14. Mai 2019 | Unternehmenssteuerung

Immer erreichbar – muss das sein?

Seit wir mit Handys nicht mehr nur telefonieren, sondern auch noch surfen, E-Mails schreiben und Videokonferenzen abhalten können, ist es zur Gewohnheit geworden, immer erreichbar zu sein. Das führt dazu, dass wir auch von Anderen erwarten, dass sie jederzeit abrufbar sein müssen. Doch welche Folgen hat die durchgehende Erreichbarkeit für unser Unternehmen und für uns?

  1. Wie mit dem technologischen Fortschritt umgehen?
  2. Müssen wir immer erreichbar sein?
  3. Was sagt der Gesetzgeber?
  4. Kann der Arbeitsvertrag andere Regelungen bestimmen?
  5. Immer erreichbar sein – Pro
  6. Immer erreichbar sein – Contra
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Immer erreichbar sein – viele glauben, das sei heute notwendig, um in der Geschäftswelt zu bestehen. Doch hat die Erreichbarkeit gravierende Folgen. (Bild © unsplash.com)

Wie mit dem technologischen Fortschritt umgehen?

Gerade im Geschäftsalltag scheint es für Selbstständige oder für Führungspersonen von Unternehmen vollkommen undenkbar zu sein, wenn sie nicht fortwährend an den Rest der Welt angeschlossen sind. Doch auch viele Arbeitnehmer ohne eine entsprechende Verantwortung überprüfen während ihres Arbeitsalltags laufend, ob sie E-Mails oder eine sonstige Nachricht erhalten haben.

Auf der anderen Seite verweigern sich viele Menschen dem technischen Fortschritt mit seinen Zwängen, indem sie entweder überhaupt kein Handy oder Smartphone nutzen oder indem sie diese für ihre Arbeit nicht länger als unbedingt notwendig verwenden. Wirft man der zweiten Gruppe ein gewisses Maß an Verweigerung oder gar Rückständigkeit vor, so sind doch auch die Vorzüge ihres Verhaltens unverkennbar. Denn sie profitieren von einem höheren Maß an Unabhängigkeit und Ruhe, indem sie ihre Nerven und ihre Gesundheit genauso schonen wie ihr Privatleben. 

Müssen wir immer erreichbar sein?

Die fortschreitende Technisierung der Arbeitswelt unter der Verwendung von Diensthandys und E-Mail-Postfächern für die Arbeit wirft die Frage danach auf, ob wir jederzeit erreichbar sein müssen. Denn die ständige Erreichbarkeit bringt den Berufstätigen in die Lage, dass er auch unabhängig von seinen Arbeitszeiten laufend verfügbar sein muss. Grundsätzlich müssen Arbeitnehmer jedoch nicht ständig erreichbar sein. Das Diensthandy muss also während des Urlaubs oder während des Feierabends oder der Feiertage und auch am Wochenende nicht laufend eingeschaltet sein. Auch müssen Arbeitnehmer ihre privaten Telefon- und Handynummern sowie private E-Mail-Adressen nicht an ihre Arbeitgeber mitteilen. 

Was sagt der Gesetzgeber?

Wer außerhalb der Arbeitszeit für die Firma erreichbar sein muss, der erbringt dem Grunde nach eine Arbeitsleistung. Damit widerspricht das (ArbZG) und das (BUrlg) dem Anspruch auf laufende Erreichbarkeit für die Arbeit. 

Was sagt das Arbeitszeitgesetz?

Das Gesetz zur Regelung der Arbeitszeiten (ArbZG) legt fest, wie lange ein Arbeiter oder Angestellter täglich und wöchentlich höchstens zu seiner Leistungserbringung angehalten werden darf. Demnach hat ein Arbeitnehmer höchstens die Pflicht, täglich acht Stunden für die Arbeit zur Verfügung zu stehen. An Sonn- und Feiertagen besteht in der Regel ein Beschäftigungsverbot. Zudem sorgen Ruhezeiten mit einer Dauer von elf Stunden zwischen den Arbeitstagen für eine ausreichende Erholung. Auch die Anzahl der Überstunden begrenzt das Arbeitszeitgesetz auf maximal zehn Stunden pro Tag, sofern die reguläre Arbeitszeit pro Tag innerhalb eines halben Jahres durchschnittlich nicht länger als acht Stunden beträgt. Die laufende Erreichbarkeit für die Arbeit auch während der Freizeit widerspricht der zeitlichen Arbeitszeitbegrenzung durch das Arbeitszeitgesetz.  

Was gilt für den Bereitschaftsdienst?

Der Bereitschaftsdienst gehört zur Arbeitszeit und ist daher auch entsprechend zu vergüten. Der Beschäftigte verpflichtet sich im Bereitschaftsdienst dazu, auch außerhalb seiner regulären Arbeitszeit auf Abruf bestimmte Arbeiten an einem vereinbarten Ort zu erledigen. Dabei muss der Arbeitgeber sowohl die Wartezeit als auch die tatsächlich anfallende Leistung bezahlen. Auch der Bereitschaftsdienst unterliegt dem Arbeitszeitgesetz und muss demnach mit freier Zeit ausgeglichen werden, wenn er zusätzlich zur regulären Arbeitszeit erfolgt. Für den Einsatz im Bereitschaftsdienst müssen zudem die gesetzlichen Arbeitszeiten eingehalten werden.  

Was ist die Rufbereitschaft?

Die Rufbereitschaft verpflichtet den Arbeitnehmer dazu, ausschließlich dann tätig zu werden, wenn ein Bedarf hierfür anfällt. Für bestimmte Berufe ist die Rufbereitschaft verpflichtend, wie zum Beispiel für medizinische oder technische Notdienste. Die Rufbereitschaft wird im Arbeitsvertrag genau geregelt und beschränkt sich auf bestimmte Zeiten neben der regulären Arbeitszeit. Der Mitarbeiter kann während der Rufbereitschaft seine arbeitsfreie Zeit frei einteilen und entscheiden, wo und wie er auf einen Abruf wartet. Die Rufbereitschaft gilt als Freizeit, solange kein Anruf eingeht. Sobald tatsächlich ein Einsatz erfolgt, wird dieser vergütet. 

Was gilt für die Erreichbarkeit in der Freizeit?

Viele Arbeitnehmer werden mit einem Diensthandy oder einem Betriebslaptop ausgestattet, damit sie auch nach Dienstschluss oder an Sonn- und Feiertagen berufliche Anrufe entgegen nehmen oder E-Mails für den Betrieb beantworten. Sind diese Tätigkeiten für den Betrieb erforderlich und zudem im Arbeitsvertrag als verpflichtend aufgenommen, dann muss der Arbeitnehmer diese auch ausführen. Ähnlich wie bei der Rufbereitschaft ist die Zeit für das Telefonat oder für das Beantworten von E-Mails als Arbeitszeit zu erachten und entsprechend zu entlohnen. Die Erreichbarkeit in der Freizeit muss in diesem Fall jedoch genau geregelt sein. So kann sie nicht als grundsätzliche Verpflichtung aufgefasst werden, immer erreichbar zu sein. Vielmehr kann in Ausnahmefällen, wenn ein wichtiger Anruf oder eine unaufschiebbare E-Mail-Korrespondenz zu führen sind, die Erreichbarkeit für einen bestimmten Zeitraum angeordnet werden. Dabei sind jedoch die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes zu beachten. 

Musst Du im Urlaub erreichbar sein?

Das Bundesurlaubsgesetz regelt, wieviel Urlaub Arbeitern und Angestellten mindestens pro Jahr zusteht. Der Urlaub hat laut Gesetzgeber der Erholung des Beschäftigten zu dienen. Während dieser Zeit darf der Arbeitgeber seinen Angestellten nicht zur Arbeit heranziehen. Die telefonische Erreichbarkeit oder die Verpflichtung, das E-Mail-Postfach des Unternehmens zu kontrollieren, widerspricht dem gesetzlichen Anspruch auf Erholung. Daher kann der Betrieb seine Mitarbeiter nicht dazu verpflichten, während der Mindesturlaubszeit überhaupt erreichbar zu sein. 

Kann der Arbeitsvertrag andere Regelungen bestimmen?

Eine Klausel, nach der ein Angestellter rund um die Uhr erreichbar zu sein hat, ist grundsätzlich unwirksam. Hierzu haben mehrere Gerichtsurteile eindeutige Aussagen getroffen. Denn im Hinblick auf das Arbeitszeitgesetz, das die Arbeitszeit regulär auf acht Stunden pro Tag beschränkt und auch die Anzahl der Überstunden bestimmt, die innerhalb eines Monats auflaufen dürfen, stellt die Forderung nach unbegrenzter Erreichbarkeit eine Rechtsverletzung des Arbeitszeitgesetzes. Damit steht der gesetzlich geregelte Arbeitsschutz über einer entsprechenden individuell getroffenen Vereinbarung. 

Wie kann die Erreichbarkeit geregelt werden?

Unternehmen, die darauf angewiesen sind, dass ihre Mitarbeiter fallweise auch in ihrer Freizeit oder im Urlaub erreichbar sind, sollten ihren Bedarf klar umreißen und zeitlich eingrenzen. So können Vereinbarungen in klarer Form in den Vertrag aufgenommen werden, damit weder die gesetzlichen Regelungen verletzt, noch die Interessen des Unternehmens oder der Mitarbeiter beeinträchtigt werden. Der Arbeitsvertrag sollte daher genau festlegen, in welchen Fällen und zu welchen Zeiten der Arbeitnehmer erreichbar sein muss. Auch die Vergütung für diese Fälle sollte vertraglich genau beziffert und festgeschrieben werden.

Kann der Arbeitsvertrag eine Vertragsklausel zur Erreichbarkeit enthalten?

Der Arbeitsvertrag kann nur dann eine Vertragsklausel zur Erreichbarkeit von Mitarbeitern während ihrer Freizeit enthalten, wenn dieser die gesetzlichen Vorgaben des ArbZG berücksichtigt. Zum Beispiel kann der Vertrag aufnehmen, dass bei Eintritt bestimmter Umstände der Mitarbeiter für genau festzulegende Uhrzeiten innerhalb begrenzter Zeiträume während seiner Freizeit erreichbar sein muss oder E-Mails zu kontrollieren hat. Dabei ist zu beachten, dass auch kürzere Tätigkeiten, wie das Kontrollieren von E-Mails oder das Führen eines Telefongesprächs zur Arbeitszeit gehört und im gegebenen Fall zu einem Verstoß gegen das ArbZG führen kann. Daher sollte der Vertrag erklären, dass diese Tätigkeiten nicht nur vergütet, sondern auch durch zusätzliche Freizeiten abgegolten werden. 

Wie kann der Arbeitsvertrag die Erreichbarkeit im Urlaub regeln?

Der Arbeitsvertrag sollte eindeutig zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und weiteren Urlaubszeiten, die das Unternehmen freiwillig gewährt, unterscheiden. Denn nur während des gesetzlichen Mindesturlaubs ist eine Erreichbarkeit grundsätzlich ausgeschlossen. Während der zusätzlich durch den Betrieb freiwillig gewährten Urlaubszeiten kann eine Pflicht zur Erreichbarkeit in den Arbeitsvertrag aufgenommen werden. 

Welchen Einfluss hat der Betriebsrat auf die Erreichbarkeit nach der Arbeit?

Wenn ein Betriebsrat im Unternehmen vorhanden ist, dann hat dieser ein Recht darauf, über die Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit mitzubestimmen. 

Immer erreichbar sein – Pro

Die Arbeitswelt hat sich in den vergangenen Jahrzehnten darauf eingestellt, dass die Kommunikation immer schneller und zugleich zeitlich flexibler erfolgt. Die permanente Abrufbarkeit stellt sich auf die Anforderungen der modernen Geschäftswelt ein. Doch die ständige Erreichbarkeit bringt sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich. 

Zeitliche Verkürzung von Problemlösungen durch Erreichbarkeit

Ein entscheidender Vorzug der ständigen Erreichbarkeit liegt in der zeitlichen Verkürzung von Arbeitsabläufen. Unternehmen profitieren durch die verkürzte Kommunikation in ihrer Produktivität. Tritt eine unvorhergesehene Situation ein, dann können Mitarbeiter, die eingreifen können, innerhalb kurzer Zeit herangezogen werden. So können Arbeitsausfälle auf ein Minimum reduziert, Probleme schneller gelöst und anfallende Kosten eingespart werden.

Unabhängigkeit und Flexibilität durch Erreichbarkeit

Aufgrund der verbesserten technischen Möglichkeiten zur Kommunikation müssen Arbeitnehmer nicht ständig in ihrem Büro arbeiten. Dank Internet und Smartphone können viele Tätigkeiten vom Home Office oder sogar vom Urlaubsort aus erledigt werden. In zahlreichen Berufen ist es heute möglich, den Arbeitsort und auch die Arbeitszeit flexibel zu bestimmen und von einem vorgegebenen Arbeitsort mit Bürozeiten unabhängig zu sein. Die ständige Erreichbarkeit ist in einem solchen Arbeitsmodell zumeist ein selbstverständlicher Nebeneffekt. Denn die Unabhängigkeit auf der einen Seite bringt auf der anderen Seite die Verpflichtung mit sich, jederzeit erreichbar zu sein, um trotz der Abwesenheit mit der Betriebsstätte vor Ort verbunden zu bleiben. 

Schnelle Reaktionsmöglichkeit durch Erreichbarkeit

Viele Berufe bringen es mit sich, dass Geschäftsabschlüsse sehr kurzfristig anfallen. Besonders Selbstständige und Freiberufler müssen laufend bereit stehen, wenn sich Angebote eröffnen, die nur kurzfristig zur Verfügung stehen. Wer seine Mitarbeiter in solchen Unternehmen schnell erreichen kann, der kann von kurzen Entscheidungswegen profitieren und schnell auf gute Angebote reagieren. 

Immer erreichbar sein – Contra

Stress durch Erreichbarkeit

Da jeder Mensch von seiner Arbeit Erholung benötigt, um sowohl den Körper als auch den Geist zu regenerieren, stellt die ständige Erreichbarkeit eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit dar. Die gesundheitlichen Belastungen durch die ständige Erreichbarkeit von Arbeitnehmern wurden bereits durch zahlreiche Studien untersucht und belegt. Demnach baut sich erheblicher Stress durch die ständige Erreichbarkeit in erster Linie durch die fehlende Entspannung auf. Obwohl sich der Arbeitnehmer in seiner Freizeit befindet, kann er dennoch die Arbeit nicht hinter sich lassen, wenn nur die Möglichkeit besteht, dass sein Chef auf dem Handy anruft. 

Gesundheitsschäden durch Erreichbarkeit

Mit dem Stress, der sich auch in der Freizeit nicht vollständig abbauen kann, steigt die Gefahr einer Depressionserkrankung durch die ständige Erreichbarkeit erheblich. Aber auch andere psychische und physische Erkrankungen, wie Überlastungsstörungen bis hin zum Burnout sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehen auf die ständige Erreichbarkeit durch den Betrieb zurück. 

Konfliktpotential durch Erreichbarkeit

Wer ständig mit halbem Ohr auf sein Handy hören muss, der kann auch in seiner Freizeit nicht vollständig bei seiner Familie ankommen. Die ständige Erreichbarkeit kann daher auch zu einer Beeinträchtigung der Familienbeziehungen und anderer sozialer Kontakte führen. Denn wer sich in der Freizeit nicht mehr ganz auf seine Umgebung einlassen kann, der erleidet einen Verlust an Qualität in seinen Beziehungen innerhalb der Familie und im Freundeskreis. Das kann schnell dazu führen, dass ernsthafte Konflikte entstehen, die das Privatleben in ein Ungleichgewicht bringen.

Nachteile für Unternehmen durch Erreichbarkeit

Die Folgen der ständigen Erreichbarkeit, die sich bei den betroffenen Mitarbeitern negativ auswirken, schlagen schließlich auch im Betrieb durch. Denn das Engagement und die Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern, die nach der Arbeit nicht abschalten können und laufend unter Stress stehen, lassen auch im Betrieb in der Folge nach. So müssen sich gestresste Mitarbeiter erheblich mehr anstrengen, um ihre Anforderungen in der Arbeit zu erfüllen, als gut ausgeruhte Arbeitnehmer. Somit trifft die Überlastung der Mitarbeiter, die an der ständigen Erreichbarkeit durch den Arbeitgeber leiden, am Ende auch den Betrieb. Denn eine optimale Arbeitsleistung können Betriebe nur von gut erholten Mitarbeitern erwarten. 

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