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Erste Million Joey Kelly: „Ich bin mit dem Korb rumgegangen“

Joey Kelly, Musiker, Ausdauersportler und Geschäftsführer der Kelly Family
Joey Kelly, Musiker, Ausdauersportler und Geschäftsführer der Kelly Family
© dpa
Der Musiker Joey Kelly verrät, wie er auf dem Hausboot der Familie Münzen bunkerte - und den Kahn stabil hielt. In den 90er-Jahren gelang der Durchbruch - und das Geld sprudelte

Joey Kelly , 47, hat als Mitglied der Kelly Family erst auf der Straße, dann im Hausboot und schließlich in einem Schloss gelebt. Er ist Geschäfts-führer der Familienfirmen und seit 2000 außerdem als Ausdauersportler, TV-Star und Vortragsredner aktiv. Als Nächstes will er in einem alten Bulli nach Peking – ohne Geld, aber mit TV-Begleitung.

Capital: Sie sind in einer Familie von Straßenmusikern aufgewachsen. Wie war es arm zu sein?

JOEY KELLY: Es war immer belastend. Wir waren über viele Jahre finanziell am Limit. Es war belastend, nicht zu wissen, wie wir den Bus reparieren sollten, in dem wir lebten, nicht zu wissen, ob wir im Winter ein Ferienhaus mieten können oder bei minus zehn Grad auf dem Campingplatz überwintern müssen.

Ungewissheit war das Ärgste?

Man gewöhnt sich an Komfortlosigkeit, man gewöhnt sich an Kälte, man gewöhnt sich daran, dass man die ganze Woche das Gleiche isst. Aber an die Unsicherheit gewöhnt man sich nicht.

Es war ja auch eine wirtschaftliche Achterbahnfahrt mit den Kellys.

Ab 1976 haben wir versucht, von der Musik zu leben, 1979 hatten wir mit Polydor den ersten Plattenvertrag. Das dritte Album war ein Flop und dann waren wir ab 1981 wieder auf der Straße.

Die neue Capital
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© Capital

Dabei waren Sie schon sicher: Jetzt haben wir die Armut hinter uns gelassen?

Klar. Das denkt man, wenn man keine Ahnung hat, und blind Knebelverträge unterschreibt. Wir hatten zwar eine Platte mit Goldstatus, Ende der 70er-Jahre waren das noch 50.000 Alben. Aber wir haben keine Reserven zurücklegen können, so dass wir nach drei Jahren wieder ganz unten waren.

War das noch schlimmer als vorher?

Das war definitiv so. Wir mussten kämpfen. Man zweifelt an allem. Es war auch eine beschissene Zeit für die Familie. Meine Mutter ist gestorben, wir waren pleite, mein Vater war stark angeschlagen und der Kleinste, mein Bruder Angelo, war erst zehn Monate alt. Zehn Kinder, alleinerziehend, ohne Geld, es hätte auch kippen können. Wenn mein Vater es nicht gepackt hätte, wären wir alle im Heim gelandet.

Sie haben immerhin früh gelernt, dass Erfolg von Leistung und Einsatz abhängt.

Mir hat das geholfen. Ich habe immer gern gearbeitet. Es ist kein Zufall, dass ich zwölf Jahre lang bei allen unseren Auftritten mit dem Korb zweimal die Stunde rumgegangen bin.

Gibt es da Tricks?

Traurig oder mitleiderregend gucken, so etwas habe ich nie gemacht. Wenn du es nicht gut machst, wenn die Leute merken, du schämst dich, oder du traust dich nicht oder du gehst nicht nach vorne, dann fließt das Geld auch nicht. Du musst an die Menschen rangehen und freundlich sein und ihnen durch die Blume sagen: Vielleicht wollt ihr was spenden. Und dann brauchst du das, was ich immer Fever genannt habe: Der eine gibt Geld, und dann fühlt sich der andere auch bemüßigt, und dann wartest du, bis der erste gibt und du achtest darauf, dass die anderen das auch sehen. Das ist eine Taktik.

Erst 1994 kam dann der endgültige Durchbruch. Waren Sie sich da sicher: Jetzt haben wir es geschafft, jetzt müssen wir nie wieder zurück?

Das Album verkaufte sich allein in Deutschland 3,5 Millionen Mal, europaweit 8 Millionen Mal. Da war ich mir schon recht sicher, dass wir nicht wieder auf der Straße landen.

Gab es etwas, das Sie sich da gegönnt haben?

Schon, wir hatten ein etwas sichereres Auto. Davor sind wir immer nur Schrott gefahren. Trotzdem lebten wir in den ersten Jahren immer noch auf dem Hausboot der Kelly-Family. Das Hausboot ist natürlich viel größer als der Bus, aber trotzdem sehr eng für zehn Mann. Ich habe dann am Ufer im Container gelebt. Mein Spitzname war Container-Joe. Ich brauche nicht viel, ich bin auch mit wenig glücklich.

Und das Geld floss?

Sie glauben es nicht, ab 1994 hat das Unternehmen zwischen 80 und 120 Mio. D-Mark im Jahr umgesetzt. Und wir hatten extrem wenig Kosten, wir haben unfassbar viel Geld gemacht. Wir haben sicher zeitweise achtstellige Jahresgewinne erwirtschaftet. Dieses Mal hatten wir unsere eigene Plattenfirma und nur den Vertrieb lief über Firmen wie Edel oder EMI. Wir hatten selbst zu Höchstzeiten nicht mehr als 48 Mitarbeiter. Die Konzerte haben viel Geld gebracht, Musikrechte, dann Verkauf von CDs, Merchandising. Es war die goldene Zeit der Musikindustrie, alles hat geblüht,

Wann war die Million da?

Das war schon vorher. Die ersten zehn Jahre auf der Straße waren eng, immer pleite, immer Existenzkampf. Aber die letzten vier Jahre vor dem kommerziellen Durchbruch haben wir auf der Straße im Jahr schon bis zu 1,4 Mio. D-Mark Jahresumsatz gemacht. Und wir hatten minimale Kosten. Wir hatten auf dem Hausboot eine Million Mark in Münzen unten im Rumpf gebunkert. Wir mussten da vorn ins Boot etwas Gewicht hinbringen, weil der Kahn sonst schief lag.

Das Geld aus dem Korb von den Straßenauftritten diente dazu, die Schieflage im Boot auszugleichen?

Ja, wir waren damit vor dem großen Durchbruch schon D-Mark-Millionäre. Aber wir haben auch gearbeitet wie eine Armee. Wir haben in der Woche 20 Stunden auf der Straße gespielt, es gab eine Buchhaltung, die Unterlagen gibt’s heute noch, die sind archiviert. Wir haben an schlechten Tagen 3000 bis 5000 D-Mark verdient, an guten Tagen 20.000 bis 30.000 D-Mark. Wir haben vier bis sechs Shows am Tag gespielt. Wir haben richtig Asche gemacht.

Und die Einnahmen von der Straße, trotz akribischer Buchhaltung, waren wahrscheinlich mehr oder weniger brutto für netto? Jetzt kann man es ja sagen, ist ja verjährt.

Wir hatten eine GmbH. Es gab einen Anwalt in Köln, dem haben wir einmal im Jahr einen Müllsack voll Rechnungen gebracht. Der hat immer die Hände überm Kopf zusammengeschlagen. Dann gab er die Tüte einer Steuerberaterin, die hat dann irgendetwas angegeben, was wir an Umsatz gemacht haben sollen. Ich weiß es nicht genau, aber ich nehme an, dass beim Finanzamt nicht immer die exakten Zahlen gelandet sind. Es ist mehr als dreißig Jahre her, da war ich ja zeitweise noch nicht mal volljährig.

Wie sah es mit den Ausgaben aus?

Wenn ich Geld brauchte, bin ich unten in den Rumpf gegangen, da gab’s die Kisten mit den Münzen. Da habe ich geguckt, wo die Fünfer oder 2-D-Mark-Stücke waren, habe eine Handvoll genommen, in die Tasche gestopft und damit losgegangen.

Sie haben schon früh auch wirtschaftliche Verantwortung übernommen ohne jede Ausbildung. Wie ging das?

Ich habe mit 15 angefangen in der Firma zu arbeiten, mit 21 habe ich den kompletten Tour-Bereich übernommen, das heißt das Booking für die Konzerte. Das ist relativ komplex, weil du jeden Tag eine andere Kalkulation hast. Jedes Land hat andere Steuerregeln und andere Rechtesituationen. Das war eins der Kerngeschäfte. Ich konnte immer gut mit Geld arbeiten. Ich habe mit sechs angefangen, Münzen zu sammeln und Geld war immer etwas, was ich beherrschte, bis heute. Als mein Vater den zweiten Schlaganfall hatte, hat er entschieden, dass ich Geschäftsführer werde.

Sie haben um die Jahrtausendwende Ihre persönliche Karriere gestartet, mit Extremsport, Show- und Fernsehauftritten, Büchern und Vorträgen. War es wichtig, nach Jahren mit der Familie eigenes Geld zu verdienen?

Ich glaube schon, ja. Ich habe den Ausdauersport für mich als Hobby entdeckt und bezeichne mich bis heute nicht als Berufssportler. Aber ich bin Medienprofi, weiß also, wie man Sachen vermarktet, platziert, wie man mit Fernsehen umgeht, wie man was verpackt und verkauft. Ich hab dann schnell Partner und Unternehmen gewonnen, mit denen ich arbeite. Damit habe ich den Ausdauersport finanziert und auch Geld erwirtschaftet.

Sie setzen sich beim Sport hohe Ziele, ist das auch beim Geld so?

Ja, definitiv habe ich es die letzten 15-17 Jahre es konsequent geschafft, jedes Jahr Umsatz und Gewinn zu steigern. Wenn wir bald mit der Musik mal wieder eine Pause einlegen, wirkt sich das allerdings aus, weil die Musik mit relativ überschaubarem Einsatz eine ganze Menge Geld bringt. Das zu kompensieren mit anderen Einnahmen wird schwierig.

Feiern Sie finanzielle Erfolge?

Ich gönne mir nichts. Ich brauche nichts, ich bin happy, ich bin gesund. Ich kauf mir keine Uhr. Wenn überhaupt, kaufe ich mir ein altes Auto, aber auch da reden wir über zahlbare Autos. Dann kaufe ich einen Bulli, und den kaufe ich in total kaputten Zustand und ich habe drei Unternehmen, mit denen ich Kooperationen habe, die restaurieren die Autos und ich arbeite das für die ab. Ich habe einen Lacksponsor, ich habe einen Ersatzmotorsponsor und dank denen steht das Auto nach zwei Jahren fertig da. Wenn ich die Zeit und aufgebrachte Energie messen würde, könnte ich in der gleichen Zeit das Doppelte verdienen, aber mir macht die Herausforderung Spaß. Ich genieße es zu sagen: Ich habe für den VW-T2-Bulli 8000 Euro gezahlt, und jetzt ist er fertig und 25.000 wert.

Wie legen Sie Geld an?

Sicher. Kein Risiko.

Obwohl Sie die Armut hinter sich gelassen haben, suchen Sie immer wieder solche Situationen: Sie sind zweimal ohne Geld durch Deutschland gewandert. Was bedeutet es, sich künstlich wieder in diesen Zustand der Armut zu bringen?

Mir gefällt die Herausforderung. Und ich weiß sehr gut, wie man ohne Geld überlebt, deshalb habe ich davor keine Angst. Ich weiß genau, dass mir immer von Menschen geholfen wird.

Kommen die existenziellen Sorgen nie zurück?

Nein. Weil ich merke, dass ich mit wenig gut klarkomme. Das bringt mich mehr auf den Boden. Und es macht mir bewusst, wie sehr wir im Überfluss und im Wohlstand leben. Es lässt mich fragen: Muss das alles wirklich sein? Ich bin ohnehin niemand, der im Luxus lebt. Mir ist es lieber, wenn die Leute denken, mir geht es wirtschaftlich schlecht, dann geht es mir besser.

Ihr ältester Sohn tritt jetzt in Ihre Fußstapfen. War Ihnen es wichtig in der Erziehung auf Selbständigkeit und eigenen Verdienst zu drängen?

Luke ist seit er 16 Jahre alt ist selbständig. Er hat ein Gewerbe, ist aber noch Schüler. Ich sage ihm immer: Bitte mach weniger. Er hat Talent, Ehrgeiz. Der macht seinen Weg. Ich hoffe aber nicht, dass er beruflich den Sport aussucht, sondern dass einen vernünftigen Beruf ergreift, vielleicht BWL lernt oder Finanzdienstleister. Man muss in diesem Feld ja nicht unbedingt einen Beruf ergreifen. Aber egal was man macht, man braucht heute dieses Know-how.

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