Wie wir endlich effizienter werden

Manche Leute schaffen in 24 Stunden mehr als unsereiner in einer Woche. Wie machen die das bloß? Kein Sorge: Jeder von uns kann effizienter werden. Die Psychologin Suzanne Gelb lüftet im Interview das Geheimnis der Überflieger und verrät, wie wir besser arbeiten können.

Mit einem Satz über alle Hindernisse hinweg: Überflieger sind uns unheimlich, aber Effizienz ist kein Hexenwerk.
Mit einem Satz über alle Hindernisse hinweg: Überflieger sind uns unheimlich, aber Effizienz ist kein Hexenwerk.imago/Westend61 Lizenz

Sind sie nicht unfassbar, diese Überflieger? Karrierebewusst im Job, unbändig kreativ in der Freizeit. Sie arbeiten in Führungspositionen, engagieren sich in der Nachbarschaft, kutschieren die Kinder zum Ballett, renovieren ein Wochenendhaus, geben die besten Dinner-Partys und lernen nebenbei Mandarin. Übermenschlich?

Eher eine Frage von Organisation und Disziplin, sagt die Psychologin und Rechtsanwältin Suzanne Gelb, die in Hawaii wohnt und jahrelange Erfahrung als Coach und Lebensberaterin hat: „Für solche Leute hat der Tag auch nicht mehr Stunden als für alle anderen. Aber sie schaffen mehr.“ Wie, das macht sie gleich zu Beginn des Gesprächs deutlich. Zehn Minuten vor unserem Telefonat, so erzählt sie, habe sie den lang erwarteten Anruf einer Klientin abgelehnt – nur, um sich hundertprozentig auf dieses Interview einstellen zu können. Dann also los!

Frau Gelb, bewundernswert effizient und erfolgreich zu sein – kann man das lernen?

Ja, das Geheimnis ist, sich von einer Aufgabe nicht abbringen zu lassen; sich voll zu konzentrieren und die Gedanken nicht abschweifen zu lassen. Man nennt es Hingabe. Und das funktioniert besonders gut, wenn man sich klarmacht, dass man einer Sache tatsächlich viel zu geben hat.

Es gibt sie also tatsächlich, diese Überflieger, die an einem Tag mehr schaffen als andere in einer Woche? Oder sind sie einfach nur besser darin, ihren Erfolg ins rechte Licht zu rücken?

Blender gibt es auch, natürlich. Aber es ist durchaus möglich, ein Überflieger zu sein. Damit meine ich Leute, die sich hohe Ziele setzen: Sie sind überzeugt, dass diese Ziele gut für sie sind, und sie nutzen ihr Selbstvertrauen und ihre Energie, um sie zu erreichen. Das unterscheidet die Überflieger von den Strebern. Bei Strebern wirken oft andere, eher problematische Kräfte. Leute, die bis nachts am Bürotisch sitzen bleiben, sind häufig eher angstgetrieben, weil sie denken, sie schaffen eine Sache nicht. Überflieger hingegen setzen ihre positiven Energien ein.

Und wie schafft man das, sich einer Sache vollständig hinzugeben?

Indem man sich nicht ablenken lässt. Nehmen wir als Beispiel einen olympischen Hürdensprinter, der mit enormer Gewandtheit über die Hindernisse setzt. Sieht der so aus, als sei er abgelenkt? Nein, er ist zu 100 Prozent konzentriert. Diese Konzentration und Hingabe führen ihn zu seiner Größe.

Heißt das, die Aufmerksamkeit auf viele Sachen zu verteilen, ist eher hinderlich?

Richtig. Natürlich klingt es in der Theorie erst mal gut, vieles gleichzeitig in Angriff zu nehmen: Multitasking, also. Oft wird das heute ja sogar verlangt. Aber unser Gehirn ist nicht für Multitasking geschaffen. Wir können nicht zwei Gedanken gleichzeitig denken, so wenig wie wir im selben Moment Ja und Nein sagen können. Nun ließe sich einwenden, dass Multitasking gar nicht die Gleichzeitigkeit mehrerer Handlungen bedeutet, sondern ein blitzschnelles Umschalten von einer zur nächsten – als ob auf dem Desktop mehrere Dokumente gleichzeitig geöffnet sind.

Aber wenn wir ein Projekt entwickeln, nebenbei Anrufe entgegennehmen, E-Mails lesen und zwischendrin dieses irre komische Video anschauen, das uns jemand per Facebook schickt, dann kann das Gehirn das gar nicht so verarbeiten, wie wir es wollten. Beim Multitasking verliert man Konzentration, verzettelt sich, macht Fehler. Und oft dauert es länger. Mein Rat: Alle Ablenkung vermeiden, wenn man sich einer Sache widmen will. Das kann auch heißen, mal das Handy in die Schublade zu legen.

Hat man uns nicht jahrelang erzählt, wie segensreich dieses Multitasking ist? Und dass gerade Frauen bewundernswerte Göttinnen des Multitasking sind?

Ich würde zustimmen, dass Frauen generell die größeren Multitasker sind – weil sie mit Haushalt und Familie normalerweise mehr um die Ohren haben und eher die Managerinnen sind. Wenn man so will, kann man das vielleicht sogar schon bis in Urzeiten zurückverfolgen. Schon damals haben Frauen erzogen, gekocht, verhandelt, vermittelt. Die Männer waren draußen und haben sich ans Wild herangepirscht.

Also angenommen, man hat eine wichtige Büroarbeit zu erledigen. Wie schafft man sich die permanenten, kleinen Unterbrechungen vom Hals?

Um die Sache praktisch anzugehen: Wenn das Büro eine Tür hat, dann: Tür zu! Man kann auch ein Schild anheften: „Bitte nicht stören.“ Das funktioniert, wie jeder weiß, auch bei Reisen im Hotel. Manchmal hilft es, eine Zeit lang das E-Mail-Postfach zu schließen, wenn das beruflich möglich ist. Wer kein eigenes Büro hat, sollte sich einen ruhigen, ungestörten Ort suchen, wo nicht dauernd jemand hineinplatzen kann. Eventuell kann man sogar mit dem Chef über eine Zeit im Büro reden, die allgemein als Nicht-Stören-Phase gilt – ein paar Stunden pro Woche, in denen man ungestört durcharbeiten kann. Das kann man sogar zu Hause einrichten.

Ist es überhaupt möglich, einem Kollegen höflich zu sagen: Raus, Sie stören!

Am besten ist es, sich zu präparieren. Nehmen wir einen typischen Fall. Man arbeitet an einem kniffligen Projekt, ist voll und ganz auf die Problematik konzentriert, dann geht die Tür auf und ein Mitarbeiter kommt herein. „Nur eine Sekunde“, sagt er, ob man nicht mal eben schnell bitte einen Blick auf ein Papier werfen könne. Wer jetzt denkt, das sei keine große Sache, sollte bedenken: Manche Studien besagen, dass es nach einer Unterbrechung durchschnittlich 23 Minuten dauern kann, bis man wieder voll bei der Sache ist. Solche freundlichen Störungen sind Produktivitäts-Killer. Sie sollten dringend vermieden werden.

Und die Überflieger wissen das natürlich und halten die Zahl der Störungen gering?

Ja. Nicht von ungefähr haben die meisten Chefs ja ein eigenes Zimmer mit Tür. Man kann sich aber auch wappnen. Wenn jemand klopft, einfach sagen, dass man sich in der nächsten Stunde bei ihm meldet – wenn die Sache nicht dringend ist. Oder man hält ein Schild hoch, sobald sich jemand nähert, auf dem steht: „Jetzt bitte nicht!“ Damit vermeidet man, dass man unhöflich wird.

Dafür braucht es Disziplin.

Ja, aber was ist Disziplin? Disziplin bedeutet, sich über seine Ziele klar zu sein und sich daran zu halten. Der Schlüssel dazu ist, sich selbst genügend zu schätzen, um sich zu sagen: Das Ziel ist es mir wert. Und ich bin es mir wert, dass ich mir jetzt diese Mühe mache.

An welche Maßgaben halten sich Überflieger noch, damit sie an einem Tag mehr als andere schaffen?

Sie achten darauf, dass sich keine negativen Gefühle ansammeln. Wer Ärger, Frustration, Enttäuschung oder Selbstverachtung aufstaut, geht irgendwann in die Luft. Das ist destruktiv am Arbeitsplatz. Oder er schluckt den Ärger hinunter, und der bricht sich dann anders Bahn: im abendlichen Verzehren von Kartoffelchips; in einer Frust-Shoppingtour; in nächtlichen DVD-Sessions mit sämtlichen Folgen einer Lieblingsfernsehserie. Das ist auch nicht förderlich für den Schaffensdrang.

Und wohin dann mit den Frustgefühlen?

Die Überflieger, mit denen ich gearbeitet habe, sind gut im Gefühlsmanagement. Einige meditieren oder schreiben Tagebuch. Manche haben einen Coach. Andere joggen. Meiner Meinung nach ist es auch nicht schlecht, den Frust einfach rauszulassen: zum Beispiel, indem man mit der Hand in ein Kissen boxt. Die Energie einfach rauslassen und dann schauen, wie man sich fühlt. Babys und Kleinkinder in der vorverbalen Phase haben übrigens ihre eigene Kissen-Box-Version: Sie ballen ihre kleinen Fäustchen um die Decke und greinen ein bisschen vor sich hin. Ich würde sagen: Das ist also eine erprobte Methode.

Das Gespräch führte Barbara Klimke.

Mehr Informationen finden Sie unter www.drsuzannegelb.com