Anzeige

Ölembargo Europas Schlag gegen Putins Öl wird der letzte für einige Zeit sein

Durchbruch am ersten Gipfeltag: Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel konnten von erfolgreichen Gesprächen über ein Ölembargo berichten
Durchbruch am ersten Gipfeltag: Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel konnten von erfolgreichen Gesprächen über ein Ölembargo berichten
© IMAGO / NurPhoto
Die EU hat sich auf ein teilweises Ölembargo gegen Russland verständigt. Doch zu weiteren Sanktionen wird sich die Gemeinschaft wohl nicht durchringen: Bei Erdgas sind die Gräben zu tief

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben ihren wochenlangen Streit überwunden und sich auf ein teilweises Embargo gegen russisches Öl geeinigt. Doch die Forderung, auch Putins anderen großen Geldbringer, nämlich Erdgas, ins Visier zu nehmen, öffnet neue Gräben in der Europäischen Union.

Die Staats- und Regierungschefs einigten sich darauf, den Kauf von Erdöl und Erdölerzeugnissen aus Russland auf dem Seeweg zu verbieten, wobei eine vorübergehende Ausnahme für Rohöl aus Pipelines vorgesehen ist. Auch wenn die Einzelheiten noch ausgehandelt werden müssen, bereitet die Vereinbarung den Boden für ein sechstes Sanktionspaket, mit dem Präsident Wladimir Putin für den Überfall auf die Ukraine bestraft werden soll.

„Der gestrige Tag hat bewiesen, dass die EU in der Lage ist, angesichts der russischen Aggression Geschlossenheit zu zeigen“, sagte der tschechische Premierminister Petr Fiala am Dienstag, dem zweiten Tag des EU-Gipfels in Brüssel. „Die Gespräche waren von Pragmatismus geprägt und verliefen schneller als erwartet, was eine klare Botschaft an Putin ist.“

Der lettische Ministerpräsident Krisjanis Karins sagte, dass die EU in der Frage der Gaslieferungen vorankommen müsse, wenn die Botschafter am Mittwoch über das Paket diskutieren. Er wies aber auch auf die größere Herausforderung hin, da die Versorgung mit diesem Brennstoff, von dem EU-Mitglieder wie Deutschland stark abhängig sind, nur schwer ersetzbar sei. „Man kann Öl in Lastwagen transportieren“, sagte er gegenüber Bloomberg TV. „Um Gas zu transportieren, braucht man spezielle Ausrüstung.“

Erdgas ist eine größere Baustelle

Während des wochenlangen Streits über das Ölembargo argumentierten Polen und die baltischen Mitglieder des Blocks, dass die Sanktionen nicht weit genug gingen, solange Gas nicht einbezogen werde. Die Mitgliedstaaten sind jedoch gespalten, dies in einem nächsten, siebten Paket zu berücksichtigen. Einige führende Politiker halten ein schnelles Handeln für unwahrscheinlich.

„Dieses Paket ist ein großer Schritt nach vorne, wir sollten nun eine Pause einlegen“, sagte der belgische Premierminister Alexander De Croo vor Reportern und nannte ein Gasembargo „viel komplizierter“.

Ölembargo: Europas Schlag gegen Putins Öl wird der letzte für einige Zeit sein

Der irische Premierminister Micheal Martin bezeichnete die am Dienstagabend erzielte Einigung als „Wendepunkt“ für die Abhängigkeit der EU von russischer Energie, machte jedoch deutlich, dass ein Konsens in der Gasfrage schwieriger zu erreichen sei. Der slowenische Regierungschef Janez Jansa wünschte seinen Kollegen „viel Glück“ bei der Suche nach einer Lösung.

Estlands Regierungschefin Kaja Kallas, die zu den schärfsten Befürwortern strengerer Maßnahmen gegen Putin gehört, äußerte sich ebenfalls zurückhaltend: „Ich denke, dass in einem siebten Sanktionspaket Gas enthalten sein muss“, sagte Kallas. „Aber ich bin auch realistisch und glaube nicht, dass es darin enthalten sein wird.“

Ungarn erhält weiter Öl aus der Pipeline

Das sechste Paket sieht vor, mehr als zwei Drittel der Ölimporte aus Russland zu streichen und damit „eine riesige Finanzierungsquelle für die russische Kriegsmaschinerie zu kappen“, so der Präsident des Europäischen Rates Charles Michel in einem Tweet.

Sobald sich Beamte und Diplomaten auf die technischen Details geeinigt haben, müssen die Sanktionen von allen 27 Staaten formell verabschiedet werden. Die Europäische Kommission hat vorgeschlagen, den Seetransport von Rohöl sechs Monate nach der Verabschiedung zu verbieten, während raffinierte Erdölerzeugnisse in acht Monaten gestoppt werden sollen.

Die Öllieferungen über die riesige Druschba-Pipeline nach Mitteleuropa sind ausgenommen, bis eine technische Lösung gefunden wird, um den Energiebedarf von Binnenstaaten wie Ungarn zu decken, das weiterhin russisches Öl über die Pipeline erhalten soll.

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hatte sich gegen ein Embargo gesperrt, weil er sichergehen wollte, dass die Energieversorgung seines Landes nicht unterbrochen wird. Budapest erhielt von den EU-Staats- und Regierungschefs Garantien, dass es im Falle einer Unterbrechung der Pipeline Ersatzlieferungen erhält, so zwei mit den Gesprächen vertraute Personen.

Der Ölpreis steuerte nach dieser Nachricht auf den längsten monatlichen Anstieg seit mehr als zehn Jahren zu. Die Rohölsorte Brent erreichte mit über 123 Dollar pro Barrel ein Zweimonatshoch.

Der Großteil der derzeitigen Pipeline-Lieferungen geht nach Deutschland und Polen, die signalisiert haben, dass sie sich unabhängig von den EU-Maßnahmen von russischen Lieferungen verabschieden werden. Berlin verpflichtete sich am Montag schriftlich, diese Zusage einzuhalten, so eine der Personen. Sollten beide Länder das Versprechen erfüllen, würde dies zusammen mit dem Embargo auf dem Seeweg dazu führen, dass 90 Prozent der russischen Rohölverkäufe in die EU bis zum Jahresende eingestellt werden.

Ölembargo: Europas Schlag gegen Putins Öl wird der letzte für einige Zeit sein

Etwa zwei Drittel der russischen Öleinfuhren entfallen auf den Seetransport, und nach Berechnungen von Bloomberg würde diese Sanktion Putin bis zu 10 Mrd. Dollar pro Jahr an Exporteinnahmen kosten, sobald sie in Kraft tritt. Das liegt daran, dass Russland durch das Verbot gezwungen wäre, sein Rohöl mit einem Abschlag nach Asien zu verkaufen, wo es bereits jetzt um etwa 34 Dollar pro Barrel billiger gehandelt wird als der Preis für Brent-Futures.

Aber das ist nur ein kleiner Teil der 270 Mrd. Dollar, die die russische Regierung in diesem Jahr für Energieexporte veranschlagt. Im vergangenen Jahr lieferte Russland über seine Hauptpipeline in die Region täglich etwa 720.000 Barrel Rohöl an europäische Raffinerien. Dem gegenüber stehen 1,57 Millionen Barrel pro Tag aus den Häfen in der Ostsee, dem Schwarzen Meer und der Arktis.

Weitere Maßnahmen des geplanten EU-Sanktionspakets sind:

  • Ausschluss von drei weiteren russischen Banken aus dem internationalen Zahlungssystem SWIFT, einschließlich Russlands größtem Kreditinstitut Sberbank.
  • Verbot der Erbringung von Beratungsdienstleistungen für russische Unternehmen und des Handels mit einer Reihe von Chemikalien.
  • Sanktionen gegen die frühere Olympia-Turnerin Alina Kabajewa, die einem EU-Dokument zufolge „eng mit Putin verbunden“ ist, und von Patriarch Kyrill, dem Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, der den russischen Präsidenten und den Krieg in der Ukraine nachdrücklich befürwortet. Ungarn habe sich jedoch gegen die Sanktionen gegen Kyrill ausgesprochen, hieß es.
  • Sanktionen gegen Dutzende von Militärangehörigen, einschließlich derjenigen, die für die mutmaßlichen Kriegsverbrechen in Butcha verantwortlich gemacht werden, sowie von Unternehmen, die den russischen Streitkräften Ausrüstung, Nachschub und Dienstleistungen liefern.

©2022 Bloomberg L.P.

Mehr zum Thema

Neueste Artikel