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Papablog: Pädagogisch wertlose FilmchenKinder als Komparsen

Das geht ja noch. Aber was Eltern mit ihren Kindern auf Tiktok veranstalten, blendet man lieber aus.

#unpopularopinion: Ich bin der Meinung, dass die sozialen Medien das Schlechteste im Menschen herausholen. Sie wirken wie Katalysatoren von Charakterschwächen. Neid, Narzissmus, Rechthaberei, Lügengebilde – alles schön drapiert in Posts, Clips und Comments. Und am besten noch mit Photoshop oder Fake News nachgeholfen.

Zwar bewege ich mich selbst in den Social Media, wo ich immer wieder angestrengt versuche, Diskussionen und übertriebene Selbstdarstellung zu vermeiden, aber noch öfter überlege, ob es nicht gescheiter wäre, dieses Scheinuniversum ganz zu verlassen. Zum Beispiel, wenn User sogar im Business-Netzwerk LinkedIn beginnen, sich anzukeifen und gegenseitig zu mobben. 

Ich würde sogar so weit gehen, nebst dem Klimawandel die Sozialen Medien und den damit zusammenhängenden Smartphone-Konsum zu den grössten Gefahren für unsere Kinder zu zählen. Weil Mobbing, weil Fame-Wahn, weil Selbstbild-Verzerrung, weil Reizüberflutung. Und das tut, wenn wir ehrlich sind, weder unseren Kindern noch uns selbst gut.

Klar kann man sagen: Das ist nicht per se gefährlich, wir müssen bloss einen gesunden Umgang damit finden. Betrachte ich, wie die meisten Insta, Tiktok und Twitter nutzen, ist meine Hoffnung diesbezüglich jedoch gering. Und viele Eltern sind ihren Kindern diesbezüglich sehr schlechte Vorbilder.

Schrecken, Schock, Schreien

#beweisführung: Da ich meiner Tochter erlaube, mehrmals am Tag an meinem Handy herumzudrücken und sie, wie auch immer sie das schafft, stets bei Tiktok-Videos auf Youtube landet (allein das schon eine Absurdität!), komme ich in den Passivkonsum abstruser Kurzclips. Zum Beispiel jener, in denen sich das Gesicht der sich via Frontalkamera filmenden Eltern dank Filter in einen Pferdekopf verzieht, begleitet von nervigem Gejaule. Das könnte schon dämlich genug sein. Aber der Clou an der Sache ist offenbar, die Reaktion des Babys oder Kleinkindes, das dem Möchtegern-Zentaur auf dem Schoss sitzt, festzuhalten. Resultat: Schrecken, Schock, Terror, Schreien, Weinen, Wimmern. Toll, oder?

Selten reagieren die Kinder auch nur überrascht oder neugierig. Die Abgehärteten unter ihnen zeigen keine Reaktion, wahrscheinlich, weil sie das böse Spiel schon ein- oder mehrmals durchgestanden haben. Dann gibt es andere Videos, die klar inszeniert sind und in denen Mütter ihren Kindern die Spielsachen wegnehmen. Lustig, oder?

Ahnungslos und naiv

Gemeinsam haben die Videos, dass sie gemein sind. Ob gewollt oder nicht. Vor einer Weile verbreiteten sich ferner Clips viral, in denen Eltern bewiesen, wie gut sie ihre Kinder dazu bringen, brav zu essen. Nämlich so: Sie bieten das Essen einem Plüschtier an. Das Plüschtier lehnt ab. Also verdreschen die Eltern das Plüschtier, natürlich vor den Augen des Kindes. Ganz «natürlich» trifft so ein Lerneffekt ein. Pädagogisch wertvoll, nicht wahr?

Bekannt sind auch die Videos, in denen sich Eltern aufs Klo setzen, sich von ihren Kindern Toilettenpapier bringen lassen und ihnen dabei heimlich Nutella an den Arm streichen. Grandios, right? Immerhin bringt es diese Gattung auf den Punkt: Kinder scheisse zu behandeln, ist ein Social-Media-Trend. 

Dank Social Media ist jeder Tag eine Gelegenheit für 1.-April-Scherze. Dank Smartphone ist heute auch jeder sein eigener «Jackass»-Produzent. «Und warum nicht die eigenen Kinder auf die Schippe nehmen?!» scheinen sich Tiktok-Eltern zu fragen. Sie sind doch so leichte Opfer, so schön ahnungslos und naiv. 

Nur für ein paar Lacher

Nun, liebe Prank-Eltern, es gibt ein paar einfache Antworten darauf: Es ist verwerflich. Es ist Vertrauensmissbrauch. Ihr traumatisiert sie damit, ihr stellt sie aus und bloss, ihr verstört sie. Ihr instrumentalisiert sie für eure Zwecke – wobei diese Zwecke mehr als zweifelhaft sind. Ausser Geltungsdrang und Bösartigkeit fällt mir gar nichts dazu ein. Ihr setzt eure Kinder als Statisten ein, mehr noch: als Requisiten. Nur für ein paar Lacher. Nur für ein paar Klicks. 

Während wir darüber diskutieren müssen (nicht erst seit dem 26. September), ob gleichgeschlechtliche Paare auch gute Eltern sein können (die Antwort: ja klar), halten andere tagtäglich die Beweise dafür, dass sie ihre Kinder schlecht behandeln, in Videoform fest. Wie bizarr ist das bitteschön?!

Hört auf, dumme Menschen berühmt zu machen!

Ich kann nur eine der wenigen vernünftigen Stimmen (unbekannt) aus dem Internet zitieren: Hört auf, dumme Menschen berühmt zu machen! Und noch einen Schritt weiter gehen: Hört auf, eure Kinder für eure dummen Videos zu instrumentalisieren!

Es gibt schon genug schädliche Videos, die sich Kinder im Internet anschauen können. Oder unschädliche Videos, die Kinder zu ihrem eigenen Schaden interpretieren. Darum sollten wir Eltern sie möglichst nicht noch in irgendwelche Schrott-Clips involvieren, die unserer eigenen Profilierungssucht dienen. Logisch, oder? #micdrop