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DFB-Schatzmeister „Das Angebot von Adidas war am Ende nicht wettbewerbsfähig“

Der Schatzmeister des DFB, Stephan Grunwald
Der Schatzmeister des DFB, Stephan Grunwald
© SvenSimon / Malte Ossowski/SVEN SIMON / Picture Alliance
Warum wechselt der DFB nach sieben Jahrzehnten den Ausrüster? Im Interview erklärt Schatzmeister Stephan Grunwald, wie es zum Mega-Deal mit Nike kam, warum die Entscheidung zwingend war – und wieso er die Kritik daran für „Kokolores“ hält
Stephan Grunwald, 39, ist seit März 2022 Schatzmeister des DFB und Mitglied von Präsidium und Vorstand, zunächst im Ehrenamt, seit Oktober 2023 in hauptamtlicher Funktion. Bei dem Verband mit 7,3 Millionen Mitgliedern ist Grunwald für Finanzen, Infrastruktur und Logistik verantwortlich. Zuvor arbeitete der Betriebswirt für eine mittelständische IT-Beratungsfirma in Hamburg.

Capital: Herr Grunwald, dem DFB lag 2007 schon einmal ein Angebot von Nike vor, das deutlich mehr Geld eingebracht hätte als das des langjährigen Partners Adidas. Damals schlug es der Verband aus. Warum haben Sie sich heute anders entschieden?
STEPHAN GRUNWALD: Der zentrale Unterschied ist, dass wir jetzt zum ersten Mal in der Geschichte des DFB ein transparentes Ausschreibungsverfahren für den Ausrüstervertrag durchgeführt haben. Das Verfahren ist Ende Januar gestartet, darüber haben wir alle Marktteilnehmer mit umfangreichen Unterlagen informiert. Das kann man sich vorstellen wie in der öffentlichen Wirtschaft. Auch wenn der neue Vertrag erst ab 2027 läuft, mussten wir mit dem Verfahren so früh an den Markt gehen, weil auch bei anderen Verbänden jetzt die Ausschreibungen vor der Tür stehen, beispielsweise bei den Franzosen. Daher ist es auch für die Sportartikelhersteller wichtig, rechtzeitig zu wissen, wie sie sich im Gesamtmarkt positionieren. Im Fall des DFB haben die Bieter ihre Angebote am 15. März abgegeben, in dieser Woche konnten die Unternehmen dann bei uns Präsentationen halten. Das waren im Übrigen mehr als zwei Bieter. Am Ende mussten wir entscheiden, was das wirtschaftlich beste Angebot ist. Dabei lagen die Angebote von Nike und Adidas so weit auseinander, dass wir faktisch keine Wahl hatten.

Spekulationen zufolge soll Nike doppelt so viel geboten haben wie Adidas derzeit zahlt, von 100 Mio. Euro im Jahr ist die Rede. Stimmen diese Zahlen?
Die Summen kann ich weder bestätigen noch dementieren. Aber um es in der Wirtschaftssprache zu formulieren: Das Angebot von Adidas war am Ende nicht wettbewerbsfähig. Der Unterschied zwischen den Bietern war erheblich. Wegen einer Differenz von 2 Millionen Euro pro Jahr hätte der DFB Adidas nicht verlassen.

Hätte es noch die Möglichkeit für Adidas gegeben, das Angebot nachzubessern? In der Vergangenheit gab es beim DFB sogenannte Matching-Clauses, bei denen der Stammpartner andere Angebote kontern konnte.
Wie erwähnt, mussten die Angebote am vergangenen Freitag abgegeben werden. In solchen Ausschreibungsverfahren geht es immer um die Frage, wie weit die Bieter auseinander liegen. Wenn der Abstand beispielsweise zehn oder 15 Prozent beträgt, dann können Nachverhandlungen durchaus Sinn ergeben – aber nicht in den Dimensionen, um die es in diesem Fall geht. 

„Manche Kritik wirkt für mich wie eine Schuldumkehr.“

Der DFB steckt wirtschaftlich in einer schwierigen Lage. Wegen der zuletzt schlechten Ergebnisse der Nationalmannschaft fehlen Einnahmen, frühere Skandale wie die Sommermärchen-Affäre kosten Geld, auch wegen Steuernachzahlungen. Konnte sich der DFB eine Ablehnung der Offerte von Nike aus wirtschaftlichen Gründen schlicht nicht leisten?
Der Ausrüstervertrag wird von der DFB GmbH & Co KG abgeschlossen, in der der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb des Verbands liegt. Ich sage in aller Deutlichkeit: Wenn wir bei den Angeboten, wie sie auf dem Tisch lagen, den Zuschlag an Adidas gegeben und dies mit Argumenten wie der langen Partnerschaft, Vertrauen und Treue begründet hätten, dann hätte ich wahrscheinlich schon heute die Staatsanwaltschaft im Haus gehabt. Wir dürfen einen fremden Dritten nicht schlechter stellen als einen bestehenden Partner, auch wenn wir mit dem schon lange verbunden sind. Und natürlich macht es auch mit Blick auf den Fiskus einen Unterschied, ob wir freiwillig auf Erlöse verzichten und weniger Steuern zahlen. Selbst wenn der DFB Adidas unbedingt hätte halten wollen – es wäre auf der Grundlage der vorliegenden Angebote nicht gegangen. Hier erwarte ich auch von einem Bundeswirtschaftsminister, dass er so etwas weiß. 

Sie spielen auf die heftigen Reaktionen aus der Politik auf den Wechsel zu einem US-Konzern an. Wirtschaftsminister Robert Habeck hat dem DFB fehlenden „Standortpatriotismus“ vorgeworfen. 
Die öffentliche Hand vergibt über genau solche Ausschreibungsverfahren jedes Jahr Millionen von Aufträgen, bei denen die Entscheidungen nach wirtschaftlichem Ermessen getroffen werden. Wenn jetzt jemand der Ansicht ist, dass der DFB dies nicht tun darf, dann halte ich das wirklich für Kokolores. Die Steuerbehörden haben dem DFB für frühere Jahre die Gemeinnützigkeit aberkannt, weil sie uns Gemauschel vorwerfen. Daraufhin machen wir jetzt ein transparentes Verfahren. Und dann fordert die Politik allen Ernstes, dass wir das beste wirtschaftliche Angebot auslassen, weil uns das Ergebnis der Ausschreibung nicht passt.  

Auch andere Spitzenpolitiker aus unterschiedlichen Parteien schießen scharf, manche Vorwürfe hören sich so an, als begehe der DFB Landesverrat… 
Manche Kritik wirkt für mich wie eine Schuldumkehr. Wir haben ja nicht gesagt, dass wir unbedingt zu Nike wechseln wollen, sondern es gab ein transparentes Bieterverfahren, in dem die Unternehmen mitteilen konnten, was ihnen der Ausrüstervertrag beim DFB wert ist. Als Schatzmeister bin ich verantwortlich für 700 Mitarbeiter, deren Gehälter ich bezahlen muss, und für sieben Millionen Mitglieder, deren Clubs wir mithilfe solcher Verträge unterstützen. Ich wüsste nicht, wie ich diesen Personen erklären könnte, dass wir freiwillig auf erhebliche Einnahmen verzichten.

„Es gibt kein Zurück mehr.“

Die Nationalmannschaft ist ja immer auch ein Symbol für das Land, die Diskussionen sind häufig sehr emotional. Kommen die Reaktionen für Sie tatsächlich überraschend? 
Die Emotionalität bei dem Thema verstehen wir natürlich. Auch sind wir Adidas sehr dankbar für die lange und enge Partnerschaft. Aber ehrlicherweise sind wir im DFB alle gerade angesichts der Vorwürfe aus der Politik ziemlich down. Wir haben mal eben den größten Deal in der Geschichte des Verbands eingefahren, einen der größten in der Geschichte des Sports. Eigentlich müssten wir uns freuen, nach der schwierigen wirtschaftlichen Lage in den vergangenen Jahren, in denen wir im Verband mit einem strukturellen Defizit zu kämpfen hatten. Ich habe Verständnis, wenn Politiker bei mir oder dem Präsidenten anrufen und nachfragen, wie es zu der Entscheidung kam. Aber was ich nicht akzeptiere, ist, wenn Politiker uns für etwas angreifen, was der Staat selbst die ganze Zeit macht – nämlich über Ausschreibungen das beste wirtschaftliche Angebot zu ermitteln und dabei auch Aufträge ins Ausland zu vergeben. Das finde ich befremdlich.

Können die Reaktionen dazu führen, dass der DFB den Zuschlag für Nike überdenkt? Oder ist die Entscheidung definitiv?
Die Entscheidung steht fest.

Das heißt, der Vertrag ist unterschrieben?
Der Zuschlag an Nike ist vertraglich erteilt worden. Es gibt kein Zurück mehr. 

Und warum haben Sie die Entscheidung jetzt schon bekanntgegeben? Noch vergangene Woche hat der DFB mit Adidas in einer großen Inszenierung die neuen Trikots vorgestellt, und im Sommer kommt die Heim-EM.
Die beteiligten Unternehmen sind börsennotiert, entsprechend können Verträge wie beim DFB kursrelevant sein. Nachdem die Entscheidung diese Woche gefallen ist, mussten wir sie also auch zeitnah veröffentlichen. Dieses Timing haben wir den Beteiligten zu Beginn der Ausschreibung mitgeteilt. Kritik daran hätte man uns im Januar mitteilen müssen – und nicht jetzt, weil das Ergebnis so ist, wie es ist. 

Bislang ist geplant, dass die Nationalmannschaft während der EM ihr Quartier auf dem Adidas-Campus in Herzogenaurach aufschlagen wird. Bleibt es dabei?
Natürlich. Der DFB und Adidas sind seit 70 Jahren miteinander verheiratet. Und wir haben als Partner ja auch noch zwei Jahre gemeinsame Arbeit vor uns. In diese Zeit fällt nicht nur die Europameisterschaft und die WM 2026 bei den Männern, sondern auch eine EM der Frauen. Wenn wir uns alle beruhigt haben und sich die nachvollziehbaren Emotionen gelegt haben, dann werden wir die Zusammenarbeit mit Adidas genau so eng fortführen wie bisher. Jedenfalls wird es nicht an uns scheitern.

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