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„Burgherr“ Rambo wacht über Drachen

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In mühevoller Kleinarbeit entstand der siebeneinhalb Meter hohe Turm und die sich anschließenden sechzig Zentimeter dicken Mauern. Die „Burganlage“ ist noch nicht fertig. Der Erbauer hat noch viele Ideen für sein Grundstück. Fotos (5): Reuter
In mühevoller Kleinarbeit entstand der siebeneinhalb Meter hohe Turm und die sich anschließenden sechzig Zentimeter dicken Mauern. Die „Burganlage“ ist noch nicht fertig. Der Erbauer hat noch viele Ideen für sein Grundstück. Fotos (5): Reuter © -

Möringen. Wer mit der Bahn von Gardelegen nach Stendal fährt, der streift unausweichlich das Mittelalter.

Kilometerpunkt 11,8 bei Möringen: Ein aus Feldsteinen gemauerter Burgturm ragt siebeneinhalb Meter in die Höhe, sechzig Zentimeter dicke Mauern schließen sich an, Zinnen sind zu erkennen, ein Porzellandrache auf einem Vorsprung der Burg grüßt die Bahnfahrer. So mancher Reisende mag vielleicht schon an eine Fata Morgana geglaubt haben. Wenn auch in kleinerem Format, so ist die Burganlage dennoch real. Errichtet wurde sie in den vergangenen zwölf Jahren in mühevoller Kleinarbeit. Und sie ist noch nicht fertig.

Der Burgherr möchte aus beruflichen Gründen lieber nicht namentlich in der Zeitung genannt werden. Er hat für sich neben seiner Arbeit eine kleine „Oase“ bei Möringen geschaffen. Die vielen hunderte zusammengetragenen Feldsteine aufeinanderzuschichten, damit Stück für Stück eine kleine Burg in die Höhe wächst, war für ihn „ein positiver Stress“, bei dem er abschalten konnte, berichtet er. „Sicher gibt es auch Menschen, die sagen, dass ich eine kleine Macke habe, weil ich mir einen Burgturm in den Garten gebaut habe, aber wenn schon“, fügt er an. Die Idee mit der Burg kam nicht von ungefähr. Seit vielen Jahren ist der Besitzer ein Fan vom Mittelalter und seiner Architektur. „Das hat sicher mit meinem gelernten Beruf des Malers zu tun, dass ich mich für Gebäude, besonders früherer Jahrhunderte, begeistern kann“, meint er. Aber der Erbauer will ganz ehrlich sein, eigentlich sollte die Burg zunächst nur eine Hundehütte für Rambo, seinem Schäferhund-Mischling, werden. Er ist der heimliche Burgherr.

Vor zwölf Jahren erwarb der Festungserbauer eines der an den Gleisen stehenden Häuser bei Möringen. Das Gebäude war sanierungsbedürftig. Fotografien aus den Jahren, in denen am Haus noch nichts gemacht ist, und die als Collage in einem Bilderrahmen zusammengestellt sind, berichten vom maroden Zustand des Gebäudes, das der Burgherr auch selbst renovierte. Auf dem Gelände neben dem Haus, war ein alter, gemauerter Hühnerstall zu finden. Teie seiner Außenmauer stehen auch noch heute. Aus dem Stall, so plante der Burgherr es mit seinem Sohn, sollte das neue Domizil für den Rüden Rambo werden. Der Hühnerstall wurde weitestgehend abgetragen, die ersten Feldsteine verbaut. Wie sich diese am besten aufeinanderschichten lassen und wie sie verfugt werden müssen, dazu hatte der gelernte Maler schon erste Erfahrungen sammeln können. Hinterm Haus hatte er bereits eine Feldsteinmauer errichtet und auch eine Pergola wurde im Mittelalter-Look gestaltet. Als Vater und Sohn an der Hundehütte arbeiteten und sie für Rambo auch ein Fenster in seinem neuen Domizil mauerten, kam ihnen der Gedanke mit der Burg. „Die Öffnung hatte die Form einer Schießscharte, wie sie in Festungen zu finden sind“, berichtet der Erbauer. Und so kam es, dass aus der Hundehütte eine mittelalterliche Wehranlage wurde. Skizzen entstanden, wie einmal der Turm und die sich anschließenden Mauern aussehen sollten. Zwei Jahre arbeiten Vater und Sohn unaufhörlich an der Burg. Nicht ab und an, sondern täglich drei, vier Stunden – bei Wind und Wetter. „Ich stand auch schon im November auf dem Gerüst und verputzte die Turmmauer“, erzählt der Burgherr. Seine Lebensgefährtin habe ihm stets die Freiräume für sein Hobby gelassen. „Das ist nicht selbstverständlich und war auch mit Entbehrungen verbunden“, sagt der Mittelalterfan. Und die Lebensgefährtin wird auch in Zukunft auf ihren Freund des Öfteren verzichten müssen. Denn der Burgherr hat immer wieder neue Ideen, was er in und um sein Haus gestalten möchte. Es sind auch die vielen Details, die neben der Burg das „Anwesen“ zu einer kleinen Attraktion machen. So hat der Eigentümer auch eine Feldsteinsäule, auf dem ein Vogelhaus zu finden ist, und einen Brunnen gemauert. Der Zauberer Merlin wacht auf einer Treppenstufe, Statuen antiker Figuren stehen verteilt im Garten und immer wieder sind Drachen auf dem Grundstück zu entdecken. Aus Bronze und Porzellan. Einer von Ihnen speit statt Feuer Wasser und füllt damit einen Graben, der um eine aufgeschüttete Anhöhe verläuft. Auf dieser steht ein Burgmodell. Dieses wurde von einem Patienten des Maßregelvollzugs in Uchtspringe geschaffen, so wie andere Figuren im Garten auch. Der Burgherr hat sie für seine „Oase“ erwerben können. In Auftrag geben konnte er auch verschiedene Holzarbeiten bei der Tischlerei der Salus-Einrichtung in Uchtspringe. So etwa das hölzerne Tor, durch das Burgherr und Besucher auf das Grundstück gelangen. Denn wie es sich für eine Festungsanlage gehört, soll auch der Eingang standesgemäß sein.

Es kommt häufiger vor, dass Besucher den Weg zum Grundstück finden, erzählt der Burgherr. Auch schon Gäste von weiter weg, die auf die ungewöhnliche Grundstücksgestaltung aufmerksam wurden, schauten sich um und hörten die Geschichte, wie es zum Turmbau kam. Und auch von den Plänen, was sich der Burgherr noch vorgenommen hat. Denn noch gibt es reichlich Feldsteine. Sie sammelt der Burgherr in Absprache mit den Landwirten auf Feldern. Der Großteil stammt aus Nahrstedt. Damit lässt sich noch locker ein weiterer Turm bauen. „Das ist aber Zukunftsmusik“, meint der Burgherr. Einen besonderen Stein, den der Möringer von einem Sammler während eines Urlaubs geschenkt bekommen hat, wird er aber nicht verbauen. Bei dem Ziegel soll es sich um einen 700 Jahre alten Stein handeln, der zu einem Klostergebäude gehörte. Der rostrote Quader ist das Einzige, was tatsächlich aus der Zeit der Ritter und Mägde stammt. Er hat jedoch den richtigen Platz am Kilometerpunkt 11,8 bekommen. Dort, wo die Züge das Mittelalter streifen.

Von Norman Reuter

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