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Mit 2,5 Promille liegen gelassen

Vor vollen Rängen: Jungendgerichtspräsident Andreas Schild.

Der Jugendliche fiel den Polizisten sofort auf. Auf seinem Roller, der offiziell nur Tempo 45 fahren durfte, brauste er an ihnen regelrecht vorbei. Sie verfolgten ihn, und als sie ihn anhalten konnten, behauptete der Fahrer steif und fest, er habe doch die zugelassene Geschwindigkeit nie und nimmer überschritten. Die Beamten könnten gleich selber ausprobieren – und tatsächlich, als diese sich hinter den Lenker setzten, tuckerte das Gefährt schön brav genauso, wie es sollte.

Erst die genaue Analyse durch Fachleute brachte Licht ins Dunkel: Der Schlaumeier hatte die am Roller angebrachte Drosselung so manipuliert, dass er sie mit einer Art Fernsteuerung ein- und ausschalten konnte.

Rasch bitterer Ernst

Andreas Schild konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, als er aus seiner Praxis plauderte. Der Jugendgerichtspräsident für das Emmental und den Oberaargau war angetreten, um vor den Schülern im Oberstufenzentrum Hindelbank über seine Arbeit zu reden. Wobei er gleich betonte: Oft braucht es nicht viel, damit aus einem dummen Streich bitterer Ernst wird. Mit allen Konsequenzen.

Wie beim Fall jener 13- und 14-Jährigen, die auf dem Heimweg von einer feucht-fröhlichen Party waren, als einer aus ihrer Mitte plötzlich zusammenbrach. Untersuchungen förderten später zu Tage, dass er 2,5 Promille Alkohol im Blut hatte – doch seine Kollegen kümmerte das nicht, sie gingen nach Hause, wie wenn nichts gewesen wäre, und liessen ihren Kollegen liegen. Zum Glück wurde er von Passanten gefunden, «er hätte», mahnte Schild, «erbrechen und ersticken – oder bei den herrschenden tiefen Temperaturen glatt erfrieren können».

Ausreden zählen nicht

Der Jugendgerichtspräsident betonte mit Nachdruck, dass sich Jugendliche genau dann strafbar machen, wenn auch Erwachsene mit dem Gesetz in Konflikt geraten würden. In diesem Sinne gebe es keine Sonderrechte für junge Leute, Ausreden wie «Ich habe nicht gewusst, dass das verboten ist» oder «Ich bin doch noch gar nicht 18 Jahre alt» zählten nicht. Zur Rechenschaft gezogen werden könne man übrigens schon ab 10 Jahren.

Wie wenig Ausreden nützen, illustrierte Schild an einem dritten Beispiel. Nach einem Streit mit einem Erwachsenen organisierte ein Jugendlicher übers Handy Hilfe. Prompt fuhren wenig später die Kollegen vor und machten sich auf, die zehn Nazis zu verprügeln, von denen sie am Telefon gehört hatten. Stattdessen trafen sie letztlich nur auf den Erwachsenen, den sie dafür umso härter drannahmen. Sie traktierten ihn mit mitgebrachten Golfschlägern und verpassten ihm Fusstritte – auch wer in dieser Runde nur untätig daneben gestanden sei, habe später bei ihm antreten müssen, erklärte der Jugendrichter. Zumal die Zaungäste später für den schwer verletzt am Boden Liegenden nicht einmal die Ambulanz gerufen hätten – «auch hier gilt: Mitgegangen, mitgehangen».

Happige finanzielle Folgen

Schild machte klar, dass die Polizei auch bei Jugendlichen Hausdurchsuchungen durchführen, Blut- oder Urinproben anordnen sowie Fingerabdrücke und DNA-Proben nehmen kann. Je nachdem sei sogar Untersuchungshaft in der Jugendabteilung des Regionalgefängnisses in Thun möglich – und zu den Strafen: Diesen reichten von einem Verweis für leichte Gesetzesverstösse bis hin zu Jugendgefängnis in schweren Fällen. Am häufigsten aber werde eine persönliche Arbeitsleistung zum Beispiel zu Gunsten eines Spitals oder Altersheims ausgesprochen, was auch sinnvoll sei.

Dass es mit der Strafe oft nicht getan ist, zeigte der Jugendgerichtspräsident mit einer nächsten Geschichte. Diesmal ging es um zwei Jugendliche, denen es gelungen war, aus einem Notenautomaten für Benzin Geld zu stehlen. Geschafft hatten sie es mit Hilfe einer Grillzange, allein, als Reaktion auf den Diebstahl stellte die Tankstelle einen neuen Automaten auf, sodass die beiden bei einem zweiten Versuch erfolglos blieben. Den Kartenleser zerstörten sie aber erneut, und als sie gefasst waren, mussten sie zur Strafe hinzu für den angerichteten Schaden geradestehen. Jeder hatte über 12000 Franken zu zahlen – kein Pappenstiel bei ihren Lehrlingslöhnen.Stephan Künzi