschied nach dem kurzweiligen Abend: Walter find´ ich auch gut.

Er ist ein Meister der Pausen. Ein gelernter Schauspieler eben. Walter Plathe, in Berlin geboren, unterhielt am Montagabend das Publikum im Gardelegener Schützenhaus zwei Stunden lang mit einem Otto-Reutter-Programm. Reutter, in Gardelegen zur Welt gekommen und in Berlin zur Berühmtheit geworden, hing als Porträt im Hintergrund. Und Plathe war einen Abend lang Otto Reutter. Auch körperlich ähnelt der 59-Jährige dem 1931 verstorbenen Couplet-Sänger immer mehr. An Schauspielkunst ist Plathe seinem historischen Vorbild ohnehin fast gleichwertig.

Wie eben bei den Pausen. Als ein Großteil des Publikums einen Couplet-Satz zu Ende spricht, während Plathe mal wieder eine Kunstpause einlegt, findet es der Mann auf der Bühne „schade, dass es die Fischer-Chöre schon gibt“. Aber man könne ja mit den Gardelegenern „die „Plathe-Chöre gründen“ schlägt er vor. „Wir machen eine schöne Bädertournee – dann kommen ´se auch mal raus aus diesem Nest hier.“

Die Menschen in dem Nest lagen Plathe und seinem kongenialen Partner am Piano, dem Riesaer Peter Buchheim, zu Füßen. Vor allem bei der Mutter aller Couplets, dem äußerst schwierigen „Überzieher“, an den sich längst nicht alle Reutter-Darsteller heranwagen. Plathe tut es. Und brilliert nicht nur mit dem hochkomplizierten Text, sondern auch mit Gesten – und mit Plathes Pausen. Einfach genial, wie der Fernseh-Landarzt den armen Herrn Fichte darstellt, der für 49,80 Mark einen Überzieher erwirbt und nun in der Kneipe peinlich genau darauf achtet, dass ihm das gute Stück nicht stiebitzt wird. Auch dann, als es ihn pressiert. Doch Fichte setzt Prioritäten: Lieber´n Fleck als den Überzieher weg.

Otto Reutter, das machte Walter Plathe zwischendurch klar, war auch stets aktuell, las täglich die Zeitung, hockte in Gaststuben, um dem Volk aufs Maul zu schauen. Was Reutter wohl heutzutage so von sich geben würde? Plathe wagte den Versuch, auch mit Blick auf die Regierung in seinem geliebten Berlin („Mir scheint, als hätten sich nach der Wende alle schlechten Architekten dieser Welt zusammengetan und gesagt: Lasst uns was in Berlin machen“): „Ein Saustall hat sieben Ferkel – Deutschland hat Frau…“

Leider, so Walter Plathe mit Bedauern im Blick aus seinem vollbärtigen Gesicht, gebe es den Berliner Wintergarten unweit des Bahnhofs Friedrichstraße nicht mehr. Aber vielleicht komme ja mal ein reicher Bürger und baue das Etablissement wieder auf. „Aber ich befürchte“, so Plathe in Anspielung an die unzähligen Schnellimbisse in der Millionenstadt, „da kommt höchstens der Bürger King.“

Das Grab von Otto Reutter auf dem Gardelegener Friedhof hat Walter Plathe vor einigen Jahren auch schon besucht. „Ich habe einen für meine Verhältnisse richtig großen Blumenstrauß hingelegt und gesagt: Otto, herzlichen Dank dafür, dass ich mit Dir noch so viel Geld verdienen darf.“

Im Schützenhaus am Montagabend war Walter Plathe jede Mark wert.

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