Prof. Dr. Michael Koß, Prof. Dr. Daniela Schwarzer und Boris Pistorius diskutieren auf dem Podium.

Pistorius fordert "klare Kante gegen demokratiefeindliche Kräfte"

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat gestern Abend in Berlin ein entschlossenes und gemeinsames Handeln gegen das Erstarken demokratiefeindlicher Kräfte gefordert. Auf der gemeinsamen Veranstaltung der Bertelsmann Stiftung und der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft (DVPW) hielt der Minister eine Rede zur "Zeitenwende im deutschen Regierungssystem".

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Prof. Dr. Robert Vehrkamp
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Zu Beginn der Veranstaltung begrüßte Prof. Dr. Daniela Schwarzer, Vorständin der Bertelsmann Stiftung, die etwa 150 Teilnehmer:innen zu einem besonderen Abend: "Es soll heute weniger um die Lieferung konkreter Waffensysteme gehen, sondern um die Frage, wie man in der Zeitenwende regiert." Während die Polarisierung in der Gesellschaft zunehme, steige der Bedarf an langfristigem Denken und planvollem Entscheiden. "Gleichzeitig handelt die Politik aber unter großem Krisendruck", so Schwarzer.

In seiner Rede wies Pistorius darauf hin, dass sich autoritäre Bestrebungen nicht nur in Russland und anderen Teilen der Welt manifestieren, sondern sich auch bei uns in Deutschland zeigen. Die AfD sei eine zu großen Teilen rechtsextreme Partei. Das dürfe uns keine Ruhe lassen. Da helfe auch kein Schwurbeln oder Wegducken, sondern nur eine sehr klare Kante. "Aber während die Probleme immer komplexer und globaler werden, gibt es immer mehr Menschen, die sich einfache Lösungen wünschen", sagte Pistorius.

Pistorius geht auf Lage der Ampel-Regierung ein

Als Reaktion auf Russlands Angriff auf die Ukraine forderte Pistorius deshalb nicht nur die notwendige militärische und humanitäre Unterstützung für die angegriffene Ukraine, sondern auch ein neues "Mindset": "Was wir brauchen, sind Stärke, Widerstandsfähigkeit und Wehrhaftigkeit sowie Klarheit und Haltung." Die epochalen Umbrüche verlangten nach Führung und entschiedenem Handeln. Man habe es mit einem "Angriff auf die innere Verfasstheit der Demokratie und ihrer liberalen Ordnung" zu tun. Dagegen reiche es nicht, lediglich beiläufig ein paar Worte zu verlieren. "Wenn wir in unserer Sprache, unseren Urteilen und Bewertungen nicht klar sind, dann verstehen uns die Menschen nicht und können uns auch nicht folgen. Dann kann sich auch niemand von unserer Leidenschaft für Demokratie und Freiheit anstecken lassen."

Im anschließenden Gespräch mit Daniela Schwarzer und Michael Koß, Professor für Politikwissenschaft an der Leuphana Universität Lüneburg und DVPW-Sektionsvorstand, ging Pistorius auf die Lage der Ampel-Regierung ein. Da könne und müsse einiges besser werden, meinte Pistorius, verwies aber gleichzeitig auf die gute Zusammenarbeit im Kabinett und das unter großem Druck von der Koalition bereits Erreichte. "Dennoch können wir in der Art, wie wir in der Regierung handeln und kommunizieren, noch besser werden. Da hätte ich in den letzten Monaten auf den einen oder anderen atmosphärischen Misston auch verzichten können." Mit Blick auf die Finanzierung der Zeitenwende nach Auslaufen des Sondervermögens verwies der Minister auf die dafür notwendigen Beschlüsse im Haushalt des nächsten Jahres, das stehe in diesem Jahr noch nicht an.

Befragt nach denkbaren Szenarien zur Beendigung des Krieges gegen die Ukraine betonte Pistorius, dies sei die alleinige Entscheidung der Ukraine. "Wir waren auch mal die Ostflanke. Und jetzt muss Deutschland Verantwortung übernehmen und andere schützen und unterstützen – so wie wir einst unterstützt und geschützt worden sind. Die Ukrainer kämpfen für den Frieden in Europa."