Eigenbedarf: Rentnerin (73) muss ins Obdachlosenheim

Traurig sitzt Rentnerin Susanne Burger (73) in ihrem winzigen Zimmer im Obdachlosenheim in Weinheim

Traurig sitzt Rentnerin Susanne Burger (73) in ihrem winzigen Zimmer im Obdachlosenheim in Weinheim

Foto: Michael Ruffler
Von: Janine Wollbrett

Weinheim (Baden-Württemberg) – Eine bezahlbare Wohnung zu finden, wird offenbar für immer mehr Senioren zum Privileg. Rentnerin Susanne Burger (73) aus Weinheim suchte monatelang vergeblich eine neue Bleibe: Jetzt haust sie im Obdachlosenheim!

„Ich hätte nie gedacht, dass jemand wie ich, der seit seinem 14. Lebensjahr immer hart gearbeitet hat, teilweise zwei Jobs gleichzeitig machte und eine Tochter alleine großgezogen hat, einmal derart abstürzten könnte“, so die frühere Büroangestellte, die von rund 650 Euro Rente lebt.

Sie schluchzt: „Ich fühle mich von der Gesellschaft ausgestoßen. Aber vor allem bin ich wütend, dass unser Staat ältere Menschen wie mir, die sich nie etwas zuschulden kommen ließen und immer Steuern gezahlt haben, derart im Stich lässt.“

Wohnung wurde wegen Eigenbedarf gekündigt

Im Agust 2022 begann das Drama für Burger: „Da wurde mir meine Zweizimmerwohnung für 400 Euro Warmmiete, in der ich zwölf Jahre gelebt habe, wegen Eigenbedarf gekündigt.“ Nach der Kündigung war sie noch gelassen: „Ich hatte immer pünktlich Miete bezahlt, habe keine Schulden und keinen Schufa-Eintrag. Ich dachte, dass ich rasch ein neues Zuhause finde.“

Ein Irrtum: „Nachdem ich vergeblich in Zeitungen inserierte und auch Freunde, Verwandte und Bekannte um Hilfe gebeten habe, landete ich im September 2022 in einem zehn Quadratmeter kleinen Zimmer im Obdachlosenheim.“ Sie weint: „Davor musste ich noch meine beiden Katzen, die zehn Jahre bei mir lebten, im Tierheim abgeben. Das brach mir das Herz.“

Die Küche muss sich die 73-Jährige mit weiteren fünf Obdachlosen teilen

Die Küche muss sich die 73-Jährige mit weiteren fünf Obdachlosen teilen

Foto: Michael Ruffler

Seither haust die 73-Jährige für 150 Euro Miete in der Unterkunft, muss sich Küche und Bad mit fünf weiteren Obdachlosen teilen.

Susanne Burger erzählt: „Es ist schrecklich hier. Ich konnte in das winzige Zimmer nur einen Campingtisch mitbringen, den Rest meiner Möbel musste ich für 100 Euro im Monat in einer Garage einlagern. Inzwischen bin ich nur noch hoffnungslos. Bei der letzten Wohnungsbesichtigung waren 100 Leute und ich habe wieder nur eine Absage bekommen.“

Susanne Burger würde sogar gratis im Garten helfen

Burger, die eine kleine Wohnung (45 qm, bis zu 650 Euro Warmmiete) sucht, dafür sogar bei Gartenarbeiten mithelfen und auch in die Pfalz oder nach Hessen ziehen würde, vermutet: „Offenbar möchte sich kein Vermieter einen älteren Menschen ins Haus holen, der vielleicht bald krank werden oder sterben könnte. Ein anderer Grund fällt mir nicht ein.“

Der fast leere Kühlschrank, den sich die Rentnerin mit ihren Heimbewohnern teilen muss

Der fast leere Kühlschrank, den sich die Rentnerin mit ihren Heimbewohnern teilen muss

Foto: Michael Ruffler

Rolf Janßen (59) vom Frankfurter Mieterschutzverein hält das für möglich: „Diese Schicksale begegnen uns leider immer häufiger. Ältere Menschen mit einer kleinen Rente haben auf dem angespannten Wohnungsmarkt kaum noch eine Chance. Vermieter bevorzugen lange Mietverhältnisse, achten vor allem auf ihre Rendite. Oft wird befürchtet, dass ältere Menschen mit kleiner Rente Mieten oder Nebenkosten nicht zahlen können.“ Er rät: „Falls Eigenbedarf angemeldet wird, umgehend bei uns melden. Oft können wir eine drohende Kündigung abwehren oder einen Vergleich finden.“

Stadt ist machtlos

Auch Weinheims Stadt-Sprecher Roland Kern macht der Seniorin wenig Hoffnung: „Es ist sehr traurig, dass es in unserem Staat Menschen gibt, die ihr Leben lang gearbeitet haben und dennoch nicht genügend Geld haben, um sich im Alter eine Wohnung auf dem freien Wohnungsmarkt leisten zu können.“

Statistik: Entwicklung von Wohnungsmieten in Deutschland  info.bild.de

Auch der Stadt seien die Hände gebunden. Kern: „Es wird für Kommunen immer schwieriger, die Obdachlosigkeit dieser Menschen zu vermeiden. Wir bedauern jedes Schicksal, aber wir haben meistens keinen anderen Wohnraum zur Verfügung als in einer Unterkunft. Die wenigen freien Wohnungen, werden an Familien vergeben, damit sie nicht getrennt werden müssen.“ Er appelliert an Immobilienbesitzer: „Wir würden auch gerne privaten Wohnraum anmieten, aber alle Bemühungen diesbezüglich haben bislang kaum gefruchtet.“

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