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Im Gespräch mit Moderator Axel Effner stellte der Germanist, Publizist und Buchautor Prof. Dr. Sven Hanuschek (links) mit Auszügen aus seinen beiden Biografien facettenreiche Porträts der Schriftsteller Erich Kästner und Arno Schmidt vor.

Sprach-Avantgardist und NS-Kritiker

Intime Einblicke in Leben und Werk von zwei Größen der deutschen Literatur bekamen die Besucher eines Diskussionsabends mit Dr. Sven Hanuschek, Professor für deutsche Philologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, im Rahmen der Reihe »Leseglück – grenzenlos Literatur« im Chiemgau-Gymnasium Traunstein.

Der Germanist, Publizist und Buchautor hat sich intensiv mit Erich Kästner und Arno Schmidt auseinandergesetzt und über beide Autoren maßgebliche Biografien verfasst, die als Standardwerke gelten. Nachdem er bereits am Nachmittag mit Schülerinnen und Schülern der Oberstufe einen Workshop zu Erich Kästners Roman »Der Gang vor die Hunde« begleitet hatte, stellte er sich bei der öffentlichen Abendveranstaltung im Rahmen einer Talkrunde den Fragen des Journalisten Axel Effner.

Im ersten Teil standen vor allem Leben und Werk Arno Schmidts (1914 bis 1979) im Mittelpunkt. Er zählt für Hanuschek zu den wichtigsten Schriftstellern der deutschsprachigen Literatur nach dem Zweiten Weltkrieg und bietet aufgrund seiner facettenreichen Persönlichkeit faszinierende Ansatzpunkte. Neben den ihn prägenden Kriegserlebnissen ging Hanuschek insbesondere auf Schmidts spätere weltabgewandte und asketische Lebensweise in der Lüneburger Heide ein, die einer klaren und kritischen, mitunter auch exzentrischen Zeitdiagnose jedoch nicht im Wege stand.

An zahlreichen Beispielen stellte Hanuschek Schmidts literarisches Können sowie seinen originellen, radikal experimentierenden Schreibstil heraus. Etwa in der Erzählung »Schwarze Spiegel«, die den Germanisten als Jugendlicher elektrisiert hatte. Anhand von zahlreichen Kommentaren aus Leserzuschriften gab Hanuschek lebendig Einblick in das Wirken des oft als unnahbar und schwierig geltenden Autors, dessen Werke Kultstatus erreichten. Bekannt wurde Schmidt vor allem durch sein acht Bücher umfassendes Monumentalwerk »Zettel’s Traum« von 1970, in dem er eine an Sigmund Freuds Psychoanalyse ausgerichtete Theorie zur Literaturdeutung umsetzt. Mit Lesungen aus seiner aktuellen Biografie über Schmidt zeigte Hanuschek den Facettenreichtum des Schriftstellers auf.

Im zweiten Teil des Abends richtete sich der Blick auf Erich Kästner (1899 bis 1974), der als Kinderbuchautor, Romancier, Journalist und Lyriker allgemein große Bekanntheit genießt. Im Gegensatz zu Schmidt, der das Leben in der Abgeschiedenheit bevorzugte, begab sich Kästner, der zur Zeit der Weimarer Republik und der NS-Zeit in Berlin lebte und arbeitete, mitten hinein ins Zeitgeschehen. Obwohl er ein Opfer der Bücherverbrennung von 1933 war, entschied er sich bewusst gegen die Emigration.

Wie Professor Hanuschek schilderte, wollte Kästner ein kritischer Zeuge des Regimes sein und seine Erfahrungen literarisch festhalten. So entstand auch sein »Geheimes Kriegstagebuch 1941 bis 1945«, das er nach dem Krieg veröffentlichen wollte. Die Idee verwarf er jedoch, nachdem er durch ein Gespräch mit einem überlebenden KZ-Inhaftierten tiefere Einblicke in das Grauen der NS-Zeit erhalten hatte. Seine Erfahrungen mit Krieg und Diktatur führten dazu, dass sich Kästner, der nach dem Krieg bis zu seinem Tod 1974 in München lebte, immer wieder kritisch zum Zeitgeschehen äußerte, was Hanuschek an aussagekräftigen Beispielen aus seiner Kästner-Biografie veranschaulichte.

Am Ende seines interessanten Vortrags ging der Germanist noch auf die Fragen aus dem Publikum ein und hob dabei auch die Bedeutung der Beschäftigung mit Literatur als Form einer kritisch-denkenden Weltaneignung hervor.