Watt-TrainingPowertraining aus dem Profisport

Björn Kafka

 · 27.05.2012

Watt-Training: Powertraining aus dem ProfisportFoto: Robert Niedring
Watt-Training: Powertraining aus dem Profisport
Das Watt-Training hat den Profi-Radsport revolutioniert wie kaum eine andere Trainingsmethode. Wir zeigen Ihnen, was das Training mit Leistungsmesser und Watt-Werten wirklich bringt.

Wolfram Kurschats Grinsen glüht mit 420 Watt. Kaum hat er die Leistungsdaten vom Bike-Rennen auf Zypern analysiert, sagt er etwas zu nüchtern: „Ich bin wohl ganz gut drauf.“ 420 Watt bedeutet im Normalleben, 21 Energiesparlampe zum Leuchten zu bringen, vier LCD-Fernseher laufen zu lassen, oder den Staubsauger im Sparmodus über den Teppich zu schieben. Bei Radfahrern hat die Angabe der Leistung in Watt eine komplett andere Bedeutung: Sie ist ein unbestechliches Maß für die Fitness. Was das bringt? Vor allem zeigt es, in welcher Verfassung die Beine sind.

  Dauerleistung pro Kilogramm: Wie viel Watt drücken Sie 60 Minuten lang? Dividieren Sie den Wert durch Ihr Körpergewicht. Sie finden Ihre Wattleistung pro Kilogramm.Foto: Screenshot Dauerleistung pro Kilogramm: Wie viel Watt drücken Sie 60 Minuten lang? Dividieren Sie den Wert durch Ihr Körpergewicht. Sie finden Ihre Wattleistung pro Kilogramm.

420 Watt im Rennen sind Weltklasse

Hat man das Zeug zum Worldcup-Biker oder eher zum Cappuccino-Radler? Wer es genau wissen will, kommt an Powermetern nicht vorbei. Die Geräte zeichnen die Leistungsdaten (Watt, Geschwindigkeit und Herzfrequenz) während der gesamten Fahrt auf. Profis vertrauen schon seit Jahren auf diese Geräte, aber auch in der Amateurklasse können die Kraftmesser einen Trainingsvorteil bringen. Wie genau, das zeigt sich beim Vergleich mit dem klassischen Gradmesser: der Herzfrequenz. Der Puls unterliegt vielen Faktoren, die Verfälschungen verursachen. Emotionen, Wasserverlust, hohe Temperaturen oder die Ernährung beeinflussen unsere Pumpe. Auf dem Trail bedeutet das: Wer bei 38 Grad seinen Trail entlangfeuert, zwingt seinem Herzen Schwerstarbeit auf. Die gleiche Leistung bei 20 Grad weniger wäre weit weniger fordernd. Watt bleibt Watt, egal ob es Hunde vom Himmel regnet oder ob Sie 20 Espressi getrunken haben.

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Training nach Puls oder Watt?

Wer sich im Training an Watt-Werten orientiert, kann gezielter trainieren. Denn wer sich nach dem Puls richtet, hat viele Variablen, die die Werte beeinflussen. Zudem reagiert der Puls bei kurzen Intervallen sehr träge.


Pulstraining: Vor- und Nachteile

  • Günstig in der Anschaffung
  • Vielfältig einsetzbar – laufen, Mountainbiken
  • Montage sehr einfach
  • Schlechte, träge Werte beim Intervalltraining
  • Viele Variablen – Wetter, Nahrung, etc.
  Typisches Bild beim Intervalltraining mit Puls: Die Herzfrequenz wird schnell erreicht. Die Leistung (TV) springt hoch und sinkt.Foto: Screenshot Typisches Bild beim Intervalltraining mit Puls: Die Herzfrequenz wird schnell erreicht. Die Leistung (TV) springt hoch und sinkt.


Watt-Training: Vor- und Nachteile

  • Fortschritte werden sofort erkannt
  • Trainingsstress kann errechnet werden
  • Extrem kontrolliertes Training möglich
  • Teuer
  • Montage ist zum Teil kompliziert
  Intervalltraining mit Watt: Die Leistung (TV) wird schnell erreicht. Der Puls reagiert träge und kommt langsam in Fahrt.Foto: Screenshot Intervalltraining mit Watt: Die Leistung (TV) wird schnell erreicht. Der Puls reagiert träge und kommt langsam in Fahrt.

Leistung im Wettkampf: Profi-Werte im Detail

  So sieht ein Marathonsieger aus: Leistungsdaten von Alban Lakata, Sieg Kitzalp 2011 Die grüne Linie zeigt die Wattleistung. Lakata drückt konstant um die 380-400 Watt in den Anstiegen. Im Schnitt benötigt er dafür 45 Minuten. Bei Lakatas Gewicht schafft er fünf Watt pro Kilogramm an den Anstiegen. Auffällig ist der erste Anstieg, den Lakata mit 480 Watt beginnt. Lakatas Herzfrequenz sank bei jedem Anstieg um einige Schläge – ein Zeichen von Ermüdung. Übrigens, das Warmfahren (Abschnitt 1) ließ Lakata sehr locker angehen.Foto: Hersteller So sieht ein Marathonsieger aus: Leistungsdaten von Alban Lakata, Sieg Kitzalp 2011 Die grüne Linie zeigt die Wattleistung. Lakata drückt konstant um die 380-400 Watt in den Anstiegen. Im Schnitt benötigt er dafür 45 Minuten. Bei Lakatas Gewicht schafft er fünf Watt pro Kilogramm an den Anstiegen. Auffällig ist der erste Anstieg, den Lakata mit 480 Watt beginnt. Lakatas Herzfrequenz sank bei jedem Anstieg um einige Schläge – ein Zeichen von Ermüdung. Übrigens, das Warmfahren (Abschnitt 1) ließ Lakata sehr locker angehen.  Daten von Wolfram Kurschat beim Sieg im CC-Rennen auf Zypern 2012: Ein nervöses Hin- und Hergespringe, so stellen sich die Wattdaten von Wolfram Kurschat dar. Ganz anders als bei Lakata sieht die Kurve von Wolfram Kurschat aus. Die Kurven zeigen den Sieg beim CC-Rennen auf Zypern. Die durchschnittliche Leistung lag bei ihm um die 420 Watt. Das macht ein Leistungsvermögen von sechs Watt pro Kilogramm beim Körpergewicht von Kurschat aus. Anders als bei Lakata erkennt man, dass das Rennen viel ruppiger gefahren wurde. Die Anstiege knallte der Deutsche teilweise mit 500 Watt hoch. Ein weiterer großer Unterschied ist die Belastung in den Abfahrten. Während Lakata hier die Beine hängen lassen konnte, musste Kurschat immer noch Gas geben. Unter 350 Watt sinkt die Leistung des Profis kaum.Foto: Hersteller Daten von Wolfram Kurschat beim Sieg im CC-Rennen auf Zypern 2012: Ein nervöses Hin- und Hergespringe, so stellen sich die Wattdaten von Wolfram Kurschat dar. Ganz anders als bei Lakata sieht die Kurve von Wolfram Kurschat aus. Die Kurven zeigen den Sieg beim CC-Rennen auf Zypern. Die durchschnittliche Leistung lag bei ihm um die 420 Watt. Das macht ein Leistungsvermögen von sechs Watt pro Kilogramm beim Körpergewicht von Kurschat aus. Anders als bei Lakata erkennt man, dass das Rennen viel ruppiger gefahren wurde. Die Anstiege knallte der Deutsche teilweise mit 500 Watt hoch. Ein weiterer großer Unterschied ist die Belastung in den Abfahrten. Während Lakata hier die Beine hängen lassen konnte, musste Kurschat immer noch Gas geben. Unter 350 Watt sinkt die Leistung des Profis kaum.

Intervalltraining nach Watt-Werten

Spannend wird die Sache beim Intervalltraining, das gerade eine Wiederauferstehung erlebt. Anstatt ewig im Grundlagenbereich rumzugurken, brennen viele Profis und Amateure kurze, intensive Einheiten ab. Die Herzfrequenz ist dabei ein schlechter Indikator. Wer ein zehnminütiges Intervall mit dem Pulsmesser steuert, wird am Anfang zu schnell fahren und gegen Ende langsamer werden. Das liegt an der Trägheit des Herzens. Der Pumpmuskel braucht einige Zeit, um auf Rennmodus zu schalten. Bei Intervallen, die mit einem Pulsmesser gesteuert wurden, schwanken die Wattleistungen enorm. Das gibt es beim Watt-Training nicht.

Wattleistung ist im Gegensatz zur Herzfrequenz unbestechlich

Worldcup-Ass Wolfram Kurschat sieht noch einen weiteren Vorteil: „Wenn ich meine Trainingsrunde Vollgas abfahre, spielen das Wetter, der Boden oder meine Herzfrequenz keine Rolle – die Wattleistung ist unbestechlich und zeigt, wie fit ich wirklich bin. Manchmal fühle ich mich total mies beim Training und stelle später fest, dass ich die besten Werte bis dato gefahren bin.“ Wer nach Watt-Werten trainieren möchte, sollte seine Schwellenleistung ermitteln.

Software und Literatur zum Watt-Training

Mit diesen Programmen können Sie die Wattleistung auswerten. Analysieren Sie Ihre Trainingsdaten. Wir zeigen Ihnen die Software, mit der Sie Ihre Leistungen perfekt überprüfen können. Vom Profi-Tool bis zum Low-Budget-Instrument. Zudem zeigen wir zwei Bücher für das Training mit Leistungsmesser:

Standardwerk für ambitionierte Radsportler und Triathleten: Hunter Allen und Doktor Andrew Coggan zeigen darin die Geheimnisse des wattgesteuerten Trainings. Spomedis Verlag (deutsch), Preis: 29,95 Euro
Foto: Hersteller

Computer zur Anzeige der Leistungsdaten

Mit diesen Computern wird schummeln unmöglich. Ob mit GPS-Sensor, puristisch klein oder funktionell: Diese vier Modelle dokumentieren Ihr Leistungshoch.

Powertap Joule GPS (219 Euro/75 Gramm/www.powertap.com):
 Der PowerTap Joule GPS-Radcomputer wurde speziell für Radfahrer zur Leistungsmessung entworfen. Im Vergleich zu seinem Vorgänger dem PowerTap Joule 3.0 ist der Joule GPS klein, schick und hat ein neu gestaltetes Gehäuse. Er wird mit einer Knopfzellen-Batterie betrieben, die etwa 300-400 Stunden Laufzeit hat. Zudem ist das Powertap-Gerät voll ANT+ kompatibel.
Foto: Hersteller

Kurbeln und Naben zur Wattmessung

Sie wandeln Muskelkraft in nackte Zahlen: Dehnmess-Streifen in diesen Kurbeln und Naben ermöglichen die Wattmessung. Wir zeigen fünf aktuelle Modelle, die sich zum Watt-Training eignen:


SRM Powermeter
2856 Euro/703 g/www.srm.de
Die Mutter aller Kraftmess-Systeme – SRM aus der Nähe von Köln – schickt die sündteure Zweifach-X0-Kurbel mit Kettenblättern der XX-Gruppe (39/26) ins Rennen. Das kabellose System schafft mit seinen acht Dehmess-Streifen eine Genauigkeit von +/– 1,5 Prozent. Eine Batterie hält in dem bewährten System etwa 700 Betriebsstunden. Zum Wechseln muss das System eingeschickt werden. Die Kurbel funkt die Messwerte mit 25 Hertz über den gängigen ANT+-Standard zum Computer.

  Die SRM-Einheit an einer Zweifach-Kurbel von SRAM.Foto: Hersteller Die SRM-Einheit an einer Zweifach-Kurbel von SRAM.


Powertap G3 Disc MTB
ca. 890 Euro/350 g/www.powertap.com
Die Alternative zur Kurbel: Die Powertap-Hinterradnaben haben sich bei unseren Rennstreckentests bewährt und erlauben die Leistungsmessung über den Kettenzug, der über das Ritzel an der Nabe ankommt. Die neueste Version hat hochwertigere Lager, ist mit Steckachsen (142x12mm) kompatibel und wiegt weniger als der Vorgänger. Batterien lassen sich selbst wechseln. Wer zwei Bikes mit derselben Laufradgröße hat, kann mit einem Handgriff die Powertap-Nabe an beiden Rädern fahren.

  Die neue G3 Disc-Nabe zur Leistungsmessung von Powertap.Foto: Hersteller Die neue G3 Disc-Nabe zur Leistungsmessung von Powertap.


Power2max Rotor 3D
867 g/1230 Euro/www.power2max.de
Die günstige Kurbel-Alternative kommt aus Chemnitz. Das System arbeitet mit Dehnmess-Streifen und ähnelt sehr der Technik von SRM. Jedoch lässt sich die herkömmliche CR2450-Batterie nach 300 bis 400 Stunden selbst einfach wechseln. Das spart Geld. Bei vielen gängigen Kurbeln lässt sich die Kraftmesseinheit nachrüsten und kostet dann nur 690 Euro. Anders als SRM und SRAM kommt Power2max ohne Magnet am Rahmen aus, der die Trittfrequenz erfasst.

  Das Power2max-System an einer Rotor-Kurbel.Foto: Hersteller Das Power2max-System an einer Rotor-Kurbel.


SRAM Quarq Quatro
722 g (inkl. Lager)/1651 Euro/www.sram.com
Wie die Sachsen-Kurbel setzt auch die SRAM-Kurbel auf Bedienungsfreundlichkeit. Die CR2450-Batterie lässt sich werkzeuglos wechseln. Ein kleiner, zusätzlicher Rahmenmagnet misst die Kurbelumdrehungen. Die Carbon-Kurbel ähnelt dem X0-Modell und hat zehn Dehnmess-Streifen, die die Leistung mit +/– zwei Prozent bestimmen. Wie alle anderen Systeme sendet die Quarq ihre Signale in ANT+-Verschlüsselung an einen der unten beschriebenen Computer.

  Die Leistungsmess-Kurbel Quarq von SRAM.Foto: Hersteller Die Leistungsmess-Kurbel Quarq von SRAM.


Stages Shimano XT M870/875
237 g/849 Euro/www.stagescycling.com
Aus Amerika kommen die neuen Powermeter von Stages. Die Messtechnik sitzt in einem kleinen Kästchen im linken Kurbelarm. Vorteil: Man muss nur den linken Kurbelarm tauschen. Nachteil: Die Leistung wird nur fürs linke Bein gemessen und hochgerechnet. Die Genauigkeit liegt bei +/- zwei Prozent. Die Stages-Kurbeln gibt es für viele Kurbel-Modelle von Shimano und SRAM, jedoch noch nicht für Carbon-Kurbeln. Die CR2032-Batterie hält etwa 150-200 Stunden, die Kurbeln gibt es in teils vier verschiedenen Längen für Ein-, Zwei- und Dreifach-Setups.

  Die preiswerte Leistungsmess-Kurbel von Stages in der Shimano XT-Version.Foto: Hersteller Die preiswerte Leistungsmess-Kurbel von Stages in der Shimano XT-Version.


Den ausführlichen Artikel über Watt-Training aus BIKE 5/2012 finden Sie unten im PDF-Download.

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