Albrecht Dürer, der bedeutendste Maler der deutschen Renaissance, haderte zu Lebzeiten mit seiner Stellung als Künstler. Seine Selbstporträts zeigen einen selbstbewussten Mann, der sich nicht scheute, für seine Kunst neue Wege zu gehen.
"Hier bin ich Herr, daheim ein Schmarotzer." Diese Erkenntnis ereilte Albrecht Dürer bei einem Aufenthalt in Venedig 1505-1507. In der Lagunenstadt mit ihrer ausgeprägten Kunstszene war ihm schmerzlich vor Augen geführt worden, wie sehr Italien seine großen Künstler als Genies feierte und verehrte, während er in seiner Heimatstadt Nürnberg noch immer den Status eines besseren Handwerkers innehatte.
Dabei war Dürer zu diesem Zeitpunkt tatsächlich eine Berühmtheit in Europa, dem sein guter Ruf nach Italien bereits vorausgeeilt war. Diesen Umstand hatte er nicht nur seinem herausragenden Talent zu verdanken, sondern auch dem Willem, neue Wege zu gehen.
Geboren wurde Albrecht Dürer am 21. Mai 1471 in Nürnberg als drittes der insgesamt 18 Kinder von Albrecht Dürer d.Ä. und dessen Frau Barbara Holper, von denen jedoch nur drei Söhne das Erwachsenenalter erreichten. Albrecht Dürer d.Ä. stammte aus einer Goldschmiedefamilie in Ungarn und hatte sich 1455 in Nürnberg niedergelassen, wo er dreizehn Jahre später die Bürgerrechte erwerben und die Tochter seines ehemaligen Arbeitgebers heiraten konnte. 1468 erhielt er von der Stadt Nürnberg die Meisterrechte.
Für seinen Sohn hatte Albrecht Dürer d.Ä. ebenfalls eine Karriere als Goldschmied im Sinn, weshalb Albrecht ab seinem dreizehnten Lebensjahr in der Werkstatt seines Vaters lernte und mitarbeitete. Sein zeichnerisches Talent machte sich bereits zu jener Zeit bemerkbar und wird am besten durch das 1484 mit Silberstift entstandene Selbstporträt dokumentiert.
Lesen Sie auch: Früh übt sich: Die ersten Werke berühmter Künstler
Um das Talent Albrechts zu fördern, gab ihn sein Vater 1486 beim Nürnberger Maler und Holzschnittmeister Michael Wolgemut in die Lehre, wo die Grundlagen für Dürers spätere Karriere als Grafiker gelegt wurden. 1490 folgte eine vierjährige Zeit der Wanderschaft am Oberrhein, die ihn nach Colmar, Basel und Straßburg führte, wo 1493 mit Selbstbildnis mit Eryngium ein weiteres Selbstporträt entstand. Die Distelpflanze, die der damals 22-jährige Dürer in der Hand hält, wird einerseits als Versinnbildlichen der Passion Christi gedeutet oder nach ihrem deutschen Namen Mannstreu als Hinweis auf Dürers bevorstehende Vermählung, die sein Vater während seiner Abwesenheit arrangierte.
Die Hochzeit mit Agnes Frey (1475-1539) am 7. Juli 1494 bedeutete einen gewissen gesellschaftlichen Aufstieg für den Sohn eines Einwanderers, denn die Mutter der Braut entstammte einer angesehenen Patrizierfamilie. Wie harmonisch die Ehe von Agnes und Albrecht war, lässt sich nur schwer deuten. Hin und wieder scheint es Konflikte gegeben zu haben und die Ehe blieb kinderlos. Dennoch war Agnes wiederholt Gegenstand von Dürers künstlerischer Entfaltung. Zudem unterstütze sie ihn auch geschäftlich und begleitete ihn 1520/21 auf der Reise in die Niederlande.
Lesen Sie auch: Von der Muse geküsst
Trotz seiner jungen Ehe machte sich Albrecht Dürer 1494/95 auf den Weg über die Alpen und besuchte Innsbruck, Trient und Arco. Ob er es bei diesem Italienaufenthalt auch nach Venedig geschafft hat, ist umstritten. Die Reise bot ihm dennoch einen ersten Einblick "vor Ort" in die norditalienische Kunstszene, die ihn beeindruckte und zu seinem neuen Selbstverständnis betrug.
Dieses manifestierte sich drei Jahre nach seiner Rückkehr in seine Heimatstadt Nürnberg mit einem weiteren Selbstporträt. Dürer zeigte sich dort in sehr eleganter Kleidung. Er stellte sich als humanistisch geprägten und gebildeten Mann dar, dessen Profession ihn über den gewöhnlichen Handwerkerstand emporhebt. Als Hintergrund wählte er eine Bergkulisse, die er zuvor auf seiner Reise, auf der ihn die Gipfel der Alpen äußerst beeindruckt hatten, in Aquarellen und Zeichnungen festgehalten hatte.
Besitzen Sie ein Kunstwerk und möchten wissen, wie viel es wert ist? Finden Sie es noch heute heraus!
Das Jahr 1497, in dem er mit der Arbeit an dem Selbstbildnis begann, war sehr bedeutsam, denn er machte sich selbstständig. Der Erfolg seines Selbstporträts zog einige Auftragsarbeiten nach sich. Wichtiger jedoch als die Malerei war für den gelernten Goldschmied Albrecht Dürer der Holzschnitt und vor allem der Kupferstich. Eine der frühesten Arbeiten ist hierbei die 15 Holzschnitte umfassende Die heimlich offenbarung iohannis von 1498, bei der Dürers großes grafisches Talent mit einer Detailgenauigkeit, die Ihresgleichen suchte, schon stark zum Ausdruck kam.
Lesen Sie auch: Drucke: Eine andere Art, Kunst zu sammeln
Die Meisterschaft Dürers im grafischen Bereich führte dazu, dass Kupferstichen und Holzschnitten, die zuvor lediglich als Buchillustrationen gedient hatten, einen eigenständigen Charakter bekamen. Zudem erkannte Dürer, wie sehr die Drucke zu seiner Bekanntheit und der Verbesserung seiner wirtschaftlichen Situation beitragen konnten. Denn sie hatten gegenüber der Malerei einen Vorteil: Sie konnten wiederholt angefertigt und verkauft werden. Diese Erkenntnis hatten vor ihm bereits einige italienische Künstler gehabt. Diese beschränkten sich jedoch auf Reproduktionen ihrer gemalten Werke. Albrecht Dürer ging noch einen Schritt weiter und schuf eigenständige grafische Werke. Ehefrau Agnes erwies sich als große Unterstützerin: Sie verkaufte die Drucke auf dem Nürnberger Wochenmarkt oder bot sie auf diversen Messen an.
Die Druckverfahren hatten jedoch nicht nur Vor- sondern auch Nachteile: Sie waren leicht zu fälschen. Um sich davor zu schützen, erwirkte Dürer später einen Freibrief von Kaiser Maximilian I., der ab 1510 sein Förderer und wiederholter Auftraggeber war. Die Urkunde schützte nicht nur Dürers Werk vor Plagiaten, sondern auch sein typischen Monogramm "AD", mit dem er seine Arbeiten signierte.
1505 begab sich Albrecht Dürer erneut auf Reisen. Sein Ziel war Venedig, wo er neue Impulse und Aufträge erhielt. Ganz seiner Ausbildung als Goldschmied und Grafiker entsprechend, fertigte Dürer seine Gemälde derart an, dass die Form aus der Linie entstand - eine Art zu malen, wie sie, ausgehend von Florenz - auch nördlich der Alpen weit verbreitet war. Die in Venedig ansässigen Meister wie Tizian oder Bellini gaben hingegen der Farbe den Vorzug - eine Vorgehensweise, die Dürer zumindest teilweise übernehmen sollte.
Lesen Sie auch: Dorotheum erzielt Spitzenpreis für Tizian-Gemälde
Deutlich wurde dies bei einer Auftragsarbeit, die er in Venedig für die dort ansässigen deutschen Kaufleute anfertigte: Das Rosenkranzfest.
Albrecht Dürer bewunderte jedoch nicht nur die Künstler von Venedig, diese bewunderten auch ihn, kannten sie sein Talent doch bereits von seinen weit verbreiteten Kupferstichen und Holzschnitten. Dürer genoss die Anerkennung, die ihm in Venedig zuteil wurde und sah sich in seiner Auffassung, ein Divino artista, also ein Künstler zu sein, der seine Befähigung dem Willen Gottes verdankt, bestätigt.
Beflügelt kehrte Dürer 1507 nach Nürnberg zurück, wo in den folgenden Jahren einige seiner bedeutendsten Holzschnitte und Kupferstiche entstanden, darunter die Drei Meisterstiche Ritter, Tod und Teufel (1513), Der Hl. Hieronymus im Gehäus (1514) und Melencolia I (1514).
Ein Schritt auf dem Weg zu mehr Anerkennung in seiner Heimatstadt war 1509 die Ernennung zum Gesandten des Großes Rates von Nürnberg. In dieser Zeit, und nicht bereits um 1500, wie vermutlich nachträglich darauf angegeben, entstand Dürers berühmtestes Selbstporträt, das ihn in Frontalansicht zeigt. Dürer hat sich in einer Pelzschaube dargestellt, einem Kleidungsstück, das damals nur von ratsfähigen Männern getragen werden durfte, ein Stand, den Dürer erst nach seiner Venedigreise erreicht hatte.
Lesen Sie auch: 6 Ikonen der deutschen Malerei
Zudem spiegelt die gewählte Ansicht verstärkt Dürers Auffassung wider, ein ausführendes Werkzeug der göttlichen Schöpfung zu sein, denn eine solche Pose war damals Christus und Herrschern vorbehalten. Die Symmetrie zeigt aber auch, dass Dürer damit begonnen hatte, sich verstärkt mit der Kunsttheorie und Mathematik auseinanderzusetzen, Betätigungsfelder, denen er sich bis zu seinem Tod widmen sollte, stellten sie doch eine wichtige Grundlage von seinem Selbstverständnis als intellektueller Künstler dar.
Etwa zur gleichen Zeit fertigte Albrecht Dürer ein weiteres Selbstporträt an, mit dem er seinen Zeitgenossen voraus war, das er jedoch niemals jemandem zeigte: Sein Selbstporträt als Akt. Tatsächlich war Dürer der erste Maler, der sich auf diese Art und Weise selbst darstellte. Für die Ausführung scheint er sich eines Spiegels schräg über sich bedient zu haben. Die ungewöhnliche Ansicht scheint der Erforschung der Proportion gedient zu haben.
Lesen Sie auch: Fünf Jahrhunderte der weiblichen Aktmalerei
Einen schweren Schlag dürfte es für Albrecht Dürer gewesen sein, als sich die Stadt Nürnberg nach dem Tod Kaiser Maximilians I. (1519) weigerte, die von diesem festgelegte jährliche Leibrente an ihn auszubezahlen. Doch war der mittlerweile sehr angesehene Künstler weit davon entfernt, das so einfach auf sich sitzen zu lassen. Als Teil der Delegation des Nürnberger Rates wurde er nach Aachen geschickt, wo am 20. Oktober 1520 die Krönung des neuen Kaisers, Karl V., stattfinden sollte. Dürer, der mit seiner Frau Agnes angereist war, nutze die Gelegenheit, um sich seine Rente bestätigen zu lassen und die Niederlande zu bereisen.
Möchten Sie Artikel wie diesen direkt in Ihrem Posteingang entdecken? Dann melden Sie sich noch heute für unseren kostenlosen Newsletter an!
Insgesamt blieben die Dürers bis Juli 1521 dort. Die Reise gestaltet sich für den Künstler zu einem einzigen Triumphzug. Neben Fürsten und Kollegen traf er auch auf den großen Humanisten Erasmus von Rotterdam, den er bewunderte. Die Stadt Antwerpen wollte ihn am liebsten für immer dabehalten, doch kein Angebot konnte den sicherlich geschmeichelten Künstler locken.
Allerdings erkrankte Dürer während der Reise und hatte unter einer vergrößerten Milz zu leiden. Mit einer Skizze, die ihn selbst auf eine mit einem gelben Fleck gekennzeichnete Stelle zeigend darstellt, unterrichtete er seinen Arzt davon. Tatsächlich könnte es sich um eine Malariaerkrankung gehandelt haben. Bereits seit seiner Venedigreise litt er an sich wiederholenden Fieberschüben. Ein Fieber wird es auch gewesen sein, das am 6. April 1528 sein Leben beendete.
Lesen Sie auch: 10 berühmte Kunstwerke und wo sie zu finden sind
Albrecht Dürer hat es geschafft, sowohl in Malerei, Grafik und Zeichnung Bedeutsames zu leisten. Seine Werke gehören zu den bedeutendsten des Kunstgeschichte und finden auch in der heutigen Zeit den ihnen gebührenden Widerhall.
Weitere Künstlerbiografien finden Sie im Barnebys Magazin!
Aktualisierte Version eines Artikels vom 16. August 2018