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Kompromisse in der Liebe - lohnt sich das?

Zwei verliebte Vögel in Herzform
© LittlePerfectStock / Shutterstock
Fernbeziehungen, Doppelbelastung, Gleichberechtigung: Wie viele Kompromisse verträgt die Liebe? 21 Fragen - 21 Antworten.

1. Frisch verliebt, sind Kompromisse nie ein Thema - das kommt erst später. Warum eigentlich? Zu Beginn einer Liebesgeschichte macht es uns vor lauter Begeisterung gar nichts aus, die eigene Persönlichkeit zu verlieren. Wir wollen die große Verschmelzung, lesen dem anderen alle Wünsche von den Augen ab, stellen die eigenen Interessen komplett zurück. Auf Dauer allerdings funktioniert das nicht. Und zwangsläufig beschleicht uns irgendwann das Gefühl, dass der Partner die Kontrolle über uns gewonnen hat. Also müssen Kompromisse her.

2. Kann man einen Kompromiss in der Liebe einfach aushandeln - so, wie man sich auf dem Flohmarkt auf einen Kaufpreis einigt? Der Vergleich hinkt. Auf dem Flohmarkt ist Konkretes im Spiel wie Geld und das, was man gern kaufen möchte. Käufer wie Verkäufer wissen: Wenn sie sich nicht einigen, geht einer leer aus. Beide gehen mit Maximalforderungen ins Feld, und beide machen, davon ausgehend, Abstriche, um sich irgendwo in der Mitte zu treffen.

3. Warum lässt sich das nicht auf Beziehungen übertragen? Beim Streit mit dem Partner darüber, ob rote Socken zum Anzug okay sind, ob oder wie viel vom Haushaltsgeld im Monat maximal für Kleidung ausgegeben werden darf, spielen emotionale Motive eine viel größere Rolle als der eigentliche Verhandlungsgegenstand. Bei Paar-Kompromissen geht es nicht einfach nur darum, dass man sich pragmatisch in der Mitte einigt, sondern es geht um Wertschätzung und Anerkennung, um das Gefühl, vom anderen ernst genommen zu werden. Letztendlich muss zwischen den Partnern also ein Machtgleichgewicht ausgehandelt werden.

4. Was passiert denn, wenn die Macht nicht gleich verteilt wird? Wenn einer der beiden Partner immer wieder unterliege, "bedeutet das eine ständige Entwertung der eigenen Person. Dann gibt es nur noch zwei Strategien: Entweder derjenige holt zum Gegenschlag aus oder aber setzt auf stillen Boykott. Langfristig geht die Liebe auf jeden Fall verloren", warnt die Psychotherapeutin und Autorin Julia Onken. Ausgeglichene Spielstände sind gerade in einer Beziehung also enorm wichtig.

5. Wie gelingt es denn, sich bei entgegengesetzten Interessen nicht in die Haare zu bekommen? Indem man einen klassischen Fehler vermeidet: den Partner überzeugen zu wollen. Normalerweise versuchen wir, dem anderen seine Vorstellungen auszureden, weil man die eigene Position durchsetzen möchte. Man drückt ihm das eigene Weltbild auf und bewertet seines: Immer "Sportschau" gucken? Wie doof muss man sein? Zwölf Handtaschen im Schrank? Wie oberflächlich ist das denn? Stattdessen sollte man erst einmal versuchen, herauszufinden, welches die Motive des Partners sind: Was ist ihm so wichtig - und warum eigentlich?

6. Das allein löst aber doch noch keinen Konflikt ... Aber es sorgt für eine freundliche, aggressionsfreie Atmosphäre, und es vermittelt dem anderen das Gefühl, ernst genommen zu werden. Auf so einer Basis lässt es sich anschließend viel besser verhandeln. "Die meisten Kränkungen, die sich Männer und Frauen in Beziehungen zufügen, erfolgen deshalb, weil sie zu wenig übereinander wissen", sagt die Schweizer Therapeutin Julia Onken.

7. Bei allem Verständnis: Einer ist aber doch bei einem Kompromiss der Verlierer und steckt zurück ... Nicht zwingend. Ein guter Kompromiss zeichnet sich dadurch aus, dass er nicht nur einschränkt, sondern dass durch ihn etwas Neues entsteht, etwas, das es so vorher noch nicht gegeben hat.

8. Wie soll das gehen, wenn er im Urlaub in die Berge möchte, sie aber nur das Meer mag? Letztlich alles eine Frage der inneren Haltung und der Bereitschaft, hinter die Wünsche des anderen auf seine Motive zu blicken. Der denkbar schlechteste Kompromiss wäre jetzt: eine Woche Berge, eine Woche Meer. Dann hätten sich beide sieben Tage ihres Lebens gestohlen und in diesem Urlaub wären sie zusammen sicherlich nicht glücklich. Hier einen dritten Weg zu finden bedeutet, zu fragen: Was kann den Berg ersetzen? Was ist gleichwertig mit dem Liegestuhl am Strand? Wo findet sich ein gemeinsamer Weg? Vielleicht in einer spannenden Stadt. Vielleicht bei einer Weinreise ins Chianti. Vielleicht bei einer Radtour an der Loire.

9. Na gut, aber wenn sie wegen eines neuen Jobs nach Hamburg will, er aber in Düsseldorf bleiben möchte - wie soll sich da ein für beide Seiten tragbarer Kompromiss finden? In solchen Situationen sind manchmal knallharte Verträge die einzige Rettung, in denen zwei Partner regeln, wer wann was tut und wie in Zukunft mit einem Problem verfahren wird. Also: Diesmal gehst du mit nach Hamburg. Und wenn du das nächste tolle Angebot bekommst, ziehe ich mit.

10. Was ist, wenn wir absolut keine Einigung finden? Dann könnte man versuchen, mit einem Provisorium zu arbeiten. Warum nicht einfach mal ein halbes Jahr lang ausprobieren, wie eine Wochenendbeziehung läuft? Danach wird neu verhandelt. Das hat den Vorteil, dass beide erst mal ganz konkret erfahren können, wie weit der Kompromiss trägt, wo nachgebessert werden muss. Und: Keiner muss seinen Standpunkt aufgeben. Entweder stellen beide nach der Probezeit fest, dass alles bestens funktioniert. Oder aber sie wissen, wo der Knackpunkt ist, merken, wo die eigentlichen Bedürfnisse liegen und finden eine neue Variante. Solche Provisorien entschärfen übrigens ganz häufig auf angenehme Art Konflikte, wenn sich zunächst kein Kompromiss abzeichnet.

11. Wann sollte man denn für die eigenen Interessen kämpfen? Da gibt es ein ziemlich einfaches Rezept. Jeder gibt auf, worauf er leichter verzichten kann. Und jeder setzt durch, was ihm besonders wichtig ist. Und dann wird aufgerechnet: Stimmt die Balance? Ich kaufe mehr ein - dafür kümmerst du dich um das Auto. Ich wickle das Baby - dafür räumst du die Spülmaschine aus.

12. Woher weiß man eigentlich, ob ein Kompromiss gut war? Es gibt zwei entscheidende Kriterien: Wie fühlen sich die Beteiligten damit? Und: Aus welchen Gründen wurde der Kompromiss gefunden? Wenn jemand nachgibt, weil er Angst hat, seinen Partner sonst zu verlieren, ist der Kompromiss garantiert nicht gut. Solche Kompromisse untergraben den Selbstwert, man fühlt sich sogar körperlich schlechter. Das hat eine US-Studie herausgefunden. Ganz anders ist es, wenn wir Lust haben, unserem Partner entgegenzukommen, ihn glücklich zu machen: Dann verbessert der Kompromiss die Beziehung, wir fühlen uns körperlich wohl.

13. Sind Frauen eigentlich kompromissbereiter als Männer? Absolut. Allerdings ist das gelernt, nicht etwa Veranlagung. "Frauen haben einfach eine lange Historie der Anpassung hinter sich", sagt Julia Onken. Und viele treibe eine "regelrechte Sucht nach absoluter Symbiose um", meint die Expertin. Das liegt daran, dass Frauen der Partnerschaft oft einen höheren Stellenwert beimessen als Männer. Viele übernehmen sogar stellvertretend die Probleme ihres Partners nach dem Motto: Geht es ihm schlecht, fühle ich mich auch mies. Bei Männern ist das anders. Sie betrachten Liebe einfach als Teil ihres Lebens - als einen von vielen. Deshalb sind sie auch nicht so motiviert, mehr in die Beziehung zu investieren. Und deshalb sind sie manchmal stärker darin, ihre eigenen Positionen zu vertreten und durchzudrücken.

14. Klingt so, als wären Egoisten letztlich die glücklicheren, viel entspannteren Menschen ... Egoismus ist vielleicht das falsche Wort. Gemeint ist eher eine klare Vorstellung davon, wer was mit uns machen kann und was uns wirklich wichtig ist. Wer das weiß, kann auch gelassener mit Kompromissen umgehen. Dann braucht man nicht um jede Kleinigkeit zu streiten. Außerdem gilt: Wer sich selbst wertschätzt, wer glücklich ist, geht auch netter mit seinem Partner um. Da kann man eigentlich nur raten: Frauen, denkt mehr an euch!

15. Kann ich etwas tun, wenn ich das Gefühl habe, schon zu viele faule Kompromisse gemacht zu haben? Wenn man dieses Gefühl hat, ist es erst mal wichtig, die innere Befindlichkeit abzuklopfen. Was brauche ich gerade? Das kann in Bezug auf die Liebe zum Beispiel die Frage sein, ob die emotionale Sicherheit, die man bei einem Partner findet, das fehlende Prickeln nicht doch aufwiegt? Ist das in der momentanen Situation vielleicht gar nicht schlecht? Oder verleugne ich mich dabei so, dass es besser wäre zu gehen? Kompromissbereitschaft, auch sich selbst gegenüber, hat viel mit Souveränität zu tun.

16. Und mit Opferbereitschaft, oder? Wer sagt denn, dass es beim Thema Kompromisse immer um schlimmste innere Krämpfe und Kämpfe gehen muss? "Kompromisse sollten nicht Opfer sein, sondern Geschenke - an sich selbst, an andere", fordert Expertin Onken. Hier liegt nämlich der entscheidende Unterschied. Mit einem entspannt-souveränen Lächeln mal auf seine Position zu verzichten, mal die Dinge laufen zu lassen, setzt eine andere innere Haltung voraus, als zähneknirschend innere Widerstände niederzuringen.

17. Aber man kann ja nicht ständig Kompromisse machen: Wie viel Gemeinsamkeit muss in einer Partnerschaft eigentlich sein? "Eine gute Beziehung besteht aus zwei vitalen Ichs und einem doppelten Wir", erklärt der Autor Mathias Jung. Will heißen: Wenn beide ihr Ego komplett aufgeben, schlafen ihnen schnell die Füße ein. Wenn beide nur ihren Monotrip durchziehen, bleibt die Liebe auf der Stecke. Ohne Kompromisse endet die Liebe nach der ersten Verliebtheit. Wenn man allerdings zu viele macht, dann ist sie etwas später zu Ende.

18. Konkret also: Welche Macken oder Spleens meines Partners sollte ich akzeptieren? "Die Frage lautet eher: Unter welchen Umständen kann ich Macken akzeptieren?", sagt Experte Michael Mary. Wenn sie die Beziehung nicht gefährden, wenn genug gemeinsame Zeit da ist: kein Problem. Dann kann einer von beiden jedes Wochenende Gleitschirmfliegen gehen oder den Keller mit teurem Bordeaux füllen. Wenn die Weinleidenschaft allerdings so weit geht, dass sie den Familienwohlstand gefährdet, wenn das Hobby dazu führt, dass am anderen alle lästigen Haushaltspflichten hängen bleiben, dann muss unbedingt verhandelt werden.

19. Wie gehe ich so eine Verhandlung am besten an? Wenn eine Verhaltensweise den anderen extrem nervt, hilft es oft schon, zu analysieren, warum das so ist. Ist es der Mangel an Aufmerksamkeit? Das Gefühl fehlender Nähe? Oder ist man einfach nur sauer, weil der ganze Haushalts- und Familienkram an einem hängen bleibt. Aus den Antworten lassen sich Kompromisslösungen finden: Du kannst weiter in den Bergen herumrennen, aber zwei Abende in der Woche gehören mir. Und außerdem trägst du den Müll raus und kümmerst dich darum, dass alte Glühlampen ersetzt werden.

20. Manche Dinge lassen sich aber nicht verhandeln ... Stimmt - und zwar dann, wenn es um grundsätzlich unterschiedliche Lebensentwürfe geht. Sie will auf jeden Fall Kinder, er unter gar keinen Umständen. Er möchte eine Beziehung mit Außenaffären, sie weiß: Daran würde sie zerbrechen. Da hilft vermutlich nur eines: aufstehen und gehen. "Jeder Mensch hat eine Grenze, die ein anderer nicht überschreiten darf. Die sollte man kennen", sagt Julia Onken.

21. Also ist manchmal kein Kompromiss die bessere Lösung? Ja. Denn irgendwann kommt ein Punkt, an dem man sagen muss: Jetzt ist Schluss. Mit mir nicht! Gar nicht so selten ist das dann sogar ein neuer Anfang, der Beginn eines Kompromisses. Oft löst sich in solchen Situationen ein Knoten. "Wenn der andere merkt, wie wichtig und ernst es einem ist, werden die Karten oftmals noch mal neu gemischt", sagt Julia Onken.

So klappt's auch mit dem Nachbarn

Mit dem Partner um gute Kompromisse ringen ist oft einfacher als mit Nachbarn oder Arbeitskollegen. Denn mit denen ist man mehr oder weniger zwangsweise verbunden, es gibt noch weniger Verhandlungsmasse als in der Liebe. Bei komplizierten Streits unter Nachbarn, im Job, in der Wirtschaft, in Partnerschaften oder der Familie kann Mediation helfen. Ein neutraler Experte moderiert dabei nach klaren Strukturen das Konfliktgespräch und findet gemeinsam mit den Streithähnen eine Lösung. Die muss so tragfähig sein, dass beide damit zufrieden sind. Das klappt erstaunlich häufig: In vier von fünf Fällen kommt es zur Einigung. Adressen und Infos gibt es beim Bundesverband Mediation: www.bmev.de

Zum Weiterlesen

Julia Onken, Mathias Jung: "Liebes-Pingpong. Das Beziehungsspiel von Mann und Frau", 192 S., Kösel, 17,95 Euro

Michael Mary: "Lebt die Liebe, die ihr habt!", 224 S., Rowohlt, 10 Euro

Text: Anne-Bärbel Köhle Ein Artikel aus der BRIGITTE BALANCE 02/09

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