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Altenpflege

Geimpften Heimbewohnern Grundrechte wieder zugestehen

Das KDA sieht in den Corona-bedingten Einschränkungen für geimpfte Heimbewohner "Grundrechtsverletzungen im menschenrechtskonventionellen Sinne".

Das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) hält die Corona-bedingten Einschränkungen für geimpfte Heimbewohnerinnen und -bewohner für nicht verhältnismäßig. Ihre Bevormundung und Isolation sei nicht mehr haltbar, kritisierte das KDA vor wenigen Tagen und warnte ausdrücklich vor "Grundrechtsverletzungen im menschenrechtskonventionellen Sinne".

"Grundrechtsverletzungen im menschenrechtskonventionellen Sinne"

Wissenschaftliche Fachverbände hätten bereits im Frühjahr 2020 auf negativen Folgen für Geist, Seele und Körper älterer Menschen infolge sozialer Isolierung hingewiesen.

KDA-Kuratoriumsmitglied sowie Professor für Sozialpolitik und Methoden der quantitativen Sozialforschung an der Universität Köln, Frank Schulz-Nieswand, sagte:

"Es ist ganz grundsätzlich eine Frage, ob die sehr restriktiven Einschränkungen, die in Seniorenheimen gelten, überhaupt vertretbar sind. Denn auch Heimbewohner haben das Recht, zumindest mit darüber zu entscheiden, ob und in welche Gefahr sie sich bringen wollen, um etwa Freiheitsrechte nicht gänzlich zu verlieren."

Die Frage nach Verhältnismäßigkeit und Ethik solch einschneidender Einschränkungen sei nun, nach den Impfungen, noch dringlicher und umso deutlicher zu beantworten.

Für Schulz-Nieswandt stelle sich außerdem die Frage:

"Inwieweit sind die Grundrechtsbeschränkungen in ihrem vollen Umfang tatsächlich der Corona-Vorsorge geschuldet, und inwieweit hängen sie mit den strukturellen Problemen in der Pflege zusammen?"

Ebenso betonte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur in der Vorwoche:

"Auch wenn in den Einrichtungen 75 Prozent der Menschen eine Zweitimpfung erhalten haben, bleiben Ausgangssperren, Kontakteinschränkungen und Quarantäne-Auflagen im Alltag bestimmend. Eine Tasse Kaffee in der Außengastronomie, spontane Treffen mit geimpften oder getesteten Angehörigen, selbst ein Besuch von Gottesdiensten bleiben für geimpfte Bewohner Tabu."

Die Gesundheitsministerinnen und -minister von Bund und Ländern hatten in der Vorwoche darüber beraten, dass für Menschen mit vollem Corona-Impfschutz künftig voraussichtlich Verpflichtungen für Corona-Tests entfallen sollen. Personen mit vollständigem Impfschutz könnten so behandelt werden wie Menschen, die über ein tagesaktuell negatives Testergebnis verfügten.

Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht

Brysch bezweifelt allerdings, dass dieser eingeschlagene Kurs auch den rd. 900.000 Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohnern mehr Freiheiten bringen werde.

Den Betroffenen bleibe nur die Möglichkeit, ihre Grundrechte vor Gerichten einzuklagen, so Brysch. Dabei lägen alle Hoffnungen auf dem Bundesverfassungsgericht.

Anlass für die Debatte war u. a., dass eine Senioreneinrichtung in Süddeutschland ihren Gastronomiebetrieb für Geimpfte und Genesene wieder öffnen wollte.

Eine eingereichte Klage wies der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg allerdings Ende März zurück. Daraufhin hat die Einrichtung gemeinsam mit einem Heimbewohner Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. 

Die Verfassungsbeschwerde unterstützen neben KDA sowie Stiftung Patientenschutz u. a. auch Mitglieder des Deutschen Ethikrats und die Bundesarbeitsgemeinschaft für Seniorenorganisationen.

Update 15.04.2021:

Geimpfte und Genesene dürfen zusammen essen

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hatte nach seiner zunächst abschlägigen Entscheidung einen Vergleichsvorschlag vorgelegt. Auf diesen einigten sich nun das Gesundheitsministerium, das zuständige Landratsamt und das Seniorenzentrum. Somit dürfen geimpfte oder genesene Bewohnerinnen und Bewohner wieder gemeinsam essen. Das gab das Gericht am Dienstag bekannt.

Der Verwaltungsgerichtshof begründete seinen Vorschlag mit einer Neueinschätzung des Robert Koch-Instituts, wonach Geimpfte kaum noch ansteckend seien.

Rechtssicherheit für den Umgang mit geimpften Heimbewohnern

An der Entscheidung könnten sich auch andere Einrichtungen orientieren, sagte der Vorsitzende des Landesseniorenrats, Eckart Hammer, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.

In Pflegeheimen seien durchschnittlich 80-90 % der Bewohnerinnen und Bewohner gegen Corona geimpft.

Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) kündigte weitere Änderungen mit Blick auf Geimpfte für stationäre Pflegeeinrichtungen an. Hier könnten bei einer Durchimpfungsrate von 90 % wieder mehr Besuche ermöglicht werden.

Die Hygienemaßnahmen, insbesondere die qualifizierte Maskenpflicht und die Testung vor Zutritt für Besucherinnen und Besucher gelten laut Lucha aber weiterhin fort.

Eine Sprecherin der Caritas Rottenburg-Stuttgart sagte, dass Pflegeheime für den Umgang mit Geimpften bisher keine Rechtssicherheit gehabt hätten.

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