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Kleine Gerätehütte im Außenbereich –Abrissverfügung mit Anordnung der sofortigen Vollziehung

VG Freiburg (Breisgau) – Az.: 4 K 2157/11 – Beschluss vom 08.12.2011

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid des Landratsamts L. vom 29.09.2011, mit dem ihm unter Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgegeben wurde, die Gerätehütte und das Fundament auf dem Grundstück Flst.-Nr. …, Gemarkung M., zu entfernen sowie den ursprünglichen Zustand des Grundstücks im Bereich der Gerätehütte bzw. des Fundaments der Umgebung entsprechend wieder herzustellen, ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zulässig, (in der Sache) aber unbegründet.

Kleine Gerätehütte im Außenbereich –Abrissverfügung mit Anordnung der sofortigen Vollziehung
Symbolfoto: Von sylv1rob1/Shutterstock.com

1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch das Landratsamt begegnet in formell-rechtlicher Hinsicht keinen rechtlichen Bedenken. Sie beruht auf § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Auch die Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt den (formellen) Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Diese Vorschrift verlangt nur, dass die Behörde die aus ihrer Sicht bestehenden Gründe für die Anordnung der sofortigen Vollziehung benennt und damit zugleich dokumentiert, dass sie sich der Notwendigkeit eines besonders eilbedürftigen Vollzugsinteresses bewusst gewesen ist (vgl. hierzu statt vieler – ausführlich – VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 28.11.2011 – 10 S 2740/11 -, m.w.N.). Das Landratsamt hat hier die Anordnung der sofortigen Vollziehung damit begründet, dass der Antragsteller ansonsten eine (formell und materiell) baurechtswidrige Anlage über längere Zeit nutzen könnte und dadurch Vorteile gegenüber einem rechtstreuen Bürger hätte, dass ihm aufgrund eines ihm übersandten Faltblatts die (baurechtliche) Unzulässigkeit seines Vorhabens bewusst gewesen sei und er deshalb in Kenntnis des Risikos des Rückbaus gehandelt habe und dass während der Dauer des Rechtsbehelfsverfahrens die Gefahr bestehe, dass andere potentielle Bauwillige sich auf sein Bauvorhaben berufen könnten. Diese Begründung ist, da es sich bei § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO lediglich um eine formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung handelt, ausreichend. Ob die insoweit genannten Erwägungen der Behörde inhaltlich zutreffen, ist in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung. Denn das Gericht nimmt im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene (materielle) Interessenabwägung vor und ist dabei nicht auf die bloße Überprüfung der von der Behörde getroffenen Entscheidung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO beschränkt (siehe VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 28.11.2011, a.a.O., m.w.N.).

2. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der im Bescheid des Landratsamts L. vom 29.09.2011 erlassenen Verfügungen ist auch in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Zwar ist es in Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannt, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Beseitigungs- bzw. Abbruchverfügung, wie hier, in der Regel nicht in Betracht kommt, weil dadurch vollendete Tatsachen geschaffen werden, die im Fall eines erfolgreichen Hauptsacherechtsbehelfs (in Form eines Widerspruchs oder einer Klage) nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Doch gilt dann etwas anderes, wenn der Widerspruch oder die Klage offensichtlich und nicht nur nach summarischer Prüfung keinen Erfolg haben kann, weil die angefochtene Verfügung offensichtlich rechtmäßig ist, das heißt unter keinen in Betracht kommenden Gesichtspunkten rechtlichen Bedenken begegnet, (2.1) und wenn für die sofortige Vollziehung der Abbruchverfügung ein besonderes Vollzugsinteresse vorliegt, das heißt wenn ein besonderes öffentliches Interesse daran besteht, dass die Abbruchverfügung bereits vor rechtskräftigem Abschluss des Hauptsacheverfahrens umgesetzt wird (2.2; siehe hierzu OVG NW, Beschlüsse vom 12.01.1998, NVwZ 1998, 977, und vom 28.08.1995, NVwZ-RR 1996, 192, jew. m.w.N.; Nieders. OVG, Beschluss vom 10.05.1994, BauR 1994, 611, m.w.N.; Hess VGH, Beschluss vom 29.05.1985, NVwZ 1985, 664, m.w.N.; VG Freiburg, Beschluss vom 31.07.1992 – 2 K 902/02 -, juris, m.w.N.; VG Bayreuth, Beschluss vom 10.09.2002 – B 2 S 02.740 -, juris, m.w.N.; Dürr, Baurecht, 12. Aufl. 2008, RdNr. 304 m.w.N.; Sauter, Landesbauordnung für Baden-Württemberg, 3. Aufl., Stand: Juli 2011, Bd. 2, § 65 RdNrn. 72 f. m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

2.1 Die an den Antragsteller gerichteten Verfügungen Nummern 1 und 2 im Bescheid des Landratsamts L. vom 29.09.2011, die Gerätehütte und das Fundament auf dem Grundstück Flst.-Nr. …, Gemarkung M., zu entfernen und den ursprünglichen Zustand des Grundstücks im Bereich der Gerätehütte bzw. des Fundaments der Umgebung entsprechend wieder herzustellen, erweisen sich auch bei gründlicher rechtlicher Prüfung als evident rechtmäßig. Sie haben ihre Rechtsgrundlage in § 65 Satz 1 LBO (ggf. i.V.m. § 47 Abs. 1 LBO). Nach § 65 Satz 1 LBO kann der teilweise oder vollständige Abbruch einer Anlage, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde, angeordnet werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Diese Vorschrift deckt auch die Anordnung der Wiederherstellung des ursprünglichen, vor Errichtung der baurechtswidrigen Anlage bestehenden Zustands und damit die im Bescheid des Landratsamts L. vom 29.09.2011 unter Nr. 2 getroffene Verfügung (siehe Dürr, Baurecht, a.a.O., RdNr. 242 m.w.N.; Sauter, a.a.O., § 65 RdNr. 10 m.w.N.; Urteil der Kammer vom 22.07.2010 – 4 K 1710/09 -, wo insoweit auch § 47 Abs. 1 LBO hilfsweise herangezogen wurde).

2.1.1 Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind, da das vom Antragsteller errichtete Gebäude (i.S.v. § 2 Abs. 2 LBO) von Anfang an im Widerspruch zu materiellem Baurecht steht und nicht von einer Baugenehmigung gedeckt ist (vgl. hierzu Dürr, Baurecht, a.a.O., RdNr. 242 m.w.N.), erfüllt.

Der Widerspruch zu materiellem Baurecht ergibt sich aus einem Verstoß gegen § 35 Abs. 2 und 3 BauGB. Die vom Antragsteller im Sommer 2011 errichtete Anlage, ohne Zweifel eine Anlage nach § 29 Abs. 1 BauGB (BVerwG, Urteil vom 07.05.2001, NVwZ 2001, 1046), befindet sich eindeutig (und unstreitig) im Außenbereich. Sie dient ganz offensichtlich auch keiner der in § 35 Abs. 1 BauGB genannten (privilegierten) Nutzungen, sondern allenfalls dem vom Antragsteller auf seinem Grundstück hobbymäßig bewirtschafteten Obstgarten (wenn nicht gar – wofür die massive und für die Nutzung als reine Gerätehütte überflüssige Bauweise der „Hütte“ mit Vordach, Fenster und [kleiner] überdachter Terrasse spräche – weitergehenden Freizeitzwecken). Die vom Antragsteller errichtete Anlage ist aber auch nach § 35 Abs. 2 BauGB unzulässig, weil sie in jedem Fall die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt (§ 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB; zur insoweit gebotenen funktionalen Sichtweise siehe u. a. Dürr, in: Brügelmann, BauGB, Stand: Jan. 2011, Bd. 2, § 35 RdNrn. 92 f. m.w.N.; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: März 2011, Bd. II, § 35 RdNrn. 96 ff. m.w.N.; Urteil der Kammer vom 20.07.2011 – 4 K 65/11 -) und die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt (§ 35 Abs. 3 Nr. 7 BauGB; siehe hierzu gerade im Hinblick auf Gerätehütten und ähnliche Anlagen im Außenbereich BVerwG, Urteil vom 07.05.2001, a.a.O.; Bayer. VGH, Beschluss vom 23.03.1998 – 14 B 96.3679 -, juris; Hess VGH, Beschluss vom 29.05.1985, a.a.O.; OVG Rhld.-Pf., Urteil vom 19.01.1995 – 1 A 11330/94 -; VG Bayreuth, Beschluss vom 10.09.2002, a.a.O.). Darauf, ob die Anlage des Antragstellers noch weitere öffentliche Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtigt – so wird sie höchstwahrscheinlich auch den Darstellungen des Flächennutzungsplans widersprechen -, kommt es hiernach nicht (mehr) an.

Die Anlage des Antragstellers ist auch nicht von einer Baugenehmigung gedeckt. Die zwischen den Beteiligten ausgiebig diskutierte Frage, ob sie noch genehmigungsfrei ist, weil der Rauminhalt nach den Berechnungen des Antragstellers noch unter 20 m3 liege, ist für den Erlass einer Abbruchanordnung ohne rechtliche Bedeutung. Denn bei fehlender Genehmigungspflicht einer Anlage genügt allein die materielle Baurechtswidrigkeit für den Erlass einer Abbruchverfügung (Dürr, Baurecht, a.a.O., RdNr. 242 m.w.N.). Auch eine genehmigungs- bzw. verfahrensfreie bauliche Anlage muss den (materiellen) öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechen (§ 50 Abs. 5 Satz 1 LBO).

Auf andere Weise als durch den Abbruch der baurechtswidrigen Anlage können rechtmäßige (in Einklang mit § 35 BauGB stehende) Zustände auch nicht hergestellt werden.

2.1.2 Die Abbruchverfügung ist auch im Hinblick auf die Ausübung des dem Landratsamt nach § 65 Satz 1 LBO eingeräumten Ermessens, das nach Maßgabe von § 114 VwGO von Gerichts wegen nur eingeschränkt überprüft werden kann, nicht zu beanstanden.

Nach seinem eigenen Vortrag ist der Kläger Eigentümer des Grundstücks, auf dem er die „Hütte“ errichtet hat, Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft über dieses Grundstück und für den Bau verantwortlicher Bauherr. Er ist damit der einzige, der als Adressat der erlassenen Verfügungen in Betracht kommt.

Es sind auch sonst keine Ermessensfehler erkennbar. Die Abbruchverfügung ist (zur Herstellung rechtmäßiger Zustände) geeignet, erforderlich und angemessen.

Erforderlich ist die Maßnahme deshalb, weil eine mildere Maßnahme als der verfügte vollständige Abbruch der Anlage nicht in Betracht kommt, ohne dass insoweit rechtswidrige Zustände bestehen blieben. Insbesondere ein nur teilweiser Abbruch bzw. ein partieller Rückbau der „Hütte“ des Antragstellers würde keine rechtmäßigen Zustände herstellen. Da die bauliche Anlage des Antragstellers unter keinem Gesichtspunkt eine privilegierte Anlage im Sinne von § 35 Abs. 1 BauGB darstellt und als nichtprivilegiertes Vorhaben öffentliche Belange beeinträchtigt (siehe oben), wäre sie auch in kleinerer Form in jedem Fall baurechtswidrig. Selbst eine Gerätehütte, wie sie in dem auch dem Antragsteller übersandten Faltblatt der unteren Baurechtsbehörden im Landkreis L. näher beschrieben ist, beeinträchtigt (unter den hier gegebenen Umständen) öffentliche Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 BauGB und ist damit baurechtswidrig. Nur die vollständige Beseitigung derartiger Gerätehütten bzw. ein umfassendes Verbot der Errichtung solcher Anlagen im Außenbereich steht in Einklang mit dem Bauplanungsrecht. Durch das genannte Faltblatt werden – entgegen dem Eindruck, der bei juristisch unbefangenen Lesern erweckt wird – solche Anlagen nicht legalisiert, weil dieses Faltblatt geltendes Recht nicht außer Kraft setzen kann. Deshalb scheidet selbst ein Rückbau auf das Maß und auf die sonstigen Eigenschaften einer Gerätehütte, wie sie in dem genannten Faltblatt beschrieben ist, unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit der Maßnahme, das heißt als (gegenüber einem vollständigen Abbruch) mildere, aber gleichwohl zur Herstellung rechtmäßiger Zustände geeignete Maßnahme, hier aus (zur Bedeutung des Faltblatts unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung und dem Anspruch des Bürgers auf Gleichbehandlung nach Art. 3 GG siehe unten).

Die angegriffenen Maßnahmen sind auch im engeren Sinne verhältnismäßig, das heißt angemessen. Der mit diesen Maßnahmen für den Antragsteller verbundene Nachteil steht nicht außer Verhältnis zu dem damit verfolgten öffentlichen Interesse, dem Schutz des Außenbereichs vor einer weiteren Bebauung. Das Landratsamt hat die widerstreitenden Interessen zutreffend abgewogen und das Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Einhaltung der baurechtlichen Vorschriften mit der möglichen Präzedenzwirkung begründet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Baurechtsbehörde grundsätzlich in Übereinstimmung mit dem Zweck der Ermächtigung und damit rechtmäßig handelt, wenn sie die Beseitigung einer im Widerspruch zum öffentlichen Recht errichteten Anlage anordnet (so gen. intendiertes Ermessen; vgl. Sauter, a.a.O., § 65 RdNr. 44 m.w.N.; Urteil der Kammer vom 22.07.2010, a.a.O.). Die Duldung eines rechtswidrigen Zustands kann nur dann in Betracht kommen, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, diesen Zustand ausnahmsweise in Kauf zu nehmen (BVerwG, Urteil vom 11.04.2002, NVwZ 2002, 1250, m.w.N.; vgl. zum Ganzen VGH Bad.-Württ., Urteile vom 11.03.2009, BauR 2009, 1712, und vom 13.06.2007, BauR 2007, 1861; Urteil der Kammer vom 22.07.2010, a.a.O.). Für eine solche Ausnahme gibt es hier keinen Grund. Einen solchen Grund kann der Antragsteller insbesondere nicht aus dem langen Schweigen der Behörden auf seine bei der Wohnortgemeinde eingereichte Anfrage ableiten. Entgegen der Auffassung des Antragstellers folgen bei einem Überschreiten der Entscheidungsfristen in § 54 Abs. 5 LBO aus einem Schweigen der Baurechtsbehörde keine (Fiktion einer) Genehmigung oder sonstige rechtliche Bindungen der Behörden (Dürr, Baurecht, a.a.O, RdNr. 233 m.w.N.), zumal die genannte Vorschrift einen förmlichen Bauantrag voraussetzt, an dem es hier fehlt. Stattdessen hätte der Antragsteller bei der Baurechtsbehörde nachfragen müssen. Wenn er dennoch baut, muss er mit dem Risiko des Rückbaus rechnen. Hinzu kommt, dass er aufgrund des ihm übersandten Faltblatts gewusst hat, was die Baurechtsbehörden im Landkreis L. maximal zu tolerieren bereit sind. Dennoch geht das, was er errichtet hat, – ungeachtet des zwischen den Beteiligten umstrittenen Rauminhalts – weit über die in dem Faltblatt beschriebene Gerätehütte hinaus, indem sie entgegen ausdrücklicher Erwähnung in diesem Faltblatt über Fenster, ein Vordach und eine überdachte Terrasse verfügt. Dass insbesondere auch der für eine schlichte Gerätehütte außerordentlich massive Betonsockel nicht tolerabel ist, hätte ihm bei der Lektüre des Faltblatts, in der von „kleinen Bauten einfachster Ausführung“ die Rede ist, klar werden müssen.

Das Vorgehen des Landratsamts verletzt auch nicht den Gleichbehandlungsgrundsatz. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass das Landratsamt in Fällen, die im Wesentlichen gleich gelagert sind, anders verfährt als im Fall des Antragstellers und die entsprechenden baulichen Anlagen duldet. Solche (in räumlicher Nähe zu seinem Vorhaben liegenden) Fälle hat auch der Antragsteller nicht zu nennen vermocht. Das Landratsamt hat im Lauf des Verfahrens deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es mit der Erstellung des bereits erwähnten Faltblatts im März 2009 eine neue Verwaltungspraxis im Umgang mit baulichen Anlagen im Außenbereich eingeleitet hat und dass sich diese neue strengere Praxis vor allem gegen neue, das heißt nach der Änderung der Verwaltungspraxis erstellte, Anlagen richtet. Dieses Vorgehen steht mit geltendem Recht in Einklang. Der Gleichheitssatz verpflichtet die Behörden lediglich, systemlos oder willkürlich vorzugehen. Es verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz, wenn eine Behörde – etwa aufgrund fehlender personeller oder sachlicher Ressourcen – bei der Beseitigung von baulichen Anlagen anlassbezogen vorgeht und sich auf die Regelung von solchen Einzelfällen beschränkt, in denen eine Verschlechterung des (ab einem bestimmten Zeitpunkt) bestehenden Zustands droht (Dürr, Baurecht, a.a.O., RdNr. 245 m.w.N.; Urteil der Kammer vom 22.07.2010, a.a.O., m.w.N.). Dementsprechend vermag der Antragsteller durch Hinweise auf frühere großzügigere Praktiken des Landratsamts und auf die Tolerierung anderer, älterer Anlagen keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz darzutun. Einer Behörde steht es im Rahmen ihrer Ermessensausübung frei, sich von einer bisher praktizierten, neuerdings als falsch erkannten Praxis zu lösen und künftig nach strengeren Maßstäben vorzugehen, solange die neue Praxis nicht ihrerseits gleichheitswidrig ist. Sie ist nicht zur Fortsetzung einer einmal begonnenen allzu laschen Verwaltungspraxis verpflichtet. Etwas anderes gilt auch nicht im Hinblick auf neue Gerätehütten, die das Landratsamt ausweislich seines Faltblatts weiterhin zu dulden bereit ist. Denn von diesen „kleinen Bauten einfachster Ausführung“ unterscheidet sich die Anlage des Antragstellers ganz erheblich (siehe oben). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass diese Art von Gerätehütten ebenfalls nicht in Einklang mit dem öffentlichen Baurecht steht (siehe oben). Denn der Abbruch rechtswidriger baulicher Anlagen steht nach dem klaren Wortlaut von § 65 Satz 1 LBO im Ermessen der Behörde. Dieser Ermessensspielraum ist nicht verletzt, wenn die Behörde innerhalb des Spektrums rechtswidriger Anlagen kleinere Anlagen im Außenbereich, hier kleinere Gerätehütten einfacher Bauweise, duldet, gegen größere aber konsequent vorgeht, weil ein Einschreiten gegen jede Art rechtswidriger Anlagen ihre personellen und finanziellen Möglichkeiten übersteigt (vgl. hierzu insgesamt Sauter, a.a.O., RdNrn. 54 f. m.w.N.).

Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liegt auch nicht darin, dass das Landratsamt den Antragsteller nicht (lediglich) zu einem Rückbau der von ihm errichteten Gerätehütte bis auf das Maß einer ansonsten tolerierten Gerätehütte verpflichtet, sondern ihm stattdessen den vollständigen Abbruch aufgegeben hat. Denn der Antragsteller hat nach den Plänen und den sehr anschaulichen Lichtbildern in den Bauakten von vornherein eine in jeder Hinsicht überdimensionierte Anlage geschaffen, bei der ein Rückbau auf das Maß und die Art einer Gerätehütte, wie sie im Faltblatt der unteren Baurechtsbehörden im Landkreis L. beschrieben ist, letztlich gar nicht möglich erscheint. Schon der von ihm geschaffene massive Betonsockel ist mit einer einfachen Gerätehütte in keiner Weise vereinbar und muss beseitigt werden, um eine dauerhafte Vorbelastung des Außenbereichs an dieser Stelle zu verhindern. Eine Beseitigung dieses Sockels ist aber nicht denkbar ohne den Abbruch der gesamten Anlage, die auch im Übrigen mit dem Typus einer kleinen Gerätehütte nicht in Einklang steht (siehe oben) und deren Reduzierung nicht ohne grundlegende Veränderung der konstruktiven Bauweise denkbar erscheint.

2.2 Im vorliegenden Fall besteht auch ein besonderes Interesse an dem Vollzug der im angegriffenen Bescheid erlassenen Verfügungen bereits vor Abschluss des Widerspruchsverfahrens und eines sich ggf. anschließenden Klageverfahrens. Ein solches Verfahren kann, wenn der Antragsteller alle denkbaren Rechtsbehelfe ergreift, unter Umständen mehrere Jahre dauern und ist gerade aus Sicht der unteren Baurechtsbehörde zeitlich schwer kalkulierbar. In dieser Zeit vermittelt die bereits errichtete Anlage für außenstehende Personen den Eindruck einer rechtmäßigen oder zumindest geduldeten Anlage. Das wiederum ist geeignet, eine Vorbildwirkung auszuüben und andere Personen zur Errichtung gleichartiger Anlagen zu ermutigen. Dass solche Vorbildwirkungen eine maßgebende Ursache sind für die Ausbreitung gerade von ungenehmigten Freizeit- und sonstigen Anlagen im Außenbereich ist allseits bekannt und in Literatur und Rechtsprechung – auch in der der Kammer – hinreichend belegt (siehe OVG NW, Beschlüsse vom 28.08.1995 und vom 10.05.1994, jew. a.a.O., m.w.N.; Nieders. OVG, Beschluss vom 10.05.1994, BauR 1994, 611, m.w.N.; Hess VGH, Beschluss vom 29.05.1985, a.a.O.; VG Bayreuth, Beschluss vom 10.09.2002, a.a.O.; Sauter, a.a.O., § 65 RdNr. 73; VG Freiburg, Urteile vom 15.12.2010 – 4 K 359/09 – und vom 18.07.2008 – 4 K 1037/07 und 4 K 931/07 -). In beinahe allen Fällen berufen sich die Erbauer solcher Anlagen auf vergleichbare Vorhaben in der näheren Umgebung und begründen ihr Vorgehen damit, dass gegen jene Anlagen nicht vorgegangen wurde. Auch der Vortrag des Antragstellers selbst belegt dies. Das Bestreben, diese Kausalkette zwischen ständig zunehmenden illegalen Bauten im Außenbereich und der davon wiederum ausgehenden Nachahmungseffekte zu unterbrechen, war gerade Auslöser der mit der Ausgabe des mehrfach erwähnten Faltblatts verfolgten Aktion der unteren Baurechtsbehörden im Landkreis L.. Wenn nicht gerade in den Zeiten nach Bekanntgabe dieser neuen Verwaltungspraxis sichtbare Taten und ein konsequentes und vor allem auch zeitnahes Vorgehen folgen, drohen die mit dieser geänderten Praxis verfolgten Absichten weitgehend ins Leere zu gehen. Das rechtfertigt es hier ausnahmsweise, die angegriffenen Abbruch- und Wiederherstellungsverfügungen schon vor ihrer Bestandskraft zu vollziehen, zumal diese Verfügungen, wie oben dargelegt, ganz offensichtlich rechtmäßig sind und deshalb keine vernünftigen Zweifel daran bestehen, dass der Antragsteller ihnen letztendlich Folge leisten muss.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2 und 63 Abs. 2 GKG. Wegen der praktischen Vorwegnahme der Hauptsache sieht die Kammer davon ab, den Streitwert – wie in Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes an sich üblich – zu halbieren (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 19.11.2009, NVwZ-RR 2010, 335).

 

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