„Windhunde kann man nicht zwingen“

Beim zweitägigen Windhundrennen in Großerlach-Grab werden aus rund 250 Hunden die diesjährigen Coursingsieger ermittelt. Verschiedenste Windhunde aus ganz Deutschland treten beim Coursing gegeneinander an. Um Schnelligkeit geht es bei der Disziplin tatsächlich nicht.

Es geht nicht nur um die Rennen an sich. Bei einer Hundeschau wird die Verfassung der Tiere begutachtet. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Es geht nicht nur um die Rennen an sich. Bei einer Hundeschau wird die Verfassung der Tiere begutachtet. Foto: Alexander Becher

Von Carmen Warstat

GROßERLACH. Coursingleiter Michael Liebchen legt in der Schwalbenflughalle in Grab, die als zentrale Anlaufstelle für Teilnehmer und Funktionäre das Herz des Windhundrennens bildet, sein Smartphone auf den Tisch – er muss erreichbar sein, denn seine Aufgaben sind vielfältig an diesem Wochenende und das Gelände ist groß. Der Sperrbildschirm des Smartphones zeigt ein bezauberndes Foto von Kalusha, seiner zweieinhalbjährigen Saluki-Hündin. Deren Mutter war bereits Coursing-Europameisterin und der Vater Weltmeister, wie der Besitzer berichtet. Allerdings: „Dem Hund ist es egal, ob er gewinnt“, bemerkt Liebchen und ergänzt, dass manche Besitzer hingegen einen ungesunden Ehrgeiz entwickeln und auf ihre Tiere übertragen.

Bewertet wird nicht die Zeit, sondern Geschick und Jagdverhalten

Es mag damit zu tun haben, dass Siege im Coursing (siehe Infotext) wichtige Zuchtkategorien darstellen können, viel wichtiger aber seien der Spaß, den die Tiere an den Rennen haben, und natürlich ihre Gesundheit. So stehen denn auch Tierschutzaspekte im Vordergrund: Tierärztliche Untersuchungen, die vorab vor Ort stattfinden, dreistündige Pflichtpausen zwischen den Läufen, Mindest- und Höchstaltersvorgaben sowie angemessene Temperaturen gehören dazu, und selbstverständlich dürfen die Hunde „nicht ohne Ende laufen“.

Coursing unterscheidet sich vom Bahnrennen insofern, als es die Geschwindigkeit auf ein freies Gelände überträgt, wobei ein sogenannter Schlepphase (die Andeutung eines Hasenfells) mittels eines Motors über Rollen gezogen wird. Damit soll die Jagdlust der Tiere stimuliert werden. Die Kurvenradien variieren und sind im Vergleich zur Rennbahn deutlich enger. Dabei kommt es nicht so sehr auf die Geschwindigkeit des Hundes an, denn es gibt keine Zeitmessung. Vielmehr beurteilen Coursingrichter jedes Tier nach den Kriterien Jagdlust, Intelligenz, Geschick, Kondition und Schnelligkeit und vergeben jeweils bis zu sechs Punkte.

Starteridentitäten werden verschlüsselt

Und damit ist Michael Liebchen wieder beim Stichwort falscher Ehrgeiz. Er berichtet von Diskussionen über die Wertungsergebnisse, die an der Tagesordnung, aber durchaus normal seien. Dabei werde alles dafür getan, dass es objektiv und gerecht zugeht. Die Starteridentitäten werden zum Beispiel im Interesse der Neutralität in Zahlencodes verschlüsselt, aber Liebchen räumt ein, dass erfahrene Richter Tiere, die zum wiederholten Mal teilnehmen, natürlich trotzdem erkennen können.

Es handelte sich beim diesjährigen Coursing in Grab wieder um eine der größten Rennveranstaltungen für Windhunde in Deutschland und der Windhund-Rennsportverein Solitude (WRSV Solitude) ist stolz darauf, vom Deutschen Windhundzucht- und Rennverband (DWZRV) zum fünften Mal den Zuschlag für die Ausrichtung erhalten zu haben. Die Teilnehmer kamen auch in diesem Jahr aus dem gesamten Bundesgebiet, viele von ihnen reisten sogar mit Wohnmobilen an. Gestartet wurde an zwei Parcours jeweils paarweise zu Coursingrennen zwischen 600 und 900 Metern und den Hunden war der Spaß an der Bewegung deutlich anzumerken. „Windhunde kann man nicht zum Laufen zwingen.“ Michael Liebchen lächelt, denn das muss man wohl auch nicht.

Eifer und Lauflust sind unverkennbar

An Parcours zwei starteten nach ausgiebiger Pause zum Lauf 136 zwei Saluki-Damen, zur besseren Unterscheidung mit roter und weißer Decke und aus Sicherheitsgründen mit Maulkörben versehen. Sie heißen Mala Morata Karoly und Kamand und kommen aus Darmstadt und Köln. Schon im Ruhemodus sind sie beeindruckend in ihrer Ausstrahlung. Im Rennen selbst wird deutlich, dass es sich um einen absolut artgerechten Sport handelt. Die Ungeduld vor dem Start sowie Eifer und Lauflust während des Wettkampfs sind so unverkennbar wie die Hochstimmung und Begeisterung der erschöpften Tiere noch danach.

Aber natürlich waren nicht nur die persischen Saluki am Start, sondern viele weitere Windhundrassen. Bewundert werden konnten unter anderem die Rasse Italienisches Windspiel, die als absolute Leichtgewichte bekannt sind. Aber auch russische Barsoi, sogenannte Afghanen und englische Whippets waren in Grab zu Gast. Bis hin zu den grauen Riesen, den Irischen Wolfshunden, gab es viele Tiere, die bei vorangegangenen Ausstellungen und Hundeschauen prämiert wurden. Insgesamt waren es an den beiden Renntagen etwa 250 Hunde. Gut versorgt waren auch die Besitzer. Der Musikverein Grab sorgte für deren leibliches Wohl.

Windhundrennen

Coursing Windhundsport findet nicht nur auf festen Rennbahnen statt. Coursing (zu Deutsch: Hetzjagd) ist eine anerkannte Sportart für alle Windhundrassen.

Ablauf In einem festgelegten Parcours wird ein Hasendummy im Zickzackkurs an einer Schnur schnell über das Coursingfeld vor den Hunden hergezogen. Windhunde sind Sichtjäger und laufen triebbedingt der sich bewegenden Beute hinterher. Beim Coursing treten immer nur zwei Windhunde gegeneinander an.

Bewertung Ziel ist es nicht, im Coursingfeld den Hasendummy einzufangen. Bewertet werden Gewandtheit, Schnelligkeit, Kondition, Folgen des Jagdobjekts und letztendlich der Hundeeifer. Es geht also um das Jagdverhalten des Windhunds, das vom Richter bewertet wird.

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Erstellt:
19. September 2023, 06:00 Uhr

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