„HR in den Vorstand bringen“: Erstes Personalforum setzt wichtige Impulse

contec_Personalforum_Thomas Müller, Geschäftsführer der contec GmbH hält einen Vortrag vor einem interessierten Publikum aus Top-Manager*innen der Gesundheits- und Sozialwirtschaft.
Dienstag, 31 Oktober 2023 12:41

Beim ersten Personalforum begrüßte contec rund 80 Teilnehmer*innen aus dem Top-Management der Gesundheits- und Sozialwirtschaft im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund. An zwei „Spieltagen“ voller anregender Diskussionen, spannender Vorträge und innovativer Ideen ging es um die Zukunft der Personalarbeit. Die Veranstaltung fand am 17. und 18. Oktober 2023 anlässlich des 15-jährigen Jubiläums der Personalberatung conQuaesso® JOBS statt.

Klares Ziel: HR muss Chefsache werden – aber wie?

„Es steht außer Frage, dass HR auf Vorstandsebene eine Schlüsselrolle einnehmen muss“, erklärte Dr. Thomas Müller, Geschäftsführer der contec GmbH und Leiter von conQuaesso® JOBS. „Die eigentliche Herausforderung liegt darin, wie Organisationen diesen Prozess am effektivsten gestalten können.“ Eva Lettenmeier, Chief Human Resources Officer der Korian Deutschland GmbH, zeigte, wie das gelingen kann: Die gründen nämlich derzeit einen mitbestimmten Aufsichtsrat. In dessen Zentrum stehen die Arbeitsdirektor*innen.

„Der/die Arbeitsdirektor*in ist gewissermaßen der Personalvorstand im Unternehmen und geht weit über die konventionelle Rolle eines Personalchefs hinaus“, erklärte Lettenmeier. Genau wie die Arbeitnehmervertreter*innen im Aufsichtsrat, gehört er/sie zur Leitung des Unternehmens und fungiert als Brückenbauer*in zwischen Vorstand und Belegschaft. Der/die Arbeitsdirektor*in ist Vertrauensmanager*in der Belegschaft und gleichberechtigtes Mitglied im Vorstand. „Ich bin überzeugt, dass Mitarbeiterorientierung auch heißt, mit gemeinsamer Verantwortung Ernst zu machen“, betonte Lettenmeier. Entscheidend sei dabei die Verschmelzung von unternehmerischer und sozialer Verantwortung. „Es geht darum, eine kooperative Modernisierung und gemeinsame Verantwortung im Unternehmen zu fördern“, so Lettenmeier. Die Grundlage dafür bilden Werte, die nicht von oben verordnet, sondern gemeinsam entwickelt werden.

Paradoxien in der HR-Arbeit: Die Gratwanderung meistern

Nicht selten entstehen in Unternehmen Spannungsfelder, in denen sich die Interessen der Mitarbeitenden und die Unternehmensziele zu widersprechen scheinen. Der Brückenschlag zwischen beiden Seiten gelingt meist nicht mühelos. Björn Neßler, Vorstand der Bergischen Diakonie Aprath, verwies auf Spannungen zwischen individuellen Mitarbeiterinteressen und den kollektiven Unternehmenszielen, zwischen Flexibilität und Stabilität, zwischen kurzfristigen und langfristigen Zielen. Er betonte die Notwendigkeit, diese Spannungsfelder in der HR-Arbeit zu erkennen und an ihnen zu arbeiten, indem Führungskräfte aktiv mit den Mitarbeitenden ins Gespräch kommen. Gleichzeitig kritisierte er: „Leider ringt die Personalabteilung trotz ihrer strategischen Bedeutung immer noch um Anerkennung bei der obersten Führungsriege.“

Zukunftsmodell CHRO?

Dr. Hasan Sürgit vom DRK Landesverband Westfalen-Lippe warf die Frage auf, ob das Modell des Chief Human Resources Officer (CHRO) eine Antwort auf die vielfältigen Herausforderungen in der Personalwirtschaft sein kann. Dr. Sürgit unterstrich dabei die zahlreichen Belastungen, mit denen die Branche konfrontiert ist, angefangen bei der Digitalisierung über komplexe Umwälzungen wie die Personalbemessung bis hin zu den aktuellen Bundeshaushaltskürzungen. Doch der schmerzlichste Punkt, so betonte er, sei das Thema Personal – wie können wir den damit verbundenen Herausforderungen also begegnen?

Die Kernaufgaben des CHRO als Personalleiter*in oder Personalvorständ*in auf gehobener Ebene umfassen unter anderem das Formulieren einer HR-Strategie, die Entwicklung der Unternehmenskultur, das Etablieren von Personalpolitik und -management, die Gewinnung und Bindung von Mitarbeitenden und die Umsetzung von Personalentwicklungsstrategien. Darüber hinaus spielt der CHRO eine zentrale Rolle bei der systematischen Lösung von Konflikten.

„Angesichts der ständigen Veränderungen in der Arbeitswelt müssen Unternehmen flexibel reagieren. Das CHRO-Modell hilft dabei, sich auf diese Veränderungen vorzubereiten, indem es den Fokus auf die Menschen richtet und die erforderlichen Ressourcen zur Verfügung stellt“, verdeutlichte Dr. Sürgit.

Die Frage, ob das CHRO-Modell tatsächlich die Antwort auf die Herausforderungen der Branche ist, sei jedoch abhängig von den spezifischen Bedürfnissen, Zielen und Ressourcen einer Organisation. „Das Zukunftsmodell sollte nicht allein ‚CHRO‘ heißen, sondern Vernetzung, Transformation und Solidarität“, beendet Dr. Sürgit seine Ausführungen. Ein solcher Ansatz betone die gemeinsame Anstrengung, um die vielen Herausforderungen in der Personalwirtschaft zu bewältigen und so die Zukunft der Branche zu gestalten.

Kurzinterviews: Warum sollte HR Chefsache werden?

▶️Dr. Thomas Müller, Geschäftsführer contec GmbH und Leiter conQuaesso® JOBS

▶️Marc Schaaf, Geschäftsführer AWO Unterbezirk Ruhr

▶️Stefanie Krones, Caritasdirektorin Caritasverband Westerwald-Rhein-Lahn

 

Vom Rasen ins Büro: Was kann die Branche vom Teamsport lernen?

Was kann die Gesundheits- und Sozialwirtschaft vom Teamsport lernen? Vieles – machten die ehemalige Fußballspielerin und Vorständin des AWO Bundesverbands, Claudia Mandrysch, und der Manager des Hamburger Inklusionsteams „Die Hockies“, Michael Krohn, deutlich. Mit einem besonderen Bezug zum Veranstaltungsort im Deutschen Fußballmuseum erläuterten sie, welche Erfahrungen sie im Sport gemacht haben und setzten damit wichtige Impulse für eine erfolgreiche Zusammenarbeit im Unternehmen.

Mandrysch hob die Stärken des Spitzensports hervor, die ihrer Meinung nach auch für Unternehmen wichtig sind. Dazu gehören klare Ziele und Prinzipien, die Definition von Strategie und Taktik, die Fähigkeit zur komplementären Zusammenarbeit, umfangreiche Datenerhebung und eine starke Fehlerkultur. Besonders betonte sie, dass im Spitzensport wie im Unternehmen der Erfolg des Vereins untrennbar mit den Spieler*innen bzw. den Mitarbeitenden verbunden ist.

Michael Krohn erzählte von seiner Erfahrung in der Arbeit mit einer inklusiven Hockey-Mannschaft. Er betonte, dass dort die individuelle Leistungsfähigkeit, das Spielen nach eigenen Regeln und die Rücksicht auf Schwächere besonders zählen würden – Werte, die auch auf die Unternehmenswelt übertragen werden sollten.

Die Rolle von Führungskräften

Diözesancaritasdirektor Stephen Jentgens skizzierte den Prozess des Übergangs von der Organisations- zur Personalentwicklung bei der Caritas Aachen. Kern seiner Botschaft war die Erkenntnis, dass obwohl die Kultur einer Organisation schwer beeinflusst werden kann, es dennoch Stellschrauben gibt, an denen gedreht werden kann.

Eine dieser zentralen Stellschrauben ist die eigene Haltung. Hierbei ist es von entscheidender Bedeutung, die eigenen Systeme und Strukturen zu reflektieren. Führungskräfte können wesentliche Veränderungen bewirken, indem sie Verantwortung an die Teams abgeben und für flexible, aber klare Rollen innerhalb der Teams sorgen. Es gehört auch zu ihren Aufgaben, als Vorbilder zu agieren, Freiräume zu schaffen, dezentrale Entscheidungsprozesse zu ermöglichen und Informationen transparent zu machen.

Wie Megatrends die Personalarbeit beeinflussen

Die Auswirkungen von Megatrends auf die Personalarbeit behandelte Prof. Margit Geiger von der Hochschule Bochum. Sie verwies darauf, dass sich alle Branchen mit neuen Arbeitsformen, Laufbahnmodellen und Wertvorstellungen auseinandersetzen müssen, um langfristig Mitarbeitende zu gewinnen und wettbewerbsfähig zu bleiben. Megatrends wie die Individualisierung, der Fokus auf Nachhaltigkeit, das Aufbrechen von stereotypen Geschlechterrollen und die Bedeutung von Sinnhaftigkeit in der Arbeit wirken auf die HR-Prozesse und erfordern Anpassungen im Unternehmen.

Prof. Geiger bekräftigte die Notwendigkeit einer Weiterentwicklung von Unternehmens- und Führungskultur, das Umstellen auf flexible Arbeitszeitmodelle, das Angebot von hybridem Arbeiten und mobilen Arbeitsformen sowie von transparenten und innovativen Entgeltsysteme. Obwohl der Spielraum für flexible Arbeitszeiten und mobiles Arbeiten in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft nicht so groß ist wie in anderen Branchen betonte Prof. Geiger: „Jedes Unternehmen sollte herausfinden, was in diesem Bereich möglich ist und gegenüber Mitarbeitenden klar kommunizieren, wenn etwas nicht geht und warum.“ Eine effektive Maßnahme für Pflegeunternehmen sei es zum Beispiel, die Gestaltung der Dienstpläne in die Hände der Teams zu legen.

contec-Berater Boris Janek gab Einblicke in die Anwendung künstlicher Intelligenz (KI) für die Personalakquise und Mitarbeiterentwicklung. Er wies darauf hin, dass KI schon heute in verschiedenen HR-Bereichen eingesetzt werden kann, zum Beispiel beim Onboarding, beim Wissensmanagement und bei Mitarbeiterbefragungen. Janek betonte die rasanten digitalen Entwicklungen der letzten Jahre und die beschleunigende Wirkung von Ereignissen wie der Corona-Pandemie. Sein Appell lautete daher: „Warten Sie nicht, sondern nutzen Sie die Potenziale von KI schon heute aktiv!“

Gespräche am „Stammtisch“ – wie geht gute Personalarbeit?

Am gemeinsamen „Stammtisch“ stellten einige der Teilnehmenden Best Practices aus ihren Organisationen vor. Dabei ging es u. a. um die Förderung von Vielfalt und Transparenz in Entscheidungsprozessen, die Einführung von KI und anderen Technologien zur Automatisierung von HR-Abläufen und die Neuorganisation von Unternehmen mit Mitarbeiterbeteiligung. Zusammen mit dem Publikum wurden zudem akute Herausforderungen, innovative Ansätze und kontroverse Themen diskutiert, wie die Einführung einer Frauenquote für das Top-Management oder der 4-Tage-Woche zur Gewinnung junger Fachkräfte.

„Die Veranstaltung hat uns wichtige Denkanstöße und Impulse für die Zukunft der Personalarbeit in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft gegeben“, resümiert Dr. Thomas Müller. „Wir haben gemeinsam die Notwendigkeit für Organisationen unterstrichen, HR in den Fokus zu rücken und eine strategische Position für die Personalarbeit auf Vorstandsebene zu schaffen. Wir freuen uns sehr über die spannenden Erkenntnisse, die wir aus dem ersten contec-Personalforum mitnehmen konnten!“

Text: Katharina Ommerborn
© Philip Schunke, contec

Thomas Müller

Portrait von Dr. Thomas Müller, Geschäftsführer, der contec

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