Kurz vor Saisonbeginn: Wieso Umweltschützer Spargel lieber in Lila mögen

Am Donnerstag beginnt die Spargelsaison. Die Grünen fordern, dass auch das Edelgemüse ökologisch korrekt hergestellt wird, aber das verändert die Farbe.

Die Rückkehr der weißen Zauberstäbe
Die Rückkehr der weißen Zauberstäbedpa

Berlin-Eigentlich ist der Spargel nur ein Saisongemüse, aber eben ein äußerst beliebtes. Denn jedes Jahr wird in den Restaurants eine eigene Jahreszeit ausgerufen: die Spargelzeit. Das hat den ganz einfachen Grund, dass Spargel nun mal das erste Saisongemüse ist, das jedes Frühjahr in Deutschland geerntet wird. Deshalb ist dieser kulinarische Frühlingsbote bei so vielen so beliebt und auch recht teuer.

Brandenburg ist ganz klar ein Spargelland, denn auf zwei Dritteln der Gemüsefläche des gesamten Bundeslandes wächst Spargel. Und das größte zusammenhängende Anbaugebiet für Spargel in Deutschland befindet sich vor den südwestlichen Toren Berlins – rund um Beelitz. Dort beginnt am Donnerstag offiziell die Erntesaison. Und schon flammt eine Debatte auf, denn Spargel wird immer mehr zu einem „politischen Gemüse“.

Kritiker hoffen auf Berliner Kundschaft

Bei dem Streit zwischen Landwirten und einigen Umweltschützern geht es um die Produktionsbedingungen und dabei vor allem um einen ökologischen Aspekt: um die großen Mengen an Folie, die auf den Feldern anfallen. Inzwischen wächst so gut wie aller Spargel unter Folienbahnen. „Das wissen die meisten Konsumenten gar nicht und das muss sich ändern“, sagt Isabell Hiekel, umwelt- und agrarpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Potsdamer Landtag. „Dann würde sich auch das Konsumverhalten ändern. Viele würden sicherlich ganz gezielt nach Spargel verlangen, der eben nicht unter Folien wächst.“

Die Kritiker der Folien setzen da auch auf Berlin und hoffen, dass die ökologisch bewusste Kundschaft der Hauptstadt bald eine gewichtige Rolle spielt. Denn ein Großteil des Brandenburger Spargels geht nach Berlin.

Das Ideal ist noch immer, dass die Spargelstangen weiß sind.
Das Ideal ist noch immer, dass die Spargelstangen weiß sind.dpa/Uli Deck

Isabell Hiekel von den Grünen setzt sich auch dafür ein, dass auf den Feldern weniger Kunststoffe und chemische Produkte eingesetzt werden. „Wir wollen keinen Kleinkrieg mit den Spargelbauern oder mit den Spargelessern“, sagt sie und betont, dass sie selbst auch gern Spargel isst. Ihr gehe es darum, einen Denkprozess anzustoßen. „Das Ziel muss sein, dass auch der Spargelanbau naturverträglicher wird“, sagt sie. „Denn diese großen Flächen voller Agrarfolien beeinträchtigen den Lebensraum vieler Arten der Agrarlandschaft, und sie belasten den Boden mit Folienresten.“

Bei dem Streit geht es aber nicht nur um Müll, sondern um eine grundlegende ästhetische Frage: Wer ökologisch korrekten Spargel will, kann keine schlohweißen Stangen verlangen, sondern muss sich damit begnügen, dass die Spargelköpfe auch leicht lila gefärbt sind: Für die optische Reinheit des Spargels sorgen nämlich vor allem die Folien. Sie verhindern, dass Licht an den Spargel kommt.

Die Folienfelder sind recht leicht zu erkennen: Sie glänzen neben den Straßen in der Sonne. Die Folien werden über die oft kilometerlangen Sanddämme auf den Feldern gespannt, in denen der Spargel wächst. Aus den Wurzeln im Boden wachsen die weißen Stangen nach oben durch den Sanddamm. Der ist so hoch aufgeschüttet, dass die Stangen schön lang werden. Sobald die Köpfe der Stangen oben aus dem Sand schauen, trifft sie das Sonnenlicht und sie verfärben sich schnell lila. Nicht aber, wenn Folien darüberliegen.

Auch sonst bieten die Folien viele Vorteile: Sie sind quasi Mini-Gewächshäuser. Sie haben eine helle und eine dunkle Seite. Wenn es kalt ist – so wie derzeit –, liegt die dunkle Seite nach oben. Das Schwarz absorbiert die Wärme des Sonnenlichts, der Damm heizt sich auf, der Spargel wächst schneller. Anfangs wurden die Folien vor allem genutzt, um durch den Wärmeeffekt möglichst zeitig im Jahr mit der Ernte beginnen zu können. Heute bleiben die Folien meist in der gesamten Erntezeit auf dem Damm. Denn wenn die Sonne zu heiß brennt, wird die helle Seite nach oben gelegt, sodass sie das Licht der Sonne reflektiert und der Damm sich nicht zusätzlich aufheizt.

Die EU wäre gefragt

Spargel wird entweder herkömmlich oder biologisch angebaut, also ohne chemischen Dünger und Gifte gegen Insekten oder Unkraut – aber fast immer unter Folie. „Derzeit werden quasi 100 Prozent des Spargels unter Folien angebaut“, sagt Jürgen Jakobs, Chef des Beelitzer Spargelvereins. „Und ich sehe nicht, dass sich daran etwas ändert.“ Denn die Vorteile überwögen. Die Folien werden auch nicht einfach weggeworfen, sondern meist zehn Jahre lang genutzt.

Alle professionellen Bauern setzten auf Folien. Nur Landwirte, die im Nebenerwerb ein wenig Spargel anbauen, verzichten auch mal darauf. Jakobs schätzt, dass etwa zwei Prozent des verkauften Spargels nicht unter Folie wachsen. Er sagt, dass er Spargel mit violetten Köpfen nicht an den Handel liefern könne. „Das ist derzeit völlig illusorisch“, sagt der Mann, der in Beelitz selbst einen großen Spargelhof betreibt. „Selbst wenn wir wollten, ist das gar nicht hinzubekommen: Denn solcher Spargel ist nicht handelsfähig“, sagt er. Es gebe dafür keine Norm im Handel. „Da müsste erst eine neue EU-Norm geschaffen werden.“

Die Bauern können solchen ökologisch korrekten Spargel nur an den eigenen Verkaufsständen anbieten. „Aber das lohnt sich einfach nicht, weil es keine Nachfrage gibt“, sagt Jakobs.

Bei Kälte soll die schwarze Seite der Folie die Wärme der Sonnenstrahlen absorbieren und so die Spargeldämme aufheizen.
Bei Kälte soll die schwarze Seite der Folie die Wärme der Sonnenstrahlen absorbieren und so die Spargeldämme aufheizen.dpa/Patrick Pleul

Isabell Hiekel von den Brandenburger Grünen will aber genau das erreichen. „Das Ziel sollte sein, dass überall auch Spargel angeboten wird, der nicht unter Folie wächst“, sagt sie. Wenn die Konsumenten über die Zusammenhänge aufgeklärt wären, würden etliche von ihnen gezielt danach fragen.

Die Debatte läuft, aber jetzt beginnt erst einmal die Spargelzeit. Und die Landwirte haben eine frohe Botschaft für ihre Kundschaft: Der Preis liegt zum Saisonstart wieder bei zehn bis 15 Euro pro Kilo und Qualität. „Die Preise können in diesem Jahr stabil bleiben, weil der Mindestlohn kaum erhöht wurde“, sagt Vereinschef Jürgen Jakobs. Im Vorjahr lag er bei 9,50 Euro, nun zehn Cent höher. „Doch der Hammer kommt dann im Oktober, wenn der Mindestlohn auf zwölf Euro steigt“, sagt er. „Das ist eine Steigerung um 25 Prozent. Da muss der Spargelpreis dann im nächsten Jahr erkennbar steigen.“

Jetzt hoffen die Beelitzer Bauern erst mal auf ein gutes Geschäftsjahr. Und das wird es wohl werden: Eine Woche nach dem Erntestart beginnt in Beelitz auch die Landesgartenschau mit erhofften 500.000 Besuchern.