Israels Ex-Premier Ehud Barak: „Putins Armee ist impotent und machtlos“

Ehud Barak (81)

Ehud Barak (81)

Foto: AFP
Von: Antonia Yamin

Eine lebende Legende ...

Er hat in spektakulären Missionen Terroristen ausgeschaltet und Geiseln befreit, wurde Israels Armeechef, stieg auf zum Premierminister (bis 2001) und wurde diente seinem Land später schließlich als Verteidigungsminister: Ehud Barak (81) ist bis heute der meistdekorierte Soldat seines Landes. Er wollte Frieden mit den Palästinensern schließen und scheiterte an der Unnachgiebigkeit des PLO-Chefs Jassir Arafat.

Zum 75. Jahrestag der Gründung des Staates Israel verrät er BILD, was er von Putins Invasionsarmee hält und spricht über Israels Rolle im Ukraine-Krieg.

Putin ist „umgeben von Schmeichlern“

Ehud Barak kennt Putin seit dessen ersten Tag im Kreml. „Er war mal ein scharfsinniger und beeindruckender Mann“, sagt Barak. Gerüchte, dass es Putin nicht gut gehe, glaube er nicht, sondern: „Ich glaube, er ist nach und nach abgefallen. Er ist schon sehr lange an der Macht, er ist umgeben von korrupten Schmeichlern und das ist nie gut.“

Klar ist für Israels Ex-Premier: „Putins Armee ist impotent und machtlos.“

Dies war laut Barak auch eine Überraschung für den Kreml-Herrscher. Ein Grund dafür, dass er es sich den Angriff auf die Ukraine überhaupt getraut habe: „Die Nato lag im Koma. Aber dank Putin ist sie aufgewacht.“

„Deutschland muss eine starke Armee haben“

Barak mahnt, die von Kanzler Scholz ausgerufene Zeitenwende müsse Realität werden: „Ich weiß, dass es viele Menschen auf der Welt gibt, speziell ältere Menschen, die sich unwohl fühlen, wenn Deutschland aufrüstet, aber der Israel-Deutschland-Deal mit dem Raketenschutzschild ‚Arrow 3‘ ist ein ausgezeichneter Deal und er ist sehr wichtig für Deutschland. Deutschland muss bereit sein, Deutschland muss stark sein und eine starke Armee haben“, sagt er.

Ehud Barak hält es für einen Fehler, dass sich Israel nicht sofort hinter die Ukraine gestellt hat. „Israel sollte am wachsamsten sein, damit die Weltordnung erhalten bleibt und nicht eine Situation entsteht, in der ein Land behauptet, weil es stärker ist, kann es einfach ein anderes Land übernehmen.“

UND: „Darüber hinaus können wir nicht moralisch zusehen, wenn das ukrainische Volk eine solche Tragödie durchmacht, auch wegen der Tragödie, die wir durchgemacht haben als Volk und aufgrund derer der Staat gegründet wurde.“

Der junge Ehud Barak 1967 – damals Elite-Soldat im Kommando Sayeret Matkal (in Israel auch DIE Einheit genannt)

Ehud Barak 1967 – damals Elite-Soldat im Kommando Sajeret Matkal (in Israel auch DIE Einheit genannt)

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„Können den Iron Dome nicht an die Ukraine liefern“

Starke Worte des ehemaligen Premiers. Trotzdem sagt er: „Wir können den Iron Dome nicht an die Ukraine liefern. Erstens haben wir selbst nicht genug Batterien. Zweitens, wenn wir der Ukraine den Iron Dome zur Verfügung stellen, besteht die Gefahr, dass die Technologie in die Hände unserer Feinde fällt und dann ihre Wirksamkeit nachlässt.“

Barak: Iran ist „nukleares Schwellenland“

Ehud Barak warnt eindringlich: „Der Iran ist so nah wie noch nie an einer Atombombe. Tatsächlich ist der Iran bereits ein nukleares Schwellenland, und wenn er beschließt, eine Atomwaffe zu wollen, wird es zwischen anderthalb und zwei Jahren dauern, bis er eine hat.“

Der Ex-Premier verweist darauf, es liege nicht in Israels Händen, ob der Iran an eine Atombombe gelangt. „An diesem Punkt sind wir nicht in der Lage, eine chirurgische militärische Operation durchzuführen, die den Iran daran hindern würde, über Atomwaffen zu verfügen.“

Als höchstdekorierter Soldat Israels wurde Ehud Barak Generalstabschef, als Politiker trat er später in die Fußstapfen des ermordeten Friedens-Premiers Jitzchak Rabins. 1999 gewann er mit seinem Friedens-Kurs die Parlamentswahlen gegen Benjamin Netanjahu haushoch

Barak vor seiner politischen Karriere: Später wurde er Generalstabschef, als Politiker trat er in die Fußstapfen des ermordeten Friedens-Premiers Jitzchak Rabin. 1999 gewann er mit seinem Friedens-Kurs die Parlamentswahl gegen Benjamin Netanjahu

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Er plante Israels Angriff auf den Iran

BRISANT: Als Verteidigungsminister (2007-2013) hatte Barak die Absicht, den Iran anzugreifen: „Vor zwölf Jahren planten wir, den Iran anzugreifen, alle notwendigen Vorbereitungen wurden getroffen. Am Ende hatten wir keine Mehrheit im Kabinett, und das halte ich bis heute für einen Fehler.“

Ehud Barak auf einem Aktenfoto von 1991 in seiner Arbeitsuniform als Stabschef im Rang eines Generalleutnants

Ehud Barak auf einem Foto von 1991 in seiner Arbeitsuniform als Stabschef im Rang eines Generalleutnants

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Größte Bedrohung Israels: innere Zerrissenheit

Der hochdekorierte Ex-Soldat glaubt allerdings, dass die größere Bedrohung des Landes sich im Inneren zusammenbraue.

Barak: „Die größte Bedrohung für Israel ist die innere Zerrissenheit und der Versuch, die Spielregeln zu ändern. Netanjahu und seine Regierung versuchen, ein Attentat auf die Demokratie durchzuführen, die Unabhängigkeit des Obersten Gerichtshofs zu zerstören und Israel von der Liste der demokratischen Länder zu streichen.“

Im Mai 1972 hatten die palästinensischen Terroristen des „Schwarzen September“ ein Flugzeug entführt und Geiseln genommen. Die Spezialeinheit Sajeret Matkal mit ihrem Kommandeur Ehud Barak (2.v.l) und Benjamin Netanyahu (wurde wie Barak ebenfalls später israelischer Premierminister) stürmte das Flugzeug und befreite die Geiseln

Im Mai 1972 hatten palästinensische Terroristen des „Schwarzen September“ ein Flugzeug entführt und Geiseln genommen. Die Spezialeinheit Sajeret Matkal mit ihrem Kommandeur Ehud Barak (2. v. l) und Benjamin Netanjahu (wurde wie Barak ebenfalls später israelischer Premierminister) stürmte das Flugzeug und befreite die Geiseln

Foto: AFP/Getty Images

In der Zwischenzeit gelang es dem Protest, Netanjahus Justizreform zu stoppen. „Aber die Waffe bleibt geladen und die Regierung spielt mit acht Gesetzen herum, von denen eines Israel de facto undemokratisch macht – das Gesetz, das bestimmt, wer den Vorsitz im Gericht führen wird. Wir sind sechs Stunden entfernt davon, dass Israel keine Demokratie mehr ist. Wenn Netanjahu eines Morgens aufsteht und beschließt, dieses Gesetz zu realisieren, ist Israel bis nachmittags keine Demokratie mehr“, warnt der Ex-Premier.

Ehud Barak: „Zu Ehren des 75. Geburtstags des Staates Israel wünsche ich, dass wir aus dem Rand des Abgrunds herauskommen und auf die Autobahn zurückkehren können.“

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