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Film ‚Edelweiss‘ holt Rassismuserfahrungen in Österreich vor die Linse

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Trotz anderer Hautfarbe sind die Hauptdarsteller keine Touristen im eigenen Land.
Trotz anderer Hautfarbe sind die Hauptdarsteller keine Touristen im eigenen Land. © kp

„People of Color“ sind das Thema des ersten Obersalzberger Gesprächs in den Räumlichkeiten der neuen Dokumentation. In dem Lern- und Erinnerungsort bekommen junge Leute mit Rassismuserfahrung Gehör. Gemeinsam haben sie an der österreichischen Produktion „Edelweiss” mitgewirkt. So lief die Premiere.

Berchtesgaden – Wie fühlen sich Menschen anderer Hautfarbe in einem Land, in dem sie aufgewachsen sind? In dem eine gesellschaftliche Mehrheit eine andere Hautfarbe hat – und manche einen das spüren lassen? Sprache und Verhalten anderer gegenüber einem selbst prägen oft das eigene Selbstbild und nehmen dem Ort, der das Zuhause sein soll, dadurch die Möglichkeit, sich sicher zu fühlen, sagen die Protagonisten. 

Girishya Stella Kurazikubone ist eine von jenen Betroffenen. Sie hat am „Edelweiss“-Projekt von Creative Producerin Stella Radovan aus Österreich (Triangle Studio) mitgewirkt. Die Hautfarbe der Produzentin: weiß. Die Regisseurin Anna Gaberscik ist dunkelhäutig. „Ich bin tatsächlich die einzige Weiße“, sagt Stella Radovan. Ein Großteil der Mitwirkenden des rund einstündigen Dokumentarfilms wohnt in Wien und hat laut eigener Aussage prägende Erfahrung mit Rassismus gemacht. 

Premiere am Obersalzberg

Dass ein Teil des Teams nun auf dem Obersalzberg ist, hat einen Grund: Das Berchtesgadener WurzelTrieb-Kollektiv hat die Protagonisten auf den Obersalzberg geladen, an einen Ort mit historischer Bedeutung, um über das eigene Leben und die Momente von gefühlter und erlebter Ausgegrenztheit zu berichten. Beim Institut für Zeitgeschichte, das für die Dokumentation zuständig ist, stieß der Wunsch, den Film zu zeigen, auf offene Türen. Der Obersalzberg war Keimzelle von Entscheidungen im Nationalsozialismus, die menschliches Leid mit sich brachten. Vielleicht ist der Ort deshalb von den Veranstaltern gut gewählt bei der Rassismus-Debatte.     

Die Schwestern Anni (links) und Hanni Maltan sind Mitglieder des WurzelTrieb-Kollektivs. Minderheiten sichtbar machen, ist eine der selbst gesteckten Aufgaben ihres Netzwerks.
Die Schwestern Anni (links) und Hanni Maltan sind Mitglieder des WurzelTrieb-Kollektivs. Minderheiten sichtbar machen, ist eine der selbst gesteckten Aufgaben ihres Netzwerks. © kp

Kunstvoll in Szene gesetzter Film

Der Film ist kunstvoll in Szene gesetzt, ein visuelles Performance-Experiment mit dem Versuch zur Sensibilisierung für Antirassismus. Große Interviewanteile bestimmen den Dokumentarstreifen: Leute mit nicht-weißer Herkunft, die in Österreich und Deutschland aufgewachsen sind oder dort seit längerer Zeit wohnen, berichten über das eigene Leben, ihre Gefühle („Es war nicht mein Ort, ich musste mich in Österreich neu verlieben“). Einige nennen es ihr Zuhause, andere haben es zu ihrer sogenannten „Heimat“ gemacht und wieder andere würden es nie als ihre Heimat bezeichnen.

Girishya Stella Kurazikubone ist eine der Protagonistinnen bei “Edelweiss”. Die österreichische Produktion beschäftigt sich mit rassistischer Anfeindung und feierte in der Dokumentation Obersalzberg Deutschland-Premiere.
Girishya Stella Kurazikubone ist eine der Protagonistinnen bei “Edelweiss”. Die österreichische Produktion beschäftigt sich mit rassistischer Anfeindung und feierte in der Dokumentation Obersalzberg Deutschland-Premiere. © kp

Der Film ist ein „kritischer Liebesbrief an Österreich“. Sie habe oft das Gefühl gehabt, nicht „reinzupassen“, sagt eine Mitwirkende mit asiatischen Wurzeln. Nur mit dem österreichischen Dialekt könne sie sich aus dieser Situation „rauskämpfen“. Es sei eine gewisse Form von Luxus und durchaus etwas Besonderes, wenn der Name einer Person keine Fragezeichen im eigenen Land aufwirft, ist einer der Interviewten überzeugt. 

Rida Arif hat viele Jahre in Pakistan gelebt. Aktuell arbeitet sie im Kulturbereich in Wien. Die Nicht-Wahrnehmung bestimmt ihr Leben. Der Kontrast sei für sie in den vergangenen drei Jahren noch nie stärker gewesen als heutzutage, sagt sie.  

Kurze Gespräche berichten über Beziehung zu Österreich

Die Protagonisten werden von der Kamera frontal eingefangen. In den kurzen Gesprächen berichten sie von ihrer Beziehung zu Österreich, sie sprechen über Erfahrungen aus dem Alltag. Die Interviews sind in Englisch und Deutsch geführt. Die Leute sollten sich mehr um ihre Mitmenschen sorgen und empathischer für Minderheiten sein, sagt eine der Hauptprotagonisten, Girishya Stella Kurazikubone, während der anschließenden Podiumsdiskussion. „Ich würde die Menschen gerne häufiger in den Straßen tanzen sehen.“ Österreich werde wohl nicht mehr zur eigenen Heimat, auch wenn man hier das ganze Leben verbracht hat.

Anfeindungen, unpassende Kommentare, Ausgrenzung: Gemein haben alle jenen Pool aus Erfahrungswerten, der ihnen das Leben im Land der eigenen Wahl erschwert hat. 

In einer Szene des Films sitzen drei dunkelhäutige Menschen auf einer Bergwiese. Sie wünschen sich, auf den Berg gehen zu können und dabei nicht mit großen Augen als Tourist im eigenen Land angestarrt zu werden.

Vorurteile wegen Hautfarbe belasten Darsteller

Dass die Hautfarbe oft Vorurteile nach sich zieht, das belastet die „Edelweiss“-Darsteller erheblich, verkompliziert die Dinge. „Ich finde es komisch, wenn sich Leute mit mir über das Weiß-Sein unterhalten“, sagt eine. „Was soll man tun, wenn der Ort, an dem man aufwuchs, einen nicht anerkennt.“ Sichere Orte, an denen man sich frei fühlt, seien in so einer Welt selten und maximal in der Gemeinschaft aus Gleichgesinnten zu finden. 

Girishya Stella Kurazikubone sagt: „Wir sind auch ein Teil Österreichs. Es fühlt sich aber oft so an, als müssten wir um unsere Anerkennung kämpfen. Ist es okay, in diesem Land, an diesem Ort zu existieren?“ 

Weitere Informationen zum Film gibt es unter edelweissfilm.com/de.

kp    

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