03. Mai 2022

Steatose: Ist die Leberverfettung eine Volkskrankheit?

25 Prozent der Erwachsenen in Deutschland haben eine Leberverfettung – aber sind alle krank? DGIM-Kongresssekretär PD Dr. Simon Hohenester berichtet anlässlich des 128. Kongresses der DGIM über Kontroversen rund um Diagnostik und Therapie der nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung.1

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Der folgende Beitrag von PD Dr. med. Simon Hohenester, Kongresssekretär des 128. Kongresses der DGIM und Oberarzt an der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des LMU Klinikums München, basiert auf der Abschlusspressekonferenz anlässlich des 128. Kongresses der DGIM.

Jeder vierte Erwachsene mit Steatose der Leber

Eine Steatose der Leber (umgangssprachlich „Leberverfettung“) beschreibt die (vermehrte) Einlagerung von Fetten in den Leberzellen. Die primär und ohne schädlichen Alkoholkonsum auftretende Form wird „nicht-alkoholische Fettlebererkrankung“, kurz NAFLD genannt (von „NonAlcoholic Fatty Liver Disease“). Der umgangssprachlich ebenfalls häufig verwendete Terminus „Fettleber“ greift bei einer ausgeprägten Steatose mit Einlagerungen von Fetttröpfchen in über 50 Prozent der Leberzellen. Die Steatose der Leber ist ein häufiger Befund und seine Prävalenz steigt kontinuierlich. Derzeit kann man in Deutschland bei etwa jedem vierten Erwachsenen eine Steatose der Leber finden.

Wo ist die Grenze zur „Krankheit“?

Wie in vielen Bereichen der Medizin ist nicht jede Abweichung von der Norm (hier also die Einlagerung von Fetttröpfchen in mehr als 5 Prozent der Leberzellen) mit einer Erkrankung gleichzusetzen. Die Speicherung von Energie gehört zu den physiologischen Aufgaben der Leber. Diese geschieht zum Teil in Form von Fetten (Lipiden). Als vermehrte Einlagerung von Lipiden in die Leber („Steatose“) wird der Nachweis von mehr als 5 Prozent Fetteinlagerungen in den Leberzellen definiert. Sie ist häufiger (Zufalls-)Befund. Eine sichere klinische Relevanz des Zufallsbefunds einer reinen Steatose ist derzeit nicht sicher belegt. Ein Screening der Allgemeinbevölkerung wird aufgrund der geringen klinischen Relevanz und des geringen Progressionsrisikos daher nicht empfohlen [1]. Dagegen ist ein Screening in Risikopopulationen wichtig, das heißt bei Patienten zum Beispiel mit Diabetes mellitus Typ 2, Adipositas oder metabolischem Syndrom. Ein Screening kann mittels Ultraschall oder mittels Berechnung des „fatty liver index“ / FLI erfolgen. Letzterer beinhaltet die Faktoren BMI, Bauchumfang, Serum-gamma-GT, Serum-Triglyceride. Entscheidend für die Abschätzung, ob eine relevante Fettlebererkrankung vorliegt, ist das Vorliegen einer Leberfibrose. Dies wird auch in der aktuell noch als Konsultationsfassung vorliegenden aktualisierten Leitlinie betont.1

Das Risiko für das Vorliegen einer Leberfibrose sollte im Alltag mittels Risikoscores wie „FIB-4“ (dieser beinhaltet die Faktoren Alter, Thrombozytenzahl, AST und AL) oder NFS (‚NAFLD fibrosis score‘, erfolgen. Zeigt sich hierbei ein hohes Risiko für eine Fibrose oder ein intermediäres Risiko mit zusätzlicher Erhöhung der Serum- „Leberwerte“, sollte eine spezifische Diagnostik beim Facharzt (Gastroenterologie/Hepatologie) erfolgen. Das Stadium der Fibrose ist der entscheidende Faktor für die Relevanz der NAFLD. Mit zunehmendem Fibrosestadium steigen Gesamt- und leberspezifische Sterblichkeit kontinuierlich an.2,3

Steatose der Leber als metabolisches Warnsignal?

Wenn, wie oben beschrieben, kein sicherer Zusammenhang zwischen einer einfachen Steatose der Leber (das heißt Steatose der Leber ohne Fibrose) und einer erhöhten Krankheitslast oder Sterblichkeit besteht, ergeben sich dann überhaupt Konsequenzen aus einem solchen Befund? Die NAFLD wird heute als Komponente des metabolischen Syndroms verstanden, das mit einer Reihe von Folgeerkrankungen verknüpft ist (unter anderem Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie). Auch die einfache Steatose kann in diesem Kontext ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko anzeigen.4,5 Sie ist daher als metabolisches Warnsignal zu verstehen. Wenn eine Steatose der Leber festgestellt wird, sollten aufgrund der engen wechselseitigen Assoziation der NAFLD mit metabolischen Risikofaktoren die weiteren Komponenten des metabolischen Syndroms (Fettleibigkeit, Insulinresistenz, Dyslipidämie und Bluthochdruck) und kardiovaskuläre Risikofaktoren untersucht und zur Minimierung des kardiovaskulären Risikos gegebenenfalls behandelt werden. Dazu gehören BMI, Bauchumfang, arterieller Blutdruck, Nüchternglukosewert, HbA1c, Serum-Triglyceride und LDL- /HDL-Cholesterin.

Therapie: Was erkärt den Fokus auf medikamentöse Therapien?

Goldstandard der Therapie ist die Lebensstiländerung: Übergewichtigen Patienten (das heißt BMI 25 bis 30kg/m^2^) mit NAFLD ist eine Reduktion des Körpergewichts um mindestens fünf Prozent zu empfehlen, adipösen Patienten (BMI größer als 30kg/m^2^) um zehn Prozent. Genauso wichtig ist ein kontinuierliches aerobes Training über wöchentlich mindestens drei Stunden. Die (dauerhafte) Reduktion des Körpergewichts und die Änderung des Lebensstils sind äußerst schwer zu erreichen. Diese Alltagsproblematik vieler Betroffener und Behandler kann zu therapeutischem Nihilismus führen und erklärt unter anderm die Fokussierung auf medikamentöse Therapien. Mit professioneller Unterstützung kann, unter anderem in spezialisierten Zentren, jedoch auch bei fortgeschrittener Adipositas eine langfristige Gewichtsreduktion mit guten Ansprechraten erreicht werden und führt zu einer deutlichen Verbesserung der NAFLD.6,7 Neben kalorienangepasster Kost, mediterraner Diät, Reduktion schnell verstoffwechselbarer Kohlenhydrate und aerobem Training soll als wichtige Maßnahme die Wahl der Alltagsgetränke erwähnt werden. Diese stellen häufig auch eine relevante Energiequelle dar. Als „gesunde“ Getränke können Patienten mit NAFLD vor allem Wasser und Kaffee empfohlen werden.

Medikamentöse Therapie: Medikamente zur gezielten Therapie bei NAFLD-Fibrose befinden sich in der fortgeschrittenen klinischen Erprobung, eine Zulassung ist aber aktuell noch nicht absehbar. Patienten mit NAFLD ohne Leberfibrose haben nach aktuellem Kenntnisstand keinen Bedarf für eine medikamentöse Therapie. Bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 und NALFD kann der Einsatz von GLP-1-Agonisten oder SGLT2-Inhibitoren empfohlen werden, da diese auch positive Effekte auf die NAFLD haben.2 Bei Patienten mit arterieller Hypertonie und NAFLD scheinen auf dem Boden vorläufiger Daten ACE-Inhibitoren einen günstigen Effekt zu haben.8

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