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Elon Musk Entzauberung eines Über-Unternehmers

Elon Musk am Sonntag auf der VIP-Tribüne des WM-Finales in Katar
Elon Musk am Sonntag auf der VIP-Tribüne des WM-Finales in Katar
© picture alliance / abaca | Niviere David/ABACAPRESS.COM
Elon Musk galt als unternehmerisches Genie, dem alles gelang. Mit dem Desaster bei Twitter reißt er nun sein eigenes Denkmal ein. Sein Rücktritt als CEO wäre für alle Seiten ein Gewinn

Elon Musks Seifenoper endet genauso bizarr wie sie vor einem Dreiviertel Jahr begann: mit einer Umfrage auf Twitter. Ob er als Twitter-CEO zurücktreten solle, fragte der Unternehmer am Sonntagabend die Internetgemeinde. Gut 60 Prozent der 17 Millionen Netzpassanten, die auf seinem Profil vorbeikamen, stimmten mit Ja.

Das Ergebnis der Abstimmtung sagt vermutlich weniger etwas über die Stimmung in dem sozialen Netzwerk aus als über den Absender selbst. Musk leitet damit seine eigene Kapitulation ein, nur sieben Wochen nach dem Antritt als Twitter-Chef. 

Seit März kann die Weltöffentlichkeit das tägliche Drama um Twitter live in den Timelines mitverfolgen. Die Rahmenhandlung: Ein Milliardär mit Weltrettungsfantasien will zum Wohle aller die von ihm in Schieflage geglaubte Meinungsfreiheit wiederherstellen, verkörpert durch den Kurznachrichtendienst Twitter. Die Bühne lässt sich Musk einiges kosten: Insgesamt 44 Mrd. Dollar zahlte der Unternehmer für die Social-Media-App.

Und am Anfang gab es durchaus einen Hoffnungsschimmer auf ein Happy End. Twitter war seit Jahren defizitär, das Produkt marode und die Reichweite fiel weit hinter Konkurrenten wie Facebook und Tiktok zurück. Einen Retter konnte das Unternehmen dringend gebrauchen. Wenn jemand solch ein Wunder vollbringen könnte, dann doch Überunternehmer Elon Musk. So dachten zumindest seine Investoren.

Musks Rücktritt wäre ein Befreiungsschlag

Bis zur Twitter-Show umgab Musk der Nimbus eines Genies. Mit seinen Unternehmen hatte er sich ein Denkmal als Jahrhundert-Talent gesetzt: zuvorderst mit Tesla, dem einzigen Start-up, dass sich mit E-Autos auf dem Massenmarkt etablieren konnte und sogar den traditionellen Autobauern davonfährt; und natürlich mit SpaceX, seiner Raketenfirma, mit der er die Menschen eines Tages zum Mars fliegen will. Seine treue Fangemeinde feiert ihn dafür. Manche sehen in ihm sogar den Retter der Menschheit, eine Art modernen Messias.

Klar, zuweilen wirkten Musks Entscheidungen erratisch, manchmal geradezu irrwitzig – etwa, als er als Nebenprojekt einen Flammenwerfer für 500 Dollar auf den Markt brachte. Oder als er in einem Interview vor laufenden Kameras Marihuana rauchte.

Bislang überwog allerdings der Eindruck, in all dem Chaos verstecke sich ein genialer Plan, den wir als Normalos nur nicht verstehen. Schließlich liegen Genie und Wahnsinn manchmal eng beieinander – und so schien auch der Schlingerkurs bei Twitter anfangs einer verborgenen Logik zu folgen.

Doch Twitter hat Elon Musk entzaubert.

Die vergangenen sieben Wochen seit seinem Antritt als CEO lassen sich nur als Desaster bezeichnen. Angefangen beim Kauf der Plattform, den er eigentlich rückgängig machen wollte, aber wegen einer drohenden Niederlage vor Gericht doch durchziehen musste.

Bei seinem Versuch, die Plattform neu aufzustellen, hat er massive Kollateralschäden in der Belegschaft hinterlassen und wichtige Werbekunden verschreckt. Sein Leuchtturmprojekt, das Bezahlangebot für verifizierte Profile mit blauem Haken, wurde nach kurzer Zeit wieder auf Eis gelegt. Und auch die Meinungsfreiheit, der angebliche Grund für den Kauf von Twitter, hat unter Musk mit diversen, teils willkürlichen Sperrungen von kritischen Stimmen gelitten.

Elon Musks Rücktritt als Twitter-CEO wäre deshalb für alle Beteiligten ein Befreiungsschlag. Für Twitter, bei dem unter einem Stellvertreter-CEO endlich wieder Ruhe einkehren könnte. Für Tesla, dessen Aktienkurs unter dem Drama der vergangenen Monate stark gelitten hat. Und auch für Elon Musk selbst, dem neben all seiner unternehmerischen Tätigkeiten offenbar die Energie für eine Fortsetzung der Twitter-Seifenoper fehlt.

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