DenkMensch!

Übers Weglaufen ...

Theo
Apr. 11, 2022

Übers Weglaufen

Barfuß und im Schlafanzug stapft sie siegessicher die Straße entlang. Die Arme trotzig vor dem Körper verschränkt und ein Gesichtsausdruck, der mehr als Tausend Worte verrät. Der Asphalt unter ihren Füßen ist noch warm von dem heißen Sommertag, der sich langsam dem Ende neigt. Es ist noch hell, und die letzten Sonnenstrahlen des Tages leuchten ihr ins Gesicht. Die Blicke der Leute sind ihr in diesem Moment egal, denn sie hat ihr Ziel fest im Blick. Sie geht und geht, immer weiter und weiter … kurz vor ihrem Ziel fährt ein Auto an ihr vorbei und hält an: Ihre sorgenvolle und wütende Mutter steigt aus und nimmt ihre 5-jährige Tochter schnurstracks wieder mit nach Hause. Sie war einfach weggelaufen. Und jetzt war sie eingeholt worden.


Scheinbar war ich schon immer eine „Wegläuferin“. Weglaufen – das ist so eine Sache. Ich bin in meinem Leben schon öfter davongelaufen, vor etwas weggelaufen. Damit bin ich bestimmt nicht die einzige. Kennst du das auch? Manchmal wird uns einfach alles zu viel, zu eng, zu weit, zu unübersichtlich, zu peinlich, zu schnell, zu kompliziert … und dann laufen wir weg. 
Heute möchte ich dir die Frage stellen: Wovor bist du (schon einmal) weggelaufen? Tust du es noch oder immer wieder? Was ist es bei dir, das dich zum Davonlaufen bringt? War es ein Berufswunsch, den du in der Kindheit hattest, der dir aber ausgeredet wurde oder von dem du dachtest, das schaffst du sowieso nie? Ist es ein Hobby, das du gerne ausprobieren würdest, aber du traust dich nicht, weil du scheitern könntest? Ist es dein Glaube, der dir gerade abhanden kommt oder den du vielleicht sogar schon lange aufgegeben hast? Sind es Ängste, denen du dich nicht stellen willst, weil sie zu groß sind?

Ich persönlich laufe immer wieder ich vor meinen Ängsten weg, und da gibt es manche. Ich habe zum Beispiel Angst, mit dem Aufzug zu fahren, weil ich fürchte, dass er stehen bleiben könnte. Ich habe eine gewisse Angst vor Reisen, weil mich der Gedanke aufwühlt, so weit weg von zu Hause zu sein. Der Angst vor dem Aufzug hab ich mich tapfer gestellt, aber es fällt mir immer noch schwer. Trotzdem ist es ein gutes Gefühl, sich davon nicht in die Enge treiben zu lassen. Gegen die Angst vor dem Reisen tue ich gelegentlich folgendes: ich verreise. Wovor ich in meinem Leben auch immer wieder weggelaufen bin, ist Gott, und es passiert mir immer noch manchmal. Manchmal wenn mir irgendwas nicht gepasst hat oder ich etwas nicht verstanden habe, war ich offline. Dabei verrenne ich mich so oft einfach nur in meinen eigenen Gedanken oder Annahmen, die sich später manchmal als gar nicht zutreffend herausstellen. Manchmal bin ich einfach stur oder beleidigt, oder aber ich bin enttäuscht und denke, ohne Gott glücklicher zu sein. Oft bin ich vor Gott weggelaufen aus Angst– Angst, mich lächerlich zu machen, Angst, nicht dazu zu passen, Angst, enttäuscht zu werden, Angst, etwas anderes zu verpassen, Angst, dass er gar nicht existieren könnte, Angst, komisch zu werden wie alle anderen ChristInnen ...
Ich glaube, dass es oft diese
Angst-Stimme ist, die uns einflüstert, dass wir doch lieber davonlaufen sollten. Egal, ob es um unseren Glauben, unsere Träume und Wünsche, Hobbys, unsere Ängste oder was auch immer geht, sagt uns diese Stimme: „Lauf weg!!! Lauf schnell weg und komm nicht mehr zurück! Das hier ist nichts für dich. Du wirst dich blamieren, du kannst das nicht, du wirst scheitern. Du passt hier nicht dazu. Lauf weg!“ …. Und dann laufen wir davon. Manchmal ist das ein schleichender Prozess, manchmal ein krasser Schnitt. Aber wir sind dann weg.


Ich finde, Weglaufen ist total menschlich. Dabei ich finde es ehrlich gesagt auch ganz schön feige. Eigentlich ist es die heftigste Reaktion, die wir zur Verfügung haben: Anstatt das Gespräch oder eine Lösung zu suchen, entscheiden wir uns dazu, einfach wegzulaufen. Aber manchmal können wir vielleicht einfach nicht anders. Ich glaube allerdings, dass uns das, wovor wir weglaufen, früher oder später einholen wird.


Deshalb die Frage an dich: Wovor läufst du weg? Hör mal in dich hinein. Gibt es da etwas? Wenn nicht, umso schöner!!! Aber sei ehrlich zu dir, dir selbst kannst du ja nichts vormachen. Und falls: Was sind deine Gründe fürs Weglaufen? Ist es Angst? Oder Scham? Zweifel? Oder etwas ganz anderes, vielleicht auch etwas Banales?
Ich bin der Meinung: Wir sind nicht gemacht fürs Weglaufen, nicht gemacht für ein Leben auf der Flucht. Wir sind gemacht, um anzukommen.





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